Am
nächsten Morgen fand ich meine trockene Kleidung am Fußende des Bettes, das ich
mir mit meiner Oma geteilt hatte. Ich hatte eine halbe Ewigkeit draußen
gesessen und darauf gewartet, dass meine Oma aufhörte zu schnarchen. Phoenix
hatte sich zu mir gesellt und zusammen hatten wir Theorien aufgestellt warum
wir von Rauchninjas und Angreiferes attackiert worden waren. Eine war abstruser
gewesen als die andere. Nur bei einem waren wir uns sicher. Es hatte mit
unserer Mission zu tun die Plotbunnys aufzuhalten. Irgendjemand wollte das wohl
verhindern.
Jetzt,
im hellen Morgenlicht, waren die Verschwörungstheorien und dunklen Gedanken
weit weg. Ich schlüpfte lieber in meine alte Kleidung, inklusive der Robbe, die
sich an mich schmiegte, als hätte sie mich vermisst.
Als
ich in die Schiffsküche kam, hatte der Smutje einen Toast und Nutella für mich
übrig. Er mochte mich anscheinend, vielleicht weil ich gestern sein Essen so
sehr gelobt hatte, dass er ganz rot angelaufen war. Auch um eine Karotte bat
ich ihn, doch als ich später meinem Bunny ein Stück davon anbot, nahm es keinen
Bissen.
Das
hatte ich gestern Abend außerdem getan. In einer ungestörten Ecke hatte ich das
winzige Bunnybaby aus meiner Tasche geholt und begutachtet. Es hatte mich wie
vorher mit großen Augen angestarrt.
Sein
Fell war schneeweiß, fast silbrig und ganz, ganz weich. Nur an der Stelle an
seinem Kopf wo Blue es getroffen hatte war das Fell blutverkrustet und es
kostete mich eine halbe Stunde, um vorsichtig alles zu entfernen, da es bei
jeder Berührung zusammenzuckte. Plotbunnys konnten also doch verletzt werden,
sogar schwer verletzt werden. Wenn ich jetzt daran dachte wie wir gegen die
Plotbunnys in Schreibstadt gekämpft hatten, wurde mir übel. Andererseits konnte
ich auch nicht als willenlose Puppe der Plotbunnys enden. Denn in zumindest
einem Punkt hatten die anderen Recht: Es waren einfach zu viele Bunnys.
Mein
Bunny fiepte und schob das Stück Möhre beiseite. Es hörte sich so
herzzerreißend an, dass mir Tränen in die Augen traten. Nach Lurz‘ Rede gestern
hatte ich einen Verdacht warum mein Bunny so verwundbar war. Es war eins von
den Bunnys, die sofort verblassen würden, wenn sie niemanden hatten, der sie
aufschrieb. Es war noch nicht ganz so anhänglich wie die größeren Bunnys, auch
wenn es sein Bestes versuchte, um aufgenommen zu werden.
„Keine
Sorge. Du bist jetzt mein Bunny. Ich passe auf dich auf und ich finde schon
etwas zu Essen für dich.“
Was
wusste ich über Plotbunnys? Nicht viel. Bisher hatte ich die meiste Zeit damit
verbracht vor ihnen wegzulaufen. Ich könnte Lurz fragen, immerhin musste sein
Meerjungfrauenbunny irgendwie gefüttert werden. Allerdings kannte ich den erst
seit einem Tag. Niemand sollte mein Bunny sehen. Nur wenn ich keine andere
Lösung fand es zu füttern.
Urplötzlich
fiel mir jedoch das Gespräch aus der Pilzizeiwache wieder ein. Eine Frau hatte
angerufen, weil Plotbunnys ihren Wortsalat gefressen hatten. Wo bekam ich nur Wortsalat
her um meine Theorie zu testen?
Die
Möhre aß ich selbst und lieh mir stattdessen ein Stück Pergament und eine Feder
von Lurz‘ Schreibfisch. Dann hockte ich mich zurück in meine Ecke und begann zu
schreiben. Für Wortsalat musste es doch nichts Besonderes sein, oder?
Das kleine Bunny Fluffles habe ich
gerettet nachdem Blue es ohnmächtig geschlagen hatte…
Ich
schrieb das ganze Pergament mit irgendwelchem Zeug voll, während das Bunny
neugierig den Kopf aus der Brusttasche meines Shirts steckte und verfolgte wie
sein Wortsalat Form annahm. Erst als das gesamte Blatt mit Buchstaben gefüllt
war, legte ich die Feder zur Seite und setzte das Bunny neben mein Werk, wenn
man es denn so nennen konnte.
