Der
Koch versuchte mich auf dem Rückweg daran zu hindern einen seiner Angestellten
von der Arbeit abzuhalten, doch ich schwenkte nur die Schaufel und er gab Ruhe.
Der Alte schien recht vergnügt zu sein während er mir folgte und auch die
Tatsache, dass ich die TSoD besaß, verschreckte ihn nicht.
„Wussten
Sie, dass wir hier sind und wonach wir suchen?“, fragte ich ihn neugierig.
„Natürlich.“
„Warum
haben Sie uns dann nicht vorher geholfen? Als wir das erste, zweite oder dritte
Mal in der Drachenschenke waren?“
Ich
konnte den Ärger nicht ganz aus meiner Stimme heraushalten. Hätten wir ihn
vorher getroffen, wären wir nie zu Estelle gegangen. Wir hätten nie ins alte
Hexenhaus gehen müssen und Phoenix würde noch leben. Meine Oma könnte ihre Hand
noch haben und wir hätten nie die eklige Erfahrung machen müssen mit einer
goldenen Kloppbürste zu kämpfen.
„Mich
findet man nur wenn man am schlimmsten Punkt seiner Geschichte angekommen ist.
Wenn es keinen Ausweg mehr gibt und alles verloren scheint. Dann trete ich auf
den Plan. Manchmal. Wenn man mich sucht.“
Das
hörte sich für mich immer noch sehr ominös an, aber da er gesagt hatte, dass er
uns helfen würde, würde ich bestimmt nicht anfangen ihn nun anzuschreien.
Später vielleicht, je nachdem ob er uns wirklich helfen konnte oder nicht.
Der
Rest der Gruppenmitglieder war immer noch in das Gespräch mit Mr. Ian Woon
vertieft und sie bemerkten es kaum als ich mich setzte. Sobald ich meine
Gedanken wieder mit der Gedankenspinne verbunden hatte, erfuhr ich, dass gerade
Phoenix‘ Tod in allen Einzelheiten geschildert wurde.
„Ähm.“
Es war ein seltsames Gefühl sich in Gedanken zu räuspern, aber interessanterweise
funktionierte es. „Ganz ganz vielleicht habe ich eine Lösung gefunden. Oder
jemanden, der eine Lösung kennt.“
Alle
drehten ihre Köpfe, um den Mann zu betrachten, der auf einem freien Stuhl an
unserem Tisch Platz genommen hatte.
„Hallo.“
Er lächelte freundlich.
„Wer
ist das?“ Warum Blue in Gedanken flüsterte, war mir ein Rätsel.
„Er
sagt er sei der Weise aus der Küche“, dachte ich. „Keine Ahnung, um ehrlich zu
sein. Der Zeigefinder hat mich zu ihm geführt.“
„Ich
kenne ihn!“, schrie meine Oma, in Gedanken und laut, was alle zusammenfahren
ließ. „Oder ich habe zumindest von ihm gehört. Er geistert durch die Küchen des
NaNo-Landes. Manchmal gibt er Leuten Tipps wenn sie ihn durch Zufall auf ihre
Probleme ansprechen. Allerdings dachte ich eher das wäre eine Legende…“
„Das
sagen einige auch über die Traveling Shovel of Death.“ Mr. Ian Woon hörte sich
nachdenklich an.
„Warum
ist der nicht früher auf uns zugekommen?“, fragte Blue genervt.
Ich
wiederholte in Gedanken das Gespräch von eben und er schnaubte nur. Meine Rede.
Allerdings konnten wir Hilfe gut gebrauchen und es wäre mehr als dumm sie
abzulehnen.
„Redet
mit ihm. Falls dabei etwas herauskommt, erstattet mir Bericht“, sagte Mr. Ian
Woon. „Ich schaue währenddessen wie weit der Rat gekommen ist.“
Das
Gespräch war damit erst einmal beendet. Nun konnten wir uns unserem Gast
zuwenden. Meine Oma wahrte als einzige ihre Förmlichkeit und bestellte dem
Weisen aus der Küche etwas zu Trinken.
