Das Bild habe ich für Kaffeetassenhalter gemalt, weil ich sie als Kartentauschpartner dieses Jahr hatte. Eigentlich gehört es wohl eher zu Band 1, aber ich poste es trotzdem mal und hoffe, dass es euch gefällt.
Außerdem passt der Gegenstand in Blues Hand zum heutigen Kapitel. Würde ich den Kapiteln Namen geben, hieße das vermutlich "Die Rückkehr der Kloppbürste". xD
Ich hoffe es gefällt euch.
Gutes Schreiben am letzten Tag im November!
Lg,
Kim
Ein Blog, der einige kreative Projekte enthält, die ich gerade verfolge. Da könnte von allem etwas dabei sein. ^^
Montag, 30. November 2015
30. Kapitel
Heinrich runzelte die Stirn, als er den
zerfransten Teppich sah, den man uns als Ersatz geschickt hatte. Er zupfte
lustlos an einigen Fasern, die aus dem Muster herausragten und seufzte dann.
„Ich vermisse meinen Teppich.“
Bis eben hatte ich noch nicht gewusst, dass
jeder Fakir einem Teppich zugeordnet war und meistens den gleichen flog. Kein
Wunder also, dass er sich ungern von dem nun in einem Dorfteich versunkenen
Bunny-Teppich trennte, vor allem weil ihm stattdessen das mottenzerfressene
Ding hier vorgesetzt wurde.
Blue stöhnte aus einem anderen Grund, denn
das Teil war rosa. „Ich kann die Farbe nicht mehr sehen“, meinte er. „Warum ist
hier alles rosa?“
Immerhin schien der Liebestrank seine
Vorliebe für Farben nicht zu beeinflussen. Einen Blue, der in rosa Klamotten
herumlief, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Obwohl das ja angeblich die
Farbe der Liebe sein sollte. Oder war das doch eher rot?
Ganz von der Romantik abgelassen hatte er
jedoch immer noch nicht. Zum Frühstück hatte ich eine rote Rose an meinem Platz
vorgefunden. Als ich mich dafür bei Blue bedankt hatte – hey, immerhin war das
besser als ein Mitternachtsständchen! – war er tatsächlich rot geworden, was
zugegebenerweise ein wenig niedlich war.
„Hier ist dein komisches Zeigedingens“,
meinte er und drückte mir den Zeigefinder in die Hand, der an einer der
Schlaufen befestigt gewesen war.
Die nächste Überraschung für mich war
gewesen, dass der Teppich alleine gekommen war. Kein Fakir hatte darauf
gesessen. Heinrich hatte mich daran erinnert, dass der Fakir sonst statt uns
hier festsitzen würde und das nicht viel Sinn machte. Von der Seite aus
betrachtet hatte er natürlich Recht. Allerdings war ich überrascht gewesen, dass
die Teppiche eine Autopiloten-Funktion hatten.
Den beim „Personenferkehr“ zu benutzen war
zwar laut Heinrich verboten, aber so konnte man immerhin Ersatzteppiche zu
verschiedenen Fakiren im ganzen NaNo-Land schicken.
„Ich fürchte ich muss das Ding erstmal
entstauben“, meinte er nun. „Der hätte schon vor geraumer Zeit eine
Generalüberholung nötig gehabt. Vermutlich haben sie den aus dem hintersten
Lager gezogen…“, grummelte er.
„Wann können wir los?“ Phoenix zog
Freundschaf zurück, das begonnen hatte an einer der sowieso lose aussehenden
Fransen zu knabbern.
„Irgendwann heute Nachmittag, wenn alles
glatt läuft.“
Je nachdem wo uns der Zeigefinder hinführen
würde, könnte das ein Desaster werden.
„Dann auf geht’s! Nutzen wir die Zeit!“ Noch
eine Sache, die sich an Blue verändert hatte, war dass er seltsam
enthusiastisch geworden war.
Vermutlich war das der Fluch von Wolke
Sieben. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Die Verkäuferin hatte uns bereits
gewarnt, dass er am ersten Tag, nachdem der Trank abgeklungen war, ziemlich
mies drauf sein würde. Vom Hals über Kopf verliebt sein zu peinlich berührt
sein überzugehen, hatte sie gemeint, war kein schönes Gefühl.
„Dann auf geht’s.“ Solange er noch
enthusiastisch war, mussten wir das nutzen.
Vorsichtshalber nahmen wir uns ein wenig
Proviant mit und machten uns dann auf den Weg. Ich hatte den Zeigefinder auf
meiner Schulter angebunden, direkt neben Hannes, der von uns allen mit dem Teil
am besten umgehen konnte. Als erstes probierte er einzugeben, dass wir die
Verwandtschaf von Freundschaf finden wollten. Wie erwartet zeigte das Gerät nur
404-not found in großen
Leuchtbuchstaben an. Soweit keine Überraschung.