Zuerst
beschnupperte es das Papier vorsichtig, dann begann es daran zu knabbern und
schließlich mümmelte es in aller Seelenruhe am fabrizierten Wortsalat.
Innerhalb kürzester Zeit hatte es das komplette Blatt vernichtet und sah mich
mit schläfrigen Augen an.
„Na?
Hat’s geschmeckt, Fluffles?“
Der
Name passte irgendwie, fand ich. Vorsichtig hob ich es hoch, um es wieder in
meine Tasche zu tun. Da bemerkte ich, dass die Wunde an seinem Kopf nun am
Verheilen war, obwohl es vorher sogar noch geblutet hatte. Buchstaben machten
Bunnys anscheinend stärker. Wie passend, dass wir gerade auf einem
Buchstabenmehr unterwegs waren…
„Mia?“
Die
Stimme meiner Oma schallte über das Deck und schnell ließ ich Fluffes in meiner
Tasche verschwinden. Meine Oma bog in ihrem üblichen Nachthemd um die Ecke.
Dass sie den Nerv hatte das auf einem Piratenschiff zu tragen!
„Oma!
Zieh dir gefälligst was an!“
„Was
denn? Es ist doch warm genug?“
Ich
bugsierte sie zurück zur Kapitätänskajüte, wobei einige Piraten anfingen zu
grinsen sobald wir in Sicht kamen. Meine Oma jedoch lächelte nur.
Im
nächsten Moment wurde ihr dieses Lächeln vom Gesicht gefischt. Ein Pirat
schwenkte triumphierend seinen Fang.
„Ich
hab es! Ich hab ihr Lächeln erwischt! Das bringt bestimmt ne Menge Kohle…“
Lurz
war aus der Kajüte getreten, die er gestern konfisziert hatte um darin zu
übernachten, da er meiner Oma und mir seine überlassen hatte. Sein stechender
Blick fixierte den Piraten, der meiner Oma soeben das Lächeln gestohlen hatte.
„Gib
der reizenden Dame sofort ihr Lächeln zurück. Das gefällt mir an seinem alten
Platz wesentlich besser als in deinen fischigen Fingern.“
Murrend
gehorchte der Pirat und Lurz zauberte das Lächeln wieder auf das Gesicht meiner
Oma.
„Meine
werte Dame…“ Er verbeugte sich erneut und sie knickste in ihrem Nachthemd, was nicht
einmal so peinlich aussah wie ich erwartet hatte. „Als Entschädigung hätte ich
etwas anzubieten, das Sie vielleicht interessieren könnte. Wie wäre es mit
einer dieser neumodischen überdimensionaalen Taschen aus Aal. Wäre das nichts?“
Die
beiden verschwanden in seiner Kajüte, wobei der Kapitätän noch kurz wiederkam,
um meiner Oma Zeit zu geben sich etwas anderes anzuziehen. Um die beiden nicht
zu stören, schlich ich mich in die Küche, und wenn nur um Blue nachher damit
aufziehen zu können was es heute zu essen geben würde.
„Ich
denke nur: Lofisch!“, weihte der Smutje mich ein. „Piscis Lois“, erklärte er
auf meinen verwirrten Blick hin. „Auch Lofisch genannt. Der Verzehr könnte
logisches Denken beeinträchtigen. Aber das brauchen wir heute nicht, was?“
Ich
half dem Koch dabei das Essen vorzubereiten bis es nichts mehr zu tun gab. Dann
saß ich eine Weile gelangweilt auf Deck herum und sah den Piraten bei der
Arbeit zu. Einer der Männer hatte gerade Pause gemacht und war dabei ein gelbes
Quietscheentchen zu bemalen. Es hatte soeben eine Augenklappe bekommen und nun
wurde ihm eine Totenkopfflagge auf den Körper gemalt.
„Die
ist hübsch“, sagte ich und rückte näher heran, um den Piraten bei der Arbeit an
der Ente zu beobachten. „Gibt es da noch mehr von?“
„Ich
habe eine ganze Sammlung Gummienten“, lächelte der Mann, offensichtlich
geschmeichelt, dass ich mich für sein Hobby interessierte. „Mein größter Wunsch
ist es, dass die auf dem Mehr ausgesetzt werden, alle zusammen, wenn ich mal
sterbe.“
Die
Idee fand ich wirklich nett. Sie hatte etwas kindliches, das ich bis vor Kurzem
nicht von einem Piraten erwartet hätte. Dann wiederum hatte ich bis vor Kurzem
noch keine Piraten gekannt. Schließlich fragte er mich was ich gerade tat. Auf
die Antwort „nichts“ meinte er nur „das müssen wir wohl ändern“.
