Der
Namm hatte uns mit Freuden aufgenommen als wir vollkommen erschöpft vor seiner
Tür aufgetaucht waren. Weniger fröhlich war der Könling gewesen als wir ihn
über den Spiegel darüber in Kenntnis gesetzt hatten wo sein Sohn abgeblieben
war.
Da
das ganze Haus des Namm aus einem einzigen Zimmer bestand, war das entstehende
Vater-Sohn-Gespräch von allen mitbekommen worden, egal wie sehr man sich bemüht
hatte wegzuhören. Es waren so viele Schimpfwörter darin vorgekommen, dass ich
den Könling nie wieder mit denselben Augen sehen würde. Außerdem war viel
geschrien worden.
Glücklicherweise
hatten sich die Gemüter irgendwann beruhigt, was vielleicht mehr dem Schwein
geschuldet war, das wir im Hintergrund hatten sehen können als es eins der
wunderschönen Fenster im Theosaal durchschlagen hatte. Danach hatte der Könling
das Gespräch abgewürgt, allerdings mit der Drohung, dass es bald fortgesetzt
werden würde.
Das
war gestern Abend gewesen. Nun war es bereits Morgen und wir saßen auf unseren
neuen Pferden, auf dem Weg zur Drachenschenke. Die Stuhlmenschen begegneten uns
glücklicherweise nicht, unsere Pferde schienen nicht reden zu können und
zusammen schafften Hannes und ich es Blue von einem Besuch beim Saubertrank
abzubringen. Soweit lief alles super. Zum Mittagessen aßen wir die Rationen, die
uns der Namm mitgegeben hatte, ich fütterte Fluffles mit Wortsalat und Freundschaf
graste friedlich am Wegesrand.
Die
Stelle, an der wir dem Drachen begegnet waren, umgingen wir dieses Mal
frühzeitig und liefen stattdessen durch den Wald. Die Nasen, die auf der Wiese
herumtollten, legten zwar nahe, dass kein Drache in der Nähe war, aber wir
hatten in den letzten Tagen genug Abenteuer gehabt. Außerdem mussten wir
mehreren Plotbunnys ausweichen, die nun auch in diese Region vorgedrungen zu
sein schienen. Sie zogen in ganzen Gruppen durch die Gegend und ein paar Mal
schafften wir es nur ganz knapp ihnen aus dem Weg zu gehen.
Am späten
Nachmittag kam die Drachenschenke in Sicht. Wir hielten uns wieder nah am Wald,
sodass wir die zwei Gestalten, die auf der anderen Seite auf die Schenke
zuritten, erst bemerkten, als wir fast mit ihnen kollidierten.
„Waaah!“
Dass
ich mich nicht besser ausdrückte, lag vermutlich daran, dass es sich bei den
Gestalten um zwei Schlammmonster handelte. Erst als ich den lila Regenschirm
bemerkte, der am Arm der einen Person baumelte, erkannte ich wer die Sumpfkreaturen
waren.
„Oma?!
Phoenix! Seid ihr das?“
Die
beiden waren von oben bis unten mit verkrusteter Erde bedeckt. Selbst die
Robben waren voller Schlamm, sahen in Phoenix‘ Fall mehr graus als grau aus und
dass Omas Robbe einmal weiß gewesen war, war nicht zu erkennen.
„Und
wo ist dein Hut?“
„Der
ist fast im See ertrunken“, meinte meine Oma mit einem Lächeln. „Aber Hand hat
ihn mir zurückgebracht. Nicht wahr, Hand?“
Ich
schrie auf und fiel beinah vom Pferd als eine Hand aus der Tasche ihrer Robbe
lugte und mir mit einigen Fingern zuwinkte. Noch schrecklicher war die
Feststellung, dass sie die goldenen Ringe meiner Oma an den Fingern trug, was
bedeuten musste…
„Ist
das deine Hand?!“, kreischte ich.
„Ein
Fluch, nehme ich an“, meinte Hannes neben meinem Ohr. „Glaub mir, ich kenne
mich damit aus.“
„Ist
das ein sprechender Frosch?“, meinte meine Oma, eher interessiert als
erschrocken.
„Gestatten,
Prinz Johannes, Sohn des Könlings. Ich…“
„Er
brauchte einen Tapetenwechsel“, unterbrach ich ihn. „Was ist mit deiner Hand
passiert?!“
„Ein
Fluch. Was für ein kluger Prinz“, meinte sie.