Als er jedoch eingab, dass wir zur Einziege
geführt werden wollten, begann die Nadel sich zu drehen und deutete in eine
Richtung. Das war ein Anfang. Zwar wussten wir nicht wie weit entfernt das war,
wohin er uns führen würde, aber zumindest rannten wir nicht mehr kopflos durch
Romantika.
„Auf geht’s!“ Blue marschierte resolut vorne
weg.
Meine Oma hob fragend eine Augenbraue. „Was
ist denn in den gefahren?“
„Ein Liebestrank, falls du das noch nicht
bemerkt hast“, grummelte ich nur. „Ein Glück, dass das in zwei Tagen vorbei
ist.“
Wobei… ein wenig nett war es schon. Blue war
wesentlich besser gelaunt, zumindest, wenn ich ihm ein wenig Aufmerksamkeit
schenkte. Nervig wurde er nur, wenn ich ihn vollkommen ignorierte und macht dann
irgendwas Blödes, um meine Gedanken wieder auf ihn zu richten. Eigentlich nicht
dumm. Nur eben nervig. Es sei denn er brachte mir Rosen.
„Folgen wir ihm einfach – und pfeifen ihn
zurück falls er in die falsche Richtung marschiert“, flüsterte Hannes mir zu.
So setzten wir uns in Bewegung. Unsere
Prozession erregte, wie auch schon die Tage zuvor, ein wenig Aufruhr wohin auch
immer wir gingen. Drei Menschen, ein Zombie, ein Schaf und ein Frosch. Außerdem
war Freundschafs Fell immer noch zur Hälfte weiß und zur Hälfte grau. Wir
würden es scheren müssen, um die verkokelte Wolle loszuwerden und ihm ein
halbwegs normales Aussehen zu verschaffen. Allerdings wurde es bald Winter und
vielleicht war es keine so gute Idee ihm sein ganzes Fell zu nehmen.
Für jetzt schien es sich an seiner grauen
Wolle nicht zu stören, also beließen wir es dabei. Was der Friseur, bei dem ich
gewesen war, dazu sagen würde, wollte ich gar nicht wissen. Andererseits konnte
der mir sowieso gestohlen bleiben.
Bald schon kamen wir an der Stadtmauer von
Romantika an. Das letzte Mal waren wir noch zu sehr damit beschäftigt gewesen,
dass wir den Tag zuvor beinahe gestorben waren, also hatten wir die Mauer nicht
ausreichend bewundert. Außerdem war ich ein wenig von den Geheimgängen
abgelenkt gewesen. Ich musste sagen, dass das alles schon beeindruckend aussah.
Ganz Romantika war von einer Mauer umgeben,
richtig mit Wehrgängen und Zinnen. Auch ein paar Wehrgänse tummelten sich auf
den Wiesen vor der Stadt, aber das war vermutlich eher eine alte Tradition, als
Notwendigkeit. Wer würde schon auf die Idee kommen die Stadt der Liebe und der
Erotik anzugreifen?
Weiter und weiter marschierten wir, bis die
Mauern von Romantika nur noch in der Ferne zu sehen waren. Was würden wir tun,
wenn wir weiterliefen und liefen und nicht ans Ziel kamen? Unverrichteter Dinge
wieder umdrehen und das Ganze mit dem fliegenden Teppich noch einmal versuchen?
Sofern Heinrich den wieder auf Vordermann bekam, natürlich. Obwohl… zumindest
fliegen konnte er, immerhin war er irgendwie hierher gekommen.
„Hey, ich glaube ich sehe was. Da ganz
vorne…“
Blue hatte seine Schritte beschleunigt.
Tatsächlich konnte ich eine seltsame Konstruktion in einiger Entfernung
erkennen.
„Warte doch auf uns!“, beschwerte ich mich.
„Der will nur Eindruck bei dir schinden“,
flüsterte Hannes mir zu. „Dir zeigen wie mutig er ist. Glaub mir, gerade würde
er nichts lieber tun als irgendein Monster bekämpfen.“
Dann mussten wir wohl hoffen, dass wir nicht
auf Monster trafen. Blue gleichzeitig im Liebesrausch und im Kampfrausch konnte
nicht gut gehen. Bisher sah es allerdings eher aus, als hätte jemand eine
notdürftig errichtete Hütte am Wegesrand aufgestellt.
Je näher wir kamen, desto seltsamer sah das
Gebilde allerdings aus. Es schien mehr als wäre es ein überdimensionales
Plumpsklo, sogar mit ausgeschnittenem Herzchen an der Eingangstür.
