Der
Könling spazierte im Innenhof umher, begleitet von einigen Wachmänner und
Magiern. Diese hatten vor einer Stunde das Gerücht in die Welt gesetzt der
Könling müsse um jeden Preis mindestens eine Stunde pro Tag draußen verbringen,
um sich von seiner Verwandlung in einen Geier zu erholen. Der Innenhof war der
perfekte Ort dafür. Abgeschirmt von außen, was angeblich weitere Attentate
verhindern sollte, aber dennoch hübsch dekoriert mit Blumenbeeten und Bäumen.
Unsere
kleine Truppe befand sich in einem der Säulengänge, die im zweiten Stock waren
und von denen aus man einen grandiosen Blick auf den Innenhof hatte. Wir
konnten jeden Winkel sehen und zudem noch die meisten anderen Etagen des
Schlosses im Auge behalten. Blue stand auf der einen Seite, ich auf der
anderen, damit wir alle Winkel überblicken konnten. Obwohl ich ihm eingeschärft
hatte wie wichtig das hier war, konnte ich selbst von hier erkennen, dass er
schon wieder auf etwas herumkaute.
Ein
wenig beruhigte mich der Gedanke, dass Freundschaf mit ihm gegangen war. Der
Froschprinz hingegen saß wieder auf meiner Schulter.
„Du
meinst wirklich die werden es wieder versuchen?“, fragte er mich.
Ich
nickte. Wenn ich mir bei einer einzigen Sache sicher war, dann dass es so
schnell wie möglich wieder einen Mordversuch geben würde. Der Abstand zwischen
den Versuchen hatte sich in der letzten Woche immer weiter verringert.
Irgendjemandem lief die Zeit davon, sodass er jede Gelegenheit nutzen würde.
Diese
Erkenntnis hatte außerdem dazu geführt, dass sich die Liste der Verdächtigen
erheblich gekürzt hatte. Es standen gerade mal fünfzig Leute darauf. Sollte
unser Plan schief gehen, hatte der Könling angekündigt sie alle einzeln
verhören zu wollen. Ob das die richtige Methode war, wagte ich zu bezweifeln,
aber ihm das zu sagen würde auch nicht helfen. Er war zu stur, um sich etwas
vorschreiben zu lassen. Eine Herrscherkrankheit, nahm ich an.
„Hey,
hast du das gesehen?“, fragte Hannes plötzlich.
Er
starrte angestrengt auf die gegenüberliegende Seite des Hofes. In der dritten
Etage stand ein Schatten, halb verborgen von einem Fenster. Ich war mir nicht
sicher, aber es sah so aus als hielte sich dort eine Person versteckt, die
außerdem ein seltsames Gerät in den Händen hielt.
Ich
warf einen der Kieselsteine, die ich in den Hosentaschen hatte, in den
Innenhof. Es hörte sich einfach an als wäre jemand gegen einen Stein getreten,
doch die Haltung der Wachen veränderte sich kaum merklich. Das war das Zeichen
für äußerste Vorsicht. Wenn es auch nur ein winziges verdächtiges Geräusch gab
würden sie sich schützend vor den Könling werfen.
„Sollen
wir hingehen, um zu sehen wer das ist?“, fragte der Prinz.
Seine
Füße gruben sich in das Fell meiner Robbe, die leise protestierend ein „Oi“ von
sich gab.
„Ich
weiß nicht. Falls es ein falscher Alarm ist, könnten wir den richtigen Täter
verpassen…“
Ich
versuchte mehr von der Person zu erkennen, doch sie stand so im Schatten, dass
das unmöglich war. Die Spitze des Geräts blitzte im Sonnenlicht auf und
plötzlich war ich doch in Bewegung.
„Was
ist?“, fragte Hannes, der sich an eine meiner Haarsträhnen hatte klammern
müssen, um nicht herunterzufallen.
„Das
ist ein verdammtes Scharfschützengewehr. Was zum Teufel hat das in der
Fantasygegend verloren?“
Dagegen
konnten auch die Wachen nicht viel ausrichten außer sich in die Schusslinie zu
werfen. Für einen Tod verantwortlich sein wollte ich nicht, würde es aber sein
falls etwas schief ging, denn immerhin hatte ich vorgeschlagen, dass der
Könling der Lockvogel gab.
„Bieg
hier ab!“, rief der Prinz mir ins Ohr. „Hier gibt es einen Geheimgang in den
oberen Stock.“
Ich
schob den Einwandteppich zur Seite, der sich natürlich prompt beschwerte.
Dahinter befand sich tatsächlich eine schmale Treppe, die ich hinaufstürmte.
Leicht keuchend kam ich im dritten Stock an, musste aber noch den gesamten Gang
entlangrennen. Ein kurzer Blick aus einem der Fenster, an denen wir
vorbeikamen, zeigte, dass sich an der Prozession im Innenhof nichts geändert
hatte.