„Also“,
begann ich. „Was meinen Sie was wir tun müssen um die Bunnyinvasion zu
beenden?“
„Ist
das nicht offensichtlich?“, fragte er. „Benutzt euren Verstand! Wenn die Bunnys
nicht getötet werden können, sondern nur durch das Schreiben ihrer Geschichten
losgeworden werden können, was muss geschehen?“
„Sie
müssen geschrieben werden, natürlich. Genau das ist ja das Problem. Es gibt
einfach nicht genug Leute hier!“, beschwerte ich mich.
„Dann
ist die Lösung genauso einfach. Ihr müsst mehr Leute dazu bekommen ins
NaNo-Land zu kommen.“
Der
Weise aus der Küche nahm einen Schluck von seinem Orangensaft und lehnte sich
in seinem Stuhl zurück als hätte er uns gerade die Lösung des Problems
verraten. Mir kam es jedoch nicht so vor.
„Das
hört sich eher an als hätten Sie uns ein neues Problem aufgehalst“, sagte ich.
„Du
würdest dich wundern wie oft die Lösung eines Problems selbst ein Problem
aufwirft“, war seine Antwort.
Super.
Schon wieder so einer der meinte hilfreich zu sein, aber nur in Rätseln sprach.
Es war außerdem nicht gerade schön zu hören, dass wir das Problem angeblich die
ganze Zeit von der falschen Seite angegangen waren.
„Woher
kommen die ganzen Schreiber?“, fragte er weiter.
„Aus
der richtigen Welt“, sagte meine Oma. „Sehr viele kehren dorthin auch zurück
sobald der November vorbei ist und schreiben nur wenn NaNoWriMo ist.“
„Ganz
genau.“ Der Weise aus der Küche strahlte sie an. „Also müsst ihr Leute dazu
bringen aus der richtigen Welt ins NaNo-Land zu kommen.“
Und
wie genau sollten wir das anstellen? Mich hatte meine Oma dazu gebracht mich an
NaNo zu wagen. Genug Werbung gab es eigentlich auch. Vor allem im Oktober wurde
auf vielen Internetseiten darüber geredet; man musste nur die Ohren aufmachen.
Außerdem… viel Zeit hatten wir nicht mehr, denn die meisten Leute wollten
zumindest ein wenig planen bevor sie sich auf dreißig Tage voller Wahnsinn
einließen.
Blue
stellte dieselbe Frage. „Wie bekommen wir die dazu hier hinzuwollen? Ich
erinnere mich selbst kaum noch wie es dazu gekommen ist, dass ich das erste Mal
beim NaNo mitgemacht habe.“
„Ihr
müsst einen gruppalen Infekt in der realen Welt freisetzen. Wenn sich genug
Leute damit infizieren, kommen bestimmt einige zum NaNoWriMo“, schlug der Weise
aus der Küche vor.
„Das
hört sich gefährlich an… ich will keine Leute mit irgendwas anstecken!“,
protestierte ich.
„Ihr
seid doch alle schon längst identifiziert. Das ist jeder hier! Der gruppale
Infekt greift immer während oder kurz vor NaNo um sich. Dabei stecken sich ganz
viele Leute mit dem Wunsch an ihre Plotbunnys aufs Papier zu bringen und einen
Monat lang zu schreiben. Oder generell mal zu schreiben. Jeder, der beim
NaNoWriMo mitmacht hat ihn!“
Von
dieser Seite aus betrachtet… es schien manchmal wirklich als hätten sich die
Leute hier mit dem Wahnsinn in Person infiziert. Ich war mittlerweile keine
Ausnahme mehr; immerhin lief ich in Robben durch die Gegend, hatte eine
Schaufel als Waffe und war Gast auf einem Piratenschiff gewesen. Normal konnte
man das jedenfalls nicht nennen.
„Okay,
wie bekommen wir den in die richtige Welt?“, fragte Blue, der unterdessen sein
Plotbunny streichelte.
„Ihr
selbst könnt ihn nicht mehr übertragen, höchstens an einzelne Personen. Also
muss eine neue Person in diese Welt kommen und bei ihrem Eintritt muss der
gruppale Infekt in die reale Welt geschleust werden. Ich schlage vor, dass ihr
versucht euren Autor zu motivieren bei NaNoWriMo mitzumachen“, sprach er weise
weiter.
