Montag, 4. Dezember 2017

Das Ende von Mission Freundschaf

Tja, das hier ist dann wohl das Ende von Mission Freundschaf. Das hat erstaunlich lange gedauert.
Ich hoffe es hat euch halbwegs gefallen und ihr seid mir nicht böse, dass ihr so lange auf eine Fortsetzung warten musstet.
Ich habe tatsächlich eine Idee für Band 3, aber mit dem Schreiben warte ich wohl ein bisschen. Ich habe so viel Zeit, in dieser Welt verbracht, dass ich mal wieder über eine andere schreiben möchte. Und eine Geschichte, die etwas "ernsthafter" ist als diese hier würde mir vermutlich auch gut tun. Eine Scherzgeschichte ist eine Weile lang witzig, aber irgendwann wird es auch anstrengend.

Aber was mache ich hier und beschwere mich. Gerade freue ich mich nur darüber, dass die Geschichte abgeschlossen ist und ich in meinem Kopf Platz für Neues machen kann.

Danke, dass ich so fleißig mitgelesen habt. Hoffentlich hat es euch ein wenig Spaß gemacht und ihr habt vielleicht sogar einige von euren Schreibfehlern wiedergefunden.

Ganz lieber Grüße!
Kim

PS: Das Angebot steht noch. Wer Logikfehler oder Schreibfehler findet, bitte melden. :)

51. Kapitel



Nach dem ganzen Hin- und Hergerenne der letzten Woche, war ich froh, mich an Deck von Lurz‘ Schiff breitmachen zu können.
Nachdem wir drei Tage in der immer noch nicht wieder wandernden Bibliothek verbracht hatten, hatte die Gedankenspinne endlich funktioniert. Es hatte einen weiteren Tag gedauert, bis Mr. Ian Woon sich daran erinnert hatte wie genau sie funktionierte und unsere Gesprächsanfrage entgegen genommen hatte. Danach war alles etwas einfacher gewesen.
Himmelrich und Mathilda, die es übernommen hatten die Neuschreibung der Bücher zu überwachen, hatte eine ganze Einheit Pilzizisten und Beamte zugeteilt bekommen, deren einzige Aufgabe für die nächsten Monate es sein würde den Schreibfedern jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Oder so ähnlich jedenfalls.
Das Ganze wurde bereits als die „Manifestierung“ beschrieben – das (wieder)Erscheinen von Manifesten. Die Wandernde Bibliothek hatte seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit Jahrtausenden, keinen solchen Ansturm mehr erlebt. Immer mehr Leute kamen, die sich nur daran erinnerten, dass sie eine Geschichte vergessen hatten, um den Schreibtsich darum zu bitten, ihre Geschichten zuerst zu schreiben.
Viele von ihnen waren im Gebäude gegenüber untergebracht, in dem der Große Rote Knopf des Verderbens in der Mitte des großen Salls verweilte, von Schafen bewacht. Auch das hatte Mr. Ian Woon übernommen. Mit was für Mitteln auch immer, hatte die Regierung der Region Deutschland sich mit den Schafen auf die Vertragsbedingungen geeinigt. Soweit ich das mitbekommen hatte, betraf es unter anderem die Bereitstellung eines Gemeinschafsraums, in dem sich die Schafe während ihrer Pausen ausruhen konnten. Des Weiteren hatten sie Urlaubstage und Schichten abgesprochen – und dass sie so viel Essen bekamen wie sie wollten, egal auf was sie gerade Hunger hatten.
Neben all den Schafen, den Federn und den Leuten, die angefangen hatten hektisch herumzurennen, war ich ganz froh gewesen, als meine Oma angekündigt hatte, wir seien lange genug dort gewesen und sie würde jetzt nachsehen wie es Lurz ging. Der einzige Nachteil an der Sache war, dass sowohl Freundschaf, als auch Phoenix geblieben waren, um entweder den Großen Roten Knopf des Verderbens, oder die Manifestierung zu überwachen. Ohne die beiden war es einfach nicht dasselbe.
Zu der Zeit, als wir gegangen waren, hatte die Magie bereits begonnen, zurückzukehren. Die Wandernde Bibliothek war wieder unübersichtlicher geworden, und obwohl sie noch keine Anstalten machte einen Schritt zu gehen, hatte sie wieder ihre vorherige Höhe erreicht. Zum Abschied hatte Himmelrich sogar eine Außenwand gehoben, ähnlich wie zu der Zeit, als er Freundschaf ins Schreibzimmer gebracht hatte. Zum Abschied eine Wand zu heben hatte uns zum Lachen gebracht, Mathilda zum die Lippen zusammenkneifen und die Pilzizeihelfer dazu, vor lauter Staunen alle Stöße Papier fallen zu lassen, die sie gerade transportierten.
„Hey, Mia.“
Blue ließ sich neben mir auf einem Liegestuhl nieder. Er lächelte erst mich an, dann schloss er die Augen und hielt sein Gesicht in die Sonne.
„Das war eine geniale Idee von Lurz, in wärmere Gefilde zu fahren.“
„M-mh.“ Vermutlich hatte er einfach nur versucht meine Oma zu beeindrucken. Falls ja, hatte das auf jeden Fall funktioniert.
