Ein
leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Gerade hatte ich über
einer Liste von allen Personen im Schloss gebrütet. Da das fünf Seiten
Pergament waren, saß ich bereits dementsprechend lange daran und war
dementsprechend gelaunt.
„Herein“,
schnauzte ich.
Blue
hatte sich schon vor über einer Stunde verabschiedet, um zum Frühstück zu
gehen. Immerhin hatte er daran gedacht mir mein Frühstück schicken zu lassen,
aber das half meiner Laune auch nicht gerade.
„Störe
ich?“, quakte jemand und ich fuhr zusammen.
„Du
bist es“, meinte ich zum Froschprinzen. „Du verlässt dein Zimmer ja zum zweiten
Mal innerhalb von zwei Tagen!“
Mein
Sarkasmus war nicht zu überhören und er streckte mir die Zunge heraus, was bei
einem Frosch äußerst befremdlich aussah.
„Ich
kann auch wieder gehen. Aber ich dachte das Frühstück, das ich geschickt habe,
wäre vielleicht eine nette Geste gewesen.“
Also
hatte Blue doch nicht daran gedacht. Idiot. Der würde nachher noch was von mir
zu hören bekommen. Mir die ganze Arbeit überlassen und sich durchfuttern, also
wirklich.
„Komm
ruhig rein“, seufzte ich. „Aber seit gestern hat sich nicht viel geändert.
Derselbe Auftrag, dasselbe Problem. Wer von den tausend Leuten hier hätte ein
Motiv deinen Vater umzubringen?“
Der
Froschprinz war ins Zimmer gehüpft und der Diener, der für ihn geklopft hatte,
schloss die Tür hinter ihm. Statt jedoch zu mir zu kommen schaute er
sehnsüchtig zu Freundschaf herüber, das in einem eigens für es hegerichteten
Hundekorb mit einem Haufen Kissen schlief. Von hier sah es aus wie ein
gigantisches, atmendes Wollknäul.
Nachdem
es gestern Abend den Könling zurückverwandelt hatte, hatte sich sein Status bei
Hofe deutlich verbessert, und damit gleichzeitig Blues und meiner. Die Magier
hatten versucht Freundschaf mit irgendwelchen magischen Mitteln zu untersuchen,
um herauszufinden was seine Macht war, doch nachdem Freundschaf einem weiteren
Magier die Robe zerfetzt hatte, hatten sie es aufgegeben. Ich war nur froh
gewesen, dass sie Roben und keine Robben trugen.
Was
Freundschaf jedoch versucht hatte, war den Fluch des Froschprinzen zu lösen.
Alle hatten den Atem angehalten als es ihn mit seiner Nasenspitze berührt
hatte, doch nichts war passiert. Danach war es wieder dazu übergegangen auf dem
purpurnen Robenfetzen herumzukauen. Die Magier hatten die Vermutung geäußert,
dass der Fluch des Prinzen schon zu lange bestand, als dass jemand ihn auf
diese Art und Weise brechen konnte. Der Prinz schien die Hoffnung jedoch noch
nicht ganz aufgegeben zu haben.
„Danke
für das Frühstück“, sagte ich, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Irre ich
mich, oder hat es wesentlich besser geschmeckt als gestern?“
Der
Frosch lächelte – was ebenfalls mehr als seltsam aussah – und hüpfte nun doch
zu mir herüber.
„Ja,
mein Vater hat der Köchin die durch Gift getötete Katze ersetzt. Und sie hat
nicht nur eine bekommen. Nun hat sie eine blauäugige Raumkatze, eine
Nachtikatze und eine Latze um sich rumtollen.“
Er
schüttelte den Kopf als wüsste er nicht was ein Mensch mit all den Katzen
wollen könnte. Vielleicht lag das auch daran, dass er ein Frosch war und Katzen
nicht unbedingt gut auf Amphibien zu sprechen waren.
