Das
alte Hexenhaus hatte nur bedingt Ähnlichkeit mit dem Haus, in dem Estelle nun
wohnte. Vom grundlegenden Stil her war es ähnlich, doch das Blumengitter war so
von Efeu überwuchert, dass es kaum noch zu erkennen war, das halbe Dach war
eingefallen und Fenster und Türen hingen aus ihren Angeln. Außerdem hatte der
Efeu, der am Gitter emporrankte, beinah das ganze Haus umschlungen und schien
sogar durch das Loch im Dach ins Haus hineinzuwachsen.
„Entzückend“,
grummelte ich.
„So
gefährlich sieht es doch gar nicht aus“, meinte Blue.
Hannes
hockte auf meiner Schulter, wie immer, obwohl ich versucht hatte ihn davon zu
überzeugen bei der Hexe zu bleiben damit er nicht in Gefahr geriet. Dieser
Versuch war allerdings nur halbherzig gewesen, da ich langsam mitbekommen
hatte, dass er sich sowieso nicht daran halten würde. Vermutlich erinnerte es
ihn daran wie er im Schloss des Könlings von allen behandelt worden war.
Gerade
deshalb versuchte ich es immer wieder, einfach um ihn zu ärgern. Was ein
weiterer Grund dafür war, dass er mitgekommen war, war die Vorstellung mit
einer Hexe allein in einem Haus zu sein. Zwar hatte er Mitleid mit ihr, aber
sein Misstrauen war stärker. Was das anging konnte ich ihm nicht böse sein.
„Mäh“,
machte Freundschaf, das neben uns ging.
Es hatte
sich ebenfalls nicht abwimmeln lassen, aber auch darum war ich nicht böse. Ein
fluchbrechendes Schaf konnte durchaus hilfreich sein, wenn man in das
verlassene Haus einer Hexe einbrach.
„Na
dann“, murmelte Phoenix.
Sie
schien ebenfalls ein paar Vorbehalte zu haben. Die einzige, die munter
voranging und beinah schon bei der Tür des Hauses angekommen war, war meine
Oma. Diese stieß sie mit ihrem Regenschirm auf und winkte uns zu.
„Kommt
schon!“
„Na
dann“, wiederholte ich was Phoenix gesagt hatte und folgte meiner Oma.
Die
war mittlerweile bereits im Haus verschwunden. Vor der Schwelle zögerte ich
einen Moment, dann holte ich noch einmal Luft und betrat das Haus.
Im
Gegensatz zum neuen Haus bestand dieses hier aus nur einem einzigen Raum. An
den Wänden reihte sich ein Regal nach dem anderen und dazwischen standen immer
wieder Tische. Überall standen oder lagen Flaschen und Boxen, alle verstaubt.
Vielleicht war es nur meine Voreingenommenheit, doch mir kam es vor als hätte
der ganze Raum eine düstere Atmosphäre, die sich über alles gelegt hatte wie
die Schicht aus Staub.
„Sie
meinte wir müssen im Untergeschoss suchen“, murmelte Phoenix.
Zumindest
diese Richtungsangabe hatten wir bekommen. Super. Danke dafür. Wir teilten uns
auf und suchten nach einer Treppe, doch im ganzen Raum schien es keine Möglichkeit
zu geben nach oben oder unten zu kommen. Dabei musste es auch einen Zugang zum
Obergeschoss geben. Das eingestürzte Dach hatte dieses Stockwerk nämlich
verschont, obwohl die Decke an einer Stelle aussah als würde sie nachgeben wenn
sich nur ein weiteres Laubblatt darauf niederließ.
„Hier!“,
quakte Hannes aufgeregt. „Freundschaf hat etwas gefunden!“
Die
beiden standen zwischen zwei Regalen. Freundschaf hatte seine Schnauze in den
Spalt zwischen den Holzkonstruktionen versenkt und Hannes versuchte mit seinen
Froschfingern die Möbelstücke auseinander zu ziehen. Da war es wirklich
unpraktisch ein Schaf oder ein Frosch zu sein.
„Lass
mich mal ran“, bat ich die beiden.
Ich
griff in die Lücke. Die Regale knarrten und einige der Gegenstände in ihnen fielen
um. Vielleicht war das eine der Konstruktionen wo man etwas aus dem Regal
ziehen musste, aber da die Dinger bis zur Decke gingen und voller Krimskrams
waren, wollte ich mir das Durchsuchen ersparen.
