Das
Bad im Bach war das beste Erlebnis des ganzen Tages. Es tat so gut im Wasser zu
sitzen und allen Scheiß vom Körper fließen zu lassen – selbst wenn das Wasser
eiskalt war. Meine Robbe war gleich mit in den Fluss gekommen und planschte
neben mir herum.
„Pass
auf die Flussfurzen auf“, rief Blue mir grinsend zu.
„Die
was?“ Misstrauisch starrte ich in das Wasser um mich herum.
"Flussfurzen
sind recht selten“, versuchte meine Oma mich zu beschwichtigen. „Das sind
bissige Biester, aber in diesem Teil des NaNo-Landes kommen sie kaum vor.
Erzähl ihr doch nicht so einen Schwachsinn, Blue“, tadelte sie ihn.
„Mäh“,
machte Freundschaf zustimmend und rupfte dann ein weiteres Büschel Gras vom
Ufer.
Ich
stieg letztendlich doch aus dem Fluss, nachdem ich das Gefühl hatte allen
Scheiß fortgespült zu haben. Blue hatte die Prozedur schon hinter sich, aber
ich hatte darauf bestanden meine Haare ebenfalls zu waschen. Bei seinen Kurzen
ging das nun mal schneller als bei meinen, die mir bis in den Rücken fielen.
„Der
Kaffee schmeckt scheißlich!“, beschwerte Blue sich nun.
„Wundert
mich nicht nach dem Kampf“, erwiderte meine Oma nur.
Blue
schob das Getränk angewidert von sich und blieb lieber bei den Hirngummis. Die
brachten meine Laune zum Kippen, denn die Letzte, die diese Kaugummis gegessen
hatte, war Phoenix gewesen. Der Gedanke an ihren Tod tat immer noch weh.
Die
Feder wurde schon wieder warm, als wollte sie mich trösten. Das Ding war
seltsam. Bisher hatte ich sie zweimal benutzt ohne es wirklich zu wollen und
ohne die Auswirkungen vorhersehen zu können. Das eine Mal hatte ich das
Arbeitszimmer von Estelle verwüstet, weil ich so wütend auf sie gewesen war.
Das zweite Mal, eben gerade, hatte ich den Ninjas Klos in die Hälse gezaubert,
weil ich unbedingt gewollt hatte, dass die Kloppbürste endlich zur Ruhe gelegt
werden konnte.
Beide
Male hatte ich mich nicht konzentrieren müssen um das zustande zu bringen.
Außerdem hatte ich keinen Verlust meiner Lebenskraft bemerkt, was mich vermuten
ließ, dass ich keine verloren hatte. Nach dem was Phoenix meiner Oma und mir
über die Feder erzählt hatte, war das sehr ungewöhnlich.
Was
mir auch klar wurde war, dass Estelles Prophezeiung wahr geworden war,
zumindest was Blue und mich anging. Wir beide hatten im Wald mächtige Waffen
geschwungen. Ich hatte den Starb benutzt, um meine Oma und Blue zu befreien,
Blue hatte mit der Kloppbürste die Ninjas in die Flucht geschlagen. Damit war
klar, dass unsere Mission ein Fehlschlag war. Die Traveling Shovel of Death
befand sich nicht im Wald.
Die
Erkenntnis traf mich hart. Alles war umsonst gewesen. Unsere ganzen Abenteuer.
Phoenix‘ Tod. Wir würden mit leeren Händen zu Mr. Ian Woon zurückkehren müssen.
Mir kamen nun wieder die Tränen und wütend trat ich gegen einen Stein am
Flussufer, während meine Oma und Blue mir zusahen.
„Au!
Das ist aber nicht höflich, junges Fräulein“, beschwerte sich der Stein.
Ich
hatte gerade ausgeholt, um ihn erneut zu treten, doch seine plötzliche
Erwiderung ließ mich das Gleichgewicht verlieren, sodass ich unsanft auf dem
Hintern landete.
„Nana,
kein Grund gleich aus den Latschen zu kippen“, lachte der Stein.