„Danke.“
Er
verbeugte sich von meiner Schulter aus. Am liebsten hätte ich sie beide
erwürgt. Um Hummels Willen, meiner Oma fehlt eine Hand! Und jeder außer mir
schien es auf die leichte Schulter zu nehmen! Sogar Blue tätschelte mir nur
beruhigend den Oberarm und meinte „Relax“.
„Relax?!“,
explodierte ich. „Die Hand meiner Oma hängt ihr aus der Robbentasche!
Interessiert das hier keinen?!“
„Ist
das ein Plotbunny in deiner Tasche?“
Bei
dieser Feststellung hörte sich meine Oma entsetzter an als wenn sie über ihre
fehlende Hand redete. Na gut, dann übergingen wir eben die Tatsache, dass sie
ein Krüppel war und unterhielten uns über Hasen. Verstehe einer ihre
Prioritäten.
„Oma,
Fluffles. Fluffles, Oma“, stellte ich vor, müde die Handgeschichte zu
diskutieren. „Fluffles ist mein Plotbunny und ich schleppe ihn seit der
schwingenden Stadt mit mir rum.“ Bevor die beiden mit der Debatte anfangen
konnten, die ich bereits mit Blue und dem Könling geführt hatte, deutete ich
auf die Drachenschenke. „Ich schlage vor wir gehen in die Drachenschenke. Dann
könnt ihr euch duschen, eure Robben gleich mit und wir treffen uns im
Schankraum, um uns auszutauschen.“
Phoenix
sah aus als wäre sie nicht ganz damit einverstanden, doch meine Oma lächelte
schon wieder.
„Das
ist eine fantastische Idee. Ich habe das Gefühl nur noch aus Erde zu bestehen.“
Amen.
Ich würde froh sein wenn meine Oma ihr Dasein als Schlammmonster beendete.
Bevor
wir jedoch die Drachenschenke betreten konnte, wurde versucht die Tür wieder zu
verschießen. Dieses Mal war der Übeltäter ein bierbäuchiger Kerl, der einen
lila VW-Bus vorgefahren hatte. Aus allen Fenstern lugten seltsame Vögel heraus.
„Sind
das… Dodos?“
Tatsächlich
handelte es sich bei den Vögeln um die eigentlich ausgestorbenen, aber hier
quicklebendigen, Dodos, flugunfähige, fette Vögel. Meine Oma war eher vom
VW-Bus begeistert, vermutlich wegen der Farbe. Der Dodovan stand eine Weile mit
laufendem Motor vor der Drachenschenke, bis der wutschnaubende Wirt, der sofort
gekommen war um die Tür zu reparieren, den Mann um die Schenke herum
dirigierte. Dort befand sich der Stall, wo wir bereits unsere Pferde
untergebracht hatten – unsere hätten sich bestimmt lautstark über die Zustände
beschwert, da sie sich an den könlingichen Stall gewöhnt hatten, was mich
unheimlich erleichtert sein ließ, dass wie andere Pferde bekommen hatten – und
nebenan eine Garage.
Die
Drachenschenke musste so einige seltsame Gestalten beherbergt haben. Heute würden
außerdem noch Dodos dazukommen. Und trotzdem wurde alles stehen und liegen
gelassen als unsere Gruppe durch die Tür kam. Es herrschte fast absolute Stille
bis wir auf der Treppe zu unseren Zimmern waren. Worüber da hinter unserem
Rücken geredet wurde konnte ich mir nur zu gut vorstellen.
Sogar
als wir über eine Stunde später alle geduscht und neu eingekleidet an einem
Tisch im Schankraum saßen, warfen uns einige Leute immer noch neugieriger
Blicke zu. Das lag eventuell daran, dass die Hand meiner Oma auf dem Tisch
hockte und mit den Fingern wackelte. Meine Oma störte das wenig, denn sie begann
sofort mich nach unseren Abenteuern auszufragen.
Am
Ende unserer Geschichte angekommen, starrte ich völlig geisterabwesend in meine
Tasse. Endlich keine Geister mehr. Kein Polstergeist, keine Scheibengeister und
keine arroganten Geschichter. Auch Fluffles schien nun von allen
Gruppenmitgliedern akzeptiert zu werden, auch wenn ich es vorsichtshalber tief
in meine Brusttasche geschubst hatte. Sonst würde es noch einen Aufstand in der
Drachenschenke auslösen.