Stattdessen
zog ich weiter an dem Teil bis ich einen handbreiten Spalt erzeugt hatte.
Dahinter konnte ich tatsächlich ein paar Treppenstufen erahnen. Blue stand nun
neben mir und zog ebenfalls an einem Regal. Phoenix zog von der anderen Seite und
endlich, mit einem lauten Krachen, ließen sich die Regale zur Seite schieben
und offenbarten eine Treppe.
Sie
führte sowohl nach oben, als auch nach unten, obwohl es aussah als hätte von
oben ein wenig Gerümpel des Dachs die Treppe blockiert. Phoenix zog eine
Taschenlampe aus ihrem Rucksack und leuchtete die Treppe an, die in den Keller
führte. Allein die Spinnenweben in den Ecken ließen mich schaudern. Außerdem
konnte man nicht bis ganz nach unten sehen, weil die Treppe eine Kurve machte.
„Dann
woll’n wir mal!“, meinte meine Oma enthusiastisch und ging als erste zwischen
den Regalen hindurch. Ich folgte zögerlich, Freundschaf und Hannes an meiner
Seite. Hinter mir kamen Blue und Phoenix. Diese reichte mir die Taschenlampe
nach vorne und brachte stattdessen ihre Feder zum Leuchten, sodass wir alle von
lebendigem Licht umgeben waren.
Obwohl
es vermutlich eine reine Vorsichtsmaßnahme war, führte es eher dazu, dass ich
mehr Panik bekam, als dass ich von dem extra Schutz beruhigt war. Vermutlich
weil mir die Feder in Erinnerung rief was alles für grauenhafte Flüche dort
unten auf uns warten könnten.
Sobald
Blue als letzte Person unserer Gruppe die Treppe betreten hatte, klappten
plötzlich die Stufen um. Die Treppe verwandelte sich in eine sehr staubige
Rutsche und unter lautem Kreischen wurden wir alle ins untere Stockwerk
geschleudert.
Es
gab ein lautes Platschen und wir schlugen auf – weich, denn der gesamte Keller
war mit einer Flüssigkeit gefüllt. Allein der Geruch raubte mir fast die Sinne
und ich fragte mich warum nicht sämtliche Besoffene der Gegend davon angelockt
wurden.
Hinter
mir gab es ein klägliches „Mäh“ und ein lautes Quaken. Der Prinz und
Freundschaf waren ebenfalls hier im Rum. Der ging mir immerhin nur bis zu den
Knien, was bedeutete, dass Freundschaf darin stehen konnte und nicht in Rum
ertrinken musste. Hannes allerdings, der prustend aus der Brühe auftauchte, tat
mir leid. Sofort kletterte er wieder auf Freundschafs Rücken, aber er musste
schon eine ordentliche Portion des Alkohols abbekommen haben.
Die
einzige, die sich nicht mit Rum bedeckt hatte, waren Phoenix und Blue. Der
hatte es irgendwie geschafft sich mit seinem Schwert in der Treppe zu verkeilen
und Phoenix an ihrer Robbe festzuhalten. Und Fluffles, denn das hockte immer
noch in meiner Brusttasche. Die Taschenlampe funktionierte, also ließ ich den
Lichtkegel durch den Rum schweifen.
„Es
ist wirklich bloß Rum, ihr beiden“, rief ich ihnen schließlich zu. „Bisher
zumindest.“
Obwohl
der Gestank wirklich bestialisch war. Wenn wir uns nicht beeilten, würde ich
allein davon besoffen werden und dann konnten wir es vergessen hier irgendwas
zu finden.
Meine
einzige Erfahrung mit alkoholischen Getränken war keine besonders tolle
gewesen. Zu meinem 15. Geburtstag hatten einige Freunde gemeint ich müsste
unbedingt mal abgefüllt werden. Dazu hatten sie mir einen Cocktail nach dem
anderen spendiert, nur um danach zu härteren Geschützen zu greifen. Es war ein
Wunder, dass ich mich noch an einen Großteil des Abends erinnerte. Den Morgen
des nächsten Tages hingegen würde ich liebend gern vergessen, konnte es aber
nicht.