Kurz
bevor wieder ein Fenster kam, ertönte ein Schuss. Der Blick aus dem nächsten
Fenster zeigte, dass der Könling am Boden lag und mehrere Wachen über ihm. Von
irgendwoher sickerte Blut.
Mein
Magen machte einen Satz und der Froschprinz schnappte nach Luft.
„Halt
an, ich muss sehen ob es ihm gut geht!“, schrie er mir ins Ohr. „Halt an!“
Doch
ich rannte weiter. Wenn wir eine Chance haben wollten den Täter zu fassen, dann
war das jetzt. Das Fenster, in dem die Person gestanden hatte, war leer. Einen
Moment hielt ich inne, dann folgte ich den Schritten, die sich schnell
entfernten.
Noch
um die nächste Ecke… weiter konnte der Täter nicht gekommen sein. Ich beschloss
alles auf eine Karte zu setzen. Vorsichtshalber hielt ich unter meiner Robbe
das dreiklinkige Messer bereit. Dann war ich um die Kurve herum, stieß einen
lauten Kampfschrei aus und warf mich auf die Person, die sich erschrocken
umdrehte.
Die
Morderatorin ging kreischend zu Boden während ihr die Waffe aus der Hand fiel.
Sofort hielt ich ihr mein Messer an die Kehle und sie hörte auf sich zu winden
und starrte mich wütend an.
„Dummes
Mädchen“; fauchte sie.
„Nicht
ganz so dumm wenn ich es geschafft habe Sie zu fassen. Blue!“, schrie ich aus
Leibeskräften.
Ich
mochte zwar ein Messer haben, aber falls sie sich mir entwand, hatte ich keine
Chance. Vielleicht sollte ich doch mal ins Fitnessstudio gehen und ein paar
Muskeln aufbauen. Aber woher hatte ich auch wissen sollen, dass ich jemals in
eine Situation wie diese kommen würde?
„Blue!
Hierher!“
Mit
gezogenem Schwert kam Blue um die Ecke gestürmt, die blauen Haare auf der Stirn
verklebt. Er zögerte nicht, sondern sammelte das Scharfschützengewehr ein. Dann
unterstützte er mein Klinkenmesser, indem er sein Schwert ebenfalls an den Hals
der Morderatorin hielt.
„Die
Wachen sind auf dem Weg“, informierte er mich. „Aber alle außer denen, die den
Könling beschützen mussten, sollten ja außer Sicht bleiben.“
Das
Geräusch von Schritten erklang, doch dann war es nur Freundschaf, das den Gang
entlanggetrabt kam und sich neben uns stellte. Vielleicht kam es mir nur so
vor, doch es schien die Morderatorin mit einem missbilligenden Blick zu
mustern.
„Was
ist mit dem Könling?“, fragte ich.
Um
meinen Magen schloss sich eine Faust. Nun bekam ich kaum noch Luft, nicht weil
ich gerade so schnell gerannt war wie nie zuvor, sondern weil ich das Blut
eines Menschen an meinen Fingern haben könnte.
„Er
wurde nicht getroffen. Einer der Wachmänner hat sich dazwischengeworfen.“
„Und
der Wachmann?“
Meinen
Magen interessierte es nicht ob der Mensch ein Könling war oder nicht. Wenn er
durch meine Taten gestorben war, würde ich mir das nicht verzeihen.
„Ich
weiß es nicht.“
Schritte
kündigten an, dass die Wachmänner bald auftauchen würden. Sobald sie die
Situation erfasst hatten, wurden von allen Seiten Waffen auf die Morderatorin
gerichtet und diese dann auf die Beine gestellt. Ihr Blick lag immer noch auf
mir. O-oh. Ich hatte das Gefühl, dass die gerade ihr nächstes Opfer gefunden
hatte.
Die
Schauer auf meinem Rücken begannen erst zu schwinden als die Täterin außer
Sichtweite war. Wohin sie geführt wurde, war mir im Moment egal. Ich nahm die
nächste Treppe nach unten in den Innenhof. Der Könling und mehrere Wachen
standen um einen Mann herum. Auf seiner Uniform war ein roter Fleck zu sehen,
der beständig größer wurde. Ein anderer Mann war gerade dabei ihm die Augen zu
schließen.
„Nein“,
flüsterte ich. Er war nur wegen mir gestorben. Ich sank neben dem armen Kerl
auf die Knie und konnte meinen Blick nicht von der Wunde nehmen.
„Die
Täterin wurde gefasst“, informierte Blue den Könling.
Aus
dem Augenwinkel konnte ich seinen erleichterten Gesichtsausdruck sehen, und
dass sich die Haltung der anderen Wachmänner entspannte.
„Interessiert
es euch denn gar nicht, dass hier gerade ein Mensch gestorben ist?!“, schrie
ich sie an.
Einige
fuhren erschrocken zusammen, andere kratzten sich verlegen am Kopf.
„Er
wusste auf was er sich eingelassen hat“, erklärte einer der Wachmänner.