Freundschaf
hatte sich neben meine Oma gehockt und diese hielt ihm ihre Hand hin. „Kannst
du mir vielleicht helfen?“, fragte sie freundlich.
Freundschaf
sah sie einen Moment lang aus großen, treuen Augen an. Dann stupste es mit
seiner Nase zuerst die abgetrennte Hand und dann den Armstumpf meiner Oma an.
Ich
hielt den Atem an. Einmal hatte ich schon gesehen was Freundschaf bewirken
konnte und das war spektakulär gewesen. Dieses Mal war es wie beim Prinzen – es
geschah absolut gar nichts.
Meine
Oma zuckte mit den Schultern. „Dann ist der Fluch wohl zu stark, oder es ist zu
lange her, dass ich verflucht wurde. Da kann man wohl nichts machen.“
Noch
immer war mir absolut schleierhaft wie sie so ruhig sein konnte. Ihr fehlte
eine Hand, verdammt nochmal! Andererseits passte das zu meiner Oma. Die
Situation, die sie ihrer guten Laune beraubte, musste noch erfunden werden.
Dann
erzählten Oma und Phoenix was ihnen passiert war und ich war froh, dass ich
nicht in die Horrorgegend hatte reisen müssen und entsetzt darüber was die
beiden erlebt hatten. Allein bei dem Beinregen wäre mir übel geworden.
Während
wir der Geschichte lauschten, bestellte meine Oma gestörte Erdnüsse. Die
wanderten zwar mit wirrem Gekicher auf dem Teller herum, doch bei so einer
spannenden Geschichte überlebten sie nicht lange. Sie wurden vor allem von Blue
und mir verputzt. Sobald die gestörten Erdnüsse das Zeitliche gesegnet hatte,
ging Blue zu Schokoladenwaffeln über.
„Also
habt ihr die Traveling Shovel of Death auch nicht gefunden“, seufzte ich und
fasste damit unsere Situation zusammen.
„Nein.
Dafür aber den Starb.“
Meine
Oma klopfte mit ihrem Regenschirm auf den Boden. Der sah nicht viel anders aus
als vorher, bis vielleicht auf die kleine Veränderung, dass der Stiel ein wenig
rauer und weniger gerade war. Eben wie ein Stab. Oder ein Starb.
Phoenix
hingegen schien fasziniert vom Zeigefinder. „Wisst ihr eigentlich was für ein
großer Schatz das ist?“
„Bisher
nicht wirklich.“
Ich
hatte auf dem Weg weiterhin versucht etwas auf dem Zeigefinder einzustellen,
doch er zeigte nie etwas anderes an als 404
– not found. Ich war ehrlich gesagt kurz davor gewesen das Ding in den
nächstbesten Straßengraben zu werfen.
„Das
könnte wirklich nützlich sein, gut gemacht.“
Naja.
Wie auch immer. Was mich viel mehr interessierte war wie wir weiter vorgehen
würden. Diese Frage brachte erst einmal alle zum Schweigen während wir
überlegten. Die TSoD zu finden schien immer noch unsere größte Hoffnung zu
sein, aber da sie weder im Schloss des Könlings gewesen war, noch in der
Geheimkammer des Hamsters, hatten wir ein Problem.
„Ich
habe von einer Hexe gehört…“, begann Phoenix.
„Hör
mir bloß auf mit Hexen“, quakte Hannes.
Der
saß ausnahmsweise nicht auf meiner Schulter, sondern neben einem Teller mit
Wasser. Als der Wirt ihn gefragt hatte ob er ein paar Fliegen wolle, hatte er
glücklicherweise verneint. Ich wusste nicht, ob ich den Anblick heute ertragen hätte.
„Sie
soll eine gute Hexe sein und lebt am Waldesrand in der Fantasygegend“, meinte
Phoenix.
Stöhnend
ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. „Da kommen wir gerade her! Hättest du
das nicht vorher sagen können?“
„Nun
ja, mit Hexen, ob gut oder böse, ist das immer so eine Sache. Man weiß nie
woran man ist. Deshalb hätte ich das gerne vermieden.“
Na
super. Und das sollte mich beruhigen? Da hatte ich aber noch ein Wörtchen
mitzureden.
