Samstag, 1. November 2014

1. Kapitel

Hier wie versprochen am 1. November das 1. Kapitel. Noch sind nicht so viele Fehler zu finden, aber es fängt ja alles klein an. Ich hoffe trotzdem, dass es zumindest ein bisschen Spaß macht es zu lesen.


Die Laternen in der Hauptstadt waren bereits untergegangen, denn morgens wurden sie in den Boden gefahren um Platz zu sparen.

Ich hatte mir das Ganze von meinem Zimmer aus angeschaut, die Nase an die Fensterscheibe gedrückt. Wo mein Mund gewesen war, war die Scheibe beschlagen und meine Finger hatten Abdrücke auf dem Glas hinterlassen. Für die Bewohner von Schreibstadt mochte das alles ein allmorgendliches Geschehen sein, doch ich war erst gestern bei meiner Großmutter eingezogen und alles war neu für mich.
„Guten Morgen, Mia!“
Meine Oma erschien in der Tür. Eine kleine Dame mit lockigen weißen Haaren, auf denen ein lila Samthut thronte, der in starkem Kontrast zu ihren leuchtend blauen Augen stand. Selbst jetzt, wo sie noch ihr geblümtes Nachthemd trug, war das zerbeulte Ding zu sehen.
„Guten Morgen, Oma.“
„Schon so früh wach?“ Sie musterte meinen Schlafanzug, der sorgsam gefaltet auf dem gemachten Bett lag und dann die Klamotten, die ich bereits angezogen hatte. „Hast du überhaupt geschlafen?“
„Kaum“, gab ich zu. „Was alles an meinem Fenster vorbeigelaufen ist… unglaublich!“
Die Wohnung meiner Oma war in einem der alten Fachwerkhäuser der Stadt untergebracht. Sie hatte die oberste Etage und den Dachboden, der wiederum für mich hergerichtet worden war. Obwohl „für mich“ nicht ganz korrekt war. Immerhin hatte sie alles in ihrer Lieblingsfarbe gestrichen, nicht in meiner. Das erste Mal als ich das Zimmer betreten hatte, war mir vor lila ganz schwummrig geworden. Lila geblümte Vorhänge, lila gemusterte Bettwäsche, sogar eine Wand war zwischen den Fachwerkbalken in einem fliederfarbenen Ton gestrichen worden.
Mittlerweile hatte ich das Ganze durch ein paar Poster mit blauem Hintergrund und ein paar der schwarzen Stofffledermäuse, die mir meine beste Freundin gehäkelt hatte, soweit entschärft, dass ich darin schlafen konnte ohne Albträume von tanzenden lila Elefanten zu bekommen.
Rein theoretisch zumindest, denn durch das Fenster zwischen den Dachschrägen konnte man prima auf die Straße hinunterschauen ohne gesehen zu werden. Die Reihe von Straßenlaternen war inzwischen im Boden versunken, doch die Bäume, welche die Straße säumten, waren nicht minder interessant. Selbst ohne Wind – ich hatte extra meinen Kopf aus dem Fenster gesteckt, um das zu überprüfen; kein Lüftchen wehte – bewegten sich die Blätter als würden kleine Wellen durch den Baum gehen. Das allein war kein Grund für Albtraumpotential, doch dafür sorgten die Passanten.
Zuerst hatte ich wirklich versucht zu schlafen, doch nachdem ein Heulen vor dem Fenster erklungen war, war ich schneller aus dem Bett gewesen als meine Schwester wenn man sie zum Kuchenteigreste schlecken rief. Ursache des Geräusches war ein Mann gewesen, der einen Wolfskopf hatte. Wenn mich nicht alles getäuscht hatte, war unter seinem langen Mantel auch ein Schwanz zu erahnen gewesen. Danach war an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen.