So
weise fand ich das allerdings nicht. Das erinnerte mich zu sehr an die
Unterhaltung, die ich mit dem Mund der Dares geführt hatte.
„Aber
wir haben keinen Autor! Wir sind immerhin nicht einfach nur eine Geschichte.
Wir sind real. Das hier passiert wirklich.“ Okay, der Kerl war vollkommen
durchgeknallt.
„Natürlich
ist das hier eine Geschichte! Alles was wir tun oder lassen ist eine
Geschichte! Und eine vernünftige Geschichte wird niedergeschrieben. Nur weil
ihr euren Autor nicht sehen könnt, heißt das nicht, dass es ihn nicht gibt“,
sagte der Weise aus der Küche. „Am besten lockt ihr einen Autor hervor, indem
ihr ihn zur Weißglut bringt“, beantwortete er meine nächste, unausgesprochene
Frage. „Tut das Gegenteil von dem, was in eurer Natur liegt. Macht Quatsch.
Manövriert euch in ausweglose Situationen. Oder tut einfach gar nichts. Das
regt Autoren am allermeisten auf.“
Der
war nicht nur vollkommen durchgeknallt, er war komplett geistesgestört. Wie
konnte er nur denken, dass wir nichts weiter als eine Geschichte waren?
„Aber
wie können wir eine Geschichte sein wenn wir selbst aus der richtigen Welt hierhergekommen
sind?“, fragte Blue. Seine Stirn war gerunzelt während er versuchte alles zu
verarbeiten.
„Im
NaNo-Land haben Charaktere die seltsame Angewohnheit die Rollen zu tauschen,
überhaupt erst zu entstehen oder sich zu verändern. Schaut euch nur den
Drecktor und seinen Sohn an. Auch sie waren einmal Autoren. Und sie sind es
immer noch. Aber sie sind auch Wesen dieser Welt, und das bedeutet sie sind
nichts anderes als Charaktere.“
Alles
klar. Das war mir zu hoch. Diese ganzen philosophischen Fachsimpeleien waren
für mich absolut unverständlich. Die einzige, die noch wissend nickte, war
meine Oma. Hannes hatte das ganze Gespräch über nichts gesagt, sondern immer
von einem zum anderen geschaut wie bei einem Pingpongspiel. Freundschaf kaute
statt zuzuhören auf der Tischdecke herum. Es fehlte bereits ein beachtliches
Stück.
„Mal
angenommen das mit dem Autor stimmt“, führte ich das Gespräch weiter. „Und ich
bin davon immer noch nicht ganz überzeugt, aber tun wir mal so. Wie würden wir
den Autor hierher schaffen wenn wir ihn überzeugt haben?“
Das
war mir schon aufgefallen als ich hier gelandet. Ich wusste zwar noch warum ich
beim NaNoWriMo mitmachen wollte, aber wie ich in dieses Land gekommen war, war
mir ein einziges Rätsel. Es war als hätte jemand die Erinnerung vollkommen aus
meinem Gedächtnis gelöscht.
„Theoretisch
ist es einfach. Es gibt einen Übergang zwischen dem NaNo-Land und der Realität.
Er öffnet sich nur wenn neue Wrimos eintreffen. Genau zu einem solchen
Zeitpunkt müsst ihr dort sein und den gruppalen Infekt loslassen.“
„Und
wo ist diese Grenze zur Realität?“, fragte Blue. Er sah immer noch eher genervt
aus als alles andere.
„Das
ist das Problem. Niemand weiß es“, sagte der Weise aus der Küche.
Na
super. Von einem Problem zum nächsten. Die Vorstellung des Damoklesproblems
erschien mir immer plausibler je mehr ich mit diesem angeblichen Weisen redete.
Dann jedoch kam mir eine Idee. Bei meinem Aufschrei zuckten alle zusammen außer
der Weise und Freundschaf. Letzteres kaute ruhig weiter an der Tischdecke
herum. Der Weise hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und sah mich interessiert
an.