Kurze
Zeit später hatte ich einen Bogen in der Hand und versuchte einen Pfeil
einzuspannen. Mittlerweile hatte sich eine kleine Menschenmasse gebildet,
obwohl Damon, wie der Pirat hieß, ihnen gesagt hatte, dass bei meinem
Zielvermögen die Pfeile eher in ihren Gesichtern als im Ziel landen würden.
Obwohl ich das ein klein wenig unfair fand, hatte er vermutlich Recht.
„Zieh
die Sehne bis zum Mund. Nein, machen den Ellenbogen weiter runter. Und den
Schaft fasst man nicht mit so vielen Fingern auf einmal an.“
Bis
er mit meiner Pose zufrieden war, hatten meine Arme schon begonnen zu zittern.
So würde ich nicht mal einen Blauwal treffen wenn er direkt vor mir lag.
„Ruhig
atmen. Den Pfeil loslassen wenn dein Atem ausströmt. Und… jetzt!“
Ich
ließ den Pfeil sausen und eine Handvoll Piraten hechtete schnell zur Seite als
der Pfeil den Teil der Reling traf, vor dem sie gerade noch gestanden hatten.
„Für
den ersten Versuch nicht schlecht, aber du schiebst den Pfeil eher als dass du
ihn loslässt…“
Ein
paar Erklärungen und einen Pfeil im Bein eines Piraten später, schaffte ich es
zumindest etwa die richtige Stelle zu treffen. Danach arbeiteten wir an meiner
Kraft bis meine Pfeile jedes Mal im mit alten Socken gefüllten Sack stecken
blieben, der als Ziel auserkoren worden war.
Die
Stimmung unter den Zuschauern hatte sich abrupt verändert und ich wusste, dass
der Kapitätän erschienen war. Vermutlich, um nachzusehen warum keiner seiner
Männer bei der Arbeit war. Er sagte jedoch nichts, sondern sah gespannt zu. Ich
wusste nicht warum, aber ich wollte ihn beeindruckten. Ich musste den Sack
wieder treffen.
Ich
griff nach meinem Bogen, spannte mich ein, zielte und schoss.
Erst
als ich mit dem Kopf voran gegen den alten Sack flog, merkte ich, dass etwas
schief gegangen war. Autsch. Das würde bestimmt einen großen blauen Fleck
geben. Wie hart so ein weicher Sack doch sein konnte.
„Wie
hast du das denn geschafft?“ Der Piratenkapitätän sah beeindruckt aus.
„Äh…
keine Ahnung? Aber ich will es nicht nochmal machen.“
Ich
hatte das Gefühl die magische Robbe hatte etwas damit zu tun. Immerhin hatte
ich Lurz beeindrucken wollen. Und er war beeindruckt gewesen. Nur das Ergebnis
hatte mir nicht so ganz gepasst. Damon allerdings meinte es sei ganz praktisch
mit anderen Sachen als Pfeilen schießen zu können. Er gab mir nacheinander
verschiedene Gegenstände, doch keiner davon traf da Ziel.
„Was
soll das denn werden?“
Es
fühlte sich an als hätte jemand Grillanzünder in mir ausgekippt. Wenn Blue es
wagte sich über meine Schießkünste lustig zu machen…
„Die
trifft doch nie was. Dafür braucht man jahrelange Übung“, höhnte er.
„Halt
den Rand, du Idiot!“, schrie ich ihn an.
Momentan
hatte ich eine Feige eingespannt, ein seltsames Saiteninstrument, das
glücklicherweise relativ stabil war. Hoffentlich stabil genug, um eine Beule an
seinem Kopf zu hinterlassen.
„Woah!
Pack das Ding runter!“ Er hob schützend die Arme.
Es
brauchte all meine Willenskraft, doch ich ließ Bogen und Feige sinken.
„Gut,
dass du dich nicht weiter mit ihr angelegt hast“, meinte Damon. „Sonst hättest
du die Feige gegen den Kopf bekommen.“
„Ach,
die hätte doch eh nicht getroffen.“
„Aaah!“
Mit einer flüssigen Bewegung spannte ich die Feige ein und schoss sie ab. Blues
Augen waren weit aufgerissen und seine Arme waren nicht schnell genug oben um
ihn zu beschützen. Die Feige traf ihn genau an der Stirn.
Er
taumelte und ging zu Boden während die Feige mit einem unmusikalischen Poltern
auf den Planken landete. Die Wut in mir war verraucht, abgeschossen mit der
Feige. Das hieß aber nicht, dass ich mich entschuldigen würde.
„Au!