Der
Wirt hatte gerade eine neue Fuhre Waffeln für Blue gebracht, als die Tür aufging
und sich quietschend wieder öffnete.
„Doppeltüren“,
erklärte der Wirt. „Damit die Leute sie mir nicht immer aufschießen.“
Er
setzte an das weiter zu erläutern, da war Phoenix schon aus dem Stuhl
gesprungen. „Rauchninjas!“, rief sie.
Sofort
brach Panik in der Drachenschenke aus. Stühle und Tische wurden umgeworfen bei
dem Versuch den Ninjas zu entkommen.
„Alle
zu den Waffeln!“, schrie Blue.
„Äh…
wären Waffen nicht besser?“
„Nö.
Wieso? Mit leerem Magen in die Schlacht? Also ehrlich…“
Blue
war eben eher mampferprobt als kampferprobt. Trotzdem, oder gerade deswegen,
hätte ich ihm am liebsten eins mit dem Starb meiner Oma übergebraten. Die
ersten Rauchninjas hatten uns beinah erreicht. Wieder einmal würden meine
Pfeile nicht viel bringen. Also zog ich mein dreiklinkiges Messer, das meine
Oma misstrauisch beäugte. Da hatten wir in unserer Erzählung wohl etwas
ausgelassen.
„Was?“,
fuhr ich sie an. „Ich muss mich verteidigen können!“
Das
bewahrheitete sich augenblicklich, denn der erste Rauchninja griff an. Blue,
der sich nun doch für Waffen anstatt Waffeln entschieden hatte, versuchte ihn
mit seinem Schwert anzugreifen. Der Ninja wich jedoch aus – um meiner Oma in
den Regenschirm zu laufen.
Sie
versetzte ihm einen ordentlichen Schlag, woraufhin der Ninja zusammenklappte
und sich in schwarzen Staub auflöste. Okay, bisher fand ich den Starb
wesentlich praktischer als den Zeigefinder. Auch Hannes stieß einen
bewundernden Pfiff aus. Bisher hatte ich nur gewusst, dass so komische
Regenwaldfrösche das konnten.
Die
anderen Ninjas hielten inne und starrten entgeistert – zumindest soweit ich das
bei den schwarzen Masken sagen konnte, aber wie konnte es anders sein? – auf
den lila geblümten Regenschirm. Einer ergriff die Initiative. Er versuchte mit
Wirten zu verletzen, nicht mit einer Klinge. Da nur ein Wirt in der Nähe war,
traf es den. Mit einem Heulen, das sich anhörte als hätte er gerade entdeckt,
dass seine Tür wieder aufgeschossen worden war, flog er durch die Luft auf uns
zu.
Wir
schafften es gerade so dem ungewöhnlichen Wurfgeschoss auszuweichen und der
Wirt landete auf unserem Tisch. Dieser verabschiedete sich mit einem lauten
Krachen und war nur noch als Einzelteillager auf dem Boden zu finden. Freundschaf
drückte sich leise mähend zwischen die Überreste einiger Stühle, während der
Froschprinz sich in dessen Wolle kauerte. Er war von meiner Schulter gesprungen
– eine Weise Entscheidung, wenn man mich fragte. Wie schon vorher festgestellt,
war es in Kampfsituationen weniger zu gebrauchen und ein Frosch konnte auch
nicht viel ausrichten.
Danach
begannen uns die Ninjas mit den verschiedensten Gegenständen zu bewerfen. Fast
alle Falschen hinter der Bar gingen dabei zu Bruch, sowie die halbe Einrichtung
– nämlich alles, was sich auf der Ninja-Seite der Schenke befand. Als sie
anfangen mit so seltsamen kleinen Wurfsternen zu hantieren, musste ich mir
trotz der ernsten Lage ein Lachen verkneifen. Da hatten die jetzt erst dran
gedacht? Die Dinger waren bestimmt effektiver als Falschen.
Ich
machte mich bereit die Dinger notfalls mit meinem dreiklinkigen Messer
abzuwehren, da wurde ich an meiner Robbe gepackt.
„Kein
Wirt", zischte eine Stimme und zerrte mich nach hinten in ein Gebüsch.
Schlammmonster... warum nur musste ich jetzt an Dogma denken.
AntwortenLöschenUnd yeah XD Der Dodovan ^^ Übrigens hattest du beim Bild geschrieben das der erst in Kapitel 45 auftaucht <.<