„Wer
oder was bist du?“, fragte ich erstaunt.
Der
Stein seufzte. „Dieses ganze Grünzeug hat mich einfach überwuchert“, sagte er
bedauernd. „Vielleicht, wenn du es entfernen könntest, würdest du es
herausfinden.“
Einen
sprechenden Stein von Schlingpflanzen zu befreien kam mir ein wenig ominös vor.
Allerdings siegte meine Neugier und ich tat wie geheißen. Zuerst legte ich
einen Mund frei, der von einem gekräuselten, in Stein gemeißelten Bart umgeben
war. Es folgte eine große Nase und kleine Augen, ebenfalls alles in den Stein
gemeißelt. Ein bisschen erinnerte mich das Ding an den Bocca de la Verita in
Italien.
„Erkennst
du mich nun?“, fragte der Stein.
Ich
war kurz davor den Kopf zu schütteln als meine Oma rief „Du bist der Mund der
Dares!“
Entgeistert
starrte ich meinen Fund an. Ich nahm alles zurück. Es war nicht alles umsonst
gewesen. Und unsere Robben brachten wirklich Glück. Wie sonst ließ sich das
plötzliche Auftauchen von dem Gegenstand erklären, den wir am meisten
brauchten? Selbst der Zeigefinder hatte seinen Job getan. Er hatte uns zwar
nicht direkt ans Ziel geführt, aber immerhin zu jemandem, der uns auf den
richtigen Weg schicken konnte.
„Ja.
Ich bin der Mund der Dares“, bestätigte der Stein. „Wenn ihr wollt, beantworte
ich jedem von euch eine Frage, weil ihr mich von dem Unkraut befreit habt.
Normalerweise müssen alle, die eine Antwort von mir haben wollen, einen Dare
von mir annehmen, aber bei euch mache ich eine Ausnahme.“
„Das
wäre großartig“, freute sich meine Oma. Sie rückte ihren lila Hut zurecht.
„Dann stelle ich die Frage, auf die es ankommt und du und Blue könnt fragen was
ihr wollt. Und Hannes“, erinnerte sie sich an den Frosch.
„Nun
gut. Wer seine Frage stellen will, muss seine Hand in mein Voraussichtsloch
legen.“
„Ins
was?“, fragte ich verwirrt.
„Das Voraussichtloch ist mein Mund“, erklärte der
Stein gutmütig. „Wenn nämlich jemand seine Hand hier hereinlegt, der schon
etwas gefragt hat, wird sie ihm abgebissen.“
Autsch. Warum musste alles immer Nachteile haben?
Warum konnte er nicht einfach das Antworten lassen wenn das geschah? Da blieb
nur zu hoffen, dass meine Oma wirklich noch nie etwas gefragt hatte, denn sonst
würde sie ihre andere Hand auch gleich verlieren.
„Stellt Eure Frage“, meinte der Mund der Dares nun
eher förmlich.
„Wo finden wir die Traveling Shovel of Death?“,
fragte meine Oma.
„Geht
zu den sprechenden Bäumen. Sie können als einzige entscheiden ob sie euch
helfen oder nicht“, antwortete der Mund der Dares.
Meine
Oma hatte ihre Hand aus dem Voraussichtsloch genommen. „Aber wo finden wir die?
Meine Frage war nach dem Ort!“
Anscheinend
widerwillig gab der Mund eine Beschreibung ab, fügte dann aber hinzu „Die
Schaufel wird euch nicht helfen.“
„Wir
müssen es zumindest versuchen“, beteuerte meine Oma.
Blue
sah aus als könnte er sich nicht entscheiden was er fragen sollte. Schließlich
überraschte er mich zum wiederholten Mal innerhalb weniger Tage.
„Falls
das mit der Traveling Shovel of Death nicht funktioniert…“, begann er und legte
seine Hand ins Voraussichtsloch. „Wie können wir die Plotbunnys aufhalten?“
„Die
Plotbunnys können nicht aufgehalten werden. Sie sind unsterblich. Sie
verschwinden nur wenn sie geschrieben werden.“
„Aber
wie können sie dann…“
Ich
zog ihn mit einem Schrei zurück, gerade rechtzeitig bevor die steinernen Kiefer
mit einem Knirschen zusammenkrachten. Beinah wäre Blue seine Hand losgeworden.