„Diese Art des Reisens ist definitiv besser als der Fakir-Ferkehr…“
Von dem hatte Blue absolut genug. Nachdem wir festgestellt hatten, dass Lurz und seiner Crew nichts fehlte, hatten wir bemerkt, dass der Fakir ebenfalls noch an Bord war. Seine Situation war allerdings leicht präkerer als die der Piraten.
Als die Nebelschwaden das Wörtermehr erreicht hatten, hatte es, wie wir befürchtet hatten, angefangen sich zu leeren. Lurz‘ Schiff war irgendwann auf Grund gelaufen. Schon weit vorher hatte der Teppich des Fakirs seine Flugfähigkeit verloren. So war die Crew mitten im Matsch gestrandet und der Fakir mit der Crew. Für letzteren stellte sich das als schlimmer heraus.
Nach der Löschung aller Geschichten hatten die Piraten nämlich vergessen was genau der Fakir bei ihnen eigentlich verloren hatte. Da er nur etwas davon gestammelt hatte er erinnere sich nur dunkel daran, auf einem Teppich angereist zu sein, schlossen sie ihn vorsichtshalber in einer Kajüte ein, um sicherzugehen, dass die seltsamen Wahnvorstellungen nicht auf andere übergreifen konnten.
Zum Glück hatten sie den Teppich nicht über Bord geworfen, sodass wir, nachdem wir die Situation aufgeklärt hatten, den Fakir-Ferkehr in Anspruch nehmen konnten, um nach unseren Freunden zu sehen - zum Wörtermehr hatten wir nämlich reiten müssen und das war nur leicht besser als der gesunde Menschenversand. Das Schiff war leider erst wesentlich später fahrtüchtig gewesen, da das Wörtermehr sich extrem langsam wieder füllte. Estelle, den Nonnen im Kloster, den Priestern beim Sonnentempeln und unseren anderen über das NaNo-Land verstreuten Freunden ging es gut, was wir nach mehrtägigen Rundflügen herausfanden.
„Ich hab sowas von die Nase voll vom Fliegen“, führte Blue seinen Gedankengang weiter.
„Deshalb sind wir auf einem Schiff“, munterte ich ihn auf.
Auch wenn die Welt um uns herum trotzdem weiterging. Täglich erhielten wir Berichte von Mr. Ian Woon, dass eine andere Eigenheit des NaNo-Landes zurückgekehrt war. Erst gestern hatte er uns berichtet, jemand hätte tatsächlich ein Heiligenschwein über Schreibstadt gesehen. Ein paar Plotbunnys waren auch wieder aufgetaucht und die Autoren hatten begonnen, sie aufzuschreiben. Es blieb nur zu hoffen, dass es auch wirklich neue Geschichten waren und nicht nur welche, die sie durch den Großen Roten Knopf des Verderbens vergessen hatten.
Mit meinen Fingerspitzen strich ich über das ausgedruckte Manuskript, das auf meinem Bauch lag. Sobald mir Fluffles‘ Geschichte wieder eingefallen war und sie auf meinem Laptop aufgetaucht war, hatte ich damit begonnen sie zu überarbeiten. Sie einmal vergessen zu haben, schien wahre Wunder zu bewirken was das Überarbeiten anging, also hatte die ganze Sache vielleicht sogar einen kleinen Vorteil gehabt. Trotzdem konnte ich mich nicht davon abhalten immer wieder zu überprüfen, dass meine Geschichte auch wirklich noch da war.
„Deine Oma hat übrigens gerade wieder Nachricht von Mr. Ian Woon bekommen.“
„Echt?“ Neugierig schaut ich Blue an. „Was ist jetzt wiedergekommen?“
„Die Erinnerung der Wachen in Österreich.“
Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. „An was genau haben sie sich erinnert? Daran wie man andere MLs kontaktiert?“
Er schüttelte den Kopf. „Das haben sie anscheinend vor ein paar Tagen bereits geschafft. Sie haben sich daran erinnert warum genau sie unsere liebe Gefängniswärterin festgenommen haben und haben gleichzeitig herausgefunden, dass sie für die Sache mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens verantwortlich war.“
„Was?
„Jap. Anscheinend dachte sie, alle seltsamen Sachen im NaNo-Land auf Geschichten zurückgeführt zu haben. Ihre logische Schlussfolgerung war, dass die Geschichten verschwinden mussten. Also hat sie Uneinigkeit zwischen den Wachen gesäht, sodass sie anfangen zu streiken.“
„Huh.“ Da hatten wir doch, ohne es zu wissen, den Bösewicht der Geschichte lahmgelegt. So ganz Unrecht hatte sie mit ihrer Theorie allerdings nicht gehabt. Alles, was mit Geschichten zu tun hatte, hatten wir vergessen. Die Welt war definitiv ein wenig trostloser gewesen.
„Das Gefängnis wurde auch durchsucht und alle befreit, die noch darin gefangen waren. Sie haben es „das Motivationsloch“ genannt und versuchen es unschädlich zu machen bevor es all seine Macht zurückerhält.“
Wie ein Motivationsloch hatte es sich auch angefühlt.
