Dienstag, 18. November 2014

18. Kapitel

Am nächsten Morgen fand ich meine trockene Kleidung am Fußende des Bettes, das ich mir mit meiner Oma geteilt hatte. Ich hatte eine halbe Ewigkeit draußen gesessen und darauf gewartet, dass meine Oma aufhörte zu schnarchen. Phoenix hatte sich zu mir gesellt und zusammen hatten wir Theorien aufgestellt warum wir von Rauchninjas und Angreiferes attackiert worden waren. Eine war abstruser gewesen als die andere. Nur bei einem waren wir uns sicher. Es hatte mit unserer Mission zu tun die Plotbunnys aufzuhalten. Irgendjemand wollte das wohl verhindern.
Jetzt, im hellen Morgenlicht, waren die Verschwörungstheorien und dunklen Gedanken weit weg. Ich schlüpfte lieber in meine alte Kleidung, inklusive der Robbe, die sich an mich schmiegte, als hätte sie mich vermisst.
Als ich in die Schiffsküche kam, hatte der Smutje einen Toast und Nutella für mich übrig. Er mochte mich anscheinend, vielleicht weil ich gestern sein Essen so sehr gelobt hatte, dass er ganz rot angelaufen war. Auch um eine Karotte bat ich ihn, doch als ich später meinem Bunny ein Stück davon anbot, nahm es keinen Bissen.
Das hatte ich gestern Abend außerdem getan. In einer ungestörten Ecke hatte ich das winzige Bunnybaby aus meiner Tasche geholt und begutachtet. Es hatte mich wie vorher mit großen Augen angestarrt.
Sein Fell war schneeweiß, fast silbrig und ganz, ganz weich. Nur an der Stelle an seinem Kopf wo Blue es getroffen hatte war das Fell blutverkrustet und es kostete mich eine halbe Stunde, um vorsichtig alles zu entfernen, da es bei jeder Berührung zusammenzuckte. Plotbunnys konnten also doch verletzt werden, sogar schwer verletzt werden. Wenn ich jetzt daran dachte wie wir gegen die Plotbunnys in Schreibstadt gekämpft hatten, wurde mir übel. Andererseits konnte ich auch nicht als willenlose Puppe der Plotbunnys enden. Denn in zumindest einem Punkt hatten die anderen Recht: Es waren einfach zu viele Bunnys.
Mein Bunny fiepte und schob das Stück Möhre beiseite. Es hörte sich so herzzerreißend an, dass mir Tränen in die Augen traten. Nach Lurz‘ Rede gestern hatte ich einen Verdacht warum mein Bunny so verwundbar war. Es war eins von den Bunnys, die sofort verblassen würden, wenn sie niemanden hatten, der sie aufschrieb. Es war noch nicht ganz so anhänglich wie die größeren Bunnys, auch wenn es sein Bestes versuchte, um aufgenommen zu werden.
„Keine Sorge. Du bist jetzt mein Bunny. Ich passe auf dich auf und ich finde schon etwas zu Essen für dich.“
Was wusste ich über Plotbunnys? Nicht viel. Bisher hatte ich die meiste Zeit damit verbracht vor ihnen wegzulaufen. Ich könnte Lurz fragen, immerhin musste sein Meerjungfrauenbunny irgendwie gefüttert werden. Allerdings kannte ich den erst seit einem Tag. Niemand sollte mein Bunny sehen. Nur wenn ich keine andere Lösung fand es zu füttern.
Urplötzlich fiel mir jedoch das Gespräch aus der Pilzizeiwache wieder ein. Eine Frau hatte angerufen, weil Plotbunnys ihren Wortsalat gefressen hatten. Wo bekam ich nur Wortsalat her um meine Theorie zu testen?
Die Möhre aß ich selbst und lieh mir stattdessen ein Stück Pergament und eine Feder von Lurz‘ Schreibfisch. Dann hockte ich mich zurück in meine Ecke und begann zu schreiben. Für Wortsalat musste es doch nichts Besonderes sein, oder?
Das kleine Bunny Fluffles habe ich gerettet nachdem Blue es ohnmächtig geschlagen hatte…
Ich schrieb das ganze Pergament mit irgendwelchem Zeug voll, während das Bunny neugierig den Kopf aus der Brusttasche meines Shirts steckte und verfolgte wie sein Wortsalat Form annahm. Erst als das gesamte Blatt mit Buchstaben gefüllt war, legte ich die Feder zur Seite und setzte das Bunny neben mein Werk, wenn man es denn so nennen konnte.
