Wir
stolperten am Fluss entlang, immer noch auf der Flucht vor den Schwertreitern.
Von hier konnte man den Rauch aufsteigen sehen, der vom brennenden Zelt stammen
musste. Von eventuellen Verfolgern hatten wir bisher niemanden gesehen, nur ab
und zu ein einsames Plotbunny, das jedoch recht schnell wieder zwischen den
Bäumen des Waldes verschwand.
Obwohl
wir alle vollkommen am Ende waren, wagten wir es nicht stehen zu bleiben.
Mittlerweile gingen wir nur noch im Schnellschritt, da rennen nicht mehr drin
war. Dennoch legten wir eine ordentliche Geschwindigkeit hin. Erst als meine
Oma keuchend stehen blieb und sich auf ihren Starb stütze, hielten wir inne.
„Es
tut mir leid“, keuchte sie. „Aber ich kann nicht mehr.“
Ihr
Gesicht war so rot angelaufen, dass ihre Haare noch weißer aussahen als sonst.
In Kombi mit ihrer wieder einmal lila Kleidung sah das reichlich seltsam aus.
Auch Freundschaf sah sehr mitgenommen aus und ließ seine Ohren hängen.
„Dann
müssen wir uns einen sicheren Platz suchen“, meinte Blue. „Am besten einen Ort
wo wir schlafen können.“
Er
hatte Recht. Der Himmel wurde immer dunkler und die Sonne war kurz davor
unterzugehen. Langsam begann ich mich zu wundern wie lange ich außer Gefecht
gesetzt gewesen war wenn so viel Zeit vergangen war. Um nicht auf freier Fläche
zu sein, wo wir leicht entdeckt werden würden, gingen wir ein Stück zurück in
den Wald. Ein umgefallener Baum, der bei seinem Fall auf einem Stein gelandet
war, bot einen Unterschlupf, der zumindest die gröbste Kälte und eventuell
sogar ein wenig Regen abhalten würde. Unter diesem machten wir es uns bequem.
„Eigentlich
sollten wir eine Wache aufstellen“, gähnte Blue. „Aber ich glaube nicht, dass
ich die Augen offen halten könnte.“
Meine
Oma lehnte bereits mit dem Rücken am Stein, in ihre Robbe gewickelt, und hatte
die Augen geschlossen. Sie reagierte auf den Vorschlag nicht einmal, was mich
vermuten ließ, dass sie bereits eingeschlafen war. Ich gähnte ebenfalls.
„Ich
kann es ja versuchen, aber ich bin mir nicht sicher wie lange ich wach bleiben
kann“, meinte ich schläfrig.
„Ich
bleibe wach“, schlug Hannes vor. „Die meiste Zeit des Tages werde ich sowieso
von diversen Personen rumgetragen. Dann bin ich wenigstens mal nützlich.“
Mit
dem Vorschlag schien Blue einverstanden, denn er kuschelte sich in seine
schwarze Robbe, durch die er beinah mit der Dunkelheit verschmolz, und war
sofort eingeschlafen.
Ich
hatte die Verbitterung in der Stimme des Froschprinzen gehört. „Du bist nicht
nutzlos“, versuchte ich ihm klarzumachen.
„Doch“,
sagte er. „Als Frosch bin ich absolut nutzlos. Mein Vater hatte Recht. Wie
könnte sich irgendjemand jemals in mich verlieben?“
Da
ich nicht wusste was ich darauf erwidern sollte, rollte ich mich ebenfalls
unter meiner Robbe zusammen. In meiner Brusttasche atmete Fluffles ruhig und
regelmäßig. Während ich ihm beim Schlafen zuhörte, driftete ich selbst weg.
„Wacht
auf!“ Blues Stimme riss mich aus meinen Träumen. „Das müsst ihr euch unbedingt
ansehen; es ist unglaublich!“
Da
seine Stimme anstatt panisch eher begeistert klang, machte ich mir keine
Sorgen, dass etwas passiert sein könnte. Am liebsten hätte ich mich umgedreht,
um weiterzuschlafen, doch nun hielt mich meine Neugier wach – und die
Feststellung, dass dieser Schlafplatz mir nicht mehr so bequem vorkam wie
gestern Nacht.