„Anscheinend wollen sich die MLs persönlich bei uns bedanken. Wir können uns also wieder auf ein Fest zu unseren Ehren freuen. Dieses Mal in Österreich.“
„Solange wir hinfinden…“, grummelte ich nur „und nicht wieder durch Raum und Zeit zurückreisen müssen…“
Blue lachte hell und drehte seine Nase wieder der Sonne zu. „Das kann noch ein paar Wochen warten. Erstmal haben alle andere Probleme. Die Manifestierung wird noch lange dauern und bis alles wieder beim Alten ist…“ Er zuckte mit den Schultern, die Augen immer noch geschlossen. „…können wir unseren Urlaub genauso gut genießen.“
Ein Schatten huschte über uns durch den Himmel und Blues Augen flogen auf. „Oh nein. Da kommt er wieder…“
Der Fakir landete auf einem freien Stück Deck und half meiner Oma von dem alten, mottenzerfledderten Teppich. „Bitte sehr, meine Dame.“
„Danke für den Flug“, meinte Oma, richtete ihren Hut und griff ihren Regenschirm fester, um sich damit abzustützen.
„Oh-oh.“
Ich sah sofort was Blue meinte als Lurz auf Deck erschien. Er hatte natürlich bemerkt, dass der Teppichflieger meiner Oma schöne Augen machte und hatte sich darüber beschwert sooft er es mitbekam. Meine Oma hatte ihn immer abgewimmelt und gesagt sie hätte schon einen Freund, aber der Kerl war echt hartnäckig. Ich hatte das Gefühl, sie ertrug ihn nur, weil ich das Fliegen so viel Spaß machte.
Lurz räusperte sich vernehmlich.
„Das wird super“, flüsterte Blue. „Ich wünschte ich hätte Chips. Oder Popcorn.“
„Es ist natürlich, dass man diese bezaubernde Lady zuvorkommend behandeln will, aber ihr dabei auf den Hintern zu starren ist unangemessen.“
Blue verschluckte sich fast vor Lachen.
„Wenn dein Blick noch einmal nach unten gleitet, schieße ich dich das nächste Mal, wenn du alleine mit dem Teppich startest, mit unseren Trebuchets ab. Das ist etwa eine eins zu drei Chance dem Geschoss zu entgehen. Ich an deiner Stelle würde mir das gut überlegen.“
Der Fakir schluckte betreten, machte zu aller Erstaunen eine Verbeugung und rollte seinen Teppich zusammen.
„Meine Oma hat einen seltsamen Geschmack“, stellte ich nur fest. „Ich hoffe Lurz schießt den Fakir nicht mit dem Trebuchet ab, nur weil er mit meiner Oma geflirtet hat. Das wäre irgendwie übertrieben.“
„Freu dich, das NaNo-Land ist wieder normal.“ Blue lächelte und schaute Oma und Lurz nach, die Händchenhaltend in Richtung Kajüte verschwanden. „Sollen wir mal schauen, was der Smutje heute vorhat zu kochen?“
Sicherer wäre es auf jeden Fall. Nach dem Chaos mit den Geschichten wollte ich mir keine Lebensmittelvergiftung zuziehen.
„Und danach können wir Damon suchen und herausfinden was er mit den Leuten gemeint hat, die etwas im Schilf führen. Der Urlaub wird langsam langweilig“, schlug ich unschuldig vor.
Blues Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen und er kopierte im Scherz die Verbeugung des Fakirs. „Nach dir.“ 

Ende

50. Kapitel



„Vielleicht solltest du dich doch kurz hinlegen“, schlug meine Oma vor. „Hast du noch Kopfschmerzen?“
Vielleicht war das wirklich besser. Irgendetwas stimmte nicht, aber vielleicht stimmte ja etwas mit mir nicht. Das würde erklären warum ich als einzige so am Durchdrehen war.
Um mich abzulenken versuchte ich das leise Kratzen zu lokalisieren, das ich nur mit halbem Ohr wahrgenommen hatte. Da war eine Bewegung auf dem Schreibtisch am anderen Ende des Raumes. Die Feder, die ich eben noch in der Hand gehalten hatte, bewegte sich von allein über ein nicht mehr ganz leeres Blatt Papier. Mit einem Satz sprang Hannes auf den Tisch und beugte sich ebenfalls über das Blatt Papier.
In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön; aber die jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, sooft sie Ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen.
„Das kenne ich“, flüsterte er. „Das ist die Geschichte vom Froschkönig!“
Meine Oma starrte mit offenem Mund auf die Feder. „Ich auch. Aber ich hatte sie vollkommen vergessen.“
Das Rascheln wurde lauter, als eine weitere Feder anfing über einem anderen Blatt zu schweben und eine weitere Geschichte zu schreiben. Ich erkannte den Anfang von Anna Karenina. Ein Kugelschreiber widmete sich hingegen dem ersten Teil von Harry Potter, während ein Bleistift eine mir vollkommen unbekannte Geschichte niederschrieb.
„Uäh, die hier schreibt einen Roman von Kafka.“ Blue rümpfte die Nase. „Ich wünschte, der könnte vergessen bleiben; davon hatte ich beim Abitur genug. Die sollen lieber über etwas Vernünftiges schreiben.“
Das Kratzen schwoll weiter an bis jedes Schreibutensil des Raumes damit beschäftigt war ein Buch zu schreiben. Und das ging schneller voran als gedacht. Der Froschkönig war schon vollständig niedergeschrieben und die Feder wandte sich einem anderen Märchen zu.