Ich
zog den Zeigefinder aus meiner Tasche. Hoffentlich funktionierte das Ding, aber
heute schien es gute Laune zu haben, denn es hatte mich zum Weisen aus der
Küche geführt. Andererseits ging der mir gerade gehörig auf den Wecker, also
konnte der Zeigefinder genauso gut darauf aus sein mich zu ärgern. Trotzdem gab
ich unser Ziel ein.
404-not found.
Ich
fluchte so laut, dass die Hälfte der Gäste im Schankraum mich mit wütenden
Blicken bedachte. Die sollten mal versuchen mit einem Zeigefinder zurechtzukommen.
Da wollte ich die nach zwei Tagen sehen. Ich hingegen schlug mich bereits seit
knapp einer Woche mit dem Teil herum.
„Okay,
das funktioniert nicht“, sage ich. „Irgendwelche Vorschläge?“
„Ich
hätte einen.“ Der Weise lächelte. „Versucht es bei der Wandernden Bibliothek.“
„Und
wo… ach vergiss es.“
Ich
gab den neuen Ort lieber in den Zeigefinder ein. Erstaunlicherweise zeigte er
tatsächlich etwas an. Allerdings bewegte sich der Pfeil und wanderte von einer
Richtung zur Nächsten.
„Was
zum…?“
„Der
Name ist Wandernde Bibliothek“,
erinnerte meine Oma mich.
Jetzt
dürften wir dem Teil auch noch hinterherlaufen. Als hätten wir das die letzten
Tage nicht oft genug gemacht. Auch wenn ich zugeben musste, dass wir
erstaunlich oft vor etwas weggelaufen waren. Mir fiel noch etwas anderes auf.
„Wo
bekommen wir einen gruppalen Infekt her? Müssen wir uns dazu irgendwie Blut
abnehmen oder so?“ Allein bei der Vorstellung wurde mir schummrig. Ich hasste
Spritzen.
„Den
bekommt ihr in Technopolis. Dort wird am gruppalen Infekt gefroscht. Wenn Mr.
Ian Woon ihnen den Auftrag gibt, dass sie euch helfen sollen, müsste es
funktionieren“, sagte der Weise aus der Küche.
„Okay.
Dann müssen wir also unseren Autor dazu bekommen mit uns zu reden, die
Wandernde Bibliothek finden, um dort Informationen über die Grenze zur Realität
zu bekommen und nach Technopolis gehen, um den gruppalen Infekt zu bekommen“,
fasste ich das Ganze zusammen.
Dabei
stellte ich fest, dass ich, verrückt wie es war, kurz davor war alles zu
glauben. Es kam mir immer noch unglaublich unwahrscheinlich vor, aber es gab so
viel Unglaubliches im NaNo-Land, dass ich nichts mehr von Haus aus ausschließen
konnte.
„Ja.“
Der Weise aus der Küche nickte. Dann wurde er melodramatisch. „Es ist euer
Schlicksal das NaNo-Land zu retten!“
„…das
hört sich an als wäre es uns vorherbestimmt eine Wattwanderung zu machen…“,
grummelte Blue.
„Also
einfach wird es jedenfalls nicht“, bestätigte der Weise.
Eine
Weile saßen wir nur da. Dann…
„Shirt“,
murmelte Blue. „Warum kann es nicht mal einfach sein?“
Wir
hörten wie die Tür vernehmlich aufgestanden war. Alle sahen auf. Wie bei einem
Schichtwechsel trat die Hautür zur Seite und ließ eine identisch aussehende Tür
ihren Platz einnehmen. Dann lehnte sie sich an die Wand und war still.
Jetzt bin ich gespannt wie es weitergeht. Ich hoffe, Hannes bleibt nicht für immer ein Frosch.
AntwortenLöschenDer Mann hörte sich im ersten Moment wie Gandalf an... ich helfe nur wenn es nicht mehr anders geht!
AntwortenLöschenIch glaube ich erinnere mich an das was kommen wird. Hab ich da nicht mal einen Ausschnitt gelesen?