Seufzend
setzte ich mich auf und gähnte. Meine Haare waren ein einziges schwarzes
Vogelnest auf meinem Kopf, das ich auf die Schnelle nicht entwirren konnte.
Meine Oma sah mich mit schläfrigen Augen und verrutschtem lila Hut an.
„Was
hat er denn?“, gähnte sie.
Das
würde ich herausfinden. Und wehe es war nichts Spannendes. Ich würde ihn
umbringen wenn er mich für nichts und wieder nichts aufgeweckt hatte. Ich
folgte Blue durch den Wald zu einer Lichtung. Zuerst wusste ich nichts weshalb
er deswegen so aufgeregt war, aber nach einem kurzen Blick über die Wiese
klappte mir der Mund auf.
Zuerst
einmal war die Lichtung so warm, dass ich am liebsten meine Robbe abgestreift
hätte. Da gerade Oktober war, schien die Lichtung besonders nett weil sie so
schön warm war; überall sonst wurde es schon richtig kalt. Überall wuchsen
Blumen, doch solche hatte ich noch nie gesehen. Die häufigste Variante war
etwas, das wie ein Käseblümchen aussah und von denen Blue eine Handvoll hielt.
„Iss
das bloß nicht!“, warnte ich ihn. „Wer weiß was das Zeug mit dir anstellt!“
„Es
gibt auch Butterblumen“, meinte er grinsend. „Hier.“
Einige
größere Blumen mit gelben Blättern standen verteilt auf der Lichtung. In ihrem
Innern beherbergten sie jeweils ein Stück Butter, das im Sonnenlicht glänzte
und aus unerfindlichen Gründen nicht schmolz. Blue war damit beschäftigt die
Käseblümchen einzubuttern. Ich ließ mich auf den Boden sinken, um mir das Gras
genauer anzusehen, denn es schien kein normales Gras zu sein. Abwesend zupfte
ich kleine Glasbrüschel aus dem Boden und hielt sie gegen das Sonnenlicht. Sie
glitzerten und warfen Regenbögen auf mein Gesicht.
„Die
sind wunderschön“, murmelte ich.
„Und
die sind nicht mal das Beste!“ Blue deutete auf etwas in der Mitte der
Lichtung. „Schau dir mal diesen Pfannkuchenteich an!“
Neugierig
geworden trat ich näher und sah einen Teich, dessen Grund tatsächlich aus einem
riesigen Pfannkuchen zu bestehen schien. Auf ihm schwammen die groteskesten
Enten, die ich je gesehen hatte. Zeitungsenten, Leuchtenten, Elem-Enten,
Kompon-Enten, Entegegen, Entewarnungen und eine Öff-Ente, die mit einem
Ön/Öff-Schalter ausgestattet war.
In
der Mitte des Teiches erhob sich eine Fontöne aus sprudelndem Wasser. Immer
wenn ein Schwall Wasser aus ihr emporschoss, ertönte ein Klang wie von einem
Horn, unterlegt mit Trompeten. Von hier aus konnte man außerdem den Honigzont
sehen, hinter dem gerade die Sonne aufging. War denn hier wirklich alles
essbar?
„Wag
es ja nicht das zu essen!“, schrie ich Blue wieder an, der dabei war sich die
Käseblümchen in den Mund zu schieben.
„Warum?“,
fragte er, hielt aber inne.
„Erinnerst
du dich nicht was im Saubertrank passiert ist? Und Oma mit ihrer Hand? Und
Phoenix? Und da willst du irgendwelche Blumen von irgendeiner Lichtung essen?
Wenn du verflucht werden willst, bitte.“
Ein
Gekecker ertönte nun und kleine, in buntes Papier eingewickelte Honigbonobos
begannen um den Pfannkuchenteich zu rennen. Die Affen schnappten sich
Käseblümchen und begannen darauf herumzukauen.