„Das ist ein Wunder“, hauchte Phoenix.
„Natürlich! Natürlich war das ein Wunder!“ Ich erinnerte mich an das Kloster, aus dem wir das kleine Wesen mitgenommen hatten. Ganz vage kamen auch Details über den Plan aus den Tiefen meiner Erinnerung zurück. „Wir wollten ein Wunder benutzen, um die Geschichten zurückzubringen.“
„Ganz dunkel erinnere ich mich da an was“, gab Blue zu.
„Mäh“, machte Freundschaf.
„Du hast gerade genug von meinen Erinnerungen gerettet damit ich mich erinnere“, bedankte ich mich bei ihm.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Ein Aufschrei ließ uns alle herumwirbeln. Mathilda stand da, mit Tränen in den Augen, ein Buch an die Brust gedrückt. Auf dem bisschen des blauen Einbands, der nicht in ihren Armen verschwunden war, konnte ich den Titel „Anna Karenina“ ausmachen.
„Es ist wieder da“, schluchzte sie. „Das letzte Drittel fehlt noch, aber die Seiten füllen sich schon wieder mit Wörtern.“
So vorsichtig als würde sie ein Neugeborenes in den Armen halten, schlug sie das Buch auf. Vor unseren Augen füllten sich die Seiten, durch die sie blätterte, in enormer Geschwindigkeit.
„Das Wunder hat doch funktioniert“, stellte Phoenix fest. „Die Geschichten kommen zurück.“
„Aber bei Gott, es wird ewig dauern.“ Blue seufzte. „Was meinst du, fangen die mit den großen Klassikern und beliebtesten Büchern an, oder bekomme ich meine Geschichten auch wieder zurück?“
„Stimmt ja! Wir waren alle Autoren!“ Es hätte mich nicht überrascht, wenn meine Oma sich mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen hätte – oder ihre abgetrennte Hand das für sie übernommen hätte.
„Ich erinnere mich nur daran, dass ich etwas geschrieben habe. Nicht was“, bemerkte ich. „Also hat vermutlich keine Feder angefangen meine Geschichte aufzuschreiben.“
Es gab mir trotzdem eine große Erleichterung zu wissen, dass das nicht immer so bleiben würde. Die Geschichte, die mir fehlte, würde zurückkommen. Genau wie alle anderen Geschichten des NaNo-Landes. Ich wusste nicht welche Geschichte es war, aber ich wusste, dass ich sie vermisste, dass ich es geliebt hatte sie zu schreiben, und dass ich sie irgendwann überarbeiten wollte.
„Es ist fertig.“ Mathilda schaute auf die letzte Seite von Anna Karenina. „Aber es gibt so viele Bücher…“
Alleine in diesem Raum gab es sicher über tausend. Hochgerechnet auf die ganze Bibliothek, die immerhin alles enthielt, was jemals geschrieben worden war…
„Ich erinnere mich wieder!“ Himmelrich schaute aus dem Fenster. „Das hier ist die Wandernde Bibliothek. Und wir wandern nicht. Und wir sind direkt über dem Erdboden…“ Er drehte sich zu uns um und ich konnte sehen wie er die Stirn runzelte.
„Wenn genug Bücher wieder voll sind, wird sich die Bibliothek sicher wieder bewegen“, meinte meine Oma. „Bis dahin seid ihr wenigstens leichter zu finden und wir können euch regelmäßig besuchen.“
„Was machen wir wegen des Großen Roten Knopf des Verderbens? Jetzt, wo es wieder Geschichten gibt, ist er wieder gefährlich“, meinte Hannes. „Auch wenn es noch nicht viele sind. Aber wer weiß, ob wir uns beim nächsten Mal daran erinnern, dass wir ein Wunder verwenden können, um die Auswirkungen rückgängig zu machen.“
„Natürlich!“ Blue schlug sich tatsächlich mit der Hand gegen die Stirn. „Dafür haben wir die Freundschafe gesucht und hergebracht!“
„Oh Gott.“ Ich erinnerte mich an die kleine Figur, die versucht hatte eine Herde Schafe einzufangen. „Ich glaube der Pilzeimajor hat Probleme die Verwandtschaf unter Kontrolle zu halten.“
„Dann gehen wir wohl besser helfen. Hier können wir eh nichts machen außer vor den Regalen sitzen und schauen welche Buchtitel auf den Einbänden auftauchen“, meinte Phoenix. „Man, habe ich einen Hunger…“ Ihre Augen wurden groß. „Was wäre passiert, wenn ich mich nicht daran erinnert hätte, dass ich ein Zombie bin? Hätte ich euch alle gegessen? Oder hatte ich mich ohne Geschichten zurück in einen Menschen verwandelt? Hätte das Substitut überhaupt funktioniert…?“
Sie murmelte eine ganze Weile panisch vor sich hin und auch ich musste an den Ausdruck in ihren Augen denken. Gedächtnisverlust bei einem Zombie hätte für uns definitiv anders ausgehen können.
