Donnerstag, 11. Dezember 2014

41. Kapitel



Der Könling spazierte im Innenhof umher, begleitet von einigen Wachmänner und Magiern. Diese hatten vor einer Stunde das Gerücht in die Welt gesetzt der Könling müsse um jeden Preis mindestens eine Stunde pro Tag draußen verbringen, um sich von seiner Verwandlung in einen Geier zu erholen. Der Innenhof war der perfekte Ort dafür. Abgeschirmt von außen, was angeblich weitere Attentate verhindern sollte, aber dennoch hübsch dekoriert mit Blumenbeeten und Bäumen.
Unsere kleine Truppe befand sich in einem der Säulengänge, die im zweiten Stock waren und von denen aus man einen grandiosen Blick auf den Innenhof hatte. Wir konnten jeden Winkel sehen und zudem noch die meisten anderen Etagen des Schlosses im Auge behalten. Blue stand auf der einen Seite, ich auf der anderen, damit wir alle Winkel überblicken konnten. Obwohl ich ihm eingeschärft hatte wie wichtig das hier war, konnte ich selbst von hier erkennen, dass er schon wieder auf etwas herumkaute.
Ein wenig beruhigte mich der Gedanke, dass Freundschaf mit ihm gegangen war. Der Froschprinz hingegen saß wieder auf meiner Schulter.
„Du meinst wirklich die werden es wieder versuchen?“, fragte er mich.
Ich nickte. Wenn ich mir bei einer einzigen Sache sicher war, dann dass es so schnell wie möglich wieder einen Mordversuch geben würde. Der Abstand zwischen den Versuchen hatte sich in der letzten Woche immer weiter verringert. Irgendjemandem lief die Zeit davon, sodass er jede Gelegenheit nutzen würde.
Diese Erkenntnis hatte außerdem dazu geführt, dass sich die Liste der Verdächtigen erheblich gekürzt hatte. Es standen gerade mal fünfzig Leute darauf. Sollte unser Plan schief gehen, hatte der Könling angekündigt sie alle einzeln verhören zu wollen. Ob das die richtige Methode war, wagte ich zu bezweifeln, aber ihm das zu sagen würde auch nicht helfen. Er war zu stur, um sich etwas vorschreiben zu lassen. Eine Herrscherkrankheit, nahm ich an.
„Hey, hast du das gesehen?“, fragte Hannes plötzlich.
Er starrte angestrengt auf die gegenüberliegende Seite des Hofes. In der dritten Etage stand ein Schatten, halb verborgen von einem Fenster. Ich war mir nicht sicher, aber es sah so aus als hielte sich dort eine Person versteckt, die außerdem ein seltsames Gerät in den Händen hielt.
Ich warf einen der Kieselsteine, die ich in den Hosentaschen hatte, in den Innenhof. Es hörte sich einfach an als wäre jemand gegen einen Stein getreten, doch die Haltung der Wachen veränderte sich kaum merklich. Das war das Zeichen für äußerste Vorsicht. Wenn es auch nur ein winziges verdächtiges Geräusch gab würden sie sich schützend vor den Könling werfen.
„Sollen wir hingehen, um zu sehen wer das ist?“, fragte der Prinz.
Seine Füße gruben sich in das Fell meiner Robbe, die leise protestierend ein „Oi“ von sich gab.
„Ich weiß nicht. Falls es ein falscher Alarm ist, könnten wir den richtigen Täter verpassen…“
Ich versuchte mehr von der Person zu erkennen, doch sie stand so im Schatten, dass das unmöglich war. Die Spitze des Geräts blitzte im Sonnenlicht auf und plötzlich war ich doch in Bewegung.
„Was ist?“, fragte Hannes, der sich an eine meiner Haarsträhnen hatte klammern müssen, um nicht herunterzufallen.
„Das ist ein verdammtes Scharfschützengewehr. Was zum Teufel hat das in der Fantasygegend verloren?“
Dagegen konnten auch die Wachen nicht viel ausrichten außer sich in die Schusslinie zu werfen. Für einen Tod verantwortlich sein wollte ich nicht, würde es aber sein falls etwas schief ging, denn immerhin hatte ich vorgeschlagen, dass der Könling der Lockvogel gab.
„Bieg hier ab!“, rief der Prinz mir ins Ohr. „Hier gibt es einen Geheimgang in den oberen Stock.“
Ich schob den Einwandteppich zur Seite, der sich natürlich prompt beschwerte. Dahinter befand sich tatsächlich eine schmale Treppe, die ich hinaufstürmte. Leicht keuchend kam ich im dritten Stock an, musste aber noch den gesamten Gang entlangrennen. Ein kurzer Blick aus einem der Fenster, an denen wir vorbeikamen, zeigte, dass sich an der Prozession im Innenhof nichts geändert hatte.
