„Leidgarde?“,
fragte ich, um das unangenehme Schweigen zu brechen, das beim Abgang des Könlings
entstanden war.
„Ist
praktisch die Jobbeschreibung“, erklärte der Wachmann. Seine Mundwinkel
zuckten, was wohl bedeutete, dass es nur eine halb ernst gemeinte
Jobbeschreibung war. „Ist das eine echte Robbe?“, fragte er im Gegenzug. „Ich
hätte schwören können, dass ich sie vorhin atmen gesehen habe.“
„Jap.
Das sind die magischen heiligen Robben aus dem Tempel der Sheba, Göttin der
flinken Finger“, informierte ich ihn. „Und das ist Freundschaf.“
„Mäh“,
machte Freundschaf.
Der
Wachmann starrte es einige Sekunden lang an, dann räusperte er sich. „Sollen
wir dann mit der Führung beginnen? Oder wollt ihr lieber gleich eure Gemächer
beziehen?“
Blue
und ich sahen uns an. „Die Zimmer beziehen“, sagten wir unisono.
„Dann
erzähle ich euch nur auf dem Weg wo wir vorbeikommen.“
Das
schien ein guter Kompromiss zu sein und wir verließen den Theosaal durch
dieselbe Tür wie der Könling.
„Gleich
hier direkt vor dem Theosaal gehen ein paar Türen ab. Eine Tür führt zur
räudigen Küche, die andere zum Schlafzimmer des Könlings und diese zum Zimmer seines
Sohnes. Und ja, die Küche ist echt fies“, sagte er nachdem er meinen
ungläubigen Blick gesehen hatte. „Da würde ich nicht hingehen wenn es sich vermeiden
lässt.“
Da
sich in der Küche die Sache mit dem Gift ereignet hatte, würde es sich wohl
nicht vermeiden lassen. Aber vielleicht ließ es sich ja aufschieben.
Auf
dem Weg zu unseren „Gemächern“, wie der Wachmann sie nannte, gab es noch einige
Türen zu sehen. Ich würde mir niemals merken können wo die alle hinführten und
welche man möglichst vermeiden musste und begann nach etwa fünf Minuten nicht
mehr zuzuhören.
Als
wir endlich unsere Zimmer erreichten war ich einfach nur erleichtert. Blues und
meine Räume lagen direkt nebeneinander und waren außerdem durch eine Tür
verbunden.
„Ist
das nicht unpraktisch?“, fragte ich den Wachmann. „Wenn man gerade nicht will,
dass der Zimmernachbar durchgeht, aber beide einen Schlüssel haben…“
„Oh,
es ist eine Doppeltür. Nur wenn beide die Tür auf ihrer jeweiligen Seite
aufgeschlossen haben gibt es einen Durchgang. Er wurde allerdings erst entdeckt
als diese Zimmer restauriert wurden. Davor stand ein Schrank davor. Da es sich
hierbei um die Gemächer von Könling Eduard und seiner heimlichen Geliebten
Kunigunde gehandelt hat war die Gerüchteküche ganz schön am Brodeln als diese
Entdeckung gemacht wurde.“
„Aha.“
Ehrlich
gesagt waren mir Könling Eduard und Kunigunde ziemlich Wurscht. Was mich
interessierte war das Himmelbett, das ich durch die offene Tür erspäht hatte.
„Falls
Sie jetzt schon ins Bett gehen, wünsche ich eine gute Nacht. Falls Sie vorher
anfangen Ihre Nachforschungen anzustellen, wünsche ich viel Erfolg.“ Der
Wachmann übergab uns die Zimmerschlüssel, verbeugte sich und ging.
Im
rechten Zimmer auf dem Himmelbett lag mein Rucksack, also nahm ich an, dass es
meins sein sollte. Blue hatte seinen schon im Nebenzimmer erblickt und war
bereits durch die Tür verschwunden.
„Und
wohin willst du?“, fragte ich Freundschaf.
„Mäh“,
machte Freundschaf und ging vor mir ins Zimmer.
Das
erste Mal fiel mir auf, dass ich nicht einmal wusste, ob Freundschaf männlich
oder weiblich war. Wenn ich es so betrachtete, war es mir egal. Es war eben
Freundschaf, nicht mehr und nicht weniger.