„Mia, da tut sich was“, sagte Hannes
plötzlich.
Ich schielte auf meine Schulter und sah, dass
sich die Nadel des Zeigefinders ununterbrochen drehte. Zusätzlich blinkte das
Ding unaufhörlich.
„Ernsthaft? Dahin wollte uns das Teil
führen?“
Naja, die gute Nachricht war dann wohl, dass
wir nicht für immer ins Nichts laufen würden.
„NEIN! Nein, das darf nicht wahr sein!“
Ich griff automatisch nach meinem Bogen. Was
auch immer Blue so aufregte, musste schrecklich sein. Er war derjenige, der
normalerweise am wenigsten die Nerven verlor. Außer wenn er gerade in mich
verliebt war, vielleicht.
„Neeeeeein!!!“
„Blue, was zum Teufel ist los?“, rief ich ihm
zu.
Wir alle gingen schneller, um ihm notfalls zu
Hilfe eilen zu können. Meine Oma hatte ihren Starb fester gepackt und eine
ernste Miene aufgesetzt. Phoenix sah einfach nur entschlossen aus. Vermutlich
war sie als Zombie sowieso stärker als die meisten Gegner, denen wir bisher
begegnet waren. Wir hätten sie bestimmt gebrauchen können, als meine Oma von
dem Vampirschaf geschluckt worden war.
„Alles nur nicht das“, murmelte er weiter vor
sich hin und starrte mit schreckensweiten Augen auf das Klohäuschen.
„Blue!“, schrie ich ihn an und er drehte sich
endlich zu mir um. „Klartext bitte!“
„Das ist ein Schißstand“, meinte er nur.
Ich ließ den Bogen los und begann zu lachen.
„Ist das alles? Das ist eine seltsame Beschreibung für ein Plumpsklo, aber wir
haben nun wirklich Seltsameres gesehen.“
„Mia, du verstehst nicht ganz.“
Mittlerweile waren wir nah genug bei ihm,
dass er mich zu ihm ziehen konnte, um auf ein Schild an der Tür des
Schißstandes zu deuten. Sobald ich auch nur einen Blick darauf geworfen hatte,
wusste ich warum er so einen Aufstand gemacht hatte und stöhnte ebenfalls auf.
„Nein! Das darf nicht wahr sein!“
„Doch“, nickte Blue und deutete auf das Bild
der goldenen Kloppbürste, die auf dem Poster abgebildet war.
Wir beide sprangen erschrocken zurück als mit
einem Knarren die Tür nach innen wegklappte. Das Holz knarzte und zeterte,
während sich der ganze Schißstand auseinanderzuklappen schien. Eine Theke erschien
vor uns, hinter der ein lächelnder Mann in bunten Klamotten stand.
„Willkommen beim Schißstand!“, verkündete er.
„Ich freue mich Sie hier begrüßen zu dürfen. Wollen Sie Ihr Glück versuchen?“
„Dieses Ding hätte nie wieder das Tageslicht
sehen dürfen“, seufzte Blue.
Langsam dämmerte mir was uns bevorstand. Ich
sah die Zielscheiben, die im hinteren Teil des Schißstandes angebracht waren.
Ein leicht süßlicher Geruch nach Zitronen und Desinfektionsmittel waberte aus
dem hölzernen Häuschen hervor.
Auf der anderen Seite der Konstruktion hingen
ein paar zerfleddert aussehende Kuscheltiere. Eins davon fiel mir ins Auge, als
Freundschaf meine Hand anstupste und ein mitleiderregendes „Mäh!“ von sich gab.
Hinter einem schmuddeligen Pandabären und direkt neben einer orangenen Eule war
eine recht lebensecht aussehende Ziege ausgestellt. Freundschaf stupste mich
erneut an und ich fuhr im beruhigend durch die versengte Wolle.
„Was müssen wir tun, um die da zu gewinnen?“,
fragte ich den Mann.
Blue sah mich entgeistert an, genau wie der
Rest der Truppe. Wenn ich mit meinen zwei Vermutungen richtig lag, hatte uns
der Zeigefinder aus gutem Grund hierher geführt. Das dort könnte die Einziege
sein – oder auch ein ganz normales, ausgestopftes Kuscheltier. Freundschafs
Reaktion ließ allerdings Zweifel an letzterer Theorie aufkommen. Meine zweite
Vermutung war, dass es sich hier um einen Schießstand mit… speziellen Waffen
handelte. Was bedeutete, dass wir die Ziege gewinnen mussten.
„Die da? Fünfzig Schuss“, meinte der Mann.
Na das konnte heiter werden.