Blue
ließ Phoenix los, die mit beiden Füßen im Rum landete, dann löste er sein
Schwert und folgte ebenfalls.
„Irgendwo
hier müssen diese Flaschen sein. Estelle meinte sie wären auf dem Regal auf der
anderen Seite des Rums… äh Raums“, sagte meine Oma.
Was
war eigentlich mit unseren Robben? Würden die auch betrunken werden wenn wir
uns hier länger aufhielten? Wie würden sich wohl betrunkene Robben verhalten? Ich
beschloss, dass ich das lieber nicht herausfinden wollte und folgte meiner Oma
missmutig durch die Flüssigkeit. Wenn das hier die neumodische Variante eines
Knusperhauses war, mochte ich sie nicht besonders.
Dieses
Gefühl verstärkte sich nur als sich über uns eine riesige Klappe öffnete und eine
große Portion Sahne auf uns alle herabfiel. Ich hatte einen perfekten Blick auf
die gesahnte Gruppe, denn nun fiel von oben ein wenig Tageslicht in den Keller.
Trotzdem wischte ich die Sahne von der Taschenlampe und, so gut ich konnte, von
meiner Robbe sowie aus meinen Haaren. Freundschaf sah nun aus wie wandelnde
Zuckerwatte, allein schon weil es schon immer ein wenig wie Zuckerwatte
ausgesehen hatte. Wollte die uns in wandelnde Cocktails verwandeln? Das dürfte
doch nicht wahr sein!
Ein
verzweifeltes Quaken erinnerte mich an Hannes‘ missliche Lage, denn er war
unter der Sahne auf Freundschafs Rücken begraben. Ich schob alles, was ich an
Sahne erwischen konnte, von Freundschafs Rücken und setzte Hannes auf eine
freie Stelle. Er schwankte ein wenig, was meine Befürchtung bestätigte er
könnte anfangen besoffen zu werden.
„Danke“,
murmelte er.
„Kein
Problem.“
Ich
ließ die Taschenlampe über die Regale schweifen bis ich eins entdeckte, das
vielversprechend aussah. Es schien ein klein wenig anders zu sein als die
restlichen Regale, was mich vermuten ließ, dass dort die wichtigsten Zutaten
für Tränke und Zauber aufbewahrt wurden. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde es
von diversen Flüchen und Zaubern beschützt.
„Das
da“, meinte ich und deutete auf das Objekt meiner Wahl.
„Das
denke ich auch“, stimmte Phoenix mir zu. Sie hatte die Hand mit ihrer
Phoenixfeder ausgestreckt als würde sie sich stark konzentrieren. „Dort hinten
gibt es starke Magie.“
Das
war eins der wenigen Male wo ich es hasste meine Vermutung bestätigt zu wissen.
„Wie kommen wir da dran?“
„Ich
kann’s ja versuchen“, meinte Hannes. Ich meinte festzustellen, dass er ein wenig
undeutlich sprach und stärker schwankte als vorher. „Bei mir is sowieso alles
zu spät.“
„Dann
kann genauso gut ich das tun, denn ich habe eh schon eine meiner Hände
verloren“, sagte meine Oma.
„Vergiss
es, sonst verlierst du deine andere auch noch.“ Das kam ja mal gar nicht in die
Tüte. Da würde eher ich das verfluchte Ding anfassen.
„Mäh“,
machte Freundschaf und trottete auf das Regal zu.
„Freundschaf
scheint meiner Meinung zu sein. Nich wahr?“, lallte Hannes.
Aber
Freundschaf hatte einen anderen Plan. Neben meiner Oma blieb es stehen und
starrte angestrengt auf die Tasche, in der sich ihre rechte Hand befand. Diese
schien etwas schneller denken zu können als meine Oma – wenn ich auch begann
mich zu fragen mit was genau die Hand dachte – denn sie lief ihren Arm hinunter
und sprang auf Freundschafs Rücken. Ich war geistesgegenwärtig genug Hannes vom
Rücken des Schafs zu schnappen, der sonst bei der nächsten Gelegenheit auf das
Regal gesprungen wäre.
„Lass
mich“, protestierte er. „Ich will helfen. Das is das einzige wozu ich gut bin!“
„Nein,
es gibt bestimmt noch mehr. Sterben kannst du wann anders“, versicherte ich
ihm.