Kurz bevor wieder ein Fenster kam, ertönte ein Schuss. Der Blick aus dem nächsten Fenster zeigte, dass der Könling am Boden lag und mehrere Wachen über ihm. Von irgendwoher sickerte Blut.
Mein Magen machte einen Satz und der Froschprinz schnappte nach Luft.
„Halt an, ich muss sehen ob es ihm gut geht!“, schrie er mir ins Ohr. „Halt an!“
Doch ich rannte weiter. Wenn wir eine Chance haben wollten den Täter zu fassen, dann war das jetzt. Das Fenster, in dem die Person gestanden hatte, war leer. Einen Moment hielt ich inne, dann folgte ich den Schritten, die sich schnell entfernten.
Noch um die nächste Ecke… weiter konnte der Täter nicht gekommen sein. Ich beschloss alles auf eine Karte zu setzen. Vorsichtshalber hielt ich unter meiner Robbe das dreiklinkige Messer bereit. Dann war ich um die Kurve herum, stieß einen lauten Kampfschrei aus und warf mich auf die Person, die sich erschrocken umdrehte.
Die Morderatorin ging kreischend zu Boden während ihr die Waffe aus der Hand fiel. Sofort hielt ich ihr mein Messer an die Kehle und sie hörte auf sich zu winden und starrte mich wütend an.
„Dummes Mädchen“; fauchte sie.
„Nicht ganz so dumm wenn ich es geschafft habe Sie zu fassen. Blue!“, schrie ich aus Leibeskräften.
Ich mochte zwar ein Messer haben, aber falls sie sich mir entwand, hatte ich keine Chance. Vielleicht sollte ich doch mal ins Fitnessstudio gehen und ein paar Muskeln aufbauen. Aber woher hatte ich auch wissen sollen, dass ich jemals in eine Situation wie diese kommen würde?
„Blue! Hierher!“
Mit gezogenem Schwert kam Blue um die Ecke gestürmt, die blauen Haare auf der Stirn verklebt. Er zögerte nicht, sondern sammelte das Scharfschützengewehr ein. Dann unterstützte er mein Klinkenmesser, indem er sein Schwert ebenfalls an den Hals der Morderatorin hielt.
„Die Wachen sind auf dem Weg“, informierte er mich. „Aber alle außer denen, die den Könling beschützen mussten, sollten ja außer Sicht bleiben.“
Das Geräusch von Schritten erklang, doch dann war es nur Freundschaf, das den Gang entlanggetrabt kam und sich neben uns stellte. Vielleicht kam es mir nur so vor, doch es schien die Morderatorin mit einem missbilligenden Blick zu mustern.
„Was ist mit dem Könling?“, fragte ich.
Um meinen Magen schloss sich eine Faust. Nun bekam ich kaum noch Luft, nicht weil ich gerade so schnell gerannt war wie nie zuvor, sondern weil ich das Blut eines Menschen an meinen Fingern haben könnte.
„Er wurde nicht getroffen. Einer der Wachmänner hat sich dazwischengeworfen.“
„Und der Wachmann?“
Meinen Magen interessierte es nicht ob der Mensch ein Könling war oder nicht. Wenn er durch meine Taten gestorben war, würde ich mir das nicht verzeihen.
„Ich weiß es nicht.“
Schritte kündigten an, dass die Wachmänner bald auftauchen würden. Sobald sie die Situation erfasst hatten, wurden von allen Seiten Waffen auf die Morderatorin gerichtet und diese dann auf die Beine gestellt. Ihr Blick lag immer noch auf mir. O-oh. Ich hatte das Gefühl, dass die gerade ihr nächstes Opfer gefunden hatte.
Die Schauer auf meinem Rücken begannen erst zu schwinden als die Täterin außer Sichtweite war. Wohin sie geführt wurde, war mir im Moment egal. Ich nahm die nächste Treppe nach unten in den Innenhof. Der Könling und mehrere Wachen standen um einen Mann herum. Auf seiner Uniform war ein roter Fleck zu sehen, der beständig größer wurde. Ein anderer Mann war gerade dabei ihm die Augen zu schließen.
„Nein“, flüsterte ich. Er war nur wegen mir gestorben. Ich sank neben dem armen Kerl auf die Knie und konnte meinen Blick nicht von der Wunde nehmen.
„Die Täterin wurde gefasst“, informierte Blue den Könling.
Aus dem Augenwinkel konnte ich seinen erleichterten Gesichtsausdruck sehen, und dass sich die Haltung der anderen Wachmänner entspannte.
„Interessiert es euch denn gar nicht, dass hier gerade ein Mensch gestorben ist?!“, schrie ich sie an.
Einige fuhren erschrocken zusammen, andere kratzten sich verlegen am Kopf.
