Mittwoch, 17. Dezember 2014

47. Kapitel



Die Klinge fühlte sich kalt an auf meiner Haut. Ich wagte es kaum zu atmen oder zu schlucken, aus Angst das Messer könnte mir deshalb den Hals aufschlitzen. Phoenix hörte sofort auf zu zappeln. Freundschaf legte eine Vollbremsung hin, sodass Hannes beinah von seinem Kopf flog, und kam wenige Meter vor mir zum Stehen. Nur meine Oma versetzte einem Banditen noch einen ordentlichen Schlag mit ihrem Starb.
„Lady, hör’n se auf mit dem Schirm rumzufuchteln“, dröhnte schließlich die Stimme eines anderen Mannes. „Oder Sie werden’s bereuen!“
Das ließ meine Oma aufschauen. Sofort trafen ihre Augen auf meine und sie hielt inne.
„Jetz den Schirm runter.“
„Das können Sie vergessen“, protestierte sie. „Wenn ich den Schirm weglege, haben wir keine Chance hier wieder rauszukommen.“
„Dann schneiden wir der hier den Hals durch“, meinte der Mann nur und deutete auf mich.
Mein Angreifer drückte das Messer einen Millimeter tiefer in meine Haut. Mittlerweile war mein Hals so weit nach hinten gebeugt, dass ich besser den Himmel als den Waldboden sehen konnte, in einem sinnlosen Versuch dem Messer zu entkommen.
„Dann sollte ich Sie wissen lassen, dass, wenn sie dem Mädchen auch nur ein Haar krümmen, Sie alle diese Lichtung nicht lebend verlassen werden.“
Wow. Ich hatte nie gewusst, dass meine Oma so badass sein konnte. Sie funkelte die Männer aus ihren kristallblauen Augen an und das Lachen blieb den meisten im Hals stecken.
„Und wie wolln se das machen?“, fragte der Anführer höhnisch und brachte trotz ihres Ehrfurcht gebietenden Blickes ein schiefes Grinsen zustande.
„Das hier, meine Herren“ Sie schüttelte den Regenschirm. „Ist ein Starb. Bisher habe ich ihn nicht mit seinem vollen Potential eingesetzt. Und wenn Sie nur doppelt so intelligent sind wie Sie aussehen, wissen Sie was das bedeutet.“
Die Männer sahen nun wirklich unbehaglich aus. Ich spürte, dass das Messer an meinem Hals begonnen hatte zu zittern. Das beruhigte mich allerdings wenig. Immerhin könnte mir der Idiot aus Versehen die Kehle aufschlitzen.
„Also, wie lösen wir das Problem?“, fragte meine Oma.
Ihr Hut saß etwas schief auf ihrem Kopf, doch da sie nur eine Hand hatte, die gerade damit beschäftigt war den Starb zu halten, konnte sie ihn nicht richten. Das schien die Hand in ihrer Robbentasche bemerkt zu haben, denn sie krabbelte aus der Tasche heraus, hangelte sich am Saum der Robbe entlang und rückte den Hut gerade. Die Banditen waren wie erstarrt während sie diesem Schauspiel zusahen. Einer ging mehrere Schritte zurück und stolperte über einen liegengebliebenen Kasten.
„Was ist das fürn Teufelsding!“, schrie einer von ihnen. „Sie ist eine Hexe!“
Alles klar. Die Kerle waren wirklich so dumm wie sie aussahen. Das war vielleicht von Vorteil für uns, sofern meine Oma ihre Karten richtig spielte. Aber damit schien sie keine Probleme zu haben, denn sie hob den Regenschirm über ihren Kopf und ließ ihn auf einem Stein aufkommen, der auf der Wiese lag. Dieser verwandelte sich augenblicklich in schwarzen Staub. Ein Raunen ging durch die Banditen.
„Was tun wir? Wenn ich euch angreife, bringt ihr meine Gefährten um und solltet ihr meinen Gefährten etwas tun, greife ich euch an. Sowas nennt man dann wohl eine Zwickmühle“, meinte meine Oma.
Der Anführer sah nachdenklich aus, während sich die meisten anderen verwirrt ansahen. Anscheinend hatten sie nicht viel von dem verstanden, was meine Oma gesagt hatte.
„Wie wärs mit nem kleinen Kampf“, meinte er nachdenklich. „Einer aus eurer Gruppe gegen einen aus meiner Gruppe. Ein Schwerkampf.“
„Schwertkampf?“, meinte Blue. „Da bin ich dabei!“
Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass er gerade erst einen Schwertkampf verloren hatte. Allerdings war das Messer noch immer an meiner Kehle und das Schreien ließ ich lieber bleiben. So ein Idiot!
