Mittwoch, 10. Dezember 2014

40. Kapitel



Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Gerade hatte ich über einer Liste von allen Personen im Schloss gebrütet. Da das fünf Seiten Pergament waren, saß ich bereits dementsprechend lange daran und war dementsprechend gelaunt.
„Herein“, schnauzte ich.
Blue hatte sich schon vor über einer Stunde verabschiedet, um zum Frühstück zu gehen. Immerhin hatte er daran gedacht mir mein Frühstück schicken zu lassen, aber das half meiner Laune auch nicht gerade.
„Störe ich?“, quakte jemand und ich fuhr zusammen.
„Du bist es“, meinte ich zum Froschprinzen. „Du verlässt dein Zimmer ja zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen!“
Mein Sarkasmus war nicht zu überhören und er streckte mir die Zunge heraus, was bei einem Frosch äußerst befremdlich aussah.
„Ich kann auch wieder gehen. Aber ich dachte das Frühstück, das ich geschickt habe, wäre vielleicht eine nette Geste gewesen.“
Also hatte Blue doch nicht daran gedacht. Idiot. Der würde nachher noch was von mir zu hören bekommen. Mir die ganze Arbeit überlassen und sich durchfuttern, also wirklich.
„Komm ruhig rein“, seufzte ich. „Aber seit gestern hat sich nicht viel geändert. Derselbe Auftrag, dasselbe Problem. Wer von den tausend Leuten hier hätte ein Motiv deinen Vater umzubringen?“
Der Froschprinz war ins Zimmer gehüpft und der Diener, der für ihn geklopft hatte, schloss die Tür hinter ihm. Statt jedoch zu mir zu kommen schaute er sehnsüchtig zu Freundschaf herüber, das in einem eigens für es hegerichteten Hundekorb mit einem Haufen Kissen schlief. Von hier sah es aus wie ein gigantisches, atmendes Wollknäul.
Nachdem es gestern Abend den Könling zurückverwandelt hatte, hatte sich sein Status bei Hofe deutlich verbessert, und damit gleichzeitig Blues und meiner. Die Magier hatten versucht Freundschaf mit irgendwelchen magischen Mitteln zu untersuchen, um herauszufinden was seine Macht war, doch nachdem Freundschaf einem weiteren Magier die Robe zerfetzt hatte, hatten sie es aufgegeben. Ich war nur froh gewesen, dass sie Roben und keine Robben trugen.
Was Freundschaf jedoch versucht hatte, war den Fluch des Froschprinzen zu lösen. Alle hatten den Atem angehalten als es ihn mit seiner Nasenspitze berührt hatte, doch nichts war passiert. Danach war es wieder dazu übergegangen auf dem purpurnen Robenfetzen herumzukauen. Die Magier hatten die Vermutung geäußert, dass der Fluch des Prinzen schon zu lange bestand, als dass jemand ihn auf diese Art und Weise brechen konnte. Der Prinz schien die Hoffnung jedoch noch nicht ganz aufgegeben zu haben.
„Danke für das Frühstück“, sagte ich, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Irre ich mich, oder hat es wesentlich besser geschmeckt als gestern?“
Der Frosch lächelte – was ebenfalls mehr als seltsam aussah – und hüpfte nun doch zu mir herüber.
„Ja, mein Vater hat der Köchin die durch Gift getötete Katze ersetzt. Und sie hat nicht nur eine bekommen. Nun hat sie eine blauäugige Raumkatze, eine Nachtikatze und eine Latze um sich rumtollen.“
Er schüttelte den Kopf als wüsste er nicht was ein Mensch mit all den Katzen wollen könnte. Vielleicht lag das auch daran, dass er ein Frosch war und Katzen nicht unbedingt gut auf Amphibien zu sprechen waren.
„Was ist eine Raumkatze? Und die anderen beiden?“