„Was
ist eine Raumkatze? Und die anderen beiden?“
„Eine
Raumkatze ist eine Katze, die immer nur in einem Raum bleibt“, erklärte er
geduldig. „Eine Nachtikatze ist eine nachtaktive Katze und eine Latze ist eine
Katze, die aussieht wie eine Mischung aus einer Katze und einem Löwen. Mit
Mähne und allem.“
„Mmh.“
Also
wurde die Suppe nicht nur versalzen wenn der Koch Liebeskummer hatte, sondern
auch wenn er Katzenjammer hatte. Wie überaus interessant.
Ich
griff nach einem Glas und goss Wasser aus einer Kristallkaffee hinein, die auf
dem Frühstückstablett neben mir auf dem Boden stand. Die Kristallkaffee war
eine Karaffe aus Glas, in deren Inneren bernsteinfarbene Kaffeeschlieren
eingearbeitet waren. Bei dem ganzen Kaffeekonsum im NaNo-Land wunderte es mich
nicht, dass es Verzierungen aus Kaffee gab.
„Auch
einen Schluck?“, bot ich dem Froschprinzen an.
„Ja,
bitte.“
Mein
Angebot in die Tat umzusetzen stellte sich als schwierig heraus, da der Prinz
nicht aus einem Glas trinken konnte. Ich löste das Problem, indem ich Wasser in
einen Teller goss und ihm hinschob. Er sprang als allererstes hinein, was mich
dann doch etwas verunsicherte.
„Tschuldigung.
Meine Haut darf nicht austrocknen.“
„Äh…
alles klar…“
Eine
Weile tranken wir beide und ich warf ab und zu wieder einen Blick auf die
Liste. Das brachte doch nichts! Wütend knüllte ich die Blätter zusammen und schleuderte
sie quer durch den Raum. Die meisten der Leute kannte ich noch nicht einmal;
wie sollte ich da wissen ob sie zu einem Mordversuch fähig waren?
Gedankenverloren begann ich Fluffles in meiner Brusttasche zu streicheln, was
zu einem nervösen Tick zu werden schien. Aber irgendwie beruhigte mich das
Gefühl seines weichen Fells unter den Fingern.
„Alles
in Ordnung?“, wollte der Prinz wissen.
„Geht
schon.“ Das Schweigen nun war eher unangenehm.
„Ich
glaube ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt“, meinte der Froschprinz
plötzlich. „Gestatten? Mein Name ist Johannes. Gerne auch Hannes.“
„Hallo,
Hannes. Ich bin Mia.“
„Schön
dich endlich richtig kennen zu lernen. Es ist außerdem schön, dass du den
ganzen Quatsch mit Eure Hoheit
bleiben lässt. Das ist sehr erfrischend“, sagte er.
„Gestern
schienst du das eher unhöflich zu finden.“
Unsere
erste Unterhaltung in seinem Zimmer war meines Erachtens nicht besonders
erfolgreich gewesen. Wobei das auch daran gelegen haben könnte, dass uns
Küchenmöbel die Tür eingerannt hatten.
„Eigentlich
fand ich es schon da interessant, aber ich glaube ich habe ein wenig arrogant
reagiert. Das tut mir leid“, entschuldigte er sich.
„Entschuldigung
angenommen.“
Ich
war ehrlich überrascht. Eigentlich hatte ich den Kerl als ängstlichen,
arroganten Einsiedler abgestempelt, der sich seit Jahren in seinem Zimmer
verkroch nur weil er Angst hatte, dass die Leute ihn komisch ansahen, weil er
ein Frosch war. Taten sie wahrscheinlich auch, aber das war meiner Meinung nach
deren Problem und nicht seins.
„Du
kommst also nicht wirklich weiter?“, fragte er.
„Nicht
wirklich, nein“, bestätigte ich. „Ich kenne die Leute doch gar nicht! Da müsste
man den Täter schon auf frischer Tat erwischen.“
„Und
warum können wir das nicht?“
„Dazu
müsste sich der Könling freiwillig als Lockvogel bereitstellen. Du hast ihn
doch gestern erlebt. Er ist außer sich vor Angst. Das macht der nie.“ Ich
seufzte und krabbelte über den Boden, um die Liste wieder aufzuheben.