Meine Oma nickte jedoch. „Ja, ich denke es kommt nur Blue in Frage.“
„Und kein Regenschirm!“, erinnerte der Anführer sie.
„Gut. Blue gegen einen deiner Männer“, entschied meine Oma schließlich.
Der Anführer lächelte auf eine Art und Weise, die mir gar nicht gefiel. „Wer sagt, dass es ‘n Mann is?“
Eine Frau mit gigantischen Proportionen trat zwischen den Leuten hervor, die noch standen. Sie trug ein grünes Dirndl und hatte ihre blonden Haare zu einer Flechtfrisur um ihren Kopf geflochten. Sie war bestimmt drei Köpfe größer als Blue, der auch schon nicht klein war.
Sein Angreifer ließ ihn nun los, behielt aber Blues Schwert in der Hand und stieß ihn auf die Frau zu.
„Moment, wenn das ein Schwertkampf ist, dann brauche ich ein Schwert!“, protestierte der.
„Nicht Schwertkampf.“ Der Anführer schüttelte den Kopf, immer noch mit seinem gruseligen Grinsen. „Ein Schwerkampf! Du gegen unsere Trachtenkämpferin, gegeneinander, komplett ohne Waffen.“
Mist. Wir waren sowas von geliefert.
Der Berg von einer Frau stellte sich breitbeinig hin und legte den Kopf schief. Ich konnte nur hoffen, dass Blue etwas von Damon und seiner besseren Hälfte gelernt hatte, das hier nützlich sein würde. Wenn ich mir seine angstvolle Haltung und den Blick wie ein Häschen im Scheinwerferlicht allerdings anschaute, war ich mir nicht so sicher.
„Aaaaaaaaahhhh!“ Mit einem furchterregenden Schrei stürzte sich die Trachtenkämpferin auf Blue, der sich nur mit einem beherzten Sprung zur Seite retten konnte. Die Riesin brauchte einen Meter um zu bremsen, dann ging sie wieder auf Blue los. Freundschaf und Hannes mussten sich Richtung Oma retten als Blue sich das nächste Mal in ihre Richtung warf, um der Attacke der Trachtenkämpferin zu entkommen.
Falls das ein Kampfschrei sein sollte, den er da losließ, hörte sich das eher an wie ein quietschendes „Waaaaaah!“.
Die meisten Banditen begannen zu lachen, unter anderem auch der, der mich festhielt. Blöderweise wackelte dabei sein Messer. Ein kurzer Schmerz durchzuckte mich, dann spürte ich etwas meinen Hals hinunterlaufen. Der Mistkerl hatte mich aus Versehen mit dem Messer erwischt!
Ich konnte schon sagen, dass es nur eine oberflächliche Wunde war, doch das machte mich einfach nur wütend. Alles hier machte mich wütend. Plotbunnys zu essen, uns gefangen zu nehmen, Blue gegen eine Trachtenkämpferin antreten zu lassen… ich konnte fast Platzen vor Wut.
Stattdessen ballte ich meine Hände zu Fäusten und konzentrierte mich darauf wie es sich anfühlen würde dem Mann hinter mir in die Eier zu treten. Allein bei dem Gedanken musste ich lächeln. Falls er mich je losließ, konnte der was erleben, ob Blue nun gewann oder nicht.
Momentan schien er sich zu fangen. Seine Miene voller Panik war einer voll Anspannung gewichen. Er schien zu überlegen wie er seine Gegnerin ausschalten konnte; fast meinte ich es unter seinen Haaren vor lauter Anstrengung rauchen zu sehen. Währenddessen schaffte er es irgendwie der Kämpferin ein ums andere Mal auszuweichen. Sie war zwar stark, aber ihre Größe machte sie langsam und wesentlich weniger agil.
Das nutzte Blue nun, um endlich zurückzuschlagen. Als sie ihn das nächste Mal angriff, wich er erneut aus, dieses Mal jedoch im letzten Moment und in dem er sich zu Boden warf. Dabei schaffte er es gleichzeitig der Riesin ein Bein zu stellen, sodass sie mit einem wütenden Schrei zu Boden ging.
Blue rappelte sich sofort wieder auf und brachte mehrere Meter zwischen sich und die Trachtenkämpferin. Als sie aufstand war jedoch zu sehen, dass er es höchstens geschafft hatte sie noch wütender zu machen. Wie ein Stier bei einem Stierkampf ging sie auf ihn los.