Es war mir immer noch unklar wie genau selektiert worden war, was wir vergessen hatten. Einige Dinge schienen direkt mit Geschichten zu tun zu haben. Bei der Wandernden Bibliothek machte es fast schon Sinn, dass sie ohne ihre Geschichten einen Großteil ihrer Magie verlieren würde und sich in ein zwar großes, aber recht normales Haus verwandelte. Bei anderen Dingen fand ich es etwas obskurer.
Hätte Hannes nicht zum Beispiel verschwinden müssen? Oder er hätte sich in einen normalen Frosch verwandeln sollen und wir hätten vergessen, dass er jemals ein Mensch gewesen war. Immerhin hatte es die Geschichte vom Froschkönig nicht mehr gegeben. Stattdessen hatten wir nur die Hintergrundgeschichte vergessen, aber Hannes war geblieben. Genau wie Freundschaf. Unsere Robben hingegen hatten sich in normale Roben…
„Oh!“ Ich zog meine Robbe aus und ein Stein fiel mir vom Herzen, als sie sich mit einem „Oi, oi, oi“ bei mir dafür beschwerte. „Du bist wieder da! Ich wusste doch da ist etwas falsch!“ Ich kraulte meine Robbe am Kopf und zog sie wieder an. „Schauen wir lieber nach den Freundschafen.“
Vielleicht würde mir später jemand erklären wie genau der Löschvorgang des Großen Roten Knopfes des Verderbens vor sich gegangen war. Irgendwie hatte ich aber die leise Vermutung, dass sich niemand finden würde, der eine Ahnung davon hatte. Wichtig war nur, dass in der Zeit, in der alle vergessen hatten was wichtig war, nichts Schlimmes passiert war. Hätten wir nicht im selben Raum gesessen, hätten wir einander vielleicht auch vergessen. Ich hatte noch ein vages Gefühl davon wie verschwommen mir alle anderen Leute vorgekommen waren.
Ganz war das Gefühl immer noch nicht verschwunden und ich vermutete, dass es abnehmen würde je mehr Bücher geschrieben wurden. Da das NaNo-Land eine Welt war, die praktisch nur aus Geschichten gebaut war, machte es vielleicht Sinn, dass es ohne Geschichten einige Änderungen geben würde. Aber was, wenn jemand aus Versehen einen Freund verletzt hatte, an den er sich nicht mehr erinnert hatte? Was, wenn ein anderer Zombie vergessen hatte, dass er sein Gehirnsubstitut zu sich nehmen musste und einen Menschen angefallen hatte? Es gab so viele Möglichkeiten was schief gegangen sein könnte. Oder all die Leute, die so depressiv gewesen waren, als die Nebelschaden noch dabei gewesen waren alle Geschichten zu vernichten. Wenn einer von denen sich etwas angetan hatte…
„Wir müssen Mr. Ian Woon benachrichtigen und fragen was im NaNo-Land vonstatten gegangen ist, während die Geschichten gelöscht wurden. Und dann sollten wir vielleicht bei unseren Freunden nachschauen, ob es denen auch gut geht…“
„Lurz!“, schrie meine Oma. Vor lauter Schreck fiel sogar ihr Händchen von ihrer Schulter und machte vom Boden aus rüde Gesten, um sich zu beschweren. „Ich hatte ihn vollkommen vergessen! Oder, nicht vergessen, eher… Es ist alles verschwommen.“ Sie hielt sich den Kopf.
„Glaub mir, ich weiß wir sich das anfühlt“, bemerkte ich nur.
„Erstmal die Verwandtschaf von Freundschaf“, meinte Hannes. „Es ist wichtig zu verhindern, dass der Große Rote Knopf des Verderbens wieder von jemandem gedrückt wird. Danach sollten wir vielleicht wirklich durch das NaNo-Land reisen und schauen, ob es unserer Familie und unseren Freunden gut geht.“
Dabei sah er selbst etwas beunruhigt aus. Kein Wunder, wenn ich länger darüber nachdachte. Immerhin war sein Vater der Könling der Fantasy-Gegend. Die war stark von Geschichte, besonders Märchen, inspiriert. Wer konnte schon ahnen was für Auswirkungen die Löschung der Geschichten dort gehabt hatte.
„Äh, Hilfe!“, meldete sich plötzlich Himmelrich.
Erst jetzt bemerkte ich, dass er einen schwankenden Stapel Papier in den Armen trug.
„Die Federn sind ein wenig außer Kontrolle geraten. Wir brauchen mehr Papier. Oder mehr Bücher. Oder mehr Leute. Aber von irgendwas brauchen wir mehr damit sie weiter schreiben können.“
Die Schreibwerkzeuge waren tatsächlich enorm schnell bei der Sache. Alles an Papier, was sie auf den Tischen hatten finden können, ob von Magieratten angeknabbert oder nicht, hatten sie fein säuberlich beschrieben. Sobald es aufgeschrieben war, schienen sie allerdings kein Interesse mehr daran zu haben. Einzelne Blätter lagen quer und kreuz und übereinander auf dem Boden, ohne jede erkennbare Ordnung. Wie sollte man die jemals wieder ordnen? Konnte man die überhaupt ordnen? War es nötig? Die Geschichten schienen ja, sobald sie aufgeschrieben waren, eh in den Büchern aufzutauchen. Auch wenn auf den nun leeren Zetteln ebenfalls Geschichten gestanden haben mussten, die nun durch andere ersetzt worden waren.