„Eine Raumkatze ist eine Katze, die immer nur in einem Raum bleibt“, erklärte er geduldig. „Eine Nachtikatze ist eine nachtaktive Katze und eine Latze ist eine Katze, die aussieht wie eine Mischung aus einer Katze und einem Löwen. Mit Mähne und allem.“
„Mmh.“
Also wurde die Suppe nicht nur versalzen wenn der Koch Liebeskummer hatte, sondern auch wenn er Katzenjammer hatte. Wie überaus interessant.
Ich griff nach einem Glas und goss Wasser aus einer Kristallkaffee hinein, die auf dem Frühstückstablett neben mir auf dem Boden stand. Die Kristallkaffee war eine Karaffe aus Glas, in deren Inneren bernsteinfarbene Kaffeeschlieren eingearbeitet waren. Bei dem ganzen Kaffeekonsum im NaNo-Land wunderte es mich nicht, dass es Verzierungen aus Kaffee gab.
„Auch einen Schluck?“, bot ich dem Froschprinzen an.
„Ja, bitte.“
Mein Angebot in die Tat umzusetzen stellte sich als schwierig heraus, da der Prinz nicht aus einem Glas trinken konnte. Ich löste das Problem, indem ich Wasser in einen Teller goss und ihm hinschob. Er sprang als allererstes hinein, was mich dann doch etwas verunsicherte.
„Tschuldigung. Meine Haut darf nicht austrocknen.“
„Äh… alles klar…“
Eine Weile tranken wir beide und ich warf ab und zu wieder einen Blick auf die Liste. Das brachte doch nichts! Wütend knüllte ich die Blätter zusammen und schleuderte sie quer durch den Raum. Die meisten der Leute kannte ich noch nicht einmal; wie sollte ich da wissen ob sie zu einem Mordversuch fähig waren? Gedankenverloren begann ich Fluffles in meiner Brusttasche zu streicheln, was zu einem nervösen Tick zu werden schien. Aber irgendwie beruhigte mich das Gefühl seines weichen Fells unter den Fingern.
„Alles in Ordnung?“, wollte der Prinz wissen.
„Geht schon.“ Das Schweigen nun war eher unangenehm.
„Ich glaube ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt“, meinte der Froschprinz plötzlich. „Gestatten? Mein Name ist Johannes. Gerne auch Hannes.“
„Hallo, Hannes. Ich bin Mia.“
„Schön dich endlich richtig kennen zu lernen. Es ist außerdem schön, dass du den ganzen Quatsch mit Eure Hoheit bleiben lässt. Das ist sehr erfrischend“, sagte er.
„Gestern schienst du das eher unhöflich zu finden.“
Unsere erste Unterhaltung in seinem Zimmer war meines Erachtens nicht besonders erfolgreich gewesen. Wobei das auch daran gelegen haben könnte, dass uns Küchenmöbel die Tür eingerannt hatten.
„Eigentlich fand ich es schon da interessant, aber ich glaube ich habe ein wenig arrogant reagiert. Das tut mir leid“, entschuldigte er sich.
„Entschuldigung angenommen.“
Ich war ehrlich überrascht. Eigentlich hatte ich den Kerl als ängstlichen, arroganten Einsiedler abgestempelt, der sich seit Jahren in seinem Zimmer verkroch nur weil er Angst hatte, dass die Leute ihn komisch ansahen, weil er ein Frosch war. Taten sie wahrscheinlich auch, aber das war meiner Meinung nach deren Problem und nicht seins.
„Du kommst also nicht wirklich weiter?“, fragte er.
„Nicht wirklich, nein“, bestätigte ich. „Ich kenne die Leute doch gar nicht! Da müsste man den Täter schon auf frischer Tat erwischen.“
„Und warum können wir das nicht?“
„Dazu müsste sich der Könling freiwillig als Lockvogel bereitstellen. Du hast ihn doch gestern erlebt. Er ist außer sich vor Angst. Das macht der nie.“ Ich seufzte und krabbelte über den Boden, um die Liste wieder aufzuheben.
„Du vergisst, dass ich einen ganz guten Draht zu ihm habe.“ Hannes zwinkerte mir zu. „Das bekomme ich schon hin.“
