Der
Weg durch den Geheimgang war Mittagessen, der Weg durch den normalen Gang hatte
eher Lust auf Frühstück gehabt und das Fenster wäre am liebsten Abendessen
gegangen. Da es für Abendessen noch zu früh war, hatte es sich darauf verlegt
einzuschlafen und es ließ sich nicht aufwecken, egal was ich versuchte. Das
schränkte die Fluchtmöglichkeiten vor durchgedrehter Kücheneinrichtung stark
ein.
Schließlich
leitete der Prinz mich in eine Besenkammer, in der wir ausharrten bis die
verrückten Möbel durch den Gang an uns vorbeigestürmt waren.
„Das
war spaßig. Was machen wir jetzt?“, war sein Kommentar dazu.
Der
Kerl musste definitiv öfter vor die Tür kommen. Zu meinem Ärger hatte er sich
bereits mit meiner Robbe angefreundet, was vermutlich damit zusammenhing, dass
der Prinz es sich auf meiner Schulter bequem gemacht hatte und sich ans Fell
der Robbe klammern musste, um nicht herunterzufallen.
„Super,
die Möbel wären wir los. Dann kann ich dich ja zurück in dein Zimmer bringen“,
meinte ich.
Vorsichtig
lugte ich aus dem Besenschrank und trat in den Flur sobald klar war, dass die
Luft rein war. Niemand war weit und breit zu sehen. Vielleicht hatten die
Bediensteten bereits von der Stampede der Kücheneinrichtung erfahren und hatten
die Korridore räumen lassen.
„Vergiss
es!“
„Warum
nicht? Denkst du ernsthaft ich schleppe dich den ganzen Tag mit mir rum?“
„Ähm…
die Möbel könnten auf ihrem Rückweg in die Küche durch mein Zimmer kommen. Ihre
Laune wird bestimmt nicht besser sein als jetzt.“
Warum
nur hörte sich das an als hätte er sich das Argument eben aus den Fingern
gesogen? Was allerdings nicht hieß, dass er weniger Recht hatte.
„Meinetwegen“,
seufzte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Das,
was einmal etwas gewesen war, das zumindest annähernd als Frisur zu erkennen
gewesen war, hatte nun Ähnlichkeit mit einem Wischmop. Insofern war die
Abstellkammer sehr passend gewesen.
„Aber
quak mir bloß nicht ins Ohr. Außerdem werden keine Fliegen gegessen solange ich
in der Nähe bin.“
Das
wäre ja mal sowas von eklig. Darauf das zu sehen konnte ich verzichten. Ich
hatte genug andere Probleme. Eins davon kam durch den Gang auf mich zugelaufen,
und zwar in Gestalt des Wachmanns, der Blue und mich gestern zu unseren Zimmern
geführt hatte. Er war komplett durchgeschwitzt, was bedeutete, dass er entweder
gerade einen Marathon gelaufen war, oder das ganze Schloss nach mir abgesucht
hatte.
„Schnell!
Es ist der Könling!“, brachte er nur keuchend heraus.
„Was
ist mit meinem Vater?“
Okay,
die Bedingung mir nicht ins Ohr zu quaken hatte der Froschprniz schon mal
gebrochen. Andererseits konnte ich ihm das nach der Aussage nicht verübeln. Der
Wachmann starrte den Prinzen auf meiner Schulter an als hätte ich ein zweites
Plotbunny ins Schloss geschummelt.
„Eure
Hoheit! Ich wusste nicht, dass… Ihr seid aus Eurem Zimmer gekommen? Aber…“
„Was
ist mit meinem Vater?“, wiederholte er, dieses Mal mit mehr Nachdruck und etwas
in der Stimme, das nur Könige und Politiker auf die Reihe bekamen ohne total
dämlich zu klingen.
„Man
hat ihm einen verfluchten Gegenstand zukommen lassen und…“
„Was?!“
Das
Fell der Robbe direkt an meiner Schulter zitterte und ich verstand, dass es der
Froschprinz sein musste. Falls sein Vater gestorben war, würde er Könling
werden? Wie würde das wohl aussehen wenn ein Frosch den Thron besteigen würde?
Kein Wunder, dass der Kerl nervös war.
„Es
hat ihn nicht so schlimm getroffen wie der Täter wohl gehofft hat, aber er wird
immer geiriger!“
„Geirig?
Verwandelt er sich in einen Geier oder was?“, fragte ich entgeistert.