„Da war ein Mann, der nur auf Stelzen gelaufen ist! Und eine Frau, die eine Tasche hinter sich herlaufen hatte, die ein Krokodil war. Und ich meine keine Krokodillederhandtasche oder die Form, sondern ein echtes! Und dann hat sie ihre Geldbörse rausgenommen…“
Das war der Punkt gewesen an dem ich beinah die Treppe hinunter gesprintet war, denn das Vieh hatte ausgesehen als würde es der Frau den Arm abbeißen.
„Ach, das Krokodil ist noch harmlos“, meinte meine Oma. „Du hättest mal den Blauwal sehen sollen, der… ach Gottchen! Es ist schon fast acht Uhr. Hast du schon geduscht?“
„Ich wollte dich nicht aufwecken, also…“
„Ach Papperlapapp. Mich würde höchstens eine Abrissbirne wecken, die eine Wand meines Schlafzimmers einreißt. Was übrigens mal passiert ist. Also beeil dich; ich wollte dir heute die Stadt zeigen.“ Nach einem Blick auf ihr weißes Nachthemd mit den riesigen orangenen Blumen und den Rüschen am Saum musste sie allerdings grinsen. „Ich mache mich wohl auch besser fertig.“
„Es laufen bestimmt seltsamere Gestalten in der Stadt rum...“
Sogar seltsamer als die Frau mit dem Krokodil, wie ich in der Nacht festgestellt hatte. Sogar seltsamer als die einfahrbaren Straßenlaternen. Und ich konnte es kaum erwarten all das Seltsame zu sehen.
Die nächste Seltsamkeit erwartete mich als ich die Dusche betrat. Ein kleiner Igel streckte mir vom Regal mit den Duschsachen schnuppernd die Nase entgegen.
„Äh… Oma?“
„Ja, Schatz?“
„Da ist ein Igel in der Dusche.“
Der Kleine blinzelte mich treuherzig an und begann an meinem Shampoo zu schnuppern, das ich gestern neben die Sachen meiner Oma gestellt hatte. Seine Schnauze war von hellbraunem Fell bedeckt und die Stacheln standen in alle Richtungen ab. Aber… hatten die eine andere Farbe? Verwirrt rieb ich mir die Augen.
„Das ist ein Duschigel!“, rief sie mir zu
„Ein was?“
„Den habe ich aus dem Wald gerettet. Da gehört er ja nun wirklich nicht hin. Er bleibt bei mir bis ich ihn in der Nähe eines Wasserfalls aussetzen kann. Lass dich nicht von ihm stören. Ach, und streichel ihn ein bisschen, ja?“
Streicheln? Einen Igel? Das Ding hatte Stacheln, falls meiner Oma das noch nicht aufgefallen war. Trotzdem hob ich zögernd die Hand und hielt sie einen fingerbreit von den Stacheln des Igels entfernt, die tatsächlich weniger braun waren, als eine Mischung aus Blau- und Lilatönen hatten. Letzteres erklärte auch warum meine Oma ihn nicht hatte dalassen können.
Ich zuckte kurz zurück als der Igel sich an meine Hand schmiegte, doch zu meiner Überraschung waren die Stacheln so weich wie Gummi mit Fellüberzug. Wie sich der verteidigen wollte, würde ich gerne sehen. Auch wenn ich zugeben musste, dass er wirklich niedlich war, was vielleicht Verteidigung genug war.