Als würde ich nicht schon genug gegen den Kopf bekommen! Wofür war das denn?“
„Dafür,
dass du dich für den Größten hältst. Irgendwer muss dich auf den Boden der
Tatsachen zurückholen. Wenn ich das sein soll, bitte. Wenn ich dich dazu mit
Feigen beschießen muss, bitte.“
Ich
legte Bogen und die nächste Feige beiseite und verschränkte die Arme vor der
Brust. Blue rappelte sich mühsam auf, während er sich die Stirn hielt. Mit
Genugtuung sah ich, dass sich dort ein blauer Fleck bildete. Allerdings war es
nicht die einzige Stelle.
„Sag
mal wie siehst du denn eigentlich aus?“, fragte ich ihn.
Blue
machte seinem Namen alle Ehre, denn ein Auge war im Begriff sich blau zu
verfärben.
„Bitte
sag mir nicht, dass du dich mit jemanden vergrügelt oder bebissen hast?“
Er
sah betreten zu Boden. „Woher wusstest du das?“
Ich
schnaubte. „Du hast ein blaues Auge.“ Nach einem genaueren Blick auf sein
Gesicht fügte ich hinzu „Wohl eher zwei, wenn man’s genau nimmt.“
„Naja,
du bist nicht die Einzige, die von den Piraten etwas lernt. Ein paar bringen
mir neue Kampftechniken bei. Vor allem Chuck ist klasse, du weißt schon, der
bullige Kerl da hinten.“
„Jap.
Der Freund von Damon. Die beiden teilen sich eine Kabine.“
Während
er mich ins Bogenschießen eingewiesen hatte, hatte er nicht aufhören können von
seinem Freund zu reden, was ich unheimlich süß gefunden hatte. Ich schaute
zwischen Chuck und Damon hin und her. Die zwei waren eins der nettesten
Pärchen, die ich bisher im NaNo-Land kennen gelernt hatte. Allerdings fragte
ich mich wo Damon seine Gummientensammlung aufbewahrte; die brauchte bestimmt
einen eigenen Schrank.
Ich schlenderte zur Reling hinüber und schaute
zum Wasser hinunter – nur um zu sehen wie die Gicht am Bug hochspritzte. „Was ist
das für’n Zeug? Wo sind wir gerade?“
Damon
beugte sich ebenfalls vor, dann trat er ein paar Schritte von der Reling zurück
und zog mich mit sich. „Glaub mir, hier willst du nicht über Bord gehen.“
Bevor
ich genauer nachfragen konnte, brachen zwei Piraten auf der gegenüberliegenden
Seite des Schiffes in einen Lachswall aus. Die Fische flogen plötzlich über die
Reling und landeten auf den zwei verdutzten Piraten. Der Wall aus Lachsen ließ
sie zuerst sprachlos dort stehen, dann fanden sie die Worte wieder. Sie hatten
kaum begonnen zu fluchen als Lurz aus seiner Kajüte stürzte.
„Was
zum…?“ schrie ich und kickte einen der Lachse über das Deck.
Lurz
sah angespannt aus. „Die Lachse fliehen vor etwas.“
Hinter
ihm war meine Großmutter aufgetaucht, ihren Regenschirm griffbereit. Blue hatte
aus dem Nichts ein Schwert hervorgezogen.
„Von
Chuck“, erklärte er mir. „Nur für den Fall. Ich glaube das ist der Fall.“
Die
Gicht schlug immer stärker gegen den Körper des Schiffes. Während wir zusahen
formten sich Symbolde und Zeichen, die begannen an der Wand des Schiffes
hinaufzuklettern.
Als Zwischenresümee... bisher kann ich noch nichts von einem schwächer werdenden Schreibstil feststellen.
AntwortenLöschenDas beruhigt mich. Dieses Kapitel ist ziemlich genau die 30k Grenze, also das letzte, was ich am ersten Tag noch geschrieben habe. Da war ich bereits seit knapp 24 Stunden wach...
LöschenDafür ist das echt Top... ich bin auch mal gespannt wenn ich meine Story lese was ich da geschrieben habe, aber da will ich noch ein bisschen warten.
LöschenWoow! Jetzt muss ich mich auch einmal zu Wort melden! Bis hier her an einem einzigen Tag? Das ist der Wahnsinn!
AntwortenLöschenIch lese jetzt schon seit ein paar Tagen und finde es sehr unterhaltsam und witzig. Wirklich große Klasse! Mir gefällt es sehr :)
Jap. Ich habe die ersten 50k in zwei Tagen geschrieben, 30k am 1. und 20k am 2. Tag. So richtig geschlafen habe ich die ersten 24 Stunden nicht...
LöschenDanke. Es freut mich wenn es dir gefällt. :)