In meiner Tasche rührte sich etwas und ein weißes Ohr lugte daraus hervor. Fluffles! Sie Banditen dürften es auf keinen Fall sehen, sonst ereilte es womöglich das Schicksal seiner Artgenossen. Nur, dass wir dieses Mal nicht da sein würden, um es zu retten.
Im Stillen flehte ich es an unten zu bleiben, doch schon bald ragte ein zweites Ohr aus meiner Brusttasche. Ich selbst sah das alles nur aus dem Augenwinkel, da meine Blickrichtung immer noch mehr in den Wolken war als anderswo.
Was mich kurz ablenkte war, dass Blue sich in seinem nächsten Rettungssprung verschätzt hatte und die Trachtenkämpferin ihn mit voller Wucht mit einem ihrer Arme erwischte. Es haute ihn von den Füßen und er brach auf dem Boden zusammen. Dort bekam er augenblicklich einen Fuß in die Seite gerammt, der ihn einen Meter zurückfliegen ließ.
Eine Unruhe in den Reihen der Banditen alarmierte mich, dass einer von ihnen Fluffles entdeckt hatte. Er deutete mit der Hand auf meine Brusttasche und immer mehr Köpfe drehten sich in meine Richtung. Ein paar sahen wieder zu Blue und der Trachtenkämpferin, als dieser sich aufgerappelt hatte und sie ihm daraufhin einen Kinnhaken verpasste, doch einer der Banditen nah bei mir war bereits auf dem Weg meine Tasche zu inspizieren. Das las ich zumindest an seinen Augen ab, die nur auf Fluffles gerichtet waren.
Das suchte sich diesen Moment aus, um vollends aus meiner Tasche zu springen und mitten zwischen den Kämpfern zu landen. Dann ging alles so schnell, dass ich es beinah verpasste.
Die Trachtenkämpferin war von dem plötzlich erschienenen Bunny so abgelenkt, dass ihr nächster Schlag ins Leere ging. Dafür sah Blue seine Chance – er kannte Fluffles ja schon und war dementsprechend nicht unbedingt überrascht es zu sehen. Er griff in seine Hosentasche und zog ein kleines Kästchen hervor, das ich als Behälter der Medikamente zum Einschlagen aus dem Kloster erkannte. Ich hatte die schon fast vergessen. Er anscheinend nicht.
Er kaute kurz, dann verpasste Blue der Trachtenkämpferin einen rechten Haken, der sich sehen lassen konnte. Ohne ihr Zeit zu lassen sich zu erholen hämmerte er nun auf alles ein, was er von ihr erwischen konnte.
Noch ablenkender war die Tatsache, dass Fluffles begonnen hatte zu schreien. Ich hatte noch nie einen Hasen schreien gehört und stellte nun fest, dass ich das niemals wieder hören wollte. Es war grauenhaft. Der Ton war so hoch, dass er sich in meinen Kopf zu fressen schien. Es hörte sich so verzweifelt und schmerzerfüllt an, dass ich automatisch Tränen in den Augen hatte. Oder das war, weil der Schrei so laut war, dass meine Ohren schmerzten.
Das schien der Mann zu denken, der mich festhielt, denn er ließ das Messer fallen und hielt sich stattdessen die Ohren zu. Böser Fehler, denn diese Gelegenheit nutzte ich, um ihm den versprochenen Tritt in die Eier zu verpassen. Ich konnte ihm die Verwirrung am Gesicht ablesen als er sich fragte ob er sich lieber die schmerzenden Ohren oder Hoden halten sollte.
Die meisten anderen Banditen hatten ebenfalls die Hände auf die Ohren gepresst, sodass mich niemand davon abhielt Phoenix‘ Gegner ebenfalls einen ordentlichen Tritt zu verpassen. Der krümmte sich vor Schmerzen und ging zu Boden.
Blue verdrosch immer noch die Trachtenkämpferin, da er nun die Oberhand gewonnen hatte. Fluffles hörte endlich auf zu schreien, was jedoch nicht nur dazu führte, dass es meine Ohren augenblicklich besser ging, sondern auch, dass die Banditen sich aufrafften, um uns doch fertig zu machen. Es war offensichtlich, dass sie gedacht hatten die Trachtenkämpferin würde gewinnen – und, naja, so mit ganz fairen Methoden hatten wir auch nicht gekämpft.
Mein dreiklinkiges Messer kam das erste Mal zum Einsatz als ich einen Banditen, der nach Fluffles griff, damit am Arm erwischte. Eine Hand presste ich mir kurz auf meinen Hals. Der Schnitt schien glücklicherweise nicht tief zu sein, doch als ich meine Hand wegnahm, war sie trotzdem blutig.