Nach dem Duschen (und nachdem ich den Duschigel alle paar Minuten mit Streicheleinheiten verwöhnt hatte – ehrlich, warum musste der auch so süß gucken?) stand ich wieder in meinem sehr lilanen Zimmer. Die Sachen, die ich angezogen hatte als mir klar geworden war, dass ich kein Auge mehr zubekommen würde, lagen auf dem einen Stuhl. Auf dem anderen lag ein etwas… interessanteres Outfit.
Das erste war eine normale, ausgewaschene Jeans sowie ein roter Kapuzenpullover. Das zweite war bei Weitem ausgefallener und als meine Oma es mir gestern vorgelegt hatte, waren mir zuerst fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Halloween war noch einen Monat hin, Karneval noch länger. Deshalb hatte ich ihr nicht glauben können, dass ich in den Klamotten nicht einmal auffallen würde. Meinen Beobachtungen heute Nacht nach zu urteilen, hatte sie jedoch Recht.
„Was soll’s. Kennen tut mich hier eh keiner.“
Dann ploterte ich die Treppe hinunter um zu frühstücken.
„Moment mal. Ich ploterte?“ Verwirrt stand ich vor meiner Oma, die, jetzt nicht mehr in ihrem Nachthemd, sondern in weiter lila Kleidung, den Frühstückstisch deckte.
„Das ist doch ein gutes Zeichen. Auf der Treppe sind mir die besten Ideen für meine Geschichte gekommen. Was hast du geplottet?“
Immer noch die Stirn runzelnd ließ ich mich auf einen der Stühle fallen und begann gedankenverloren Nutella mit einer Gabel auf ein Stück Toast zu streichen. Das Frühstück heute fiel etwas kürzer aus, da meine Oma mit mir etwas essen gehen wollte. Aber ohne einen Nutellatoast am Morgen war mit mir nicht viel anzufangen. Meine Oma bestand auf ihrem Kaffee. Ansonsten war da nur die (natürlich) lila karierte Tischdecke.
„Ich will einen Fantasy-Roman schreiben und gerade hatte ich eine Idee wie das Ganze losgeht.“ Als sie mich erwartungsvoll ansah setzte ich hinzu „aber das ist noch wirklich unausgereift, also…“
„Kein Problem.“ Meine Oma nahm mir die Gabel aus der Hand und ersetzte sie durch ein Messer. „Damit funktioniert es doch wesentlich besser, meinst du nicht?“
Der Tag fing ja super an. Naja… irgendwie schon. Seltsam, aber super. Und wenn nicht, konnte ich immer noch den Duschigel streicheln gehen. Ich hatte das Gefühl das würde meine Laune sofort heben.
Ich stellte meine Tasse mit Milch etwas zu hart ab, woraufhin der Tisch zusammenzuckte. Das wiederum führte dazu, dass sich der Inhalt besagter Tasse über das Möbelstück ergoss und das beige, gemaserte Holz unter einem weißen Fluss verschwand.
„Vorsicht! Mein Tischekich!“
„Dein was?“
Gestern Abend war ich nach der langen Zufahrt hierher zu müde gewesen um darauf zu achten wo wir Abendbrot aßen. Selbst jetzt sah der Tisch aus wie ein normaler Küchentisch. Zumindest bis meine Oma begann die Milch aufzuwischen und der Tisch anfing zu kichern.
„…Tischekich?“
„Den hat mir dein Großvater geschenkt. Er ist nie der große Schreiber gewesen, aber ich rechne es ihm hoch an, dass er es zumindest einen NaNo versucht hat. Da war er hier und hat mir den Tischekich gekauft.“
Mein Opa war vor einigen Jahren gestorben und vor allem das Schreiben hatte meiner Oma sehr geholfen. Allerdings hatte ich nie gewusst, dass er es auch mal versucht hatte. Bestimmt nur ihr zuliebe. So ähnlich wie ich.
Meine Oma schrieb schon seit geraumer Zeit und vor einigen Jahren hatte sie etwas entdeckt, das sich NaNoWriMo nannte. Viele Leute fanden sich zusammen, um in einem Monat jeweils 50.000 Wörter zu schreiben und sich dabei, vor allem über das Internet, gegenseitig zu unterstützen. So wie meine Oma es beschrieb, half es wirklich, dass so viele einem beistehen konnten, wenn man eine Schreibblockade hatte. Die virtuellen Tritte in den Hintern und die motivierenden Worte schienen zumindest ihr immer zu helfen.
Schon als ich ganz klein gewesen war und meine Eltern mich bei meinen Großeltern abgesetzt hatten damit sie auf mich aufpassten, hatte es mir am meisten Spaß gemacht mir von meiner Oma Geschichten erzählen zu lassen, oder selbst welche zu erfinden. Seit zwei Jahren versuchte ich jetzt schon eine längere Geschichte aufs Papier zu bekommen, aber nach ein paar Kapiteln war immer die Luft raus. Meine Oma meinte, dass NaNoWriMo das ändern könnte. So ganz glauben konnte ich das allerdings noch nicht.
„Oma… meinst du wirklich, dass ich das mit dem NaNoWriMo schaffe?“
Sie sah mich mit einem ihrer diese-Unterhaltung-hatten-wir-doch-schon Blicke an, begann dann aber zu lächeln.
„Glaub mir. Als ich das erste Mal mitgemacht habe, hätte ich auch nie geglaubt, dass es funktioniert.“
„Aber du hattest wenigstens schon mal ein Buch fertig geschrieben! Alles was ich hinbekomme sind erste Kapitel. Und ich habe nicht mal einen vernünftigen Plot.“
Ich steckte mir das letzte Stück Toast auf einmal in den Mund um nichts mehr sagen zu müssen. Der Tischekich hatte mittlerweile aufgehört zu kichern, auch wenn die Tischdecke immer noch verrutscht war. Während ich noch mit Kauen beschäftigt war, tastete ich mit einer Hand nach der Haarspange, die in meinen Haaren steckte. Sie war das einzige, das den Outfittausch überlebt hatte. Ich zupfte ein wenig am silbernen Schmetterling herum bis ich ihn auf und ab wippen spürte. Das beruhigte mich ein wenig. Nicht alles in dieser Welt war anders. Es gab auch Sachen, die gleich geblieben waren.
„Ploter noch ein paar Mal die Treppe runter und dann wird das schon“, versuchte meine Oma mich aufzumuntern. Sie strich die Tischdecke glatt und begann den Tischekich abzuräumen. „Ich weiß auch schon wie ich dich aufmuntern kann. Wir gehen ins Café der Planlosen Schreiber.“
Das hörte sich nicht gerade nach einem Ort an, wo einem die besten Ideen kamen. Mein Gesichtsausdruck musste Bände gesprochen haben, denn meine Oma klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.