Er
versuchte sich mit seinen glitschigen Armen und Beinen aus meinem Griff zu
winden, doch ich hielt ihn einfach mit beiden Händen. Wie unpraktisch es sein
musste ein Frosch zu sein.
Freundschaf
hatte mittlerweile das Regal erreicht, während Hand auf seinem Kopf saß. Sobald
die Schafsnase nah genug an einem der Regalbretter war, sprang die Hand hinauf
und kroch über das Regal. Ein seltsames Licht hatte das Möbelstück ergriffen.
Fast kam es mir vor als würde es eine Welle von Wut abstrahlen, darüber, dass
es jemand wagte in ihm herumzukramen.
Hand
störte das jedoch nicht. Sie winkte uns munter zu, als warte sie nur darauf,
dass wir ihr sagten was zu holen war.
Phoenix
listete nacheinander alles auf, was Estelle uns gesagt hatte. Es waren
größtenteils Namen von Dingen, von denen ich nie gehört, geschweige denn sie
gesehen hatte. Hand jedoch fand alles schnell. Immer wenn eine Sache entdeckt
worden war, warf sie es Freundschaf herunter, das die Flaschen und Kästchen mit
dem Maul auffing. Dann watete es durch den Rum zu Phoenix, die alles in einen
Beutel packte.
Wenn
ein Regalbrett durchsucht worden war, hangelte Hand sich zum nächsthöheren, um
dort weiterzumachen. Auf diese Weise kam keiner von uns mit Flüchen oder
Zaubern in Kontakt – keiner zumindest, der nicht immun dagegen war, was sowohl
Hand als auch Freundschaf zu sein schienen.
Bei
beiden machte das sogar Sinn. Hand war selbst ein verfluchtes Objekt. Da fiel
es nicht weiter auf wenn sie auf einem Regal mit anderen verfluchten Sachen
herumkletterte. Freundschaf war ein fluchbrechendes Schaf, was nicht alle Tage
vorkam und wogegen das Regal sicherlich nicht gewappnet war.
Nach
mehreren Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, waren endlich alle Sachen
beisammen und Hand sprang vom Regal zurück auf Freundschafs Rücken. Das Regal
knarrte einmal, was sich beinah anhörte wie ein resignierter Seufzer, bevor das
Leuchten verschwand und das Möbelstück wieder im Dunkel lag.
Wir
arbeiteten uns durch den Rum zurück zur Treppe, obwohl noch keinem von uns eine
Idee gekommen war wie wir die wieder hochklettern würden. Letztendlich benutzte
Phoenix ihre Feder, um ein Seil dazu zu bringen sich selbstständig die
Rutschtreppe hinaufzuschlängeln und oben um eins der Regale zu wickeln. An
diesem Seil machten wir uns an den Aufstieg.
Ich
hätte es wissen müssen. Die Treppe war bereits das erste Mal eine Falle
gewesen. Bei unserem zweiten Aufstieg war es nicht anders. Unter Phoenix, die
voran kletterte, tat sich eine Falltür auf. Ich, die ich genau hinter ihr
kletterte, versuchte noch ihre Robbe zu erwischen, doch sie glitt mir durch die
Finger.
Des
Bodens unter ihren Füßen beraubt, schaffte Phoenix es nicht mehr stehen zu
bleiben und fiel mit einem verzweifelten Schrei in die Hefe.
Mmh... die Nummer mit dem Rausch kommt mir irgendwie bekannt vor.
AntwortenLöschenRausch?
Löschen(Zitat) Obwohl der Gestank wirklich bestialisch war. Wenn wir uns nicht beeilten, würde ich allein davon besoffen werden und dann konnten wir es vergessen hier irgendwas zu finden.
AntwortenLöschenMeine einzige Erfahrung mit alkoholischen Getränken war keine besonders tolle gewesen. Zu meinem 15. Geburtstag hatten einige Freunde gemeint ich müsste unbedingt mal abgefüllt werden. Dazu hatten sie mir einen Cocktail nach dem anderen spendiert, nur um danach zu härteren Geschützen zu greifen. Es war ein Wunder, dass ich mich noch an einen Großteil des Abends erinnerte. Den Morgen des nächsten Tages hingegen würde ich liebend gern vergessen, konnte es aber nicht.
Aber warum bekannt?
LöschenWarum wohl bekannt XD
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