„Ganz
genau das, gnädige Frau.“
Ach,
jetzt war ich auf einmal eine gnädige Frau. Die Gegenwart eines Prinzen schien
meinen Status zu heben. Obwohl ich sagen musste, dass Der Wachmann auch gestern
zu Blue und mir schon sehr nett gewesen war.
Das
mit dem Geier musste ich sehen. „Wir kommen sofort mit… wo ist der Könling?“,
hakte ich nach.
„Er
fliegt im Theosaal herum. Die Hofmagier versuchen schon seit einer Stunde ihn
dazu zu bewegen zu landen, aber er will sich einfach nicht beruhigen.“
Okay,
das musste ich definitiv sehen! Als Geier konnte ich mir den Könling nicht
vorstellen. Das erklärte auch warum die Gänge so leer waren. Alle waren zu besorgt
um ihren Herrscher, als dass an Arbeit zu denken war. Oder sie wollten ihn als
Geier sehen, wie ich. Ich war mir recht sicher, dass sich die gesamte
Belegschaft des Schlosses momentan im oder um den Theosaal versammelt hatte.
„Bringen
Sie uns hin“, befahl ich dem Wachmann.
Der
drehte sich auf dem Absatz um und ich hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen. Es
ging durch mehrere Türen, über Treppen und durch den Geheimgang, der wohl sein
Mittagessen beendet hatte, bis wir vor der Tür zum Theosaal zum Stehen kamen.
Wie erwartet scharte sich eine regelrechte Menschentraube um die gigantischen
Türen. Da dort kein Durchkommen war, wechselte der Wachmann seine Strategie und
führte uns durch einen weiteren Geheimgang, der irgendwo direkt hinter dem
Thron endete.
„Eure
Majestät!“, rief eine verzweifelte Stimme.
Ein
Schatten flog über uns hinweg und ich duckte mich. Das Rauschen von Federn
verschwand. Als ich den Kopf hab, sah ich einen großen Geier, der wieder an
Höhe gewann und begann in der Halle zu kreisen.
„Eure
Majestät, wollt Ihr nicht doch die tote Maus?“, lockte einer der Hofmagier und
wedelte mit einer toten Ratte.
Etwa
zehn weitere Männer, ebenfalls in purpurne Roben mit Goldstickereien gehüllt
wie der mit der Ratte, standen daneben und hielten ein golden schimmerndes
Netz.
„Das
ist eine Ratte, keine Maus“, korrigierte ich ihn.
Der
Mann bedachte mich mit einem abfälligen Blick. „Und wer hat dich hierher
geholt? Der Idiot da hinten reicht uns.“
Als ich
mit meinem Blick seinem ausgestreckten Finger folgte, entdeckte ich Blue, der
an einer Wand lehnte und amüsiert dem Treiben zusah. Er hob kurz seine Hand, um
mich zu grüßen, dann schaute er mit einem Grinsen zurück auf den Geier.
Freundschaf, das neben ihm stand, kaute auf etwas herum, das nach einem Stück
purpurner Robe aussah.
„Die
Idioten sind wohl eher die werten Herren Hoffmagier“, meinte er. „Immerhin
haben die es bisher nicht geschafft den Könling mit dem Netz da einzufangen, um
dann zu versuchen ihn zurückzuverwandeln. Außerdem hat es keiner von ihnen hinbekommen
mir eine Tüte Popcorn herzuzaubern.“
Ich
konnte mir nicht vorstellen, dass sie es überhaupt versucht hatten. Gut
vorstellen konnte ich mir dafür wieso Blue nach Popcorn gefragt hatte. Das Bild
von ihm wie er mit einer Popcorntüte an der Wand lehnte und den scheiternden
Magiern zusah, ließ sich nur schwer aus meinem Kopf vertreiben.
Ebenfalls
eine interessante Geschichte war es bestimmt, wie der eine Magier einen Teil
seiner Robe verloren hatte, unglücklicherweise direkt an seinem Hintern, was
mir nun einen wunderbaren Blick auf seine magische rosa Unterwäsche erlaubte.
Zum Geier fangen war die Unterwäsche jedenfalls nicht geeignet, so viel war
klar. Meine Vermutung war, dass das Stück Stoff in Freundschafs Mund extrem
viel mit dem Vorfall zu tun hatte.
„Eure
Majestät! Seht doch die schöne Maus!“, rief wieder der Magier, doch der Geier
ignorierte ihn wie zuvor.