Dann rollte er seine Zunge aus und schnappte sich eine Fliege, die neben meinem Kopf herumgeflogen war.
„Iiiiih! Musste das sein? Echt jetzt?“ Ich schüttelte mich vor Ekel, besonders als der Prinz die Fliege herunterschluckte, um sich bei mir entschuldigen zu können. „Ich hab doch gesagt du sollst das in meiner Gegenwart lassen! Igitt!“
„Tut mir leid. Das ist reiner Instikt, ich schwör’s.“
„Instinkt oder nicht, bitte, bitte lass das bleiben, okay?“ Ich schüttelte mich erneut, dass meine schwarzen Haare nur so flogen.
„Ist ja gut.“
Er sah aus als bereute er das mit der Fliege wirklich. Also nahm ich seine Entschuldigung an und wir planten stattdessen wie man den Könling dazu bringen konnte den Köder zu spielen. Irgendwann setzte sich das nun wache Freundschaf dazu. Ich lehnte mich gegen seine weiche Wolle und es mähte glücklich, während Hannes ihm immer wieder sehnsüchtige Blicke zuwarf.
Blue tauchte bis lange nach dem Mittagessen nicht auf und selbst dann war er keine große Hilfe. Er polierte sein Schwert und mampfte einige Karamellbonbons, die er hatte mitgehen lassen. Er war wohl nur zum Kämpfen zu gebrauchen, nicht zum Denken. Meistens jedenfalls.
Nach zwei Stunden hatten wir etwas zustande gebracht, das einem Plan ähnelte. Wenn wir Glück hatten, würde sich der Könling darauf einlassen.
Unsere Gruppe bekam mehr als einen Blick zu spüren als wir auf dem Weg zum Theosaal waren, um dem Könling unseren Vorschlag zu unterbreiten. Dann wiederum… ein Schaf, ein Frosch und ein Kerl mit blauen Haaren waren nicht gerade unauffällig. Besonders nervig fand ich allerdings eher, dass sich alle in Hannes‘ Richtung verbeugten wenn wir vorbeigingen. Der saß wieder auf meiner Schulter, was dazu führte, dass es mir so vorkam als wären die Verbeugungen an mich gerichtet. Ich konnte verstehen warum er es leid war, dass ihn alle mit Titeln ansprachen.
Wir wurden nicht von den Wachen kontrolliert bevor wir den Theosaal betraten. Ob das daran lag, dass der Prinz dabei war oder daran, dass wir gestern den Könling vom Geiersein erlöst hatten, konnte ich nicht sagen.
„Was ist Euer Begehr?“, fragte der Könling von seinem Thron.
Heute saß die Könlingin, eine Frau mit funkelblonden Haaren und funkelnder Krone, daneben. Ihr Blick huschte zu Hannes und wurde düster. Nanu. Bisher hatten sich alle gefreut, dass er seinen Seerosenteich verlassen hatte. Da war doch was faul.
„Wir haben einen Vorschlag wie man den Täter fassen könnte“, sagte ich und machte einen Knicks.
„Das sind gute Neuigkeiten“, sagte der Könling lächelnd.
„Nicht wenn Ihr herausfindet was genau wir vorhaben.“
Sein Lächeln entglitt ihm mehr und mehr je länger ich redete, bis er mich nur noch ernst anschaute. „Und das soll funktionieren?“, fragte der Könling zweifelnd.
„Habt Ihr eine besser Idee, Eure Majestät?“
Natürlich hatte er das nicht. Das hieß zwar nicht, dass unsere Idee besonders gut war, aber vielleicht bedeutete es, dass er mitmachte. Das wäre zumindest ein Anfang.
„Nun gut. Wann soll euer Plan in die Tat umgesetzt werden?“, fragte er schließlich.
„Am besten jetzt gleich.“

1 Kommentar:

  1. Nur Kämpfen, nicht Denken <.< So wahr ich heute während des Umzuges meines Bruders auch mal XD Ich bin die Exekutive, ich treffe keine Entscheidungen ^^

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