„Er wusste auf was er sich eingelassen hat“, erklärte einer der Wachmänner. „Niemand von uns wurde gezwungen den Könling heute zu beschützen. Es war unsere Entscheidung. Auch seine.“ Eine Träne verschwand in seinem Bart und mir wurde bewusst, dass es ihn sehr wohl interessierte.
„Wer war es?“, fragte der Könling nach einem langen Blick auf mich.
„Die Fernsehtussi.“
„Was?“
„Die Morderatorin“, sagte ich, immer noch ohne den Blick vom toten Wachmann zu nehmen. „Sie hat mit einem Scharfschützengewehr dort oben gelauert und wurde von Wachen abgeführt.“
„Wohin?“, fragte der Könling.
Öhm… das wusste ich gar nicht. Es interessierte mich auch nicht wirklich, wenn ich ehrlich war.
„Sie wartet in Eurem Theosaal, Eure Majestät“, antwortete einer der Wachmänner und verbeugte sich. „Wir dachte Ihr würdet mit ihr sprechen wollen.“
Der Könling nickte und wandte sich zum Gehen. „Ihr könnte mitkommen wenn Ihr wollt“, sagte er an uns gewandt. „Was ihn angeht…“ Sein Blick ruhte auf dem Toten. „Erweist ihm alle Ehre. Er hat sein Leben für sein Land gegeben.“
Nicht für das Land. Für dich, dachte ich. Wobei das in diesem Fall vermutlich ein und dasselbe war.
Meine Neugier betrug mich, denn sie erlaubte mir nicht etwas anderes zu tun als die Einladung des Könlings anzunehmen und ihm in den Theosaal zu folgen. Blue und Freundschaf kamen ebenfalls mit. Der Prinz auf meiner Schulter hatte keinerlei Mitspracherecht solange er sich auf besagter Schulter befand. Seit er seinen Vater wohlauf gesehen hatte, hatte er sowieso kein Wort gesagt, vermutlich vor lauter Erleichterung.
Im Theosaal wartete bereits die Morderatorin, umringt von Wachen. Sie lachte als sie die Miene des Könlings sah. „Überrascht?“, fragte sie.
„Wer hat den Auftrag gegeben mich umzubringen?“, fragte er mit einer autoritären Stimme, die durch den ganzen Theosaal schallte.
Die Morderatorin sah ihn nur mit zusammengekniffenen Lippen an, wobei sie es trotzdem hinbekam ein böses Grinsen im Gesicht zu behalten.
„Wer?“, donnerte der Könling erneut.
„Derjenige, den Ihr verärgert habt als Ihr euch in die Plotbunny-Geschichte eingemischt habt. Genau wir ihr zwei.“
Sie verengte die Augen und sah auf Blue und mich. Also lag ich nicht so falsch damit, dass wir die nächsten Opfer sein könnten.
„Eure Boden treiben die Bunnys zurück und das können wir uns nicht erlauben. Die Hasen erfüllen immerhin einen Zweck“, meinte die Morderatorin.
„Wer hat die Bunnyinvasion befohlen?“
Nun klang die Stimme des Könlings eher hohl als Ehrfurcht gebietend. Vermutlich war es eine Neuigkeit für ihn, dass die Bunnys von jemandem geschickt worden waren. Dieses Detail mussten wir in unserer Unterhaltung übersprungen haben. Andererseits… war da nicht was gewesen, dass Mr. Ian Woon und geraten hatte diese Vermutung für uns zu behalten? Ich war mir nicht ganz sicher.
Die Morderatorin hatte ihre Lippen wieder zusammengekniffen. Dieses Mal, das wusste ich, würde sie nichts mehr sagen. Das bemerkte auch der Könling und befahl seinen Wachen sie abzuführen und in den Kerker zu werfen bis ihr der Prozess gemacht werden würde.
„Danke“, wandte er sich schließlich an uns. „Ihr habt euren Teil der Abmachung eingehalten, also werden euch zwei Wachmänner nun zu meiner Schatzkammer begleiten. Ihr könnt euch dort umsehen, obwohl ich bezweifle, dass die Traveling Shovel of Death sich dort befindet. Falls Ihr sie dennoch finden solltet, ist sie Euer. Falls nicht, dürft Ihr euch einen anderen Gegenstand aussuchen.“
Vielleicht lag es daran, dass der Könling gerade dem Tod entkommen war, aber er schien nicht im Geringsten besorgt darüber sich von einem seiner Schätze zu trennen. Gut für uns.

3 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Das hätte sich noch zu einem richtigen Krimi in die Länge ziehen lassen, aber 1. war die Geschichte sowieso schon zu lang und 2. wären mir die Tippfehler für die Gegend irgendwann ausgegangen.

      Löschen
    2. Vielleicht wär noch mehr gegangen... aber es ist trotzdem genial ^^

      Löschen