Es war mir eh ein Rätsel nach welcher Reihenfolge die Federn schrieben, oder ob sie eine Reihenfolge hatten. Ich hoffte einfach mal, dass die Geschichten, die auf den Zetteln gestanden hatten, nicht dadurch vollständig verschwunden waren, weil sie nun von anderen überschrieben worden waren. Andererseits wollte ich die Federn nicht in Frage stellen und das Wunder erst recht nicht.
Himmelrich hatte aber Recht was den Rest anging. Wir brauchen definitiv mehr Papier. Und mehr Leute, um das Papier zumindest rauszuschaffen, wenn auch nicht unbedingt geordnet. Ansonsten würde das Zimmer bald bis unter die Decke mit Geschichten gefüllt sein. Während das im Prinzip nichts Schlechtes war, würden die Federn eventuell Schwierigkeiten bekommen, ihrer Aufgabe nachzugehen.
„Wir bitten Mr. Ian Woon um Hilfe, würde ich sagen. Phoenix und ich bleiben hier und übernehmen das“, schlug meine Oma vor. „Ich hoffe die Gedankenspinne funktioniert wieder…“, murmelte sie noch.
Da war das Wort Spinne. Ich war dann mal weg.
„Dann gehen wir anderen und schauen was wir mit der Verwandtschaf von Freundschaf anstellen.“
„Mäh“, machte Freundschaf und wandte sich zur Tür. Für seine Verhältnisse war das fast schon ein Aufruf zur Eile.
Es hatte nicht Unrecht. Was, wenn sich der Pilzeimajor noch nicht daran erinnerte warum die Schafe so wichtig waren? Das konnte zu ganz schönen Problemen führen.
„Auf geht’s!“ Blue marschierte zur Tür, Freundschaf ihm direkt auf den Fersen. In der Eingangshalle schnappte er sich sein Schwert, das er in einem Hutständer abgestellt hatte.
Der Weg zum Gebäude war lang, auch wenn die Bibliothek es tatsächlich geschafft hatte noch ein paar hundert Meter näher heranzukommen bevor ihr die Beine weggeklappt waren. Der Bucheinband, auf dem das Gebäude mit den vielen Treppen ruhte, lag auf dem Boden. Ob es auch leer war? Oder war der Inhalt dieses speziellen Buches die Bibliothek an sich?
„Beeilung!“, rief Blue.
Weiter vorne konnte ich sehen, dass die Schafe immer noch im Kreis sprangen, eventuell sogar hektischer als vorher. Der Pilzeimajor schien es glücklicherweise aufgegeben zu haben zu versuchen sie einzufangen, denn ich konnte ihn auf den Stufen vor dem Gebäude sitzen sehen. Zumindest vermutete ich, dass er es war, da nicht viele andere Leute geblieben waren.
„Hallo!“, rief Blue schon von Weitem.
Ein paar der Schafe hörten auf, herumzutoben und hoben die Köpfe.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Es war beinahe furchteinflößend hunderte von Schafen auf sich zu rennen zu sehen.
Määähh“, machte Lichtschaf, das als erstes bei uns ankam. Hinter ihm erkannte ich Winterschaf, das eine deutliche Spur Frost auf dem Gras hinterließ. Dann kamen Weltherrschaf mit seinen Anhängerschafen, Alarmbereitschaf und Wissenschaf. Sie alle schienen deutlich aufgeregt.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Die Schafe wurden langsamer und schauten sich an.
„Mäh“, machte Freundschaf.
„Mähhhhh“, machte Wissenschaf und legte den Kopf schief.
„Ich glaube die haben bemerkt, dass etwas passiert ist. Deshalb waren sie so aufgeregt“, flüsterte Blue.
„Warum flüsterst du?“
Er wurde leicht rot um die Wangen und schaute zu Boden. „Naja… die hören sich irgendwie an als würden sie sich unterhalten und ich will sie nicht stören…“
Der alte Blue war zurück! Und da hatten er und meine Oma mich seltsam angeschaut, als ich mit Freundschaf und einem Wunder geredet hatte.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Das schien das Ende des Gesprächs zu sein, denn alle Schafe drehten sich um und trabten ruhig zum Eingang des Gebäudes zurück, wo der Pilzeimajor saß, den Kopf in seine Hände gestützt.
„Entschuldigung?“ Er sah immer noch nicht auf, also tippte ich ihm kurz auf die Schulter. „Wo ist der Große Rote Knopf des Verderbens?“
Er sah auf. „Der was? Tut mir leid, aber ich bin gerade damit beschäftigt die ganzen Schafe zu beruhigen. Die…“ Seine Augen wurden größer als er die komplett ruhige Herde sah, die ihn anstarrte. „Wie haben Sie das geschaft, äh geschafft? Die waren vollkommen außer sich!“
„Vermutlich, weil alle Geschichten gelöscht wurden und sie als einzige etwas davon mitbekommen hatten.“ Zumindest war das ein gutes Zeichen dafür, dass alle Freundschafe gegen den Großen Roten Knopf des Verderbens immun waren. „Wir müssen jetzt wissen wo der Große Rote Knopf des Verderbens ist, um zu verhindern, dass wieder alle Geschichten gelöscht werden.“
Er starrte und an. Und starrte. Und starrte.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Der Pilzeimajor zuckte zusammen, als es ihn mit seiner Schnauze in die Hand stupste, zog diese aber nicht zurück. Seine Augen weiteten sich wieder und seine Schnurrbartenden begannen zu zittern.