„Ach
lasst doch den Mist“, murmelte ich und schob den Kerl zur Seite.
Ich
hatte so das Gefühl, dass es nichts bringen würde den Könling wie einen Geier
zu behandeln. Zwar hatte ich bisher nicht allzu viel mit verzauberten Menschen
zu tun gehabt, aber da alle Tiere im NaNo-Land intelligenter zu sein schienen
als sie sein sollten, würde das hier bestimmt nicht anders sein.
„Kommt
sofort da runter!“, schrie ich ihm zu. „Das Verhalten, das Ihr gerade an den
Tag legt ist mehr als kindisch. Nur weil Ihr jetzt Flügel habt, heißt das
nicht, dass Ihr dem Täter einfach wegfliegen könnt. Ob Ihr da oben bleibt als
Geier oder als Mensch hier unten, das ändert nicht viel.“
Jedenfalls
glaubte ich, dass das der Grund dafür war warum sich der Könling weigerte sich
zurückverwandeln zu lassen. Dass er nun doch noch von etwas getroffen worden
war, musste ihn sehr aufgewühlt haben. Das entschuldigte aber nicht, dass er
dabei war sein Volk zu vernachlässigen.
„Wollt
Ihr etwa für immer ein Vogel bleiben?!“
„Das
bringt auch nichts“, meinte einer der Magier mit einem gehässigen Blick. „Am
besten verlasst ihr das Schloss; ausrichten könnt ihr ja offensichtlich nichts.
Du, dein Freund, und das Schaf. Und nehmt das Plotbunny mit.“
„Sie
bleiben.“
Alle
Magier zuckten zusammen sobald sie die Stimme hörten. Sie war von meiner
Schulter gekommen, wo sich der Frosch, der vorher übersehen worden war, nun zu
voller Größe aufrichtete. Das war zwar nicht besonders groß, aber die
Aufmerksamkeit der berobten Vollidioten hatte er trotzdem.
„E-eure
Hoheit“, stammelte der Magier und wedelte mit seiner Ratte. „Ihr seid aus eurem
Zimmer…?“
„Bisher
hat sie mehr fertiggebracht als ihr“, fuhr der Prinz ungerührt fort.
Alle
Blicke wanderten zum geirigen König hinauf, der tatsächlich ein wenig tiefer
flog und direkt über meinem Kopf kreiste. Er schien darauf zu warten, dass ich
noch etwas sagte.
„Bitte
kommt runter, eure Majestät“, sagte ich, nun etwas ruhiger. „Wir werden schon
herausfinden wer dafür verantwortlich ist, aber dazu müsst Ihr uns erzählen was
vorgefallen ist.“
„Sie
hat Recht“, meinte der Froschprinz und quakte zur Bestätigung. „Es ist nicht
besonders witzig sein ganzes Leben ein Tier zu sein. Ich muss es wissen. Flüche
können besser gebrochen werden je weniger Zeit vergangen ist seit der Fluch
einen getroffen hat.“
Unausgesprochen
verbarg sich in dem Satz wohl, dass es in seinem Fall zu spät war. Eine Welle
Mitleid überrollte mich wieder. Armer Kerl. Der Geier zögerte. Zuerst flog er
etwas tiefer, dann machte er sich wieder an den Aufstieg, vermutlich um seine
Runden durch den Theosaal fortzusetzen.
„KOMMT
VERDAMMT NOCHMAL DA RUNTER!“, schrie ich den Könling an.
All
Personen im Saal sahen mich entgeistert an. Sogar Blues Grinsen war
eingefroren. Ich vermutete, dass niemand jemals so mit dem Könling gesprochen
hatte. Na dann wurde es Zeit. Wenn es funktionierte, war es das wert.
Funktionieren
tat es, denn der Könling legte einen beeindruckenden Sturzflug hin. Ich duckte
mich – falls er doch sauer war, weil ich ihn angeschrien hatte – und brachte
außerdem den Froschprinzen außer Sicht. So richtig sicher, dass er nicht doch
komplett ein Geier war und plötzlich Hunger auf Frosch bekommen hatte, war ich
mir nämlich nicht. Glücklicherweise landete er nur auf dem Boden direkt vor
uns, sehr zur Überraschung der Magier. Sie überwanden sich jedoch sehr schnell
und machten das Netz klar.
„Wenn
ihr mir das Ding über den Kopf werft, seid ihr alle gefeuert!“, schrie der
Geier.