Meine Oma hatte ihren Regenschirm wieder zur Hand und machte dieses Mal Nägel mit Köpfen. Um sie herum rieselte schwarzer Staub, sodass es aussah als hätte ein Feuer die halbe Lichtung vernichtet und alles in Asche verwandelt. Trotzdem wurden wir anderen wieder von Banditen eingekreist, zwei zu eins mindestens. Auch auf Blue, der mit der Trachtenkämpferin am Boden rang, gingen einige der Verbrecher zu. Freundschaf hatte sich wieder darauf verlegt alle in den Allerwertesten zu boxen, den es erreichen konnte. Es war trotzdem nicht genug.
Mit einer Hand schnappte ich Fluffles vom Boden bevor es von unseren Angreifern zertrampelt werden konnte, mit der anderen berohte ich den Banditen, der Phoenix festgehalten hatte. Er verzog zwar immer noch vor Schmerz das Gesicht, sann aber anscheinend auf Rache. Der, der mich festgehalten hatte, lag noch immer am Boden.
Gerade als er mich angreifen wollte, tauchten überall an den Bäumen am Rand der Lichtung die Köpfe von Plotbunnys auf. Es schienen größtenteils die zu sein, die wir befreit hatten, doch auch einige unbekannte Gesichter waren dabei. Fluffles musste sie zu Hilfe gerufen haben!
Für einen Moment schien es als wären alle in dem erstarrt, was sie taten, dann begannen die Bunnys zu rennen. Sie sprangen die Banditen an, bissen sich in Armen und Hosen fest, und sogar in Nasen, wenn sie sie erreichen konnten. Jeder der Banditen war von mindestens zehn Plotbunnys belagert, wobei diese erstaunlicherweise einen Bogen um uns machten.
Meine Oma hatte nun leichtes Spiel unsere Gegner auszuschalten, obwohl sie wieder in den k.o.-Modus ihres Starbs übergegangen zu sein schien. Nur als der Anführer, wütend brüllend und von Kopf bis Fuß mit Bunnys behängt, auf sie zutorkelte, konnte ich ihrem Gesicht ablesen, dass ihn das Zeitliche segnen würde.
„Oma, du triffst die Bunnys!“, kreischte ich noch.
Doch der Regenschirm sauste bereits auf seine Brust nieder. Er traf, wie zu erwarten eins der Bunnys. Jeden Moment musste es zu Staub zerfallen… Doch stattdessen fiel es nur zu Boden, schüttelte sich kurz und verbiss sich dann im Fuß des Unglücklichen. Okay, jetzt wussten wir zumindest, dass auch der Starb nicht gegen Bunnys half.
Gegen Bösewichte war er allerdings äußerst praktisch, denn der Anführer verwandelte sich auch in schwarzen Staub sobald meine Oma eine zweite Attacke versucht hatte.
Was von der Banditentruppe noch übrig war rannte schreiend und von Bunnys verfolgt davon. Der Rest war ohnmächtig, oder schwer verwundet. Erstere würden beim Aufwachen wohl jede Menge Hasen vorfinden, die sie mit ihren riesigen Augen anstarrten. Sie würden keine Chance haben.
Die verbliebenen Bunnys rannten entweder den Fliehenden nach, oder blieben dort hocken, wo sie hingefallen waren als man sie abgeschüttelt hatte. Keins von ihnen versuchte auch nur im Entferntesten uns zu bezirzen oder anzugreifen. Fluffles steckte wieder den Kopf aus der Tasche, in die ich es unzeremoniell gestopft hatte. Einer der Hasen sah ihn kurz an, dann, wie auf ein geheimes Zeichen, verschwanden die Bunnys im Wald.

3 Kommentare:

  1. Hilarious XD Mehr kann ich dazu echt sagen ^^ Top Kapitel, also von einem schlechter werdenden Stil oder Inhalt kann man nun wirklich nicht reden <.<

    Die Szene mit dem Schrei und dem Anlocken erinnert mich irgendwie sehr an Attack on Titan... war das Absicht.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dann bin ich ja beruhigt. :3

      Nee, Attack on Titan habe ich noch gar nicht gesehen (habe ich allerdings vor sobald ich Zeit dazu habe). Ich weiß aber welche Szene du meinst; ich habe was drüber gelesen, glaube ich.

      Löschen
    2. Ja... es ist nicht ganz ähnlich, aber ich musste von der Art her dran denken.

      Löschen