„Die
essen das auch!“, maulte Blue.
„Ja,
und schau dir an wie die aussehen. Es könnte sein, dass du dich in ein
gigantisches Bonbon verwandelst! Oder einen Affen“, konterte ich. Wobei der
Unterschied von Blue und dem Affen nicht ganz so prägnant wäre. „Zumindest
sollten wir das Gebiet zuerst auskundschafen. Das hört sich nach einem Job für
Freundschaf an.“
Schmollend
ließ Blue die Blumen fallen und marschierte zurück zu unserem Lager. Fein, wenn
er sauer auf mich war, sollte er doch. Ich hatte ihm möglicherweise das Leben
gerettet, aber gut. Meine Oma stand am Rand des Waldes, Hannes auf der
Schulter. Freundschaf war neben ihr und alle starrten auf die wunderschöne
Lichtung.
„Gehen
wir“, schnauzte Blue sie an.
„Was
für eine Laus ist dem denn über die Leber gelaufen?“, flüsterte meine Oma mir
zu während wir ebenfalls zurück zum Baumstamm gingen.
„Ich
habe ihm verboten was von dem Zeug auf der Lichtung zu essen“, erklärte ich.
„Du kennst ja Blue.“
Am
liebsten hätte auch ich den ganzen restlichen Tag auf der Lichtung verbracht,
doch die Zeit drängte. Wir hatten nur noch etwa zwei Wochen bis NaNoWriMo
begann und bis dahin mussten die Bunnys verschwunden oder zumindest anderweitig
versorgt sein. Dazu brauchten wir die TSoD – oder zumindest war das der Plan,
denn ob sie funktionierte wussten wir ja noch nicht.
Die
Landschaft um uns herum wurde langsam bergiger und immer öfter mussten wir auf
meine Oma warten, die ihren Schirm wieder als Krückstock benutzte. Hannes hatte
es sich wieder auf meiner Schulter bequem gemacht und schien, anders als Blue,
der immer noch sauer auf mich war, bester Laune zu sein.
Der
Zeigefinder zeigte immer noch in die Richtung, in der die Mitte des Waldes zu
liegen schien. Was würde eigentlich passieren wenn wir sie erreichten, es dort
aber nichts gab? Würde der Zeigefinder sich nur noch im Kreis drehen? Die Frage
erübrigte sich, denn gerade begann er genau das zu tun. Mist. Wie die Mitte des
Waldes kam mir das hier nicht vor, denn auf der faltbaren Katze erstreckte er
sich noch viele Kilometer weiter.
„Das
hier ist die Mitte des Waldes“, sagte ich, einen bitteren Geschmack im Mund.
„Es war alles umsonst. Hier gibt es rein gar nichts.“
„Gar
nichts würde ich das nicht nenne“, meinte meine Oma und deutete zur Kuppe des
Hügels, den wir gerade bestiegen.
Von
dort stieg eine dünne Rauchfahne auf. Unsere Anstrengungen verdoppelnd,
erklommen wir den letzten Teil des Hügels, um auf ein Dorf zu schauen. Es sah
allerdings komplett anders aus als jedes Dorf, das ich bisher gesehen hatte.
Zuerst einmal standen alle Häuser auf dem Kopf. Die Giebel waren im Boden
versenkt und die Haustüren befanden sich an oberster Stelle. Durch die Fenster
gingen die kleinen Wesen, die dort zu leben schienen, ein und aus. Diese liefen
außerdem auf ihren Händen statt auf ihren Füßen und trugen ihre Kleidung
verkehrt herum.
„Ich
weiß was das ist!“, rief meine Oma. „Wir haben das Antital gefunden!“
„Das
was?“ Verwirrt starrte ich auf das kleine Tal.
„Das
Antital! Dort leben die Gegenwichte. Alles, was sie sagen, ist eine einzige
Lüge, also sollte man immer das Gegenteil von dem tun, was sie einem raten.