Einige
der Magier ließen vor Schreck das Netz los, andere warfen es, wieder andere
klammerten sich daran fest. Das Resultat des Ganzen war, dass das Netz über den
Magiern selbst landete und diese sich so darin verhedderten, dass der ganze
Haufen zu Boden ging.
„Ihr…
könnt sprechen, Eure Majestät?“, fragte der Magier mit der Ratte.
„Allerdings.
Und pack die Ratte weg!“ Der Geier klapperte wütend mit dem Schnabel. „Und das
Netz gleich mit.“
Das
würde sich als schwierig erweisen, denn bisher hatten es nur zwei Magier
geschafft sich aus dem Ding zu befreien. Der Rest war immer noch hoffnungslos
verheddert.
„Aber
Eure Majestät, wir müssen Euch zurückverwandeln!“
„Wenn
ihr nicht einmal wusstest, dass ich sprechen kann, wie wollt ihr dann den Fluch
brechen?“
Da
hatte der Könling nicht ganz Unrecht. Wenn die nicht einmal wussten was genau
das für ein Fluch war, gab es keine große Chance gab, dass sie ihn lösen
konnten. Andererseits würde der Könling keine andere Wahl haben wenn er wieder
ein Mensch werden wollte.
„Eure
Hoheit, ich denke Ihr müsst sie es zumindest versuchen lassen. Oder gibt es
hier andere, qualifiziertere Magier?“, fragte ich. Um meine Worte besonders
eindringlich zu machen fügte ich eine Verbeugung hinzu.
„Mmh.“
Der Geier klapperte wieder mit dem Schnabel, dieses Mal nachdenklich. „Ihre
bisherigen Versuche sprechen nicht gerade für sich.“
Es
folgte ein Seitenblick auf seinen Sohn, was mir die Situation erst richtig klar
machte. Hier sprach gerade der Könling, der ein Geier war, mit seinem Sohn, der
ein Frosch war. Wenn das nicht surreal war, wusste ich nicht wie man die
Angelegenheit noch seltsamer machen konnte. Oh, doch. Man füge einen Haufen
strampelnder Magier in einem goldenen Netz, einen Magier mit einer toten Ratte
in der Hand und ein Schaf hinzu. Gut durchmischen und heraus kam die Truppe aus
dem Theosaal.
Besagtes
Schaf war zu uns herübergetrottet und sah mich mit treuherzigem Blick an. Als
es auf den Geier zulief, wich dieser einige Schritte zurück, blieb dann aber
stehen und streckte seinen langen Hals aus.
„Das
tut doch nichts, oder?“, fragte der König und neigte den Kopf.
Äh…
das tat doch nichts. Oder? Fraßen Schafe Geier? Nun ja, das wohl kaum.
Andererseits konnte man sich in diesem verrückten Land nicht sicher sein. Dann
wiederum war das hier Freundschaf und allein der Name zeigte, dass es
unwahrscheinlich war ihm so etwas zuzutrauen.
„Nein,
das tut nichts.“
Das
stellte sich als Lüge heraus, denn es tat sehr wohl etwas. Nur war das etwas,
das niemand erwartet hätte, nicht in einer Million Jahre. Die versammelten
Magier stießen erstickte oder weniger erstickte Schreie aus und Blue fiel vor
lauter Schreck das Brötchen herunter, das er irgendwo statt des Popcorns
aufgetrieben hatte.
Freundschaf
stupste den Geier mit der Nase an, der daraufhin in einem Schauer aus Funken
verschwand und als Könling in Morgengarderobe vor uns auftauchte. Er kauerte
auf dem Boden, richtete sich dann jedoch zu voller Größe auf und rückte seine
Krone zurecht.
„Und ob das was tut!“,
meinte er mit aufgerissenen Augen. „Wie habe ich nur all die Jahre ohne Schaf
durchgehalten?“
Das nenn ich mal ne Überraschung... und die Szene wär noch absurder wenn Blue wirklich Popcorn gegessen hätte.
AntwortenLöschenIch habe erst überlegt, ob ich ihm eine Tüte beschaffen soll, aber ich glaube nicht, dass die das so schnell hätten herzaubern können. Also gab's nur ein Brötchen. ^^
LöschenNaja <.< Sie hätten ihm ne Tüte Mais herzaubern können ^^ Sein Gesicht hätte ich gerne gesehen XD
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