Sonntag, 29. November 2015
29. Kapitel
Hannes konnte sich vor Lachen nicht mehr
halten, als wir ihm beim Frühstück erzählten was mit Blue passiert war. Es war
ein Wunder, dass er einfach weitergeschlafen hatte und von dem ganzen Lärm nicht
aufgewacht war. Seine gerechte Strafe für den Lachanfall hatte er auch schon
bekommen, denn er hatte sich deshalb beinahe an einer Fliege verschluckt.
Ich selbst rutschte nur auf meinem Stuhl hin
und her und rührte den Toast mit Nutella, der vor mir auf dem Tisch stand, kaum
an. Einerseits wollte ich Blue so schnell wie möglich von den Liebwächtern
abholen. Eingesperrt zu sein hatte er, trotz seiner schlechten Singstimmte,
wirklich nicht verdient. Andererseits würde er dann vielleicht wieder anfangen
mich mit Liebesliedern vollzudröhnen…
Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als
die Wirtin zu uns an den Tisch kam und mir eine Erdbeermeldung auf den Teller
legte.
„Was zum Teufel ist das?“
Ich stupste ein paar der Erdbeeren, die sich
in dem kleinen Korb befanden, misstrauisch mit einem Finger an. Erst dann sah
ich den Zipfel Papier, der an einer Ecke hervorlugte. Er hatte dieselbe Farbe
wie die Erdbeeren, weshalb ich ihn beinahe übersehen hatte.
Meine Oma hatte angefangen zu grinsen und
Hannes hatte sich schon wieder an einer Fliege verschluckt. Dann hatte die
Erdbeermeldung wohl etwas mit Blue zu tun.
„Die werden von den Liebwächtern in Auftrag
gegeben, wenn ein Kavalier festgenommen wurde, der unter dem Fenster einer Dame
gesungen hat“, erklärte meine Oma. „Als kleine Entschädigung dafür, dass sie
eventuell einen sehr romantischen Moment unterbrochen haben.“
„Gah! Diese drei Tage können gar nicht
schnell genug rum sein!“, zischte ich und zog das Stück Papier aus den
Erdbeeren.
Es war ein bisschen durchgeweicht (ein paar
Erdbeeren hatten die Sendung wohl nicht ganz unbeschadet überstanden), aber ich
konnte trotzdem lesen, was darauf stand. Sie fragten höflich, ob ich Blue
abholen kommen wollte.
„Normalerweise wird es als Liebeserklärung
gesehen, wenn man wirklich hingeht und die betroffene Person abholt“, meinte
Hannes, der es mittlerweile geschafft hatte die Fliege zu schlucken.
Na super. „Dann kann ich ja einfach dich
hinschicken“, meinte ich nur.
Er verzog das Gesicht und widmete sich wieder
seinen Fliegen. Recht so. Ich würde nämlich keinen Freund auf einer
Polizeistation zurücklassen, egal wie sehr er es vielleicht verdient hatte. Der
Typ Mensch war ich nicht. Und wenn die ganze Welt dachte, dass ich in ihn
verliebt war, was scherte es mich? Sobald der Liebestrank seine Wirkung verlor,
würde er sowieso tausend Mal peinlicher berührt sein als ich.
Mein Appetit war auf einmal zurückgekehrt und
ich widmete mich meinem Frühstück. Erstaunlicherweise schmeckte Nutellatoast
mit Erdbeeren ziemlich gut.
Sobald wir fertig waren, stand ich auf. „Auf
geht’s!“
„Wohin?“, fragte Hannes.
„Na unseren Minnesänger holen, du Froschkopf.
Wir müssen eine Einziege suchen, schon vergessen? Und so verlockend es auch ist
ihn eine Weile im Gefängnis zu lassen, das wäre nicht fair. Oder?“
Er grummelte etwas, das ich nicht verstand,
hüpfte aber auf meine Schulter. Das bedeutete dann wohl er war mit dem Lauf der
Dinge einverstanden. Auch meine Oma und Phoenix erhoben sich und Freundschaf
stand sowieso schon erwartungsvoll neben unserem Tisch.
Dieses Mal nahmen wir einfach ein Taxi – das
Gesicht des Fahrers, als er unsere Truppe sah, war göttlich – und standen kurze
Zeit später vor der Liebwächterwachstation. Als ich die Erdbeermeldung
vorzeigte, begann der Liebwächter am Schalter sofort zu grinsen und ließ unsere
Gruppe passieren. Sollte er doch denken was er wollte.
Schon von Weitem hörte ich Blues schräge
Stimme durch die Flure hallen. Oh je. Hatte der immer noch nicht aufgehört zu
singen? Immerhin hatte er mittlerweile das Lied gewechselt und schmetterte nun
„Oh sole mio“. Die meisten Liebwächter, die uns über den Weg liefen, sahen eher
genervt aus.