„Danke“,
meinte er.
„Keine
Ursache.“
„Nur
eine Frage!“, erinnerte der Mund uns.
„Ich
glaube nicht, dass er uns darauf antworten wird“, sagte meine Oma schließlich.
„Vergeudet eure Wünsche nicht.“
Hannes
schluckte. Er hüpfte zum Mund der Dares, dessen Voraussichtsloch
praktischerweise nur wenige Zentimeter über dem Boden lag. Somit konnte auch er
seine Hand in den Mund legen.
„Wird
mein Fluch jemals gebrochen werden?“, wollte er wissen.
„Das
liegt an ihr.“
Hannes
sah enttäuscht aus, zog jedoch die Hand zurück bevor er sich dazu hinreißen
lassen konnte eine weitere Frage zu stellen. Mich hätte es an seiner Stelle
brennend interessiert wer „sie“ war. Dann war ich an der Reihe. Nur was sollte
ich fragen? Fragen zu unserer Mission schien er Mund der Dares nicht zu
beantworten und persönliche Fragen ebenfalls nicht.
„Wie
ist das NaNo-Land entstanden?“, fragte ich schließlich.
Die
anderen sahen mich überrascht an. Mit so einer Frage hatten sie wohl nicht
gerechnet. Mich hingegen interessierte das schon seit ich hier angekommen war.
„Das
NaNo-Land gibt es schon seit Urzeiten“, begann der Mund. Vorsichtshalber nahm
ich meine Hand aus dem Voraussichtsloch, damit ich nicht aus Versehen eine
Frage stellte. „Schon seit den ersten Geschichten der Menschheit wurde daran
gebaut und mit jeder Geschichte wird es größer. Der Bereich, in dem ihr euch
befindet, ist nur ein winziger Teil des Ganzen, denn das, was ihr als NaNo-Land
bezeichnet wurde von den Wrimos erschaffen. Jede Geschichte, jeder Teilnehmer,
hat einen Teil hinzugefügt. Deshalb wächst es immer weiter.“
Er
stoppte kurz. Ein Blick in die Runde zeigte mir, dass alle gebannt lauschten.
„Der
Rest dieser Welt wird von allen erschaffen, die sich Geschichten ausdenken.“
„Also
praktisch von jedem“, stellte ich fest. Selbst wenn man nicht schrieb benutzte
man ja seine Fantasie und träumte.
„So
könnte man es sagen. Alle, die sich hier befinden, sind Autoren, oder
Charaktere, oder beides“, fuhr der Mund fort.
„Wie
kann man denn beides sein?“, hakte ich nach.
Überraschenderweise
beantwortete der Mund der Dares meine Frage. „Die meisten Geschichten werden
geschrieben. Woher wollt ihr wissen, dass ihr nicht auch Charaktere in einer
Geschichte seid?“
„Weil
ich aus freiem Willen hierher gekommen bin. Weil…“ Mir fiel kein besserer Grund
ein und ich schloss meinen Mund.
„Das
war die Antwort auf deine Frage“, schloss der Mund der Dares seine Vorhersagen.
Das
war zwar spannend gewesen, hatte uns aber auch nicht wirklich weitergeholfen.
Dafür hatten wir nun den nächsten Hinweis. Wir würden zu den sprechenden Bäumen
gehen müssen.
Da
sich der steinerne Mund weigerte noch einmal zu sprechen, hockten wir uns neben
den Fluss und begannen unsere weitere Reise zu planen.
Der Stein hat was von einem Drachen... wie viele Wörter hast du eigentlich für die Geschichte gebraucht.
AntwortenLöschenWieso von einem Drachen?
LöschenDiese Fassung hat 133k Wörter. Die NaNo-Version hatte 131k.
Die Art sich auszudrücken hat mich daran erinnert... okay, danke.
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