Das
Zimmer war in Rot- und Goldtönen gehalten. An den Wänden wechselten sich die
beiden Farben in regelmäßigen Abständen ab und waren aus Brokat, das mit
Rankenmuster versehen war. Die Lampe des Zimmers war natürlich ein goldener
Kronleuchter, der mich ein wenig an den in der Nachtschicht erinnerte, auch
wenn diese Kristalle mit ziemlicher Sicherheit echt waren. Das Himmelbett war
so groß, dass mindestens fünf Leute darin Platz haben würden. Die Vorhänge, die
es zu allen Seiten umgaben, waren aus weißem Stoff, der fast durchsichtig
schien und beim leichtesten Luftzug hin und her wehte.
Auf
dem Nachttisch neben dem Bett fand ich zu meiner großen Freude meinen Bogen,
den Köcher mit Pfeilen und das dreiklinkige Messer. Letzteres steckte ich mir
sofort wieder in die Hosentasche.
Auf
einmal begann es zu klopfen. Ich zuckte zusammen, erinnerte mich dann aber an
die Eduard-Kunigunde Tür. Erst der zweite Schlüssel, den ich ins Schloss
steckte, funktionierte und direkt vor mir stand Blue, der seine Tür von der
anderen Seite aus geöffnet hatte.
„Ganz
schön riesig die Zimmer hier“, meinte er.
In
der Hand hielt er sein heißgeliebtes Schwert. Da es mir zu blöd war einfach nur
in der Tür herumzustehen ging ich zurück in mein Zimmer und hockte mich auf den
Teppich. Blue folgte mir, zögerte aber als ich Fluffles aus meiner Tasche zog,
es vor mich auf den Boden setzte und ihm ein Blatt Wortsalat vorsetzte.
„Du
bist echt unmöglich“, kommentierte Blue das Ganze.
Wenn
das alles war, was er zu meinem Plotbunny zu sagen hatte, dann war ich
erleichtert. Ich hatte ehrlich gesagt erwartet, dass er mit dem Schwert auf
mein Bunny-Baby losgehen würde.
Während
mein Bunny glücklich seine Wörter mümmelte, begann das Tageslicht mehr und mehr
zu schwinden und dafür breitete sich die flackernde Helligkeit der entzündeten
Fenster aus. Fasziniert ging ich zu meinem Fenster und berührte vorsichtig das
Glas, das ein seltsames Licht auszuströmen schien, sodass es aussah als sei es entzündet.
Außerdem bestand es aus vielen bunten Glassteinen. Das viel zu helle Bunt fiel
vielfach gebrochen durch das Lichtglasfenster, sah dabei aber so schön aus,
dass ich es länger betrachten wollte.
Ich
setzte mich auf eins der rot-goldenen Sofas, die direkt darunter standen. Da
die Fenster bis fast auf den Boden reichten, konnte ich immer noch
hindurchschauen ohne aufzustehen.
Plötzlich
huschte ein milchiger Schemen über die Glasscheibe. Ich versuchte ihn mit dem
Finger zu fangen, doch er wechselte den Platz auf der Scheibe.
„Was
ist das für ein Ding?“, fragte ich Blue.
Der
war neben mich getreten, obwohl er sich immer wieder nach Fluffles umdrehte,
als könnte das Bunny gleich einen Fluchtversuch starten.
„Das
sind Scheibengeister“, erklärte er. „Das sind zum Beispiel die kleinen Viecher,
die sich im Gewächshaus immer an die Brille klammern, sodass man nichts mehr
sieht. Vor allem im Winter sind die echt nervig.“
Jetzt
erst erinnerte ich mich daran dass Blue ein Brillenträger war. Bisher hatte ich
ihn nur einmal ohne Brille gesehen, und zwar am ersten Morgen in der
Drachenschenke.
Ein
plötzliches Rascheln hinter mir ließ mich herumfahren.
„Keine
Sorge. Das waren nur Mäuse. Du glaubst doch nicht etwa an den Polstergeist,
oder?“
Lachend
schlug ich mit einem Sofakissen nach ihm.
„Der
einzige Polstergeist hier bin ich!“
Wie bitte <.< Scheibengeister ^^ Ich kann nicht mehr XD
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