Dank Blues erneuter Gesangseinlage musste uns
niemand den Weg zeigen und kurze Zeit später standen wir vor einer Zelle. Auf
einer harten Bratsche lag Blue und sang. Wer hätte gedacht, dass die
Liebwächter so eine Art von Humor an den Tag legen würden? Musikinstrumente als
Betten in den Zellen derjenigen, die sich als Minnesänger versucht hatten… das
war mal eine Idee.
Das einzig Gute, was über die Situation zu
sagen war, war dass er sofort aufhörte, als er mich vor der Gittertür stehen
sah. „Mia! Ich wusste, dass du kommen würdest!“
„Bilde dir bloß nichts darauf ein, du
Vollpfosten. Ob du es glaubst oder nicht“ Ich hatte das Gefühl, dass er es
vermutlich nicht glauben würde „Ich bin nur als Freund hier. Wir müssen die
Verwandtschaf von Freundschaf finden und du kommst aus der Sache nicht raus,
nur weil du einen dämlichen Liebestrank getrunken hast“, drohte ich ihm.
Er zuckte nur mit den Schultern und grinste
über das ganze Gesicht. Jap, er glaubte mir nicht. „Ich bin nur froh, dass
meine Interbrettation endlich vorbei ist.“
Ich würde nicht einmal nachfragen was das
war. Vermutlich würde er das nur nutzen, um ein neues Lied anzustimmen und
darauf konnten wir alle verzichten. Ein Liebwächter schien das ähnlich zu sehen,
denn er warf mir einen dankbaren Blick zu und schloss dann Blues Zelle auf. Der
schnappte sich seine Gitarre und folgte uns nach draußen.
„Oh sole…“
Ich fauchte ihn nur wütend an und er ließ die
Gitarre sinken. „Wenn du nicht willst, dass ich dich die nächsten drei Tage
vollkommen ignoriere, dann singst du kein einziges Wort.“
Er sah leicht beleidigt aus, fing sich aber
recht schnell wieder. Mmh… war das vielleicht ein Mittel gegen den Liebestrank?
Ihn so beleidigen, dass er wütend auf mich war und mich den Rest der drei Tage
in Ruhe ließ? Nee, lieber nicht. Sobald die Wirkung des Trankes verflog, würde
er mich dann vermutlich hassen.
„Ich habe Hunger“, beschwerte er sich.
Immerhin konnte er auch an etwas anderes als
mich denken, selbst wenn es Essen war. Das nahm ich mal als gutes Zeichen.
Phoenix kannte eine kleine Bäckerei in der Nähe und so fanden wir uns kurz
nach unserem Frühstück mitten in einem Brunch wieder.
Blue hatte zwar aufgehört zu singen und seine
Gitarre vorsichtshalber an Phoenix abgegeben, aber er war immer noch eindeutig
verwirrt. Er konnte seine Augen nicht von mir nehmen und ich ertappte ihn bei
dem Versuch, die Gabel mit der Suppe zu essen. Das konnten lange zwei Tage
werden.
Zum Glück waren wir den Rest des Tages so
abgelenkt, dass sogar Blue seine Verliebtheit fast vergaß. Wir durchkämmten
ganz Romantika, fragten tausende von Leuten, klapperten alle Orte ab, an denen
auch nur im Entferntesten Musik gespielt wurde – obwohl wir Blue meistens
draußen stehen ließen damit er keinen Rückfall bekam – aber von der Einziege
gab es keine Spur. Sie schien genauso vom Erdboden verschluckt zu sein wie die
Verwandtschaf von Freundschaf.
„Bitte“, meinte Blue als wir durch den
hundertsten Park liefen. „Wir müssen eine Posaune einlegen.“
„Eine was?“ Ich sah ihn entgeistert an. Wenn
er jetzt irgendwo eine Posaune herbekam und wieder mit einem Lied anfing,
konnte ich für nichts garantieren.
Er deutete jedoch auf einen posaunenförmigen
Sitz, der sich unter einem Baum befand. Puh. Glück gehabt.
„Und ich dachte du wärst der Sportliche von
uns“, meinte ich nur.
Vielleicht beeinflusste der Liebestrank auch
die körperliche Fitness. Ich hatte noch nie einen genommen, also konnte ich das
nicht beurteilen. Wenn man allerdings so viel Energie darauf verwendete jemand
anderem nachzuweinen, konnte ich mir gut vorstellen, dass das auch den Rest
deines Lebens beeinflusste.
„Ich glaube ehrlich gesagt nicht mehr, dass
wir die Einziege hier finden werden“, meinte Hannes.