Allerdings müssen sie immer die Wahrheit sagen… äh, die Lüge. Wenn man die
richtige Frage stellt und die Antwort ins Gegenteil verkehrt, können die recht
hilfreich sein.“
„Auf
Wiedersehen!“, rief sie einem der Wesen zu.
„Eine
unschöne Nacht“, grüßte das zurück und winkte mit seinem Fuß.
„Siehst
du?“, strahlte meine Oma.
Ich
war noch nicht überzeugt von der ganzen Sache. Eine konkrete Frage zu stellen
war manchmal schwierig genug. Diese Frage auch noch so ins Gegenteil zu
verkehren, dass man eine vernünftige Nicht-Antwort darauf bekam, erschien mir
fast unmöglich. Meine Oma lief jedoch auf das Dorf zu und mir blieb nichts
anderes übrig als zu folgen. Blue schien von der Entwicklung so vor den Kopf
gestoßen zu sein, dass er seinen Ärger über mich vergaß und mir einen fragenden
Blick zuwarf.
„Ja,
sie ist ein wenig verrückt“, bestätigte ich die Frage darin. „Ja, ihr
Optimismus nervt meistens. Und ja, meistens hat sie Recht damit.“
Ich
folgte ihr, obwohl mein Magen sich zusammenzog. Als ich daran dachte, dass alle
Gegenwichte zurücklügen würden, überfiel mich ein Hauch von Ohnmacht.
„Auf
Wiedersehen!“, begrüßte meine Oma schon wieder einen von ihnen und erhielt ein
freundliches „Tschüss“ als Antwort. „Wir hoffen, dass ihr uns auf keinen Fall
weiterhelfen könnt. Wo ist die Traveling Shovel of Death nicht?“, fragte sie.
Daran
einfach ein nicht an die Frage zu hängen, hatte ich irgendwie nicht gedacht.
Plötzlich kam ich mir dumm vor. So war die einzige Antwort entweder, dass sie
wussten wo die Traveling Shovel of Death war, oder eben genau der Platz, an dem
sich die TSoD befand. Meine Oma war genial.
„Hey!
Bleib weg!“, rief der Wicht einer alten Gegenwichtin zu, die auf einer
umgedrehten Bank über einem der Häuser saß. „Dort verachtet jemand deinen Rat!“
Die
Alte kam herbeigeschlürft und tauschte die üblichen Höflichkeiten mit meiner
Oma aus. Diese wiederholte ihre Frage. Ich hielt den Atem an. Konnte es
wirklich so einfach sein?
„Ich
kenne keine schwache Waffe wie die, von der ihr nicht erzählt habt“, meinte sie
dann. „Eine Legende schweigt davon, dass sie sich nicht hinter dem magischen
Portal im Arschiv befindet.“
„Wo
kann man das umgehen?“
„Nie
geradehaus und dann rechts am Fluss. Man kann es nur verfehlen“, kam die
Erklärung.
Mein
Kopf drehte sich von den ganzen Verneinungen und mitkommen tat ich schon längst
nicht mehr. Wo sollte man jetzt langgehen und wo nicht?
„Ich
verachte Sie dafür, dass Sie mir diese Frage gestellt haben“, sagte meine Oma
nun freundlich und schüttelte der Wichtin den Fuß. „Bitte für die Behinderung.“
„Ungern
nicht geschehen.“
Meine
Oma winkte ihnen noch ein „Hallo“ zu, die Wichte riefen „Willkommen“ zurück und
damit war das Gespräch nicht beendet. Äh, beendet. Was auch immer. „Das war
doch nicht so schwer“, sagte sie und begann in die Richtung zu gehen, in die
ihr die Gegenwichte geraten hatten nicht zu gehen.
Ich kam gestern einfach nicht zum lesen *ächz* <.< Arschiv XD Wieder mal ein Top Kapitel ^^
AntwortenLöschen