„Oh! Natürlich! Der Große Rote Knopf des Verderbens!“
An keinem anderen Tag meines Lebens hatte ich das Wort „natürlich“ so oft gehört oder selbst ausgerufen. Andererseits war das hier auch schwerlich wie jeder andere Tag meines Lebens.
„Er müsste im Keller sein. Dort ist er jedenfalls gewesen als er gedrückt wurde. Und dann ist er einfach dort geblieben. Glaube ich jedenfalls. Die letzten paar Stunden sind etwas verschwommen…“
„Kein Problem. Gehen Sie einfach und holen Sie ihn hoch. Wir kümmern uns solange um die Schafe.“
„Die Schafe?“
„Ja. Die werden Knopf ab jetzt bewachen, falls wir sie dazu überreden können“, meinte ich nur.
„Schafe?“
„Schafe“, bestätigte ich.
„Schafe?“
„…holen Sie einfach den Knopf.“ Blue deutete in Richtung der Eingangstür.
Der Pilzeimajor schien immer noch verwirrt zu sein, folgte jedoch unseren Anweisungen und verschwand durch die Tür im Inneren des Gebäudes.
„Okay.“ Ich drehte mich zu der Schafherde um, die mich interessiert beäugte. „Ich habe eine wichtige Frage an euch alle. Der Große Rote Knopf des Verderbens war dafür verantwortlich, dass alle Geschichten gelöscht wurden. Das habt ihr vermutlich mitbekommen.“
„Mähhhhh“, machte Wissenschaf und einige andere Schafe stimmten ein.
„Ich nehme das Mal als Zustimmung. Ihr seid dagegen immun, oder?“
Wieder ein lautes Mähkonzert. Dafür, dass wir nicht wirklich miteinander reden konnten, funktionierte das Kommunizieren erstaunlich gut. Vielleicht sollten wir es mit dem Übersetzungsgerät aus dem Froschungslabor versuchen – auch wenn ich nicht mehr genau wusste wo das eigentlich abgeblieben war.
„Würdet ihr den Knopf ab jetzt bewachen? Die Menschen, die das vorher gemacht haben…“
Ich wusste nicht genau was eigentlich das Problem gewesen war. Zu wenig Geld? Nach dem Desaster würden sie definitiv genug verdienen. Aber das würden wir wohl mit Mr. Ian Woon und den Ratsmietgliedern absprechen müssen.
„…ihr seht ja, dass es nicht funktioniert hat“, entschied ich schließlich das Problem zu umschreiben. „Ich weiß nicht für wie lange das wäre, aber ich will nicht, dass wir die Geschichten verlieren, wo wir gerade erst angefangen haben, sie zurückzubekommen. Würdet ihr uns den Gefallen tun?“
„Mäh“, machte Freundschaf und sah erwartungsvoll seine Verwandtschaf an.
„Mähhhhh“, machte Wissenschaf.
„Määähh“, machte Lichtschaf.
„Mmmäh“, machte Winterschaf.
Alle anderen Schafe folgten dem Beispiel.
„Sehr gut. Wollt ihr irgendwas als Lohn dafür?“
Die Schafe starrten mich an.
„Unterkunft und Verpflegung für den Anfang, vielleicht?“
Wieder ein Mähkonzert. Wer sagte, dass man mit Schafen nicht verhandeln konnte, hatte noch nie einer Herde Freundschafe gegenübergestanden. Oder war der Begriff Freundschaf nur für unser spezifisches Schaf und kein Sammelbegriff? Da würde ich Archiblad vielleicht mal fragen müssen.
„Ich schlage vor wir begeben uns alle erstmal in die Halle und lassen den Knopf dort. Ist es euch recht, wenn wir alles Weitere besprechen, sobald wir wieder Kontakt zu den anderen Leuten im NaNo-Land hergestellt haben?“
Wieder gaben alle Schafe Laut.
„Super!“ Ich ging die Stufen zum Eingang hoch und eine ganze Herde Schafe folgte mir mit treudoofem Blick.
„Das“, meinte Blue „war irgendwie beeindruckend.“
„Da kann ich nur zustimmen.“ Hannes schaute von meiner Schulter aus zurück auf die mir folgenden Schafe. „Und du meinst das funktioniert?“
„Wir können es ja gleich testen.“
Der Direktor wartete bereits in der großen Halle, wo wir den Großen Roten Knopf des Verderbens das erste Mal gesehen hatten. Ihm war sichtbar unwohl und er schielte immer wieder auf den Knopf, den er auf dem Podest platziert hatte.
Das würde so nicht funktionieren; da kamen die Schafe ja niemals dran! Also nahm ich ihn kurzerhand und legte ihn auf den Boden. Als ich ihn berührte, bemerkte ich nur ein leichtes Kribbeln, das mir den Arm hinauflief und verspürte das leichteste Bedürfnis, den Knopf zu drücken. Es war ein bisschen so, als hätte ich Lust auf Schokolade, obwohl ich auf Diät war. Ich wollte ihn drücken, aber wusste, dass es schlecht sein würde und konnte mich davon abhalten.