„Niemand von uns wurde gezwungen den Könling heute zu beschützen. Es war unsere
Entscheidung. Auch seine.“ Eine Träne verschwand in seinem Bart und mir wurde
bewusst, dass es ihn sehr wohl interessierte.
„Wer
war es?“, fragte der Könling nach einem langen Blick auf mich.
„Die
Fernsehtussi.“
„Was?“
„Die
Morderatorin“, sagte ich, immer noch ohne den Blick vom toten Wachmann zu
nehmen. „Sie hat mit einem Scharfschützengewehr dort oben gelauert und wurde
von Wachen abgeführt.“
„Wohin?“,
fragte der Könling.
Öhm…
das wusste ich gar nicht. Es interessierte mich auch nicht wirklich, wenn ich
ehrlich war.
„Sie
wartet in Eurem Theosaal, Eure Majestät“, antwortete einer der Wachmänner und
verbeugte sich. „Wir dachte Ihr würdet mit ihr sprechen wollen.“
Der
Könling nickte und wandte sich zum Gehen. „Ihr könnte mitkommen wenn Ihr
wollt“, sagte er an uns gewandt. „Was ihn angeht…“ Sein Blick ruhte auf dem
Toten. „Erweist ihm alle Ehre. Er hat sein Leben für sein Land gegeben.“
Nicht
für das Land. Für dich, dachte ich. Wobei das in diesem Fall vermutlich ein und
dasselbe war.
Meine
Neugier betrug mich, denn sie erlaubte mir nicht etwas anderes zu tun als die
Einladung des Könlings anzunehmen und ihm in den Theosaal zu folgen. Blue und
Freundschaf kamen ebenfalls mit. Der Prinz auf meiner Schulter hatte keinerlei
Mitspracherecht solange er sich auf besagter Schulter befand. Seit er seinen
Vater wohlauf gesehen hatte, hatte er sowieso kein Wort gesagt, vermutlich vor
lauter Erleichterung.
Im
Theosaal wartete bereits die Morderatorin, umringt von Wachen. Sie lachte als
sie die Miene des Könlings sah. „Überrascht?“, fragte sie.
„Wer
hat den Auftrag gegeben mich umzubringen?“, fragte er mit einer autoritären
Stimme, die durch den ganzen Theosaal schallte.
Die
Morderatorin sah ihn nur mit zusammengekniffenen Lippen an, wobei sie es trotzdem
hinbekam ein böses Grinsen im Gesicht zu behalten.
„Wer?“,
donnerte der Könling erneut.
„Derjenige,
den Ihr verärgert habt als Ihr euch in die Plotbunny-Geschichte eingemischt
habt. Genau wir ihr zwei.“
Sie
verengte die Augen und sah auf Blue und mich. Also lag ich nicht so falsch damit,
dass wir die nächsten Opfer sein könnten.
„Eure
Boden treiben die Bunnys zurück und das können wir uns nicht erlauben. Die
Hasen erfüllen immerhin einen Zweck“, meinte die Morderatorin.
„Wer
hat die Bunnyinvasion befohlen?“
Nun
klang die Stimme des Könlings eher hohl als Ehrfurcht gebietend. Vermutlich war
es eine Neuigkeit für ihn, dass die Bunnys von jemandem geschickt worden waren.
Dieses Detail mussten wir in unserer Unterhaltung übersprungen haben.
Andererseits… war da nicht was gewesen, dass Mr. Ian Woon und geraten hatte
diese Vermutung für uns zu behalten? Ich war mir nicht ganz sicher.
Die
Morderatorin hatte ihre Lippen wieder zusammengekniffen. Dieses Mal, das wusste
ich, würde sie nichts mehr sagen. Das bemerkte auch der Könling und befahl seinen
Wachen sie abzuführen und in den Kerker zu werfen bis ihr der Prozess gemacht
werden würde.
„Danke“,
wandte er sich schließlich an uns. „Ihr habt euren Teil der Abmachung
eingehalten, also werden euch zwei Wachmänner nun zu meiner Schatzkammer begleiten.
Ihr könnt euch dort umsehen, obwohl ich bezweifle, dass die Traveling Shovel of
Death sich dort befindet. Falls Ihr sie dennoch finden solltet, ist sie Euer.
Falls nicht, dürft Ihr euch einen anderen Gegenstand aussuchen.“
Vielleicht
lag es daran, dass der Könling gerade dem Tod entkommen war, aber er schien
nicht im Geringsten besorgt darüber sich von einem seiner Schätze zu trennen.
Gut für uns.
Ouh... spannend ^^
AntwortenLöschenDas hätte sich noch zu einem richtigen Krimi in die Länge ziehen lassen, aber 1. war die Geschichte sowieso schon zu lang und 2. wären mir die Tippfehler für die Gegend irgendwann ausgegangen.
LöschenVielleicht wär noch mehr gegangen... aber es ist trotzdem genial ^^
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