Ich gab es ungern zu, aber vermutlich hatte
er Recht. Das hier war reine Zeitverschwendung. Während wir eine Nadel im
Heuhaufen suchten, rückte der Tag immer näher, an dem die letzten Wachen in
Streik treten würden. So hockten wir alle auf der Posaune und
hingen unseren traurigen Gedanken über das Ende unserer Geschichten nach – als
es mir wie Schuppen von den Augen fiel.
„Natürlich!“
Blue fiel vor lauter Schreck von der Posaune
und Hannes konnte sich gerade noch an einer meiner Haarsträhnen festhalten bevor
ihn das gleiche Schicksal ereilte.
„Was? Jag mir doch nicht so einen Schrecken
ein!“, beschwerte sich meine Oma.
„Du hattest eine Idee, oder?“, meinte Blue.
„So siehst du immer aus, wenn du eine von deinen genialen verrückten Ideen
hast. In sowas bist du echt gut.“
Den Schmalz überhörte ich mal, aber er hatte
nicht ganz Unrecht. „Wir sind so blöd. Wir können es mit dem
Zeigefinder versuchen! Der hat zwar eine hohe Fehlschlagquote, aber schlimmer
als komplett ohne Richtungsangaben durch die Welt zu irren, kann es auch nicht
sein.“
Hannes schlug sich tatsächlich mit einer
seiner Froschhände vor die Stirn. „Klar. Warum bin ich da nicht drauf gekommen?
Immerhin hat das Ding mal meinem Vater gehört. Vielleicht könnte man damit auch
gleich die Verwandtschaf von Freundschaf finden!“
Ich schüttelte den Kopf. „Der Zeigefinder
zeigt dir nie direkt was du suchst. Er zeigt es dir nur auf Umwegen. Also
können wir vermutlich die Einziege finden, weil sie uns zu den Freundschafen
führen wird, nicht aber die Freundschafe selbst.“ So viel zumindest hatte ich
mittlerweile von dem Teufelsding verstanden.
„Aber Mia…“ Meine Oma war von der Posaune
aufgestanden. „Den Zeigefinder hast du in Schreibstadt gelassen.“
Stimmt. Das war das einzige Problem an der
Sachen.
„Das sollte kein Problem sein“, wandte
Phoenix ein. „Heinrich hat einen neuen Teppich beantragt, der morgen ankommen
sollte. Wir können Mr. Ian Woon bitten den Zeigefinder aus eurer Wohnung holen
zu lassen und wir bekommen ihn zusammen mit dem Teppich.“
„Keinen Teppich, bitte“, stöhnte Blue.
Einen Moment lang überlegte ich, ob ich ihm
einen Kuss dafür versprechen sollte, dass er sich doch auf einen Teppich
traute. Dann dachte ich daran, dass der Liebestrank vermutlich in zwei Tagen
seine Wirkung verlieren würde (hoffentlich zumindest) und er sich dann
vermutlich weniger darüber freuen würde als jetzt noch.
„Doch, ein Teppich. Du wirst dich wohl damit
abfinden müssen“, sagte ich schließlich.
Er sah mich leidgeprüft an. Dann schien ihm
jedoch aufzugehen, dass ich ihn zurücklassen würde, wenn er nicht auf das stieg, was er so gerne "Teufelsding" nannte. Er verzog den Mund, nickte jedoch. Da hatte der Liebestrank zumindest einen guten Nebeneffekt.
„Lasst uns zurückgehen“, meinte meine Oma.
„Ehrlich gesagt könnte ich jetzt eine Posaune vertragen – oder, noch besser,
mein Bett. Morgen sehen wir weiter.“
Da konnte ich ihr nicht widersprechen. Und
ein Bett hörte sich gut an. Vor allem, wenn Blue sich diese Nacht nicht unter
meinem Fenster mit einer Gitarre verkünsteln würde.
Samstag, 28. November 2015
28. Kapitel
Ein lautes Geräusch riss mich aus dem Schlaf.
Zuerst dachte ich es wäre nur ein lauter Schnarcher meiner Oma gewesen, oder
dass ich gegen unseren Nackttisch gestoßen war und etwas auf den Boden
befördert hatte. Als das Geräusch jedoch erneut erklang, wurde mir jedoch klar, dass
es vom Fenster kam.
Was zum Teufel…?
Meine nackten Füße waren kalt sobald sie den
Boden berührten. Dass ich nur meinen Schlafanzug trug, half auch nicht gerade. Meine
Oma schien nichts gehört zu haben, denn sie schnarchte weiter vor sich hin.