„Mmh.“
„Das ist nichts gegen den Drang, den ich vorher gespürt habe“, bestätigte Blue. „Meinst du, es hat etwas damit zu tun wie viele Geschichten es gibt?“
Wie alle Spekulationen, die mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens zu tun hatten, würde ich mich auf die nicht einlassen. Also zuckte ich nur mit den Schultern und nahm meine Finger vom Knopf. Freundschaf kam einen Schritt vor, schnupperte daran und wandte sich dann desinteressiert ab.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Ich trat ein paar Schritte zurück als der Rest der Herde sich um den Knopf schaarte und ihn misstrauisch beäugte. Ein paar stupsten ihn mit der Nase an, aber ohne ihn zu drücken.
„Mäh“, machte Freundschaf und sah mich an.
„Ich nehme mal an das heißt sie sind immun?“ Blues Satz klang wie eine Frage.
„Hoffen wir es.“ Dann wandte ich mich an die Schafe. „Okay, das funktioniert folgendermaßen. Es werden immer wieder Leute kommen, die versuchen werden den Knopf zu drücken. Für uns Menschen und ganz viele andere Lebewesen ist es unmöglich den Knopf nicht zu drücken.“
Die Schafe starrten mich nur weiter an.
„Also lasst sie den Knopf drücken und drückt ihn dann selber, um ihn zu deaktivieren. Versuchen wir das Ganze mal.“
Ich kämpfte mich durch eine ganze Reihe Wollknäule und drückte mit dem Fuß auf den Knopf. Es war wirklich wie Schokolade essen. Ich hätte mich davon abhalten können, aber freute mich trotzdem kurz darüber, es doch getan zu haben, bis das schlechte Gewissen sich bemerkbar machte.
„Määähh“, machte Lichtschaf und drückte den Knopf mit seiner Schnauze wieder aus.
„Ganz genau so. Wie alles Weitere läuft, wird sich klären. Vermutlich müsst ihr euch abwechseln und die anderen können in ihrer freien Zeit schlafen, oder fressen, oder… was auch immer ihr in eurer Freizeit tut.“ Was taten Schafe in ihrer Freizeit?
„Mäh“, machte Freundschaf.
Ein paar Schafe drehten auf dem Absatz um und verschwanden nach draußen. Ein anderer Teil verschwand ins Innere des Gebäudes, vielleicht um es zu erkunden. Die restlichen Schafe, inklusive Freundschaf, bildeten einen Halbkreis um den Knopf und starrten ihn an.
„Können wir euch erstmal hierlassen?“, fragte ich, immer noch leicht skeptisch.
„Mäh“, machte Freundschaf ohne vom Knopf aufzusehen.
„Alles klar…“
Mit noch einem letzten Blick über meine Schulter, machte ich mich auf den Weg zum Ausgang. Blue schaute noch länger zurück zu den Schafen, die alle nur den Knopf im Auge hatten. Anscheinend nahmen sie ihren Job erstaunlich ernst.
„Waren das gerade Vertragsverhandlungen mit Schafen?“, flüsterte ich ihm zu.
„Jap“, bestätigte er. „Obwohl die Feinheiten wohl noch ausgearbeitet werden müssen. Aber damit darf sich Mr. Ian Woon herumschlagen. Dieses Gebäude ist nicht sonderlich schaffreundlich. Und Urlaubsregelungen müssen eingeführt werden… und vielleicht wollen die alten Wächter ihren Job auch wieder.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber das ist nicht mehr unser Problem. Wir haben unseren Job getan und das NaNo-Land gerettet.“
„Naja…“ Mein Blick streifte eins der Regale im Flur. Die meisten der Einbände waren leer, genau wie die Seiten sein würden, wenn ich die Bücher aufschlagen würde. Ein paar hatten jedoch wieder Titel und Autorennamen auf ihren Buchrücken stehen. „Theoretisch haben wir das NaNo-Land zugrunde gehen lassen, um dann die Auswirkungen rückgängig zu machen. Und das wird wohl noch eine Weile dauern.“
Blue zuckte nur mit den Schultern. „Dann hätte die Jobbeschreibung genauer sein sollen.“ Er grinste. „Meinst du, deine Oma und Phoenix haben es geschafft Mr. Ian Woon zu kontaktieren?“
Dieses Mal war es mir mit den Schultern zu zucken. „Wenn nicht, haben wir genug damit zu tun den Raum mit dem Schreibtsich und den Stiften zu managen bis wir Verstärkung bekommen. Das Warten wird definitiv nicht langweilig.“
Allein bei dem Gedanken an all die Zettel, die wir würden transportieren müssen, wurde mir ein wenig anders.
„Wird es im NaNo-Land jemals anders?“ Blues Grinsen war wie festgeschraubt.
„Eher nicht“, bestätigte Hannes.
Die Wandernde Bibliothek ragte wieder vor uns auf. Sie hatte sich bereits ein Stück vom Boden gehoben, auch wenn es nicht annähernd so viele Stufen waren wie bei unserem allerersten Aufstieg. Ich nahm das mal als gutes Zeichen.
„Dann schauen wir mal was das NaNo-Land als nächstes für uns bereithält“, meinte ich nur und trat auf die erste Stufe.