Zuerst beschnupperte es das Papier vorsichtig, dann begann es daran zu knabbern und schließlich mümmelte es in aller Seelenruhe am fabrizierten Wortsalat. Innerhalb kürzester Zeit hatte es das komplette Blatt vernichtet und sah mich mit schläfrigen Augen an.
„Na? Hat’s geschmeckt, Fluffles?“
Der Name passte irgendwie, fand ich. Vorsichtig hob ich es hoch, um es wieder in meine Tasche zu tun. Da bemerkte ich, dass die Wunde an seinem Kopf nun am Verheilen war, obwohl es vorher sogar noch geblutet hatte. Buchstaben machten Bunnys anscheinend stärker. Wie passend, dass wir gerade auf einem Buchstabenmehr unterwegs waren…
„Mia?“
Die Stimme meiner Oma schallte über das Deck und schnell ließ ich Fluffes in meiner Tasche verschwinden. Meine Oma bog in ihrem üblichen Nachthemd um die Ecke. Dass sie den Nerv hatte das auf einem Piratenschiff zu tragen!
„Oma! Zieh dir gefälligst was an!“
„Was denn? Es ist doch warm genug?“
Ich bugsierte sie zurück zur Kapitätänskajüte, wobei einige Piraten anfingen zu grinsen sobald wir in Sicht kamen. Meine Oma jedoch lächelte nur.
Im nächsten Moment wurde ihr dieses Lächeln vom Gesicht gefischt. Ein Pirat schwenkte triumphierend seinen Fang.
„Ich hab es! Ich hab ihr Lächeln erwischt! Das bringt bestimmt ne Menge Kohle…“
Lurz war aus der Kajüte getreten, die er gestern konfisziert hatte um darin zu übernachten, da er meiner Oma und mir seine überlassen hatte. Sein stechender Blick fixierte den Piraten, der meiner Oma soeben das Lächeln gestohlen hatte.
„Gib der reizenden Dame sofort ihr Lächeln zurück. Das gefällt mir an seinem alten Platz wesentlich besser als in deinen fischigen Fingern.“
Murrend gehorchte der Pirat und Lurz zauberte das Lächeln wieder auf das Gesicht meiner Oma.
„Meine werte Dame…“ Er verbeugte sich erneut und sie knickste in ihrem Nachthemd, was nicht einmal so peinlich aussah wie ich erwartet hatte. „Als Entschädigung hätte ich etwas anzubieten, das Sie vielleicht interessieren könnte. Wie wäre es mit einer dieser neumodischen überdimensionaalen Taschen aus Aal. Wäre das nichts?“
Die beiden verschwanden in seiner Kajüte, wobei der Kapitätän noch kurz wiederkam, um meiner Oma Zeit zu geben sich etwas anderes anzuziehen. Um die beiden nicht zu stören, schlich ich mich in die Küche, und wenn nur um Blue nachher damit aufziehen zu können was es heute zu essen geben würde.
„Ich denke nur: Lofisch!“, weihte der Smutje mich ein. „Piscis Lois“, erklärte er auf meinen verwirrten Blick hin. „Auch Lofisch genannt. Der Verzehr könnte logisches Denken beeinträchtigen. Aber das brauchen wir heute nicht, was?“
Ich half dem Koch dabei das Essen vorzubereiten bis es nichts mehr zu tun gab. Dann saß ich eine Weile gelangweilt auf Deck herum und sah den Piraten bei der Arbeit zu. Einer der Männer hatte gerade Pause gemacht und war dabei ein gelbes Quietscheentchen zu bemalen. Es hatte soeben eine Augenklappe bekommen und nun wurde ihm eine Totenkopfflagge auf den Körper gemalt.
„Die ist hübsch“, sagte ich und rückte näher heran, um den Piraten bei der Arbeit an der Ente zu beobachten. „Gibt es da noch mehr von?“
„Ich habe eine ganze Sammlung Gummienten“, lächelte der Mann, offensichtlich geschmeichelt, dass ich mich für sein Hobby interessierte. „Mein größter Wunsch ist es, dass die auf dem Mehr ausgesetzt werden, alle zusammen, wenn ich mal sterbe.“
Die Idee fand ich wirklich nett. Sie hatte etwas kindliches, das ich bis vor Kurzem nicht von einem Piraten erwartet hätte. Dann wiederum hatte ich bis vor Kurzem noch keine Piraten gekannt. Schließlich fragte er mich was ich gerade tat. Auf die Antwort „nichts“ meinte er nur „das müssen wir wohl ändern“.