Mein Gesichtsausdruck musste Bände gesprochen haben, denn meine Oma klopfte mir aufmunternd auf die Schulter.
„Keine Sorge. Ach ja, schöne Kleidung übrigens.“

Das brachte mich dann doch wieder zum Grinsen. „Na dann“, seufzte ich. „Auf in dein komisches Café.“

9 Kommentare:

  1. Der Duschigel *-*
    Und die Oma ist ja die Allergeilste. Ich weiß nicht, was Mia hat, Lila ist eine tolle Farbe...
    An den Tischekich erinnere ich mich zwar, aber ich weiß beim besten Willen nicht mehr, was das eigentlich mal war. Ist aber auch egal, das Teil ist süß, ich will auch so einen :D
    Geht ja super los, ich bin begeistert!

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  2. Die wird noch besser. Die Oma ist mein absoluter Lieblingscharakter geworden. Die verdrischt nachher sogar Rauchninjas mit ihrem lila geblümten Regenschirm! xD
    Das war tatsächlich mal ein Küchentisch.

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  3. Ahahahahaha, die untergehenden Laternen! *love* Herrlich. Und die Oma ist super! An den Duschigel hab ich auch noch warme Erinnerungen, schön, ihn hier wieder zu sehen. *freu*
    Ich bin schon ganz gespannt auf das nächste Kapitel und darauf, was genau denn das Outfit der armen Mia ist. Einen leisen Verdacht hab ich ja schon...

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  4. Na, das fängt doch super an!^^
    Der Duschigel ist ja voll süß - ich will auch einen. xD
    Ich habe vor Jahren mal einen echten Igel gestreichelt. Das hatte ich fast vergessen. Erst beim Lesen des ersten Kapitels musste ich wieder daran denken. :)
    Ich finde die Oma total cool. Und alles ist lila. <3
    Auf jeden Fall ein sehr cooles und vielversprechendes erstes Kapitel. :)

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  5. Ich hab zuerst gar nicht bemerkt das es Duschigel heißt XD

    Ich bin auf jeden Fall beeindruckt das du einen so guten Schreibstil während des Schreibmarathons an den Tag gelegt hast ^^ Ich hab das glaub ich nicht hinbekommen <.<

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  6. Geniales erstes Kapitel! :D Die Oma ist ja mal richtig cool drauf xD Und den Duschigel (sollte das ursprünglich mal Duschgel heißen?) stell ich mir echt niedlich vor :)

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    1. Danke. :)
      Ja, ich denke der Igel war ursprünglich mal ein Duschgel.

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  7. Habe jetzt auch angefangen, zu lesen.
    Lachen musste ich bereits und ich glaube, die Geschichte werde ich mögen. Die Fehler sind allerliebst!

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