Wieder klopfte es an meinem Fenster. Wir
waren hier im ersten Stock. Es war… ich sah auf die Uhr und stöhnte. Es war
drei Uhr morgens. Ich war müde. Ich wollte schlafen. Falls das Blue war, der
nur noch mit einer Hand an meinem Fenstersims hing und mir irgendeine
Liebesballade vortragen wollte, würde ich kein Problem damit haben ihn nach
unten stürzen zu lassen.
Beim nächsten Klopfen wäre ich beinahe
ausgerastet und hätte meine Oma geweckt. Stattdessen stieß ich das Fenster auf
und sah nach draußen. Es war tatsächlich Blue, auch wenn er
nicht an meinem Fenstersims hing. Stattdessen stand er auf der kleinen
Rasenfläche unter meinem Fenster und warf Steinchen gegen die Scheibe. Ich
glaube er hatte zu viele Filme gesehen. Glücklicherweise sah er früh genug,
dass ich endlich reagiert hatte und so wurde es mir erspart einen Stein ins
Gesicht zu bekommen.
„Blue! Was zum Teufel tust du hier?“, zischte
ich.
Ich versuchte immer noch meine Oma nicht
aufzuwecken. Gleichzeitig wollte ich ihn loswerden und da ignorieren vermutlich
nur mit größeren Steinen enden würde, ließ ich das lieber bleiben. Nachher
machte er noch die Scheibe kaputt.
„Hallo“, sagte Blue und versuchte lässig und
aufgeregt zu wirken. Vielleicht wollte er gleichzeitig cool erscheinen, aber
mir den Eindruck geben, dass das hier eine große Überwindung für ihn war.
Vielleicht war es das. Vielleicht auch nicht.
Wenn ich bedachte mit wievielen Mädchen er schon geflirtet hatte, vermutete ich
eher, dass es auf Letzteres hinauslief.
„Geh wieder ins Bett, Blue. Es ist drei Uhr
morgens. Ich will schlafen. Morgen werden wir weiter nach der Einziege suchen
und es wird vermutlich ein anstrengender Tag.“
Ich war im Begriff das Fenster zu schließen,
doch er rührte sich nicht von der Stelle.
„Verstehst du das nicht? Das ist alles nur
wegen des bescheuerten Liebestrankes. Was du fühlst ist künstlich. Keine
richtige Liebe. Keine richtige Lust. Alles nur Liebestrank. Geh ins Bett.“
"Das darfst du nicht sagen! Es ist eine
Ehre, keine Lust!", rief er zu mir hinauf.
Wie schade, dass er im Dunkeln nicht sehen
konnte wie ich die Augen verdrehte. Allein der Satz war genug, um dafür zu
sorgen, dass ich am liebsten meinen Kopf gegen die Fensterbank gehauen hätte,
nur um ihn für immer aus meinem Gedächtnis zu streichen.
„Hör mal…“
Meinen Satz brachte ich nicht zu Ende, denn Blue
zog einen Rocksack hervor. Oh je. Ich ahnte Schreckliches.
„Ich
bin den ganzen Tag in Romantika herumgelaufen und habe nach dem perfekten
Instrument gesucht, um dich zu beeindrucken. Es hat einer versucht mir einen
Rocksack anzudrehen. Ich wusste nicht, ob du Rock magst, aber ich habe ihn
trotzdem mitgenommen…“
„Meinst du wirklich nach der Sache mit dem
Magier, der mich mit der Stimme meiner eigenen Oma angegriffen hat, bin ich
besonders scharf auf Musik?“
„Warum nicht? Wir sind immerhin in Romantika!
Die Stadt der Liebe und der Musik!“
Jap. Er stand definitiv noch unter dem
Einfluss des Tranks. Normalerweise würde Blue das Wort Liebe vermutlich nur mit
eine Zange anfassen.
„Wir sind zwar in Romantika, aber es ist auch
mitten in der Nacht. Es gibt Leute, die schlafen wollen.“
Ja, ich zum Beispiel. Und meine Oma. Und so
ziemlich jedes andere Lebewesen, das sich in dieser Straße befand.
Blue ließ sich jedoch nicht beirren, sondern
zog eine Gitarre aus dem Rocksack. „Die ist an einem Gitarrenriff gewachsen“,
erklärte er mir. „Die sind sehr seltsam.“
Konnte der etwa Gitarre spielen? Ich hatte
damit gerechnet, dass er vielleicht einen Song auf seinem Handy abspielen
würde. Langsam wurde ich wirklich nervös. Außerdem bekam ich das Bild von
Gitarren, die unter Wasser an einem Riff korallenartig vor sich hin wucherten,
während sie von Fischen umschwommen wurden, nicht mehr aus dem Kopf.
Die ersten Akkorde waren noch recht leise,
doch Blue schien immer mehr Gefallen an seinem Ständchen zu finden und wurde
lauter und lauter. In einem Nachbarhaus ging in der zweiten Etage ein Licht an.