„Du
vergisst, dass ich einen ganz guten Draht zu ihm habe.“ Hannes zwinkerte mir
zu. „Das bekomme ich schon hin.“
Dann
rollte er seine Zunge aus und schnappte sich eine Fliege, die neben meinem Kopf
herumgeflogen war.
„Iiiiih!
Musste das sein? Echt jetzt?“ Ich schüttelte mich vor Ekel, besonders als der
Prinz die Fliege herunterschluckte, um sich bei mir entschuldigen zu können.
„Ich hab doch gesagt du sollst das in meiner Gegenwart lassen! Igitt!“
„Tut
mir leid. Das ist reiner Instikt, ich schwör’s.“
„Instinkt
oder nicht, bitte, bitte lass das
bleiben, okay?“ Ich schüttelte mich erneut, dass meine schwarzen Haare nur so
flogen.
„Ist
ja gut.“
Er
sah aus als bereute er das mit der Fliege wirklich. Also nahm ich seine
Entschuldigung an und wir planten stattdessen wie man den Könling dazu bringen
konnte den Köder zu spielen. Irgendwann setzte sich das nun wache Freundschaf
dazu. Ich lehnte mich gegen seine weiche Wolle und es mähte glücklich, während
Hannes ihm immer wieder sehnsüchtige Blicke zuwarf.
Blue
tauchte bis lange nach dem Mittagessen nicht auf und selbst dann war er keine
große Hilfe. Er polierte sein Schwert und mampfte einige Karamellbonbons, die
er hatte mitgehen lassen. Er war wohl nur zum Kämpfen zu gebrauchen, nicht zum Denken.
Meistens jedenfalls.
Nach
zwei Stunden hatten wir etwas zustande gebracht, das einem Plan ähnelte. Wenn
wir Glück hatten, würde sich der Könling darauf einlassen.
Unsere
Gruppe bekam mehr als einen Blick zu spüren als wir auf dem Weg zum Theosaal
waren, um dem Könling unseren Vorschlag zu unterbreiten. Dann wiederum… ein
Schaf, ein Frosch und ein Kerl mit blauen Haaren waren nicht gerade
unauffällig. Besonders nervig fand ich allerdings eher, dass sich alle in
Hannes‘ Richtung verbeugten wenn wir vorbeigingen. Der saß wieder auf meiner
Schulter, was dazu führte, dass es mir so vorkam als wären die Verbeugungen an
mich gerichtet. Ich konnte verstehen warum er es leid war, dass ihn alle mit
Titeln ansprachen.
Wir
wurden nicht von den Wachen kontrolliert bevor wir den Theosaal betraten. Ob
das daran lag, dass der Prinz dabei war oder daran, dass wir gestern den
Könling vom Geiersein erlöst hatten, konnte ich nicht sagen.
„Was
ist Euer Begehr?“, fragte der Könling von seinem Thron.
Heute
saß die Könlingin, eine Frau mit funkelblonden Haaren und funkelnder Krone,
daneben. Ihr Blick huschte zu Hannes und wurde düster. Nanu. Bisher hatten sich
alle gefreut, dass er seinen Seerosenteich verlassen hatte. Da war doch was
faul.
„Wir
haben einen Vorschlag wie man den Täter fassen könnte“, sagte ich und machte
einen Knicks.
„Das
sind gute Neuigkeiten“, sagte der Könling lächelnd.
„Nicht
wenn Ihr herausfindet was genau wir vorhaben.“
Sein
Lächeln entglitt ihm mehr und mehr je länger ich redete, bis er mich nur noch
ernst anschaute. „Und das soll funktionieren?“, fragte der Könling zweifelnd.
„Habt
Ihr eine besser Idee, Eure Majestät?“
Natürlich
hatte er das nicht. Das hieß zwar nicht, dass unsere Idee besonders gut war,
aber vielleicht bedeutete es, dass er mitmachte. Das wäre zumindest ein Anfang.
„Nun
gut. Wann soll euer Plan in die Tat umgesetzt werden?“, fragte er schließlich.
„Am besten jetzt
gleich.“
Nur Kämpfen, nicht Denken <.< So wahr ich heute während des Umzuges meines Bruders auch mal XD Ich bin die Exekutive, ich treffe keine Entscheidungen ^^
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