„Blue“, zischte ich wieder. „Du wirst Ärger
bekommen!“
So sehr er mir auch auf den Geist ging, dass
er von den Liebwächtern wegen Ruhestörung abgeführt wurde, wollte ich auch
nicht. Wir brauchten ihn, um die Verwandtschaf von Freundschaf zu finden.
Außerdem würde er sich in spätestens drei Tagen ziemlich über sein Verhalten
ärgern.
„Eher nicht so deins? Dann vielleicht das
hier.“
Statt endlich aufzuhören, stimmte er „Sag mir
quando, sag mir wann“ an und begann auch noch dazu zu singen. Ich musste
zugeben, dass sein Gitarrenspiel nicht schlecht war, aber seine
Singerei war einfach nur grauenhaft. In einem weiteren Haus wurde das Licht
angeschaltet und irgendjemand brüllte aus einem Fenster „hör endlich auf mit
dem Krach!“. Ich meinte einen Schatten im erleuchteten Fenster erkennen zu
können, der wütend mit den Armen fuchtelte.
„Blue!“, schrie ich.
Das Schnarchen meiner Oma setzte aus und
kurze Zeit später hörte ich wie sie aufstand und zum Fenster kam. Unter uns
ließ sich Blue immer noch nicht von den mittlerweile vielen wütenden Menschen
unterbrechen, sondern sang munter weiter.
„Mia, was ist denn hier los?“, fragte meine
Oma.
Sie griff nach einer Strickjacke, die auf der
Kommode des Zimmer lag, und hängte sie sich um die Schultern. In ihrem
Nachthemd konnte ihr auch nicht gerade warm sein.
„Blue“, stöhnte ich nur.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Dann
lehnte sie sich noch weiter vor, als könnte sie nicht ganz glauben, was sie
sah. „Was genau macht er da?“
„Singen“, stöhnte ich. „Und er hört einfach
nicht auf, egal was ich ihm sage.“
Blue stimmte unterdessen die nächste Strophe
von „Sag mir Quando, sag mir wann“ an und die wütenden Stimmen der Nachbarn
wurden immer lauter. Das bedeutete noch mehr Leute wachten auf, von dem ganzen
Singen und Schreien… wir würden uns in dieser Nachbarschaft nie wieder sehen
lassen können. Etwas bewegte sich am anderen Ende der Straße.
„Oh nein.“
Auch meine Oma seufzte. „Da hat wohl jemand den
Polizeirotnuf getätigt – rot für Liebesalarm.“ Dann kamen solche Szenen in Romantika wohl häufiger vor.
Ein Polizeiauto bog in die Straße ein und
hielt vor unserem Hotel. Ich erkannte die Uniformen der Liebwächter, die
zielstrebig auf Blue zugingen. Der hörte trotzdem noch nicht auf zu spielen.
Erst als ihm einer der Liebwächter die Gitarre aus der Hand nahm, sah er auf.
„Oh“, meinte auch er.
„Was ist mit dem los?“, rief er zu mir hoch.
Ganz richtig hatte er erkannt, dass dieses
kleine Ständchen anscheinend mir galt. Am liebsten wäre ich im Erdboden
versunken.
„Er hat aus Versehen einen Liebestrank
erwischt!“, rief meine Oma nach unten.
Die Liebwächter nickten wissen. Sie schienen nicht überrascht zu sein und ich fragte mich langsam, ob das wirklich zu ihrem Alltag gehörte.
„Liebeskrank also“, meinte sein Partner. „Wir
nehmen ihn mit auf die Wache!“, rief er zu Oma und mir hinauf. „Da kommt er in
eine Ausnüchterungszelle. Holt ihn morgen früh wieder ab.“
Ich sagte ihnen besser nicht, dass sie ihn
für etwa drei Tage in eine Zelle packen müssten, wenn sie verhindern wollten,
dass so etwas noch einmal vorkam. Ein Teil von mir war drauf und dran sie darum
zu bitten. Dann erinnerte ich mich daran, dass er nichts für sein Benehmen
konnte. Naja, vielleicht konnte er etwas dafür, dass er so ein Fresssack war,
aber unter meinem Fenster singen würde er normalerweise nicht.
„Machen wir!“, erklärte meine Oma schon.
Die Nachbarn zogen sich grummelnd in ihre
Häuser zurück, während Blue in da Polizeiauto verfrachtet wurde. Fast tat er
mir leid – aber nur fast. Ich hatte nämlich immer noch „Sag mir quando, sag mir
wann“ im Kopf und hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich diese Szene meinen
Lebtag nicht vergessen würde.
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