Kurze Zeit später hatte ich einen Bogen in der Hand und versuchte einen Pfeil einzuspannen. Mittlerweile hatte sich eine kleine Menschenmasse gebildet, obwohl Damon, wie der Pirat hieß, ihnen gesagt hatte, dass bei meinem Zielvermögen die Pfeile eher in ihren Gesichtern als im Ziel landen würden. Obwohl ich das ein klein wenig unfair fand, hatte er vermutlich Recht.
„Zieh die Sehne bis zum Mund. Nein, machen den Ellenbogen weiter runter. Und den Schaft fasst man nicht mit so vielen Fingern auf einmal an.“
Bis er mit meiner Pose zufrieden war, hatten meine Arme schon begonnen zu zittern. So würde ich nicht mal einen Blauwal treffen wenn er direkt vor mir lag.
„Ruhig atmen. Den Pfeil loslassen wenn dein Atem ausströmt. Und… jetzt!“
Ich ließ den Pfeil sausen und eine Handvoll Piraten hechtete schnell zur Seite als der Pfeil den Teil der Reling traf, vor dem sie gerade noch gestanden hatten.
„Für den ersten Versuch nicht schlecht, aber du schiebst den Pfeil eher als dass du ihn loslässt…“
Ein paar Erklärungen und einen Pfeil im Bein eines Piraten später, schaffte ich es zumindest etwa die richtige Stelle zu treffen. Danach arbeiteten wir an meiner Kraft bis meine Pfeile jedes Mal im mit alten Socken gefüllten Sack stecken blieben, der als Ziel auserkoren worden war.
Die Stimmung unter den Zuschauern hatte sich abrupt verändert und ich wusste, dass der Kapitätän erschienen war. Vermutlich, um nachzusehen warum keiner seiner Männer bei der Arbeit war. Er sagte jedoch nichts, sondern sah gespannt zu. Ich wusste nicht warum, aber ich wollte ihn beeindruckten. Ich musste den Sack wieder treffen.
Ich griff nach meinem Bogen, spannte mich ein, zielte und schoss.
Erst als ich mit dem Kopf voran gegen den alten Sack flog, merkte ich, dass etwas schief gegangen war. Autsch. Das würde bestimmt einen großen blauen Fleck geben. Wie hart so ein weicher Sack doch sein konnte.
„Wie hast du das denn geschafft?“ Der Piratenkapitätän sah beeindruckt aus.
„Äh… keine Ahnung? Aber ich will es nicht nochmal machen.“
Ich hatte das Gefühl die magische Robbe hatte etwas damit zu tun. Immerhin hatte ich Lurz beeindrucken wollen. Und er war beeindruckt gewesen. Nur das Ergebnis hatte mir nicht so ganz gepasst. Damon allerdings meinte es sei ganz praktisch mit anderen Sachen als Pfeilen schießen zu können. Er gab mir nacheinander verschiedene Gegenstände, doch keiner davon traf da Ziel.
„Was soll das denn werden?“
Es fühlte sich an als hätte jemand Grillanzünder in mir ausgekippt. Wenn Blue es wagte sich über meine Schießkünste lustig zu machen…
„Die trifft doch nie was. Dafür braucht man jahrelange Übung“, höhnte er.
„Halt den Rand, du Idiot!“, schrie ich ihn an.
Momentan hatte ich eine Feige eingespannt, ein seltsames Saiteninstrument, das glücklicherweise relativ stabil war. Hoffentlich stabil genug, um eine Beule an seinem Kopf zu hinterlassen.
„Woah! Pack das Ding runter!“ Er hob schützend die Arme.
Es brauchte all meine Willenskraft, doch ich ließ Bogen und Feige sinken.
„Gut, dass du dich nicht weiter mit ihr angelegt hast“, meinte Damon. „Sonst hättest du die Feige gegen den Kopf bekommen.“
„Ach, die hätte doch eh nicht getroffen.“
„Aaah!“ Mit einer flüssigen Bewegung spannte ich die Feige ein und schoss sie ab. Blues Augen waren weit aufgerissen und seine Arme waren nicht schnell genug oben um ihn zu beschützen. Die Feige traf ihn genau an der Stirn.
Er taumelte und ging zu Boden während die Feige mit einem unmusikalischen Poltern auf den Planken landete. Die Wut in mir war verraucht, abgeschossen mit der Feige. Das hieß aber nicht, dass ich mich entschuldigen würde.
„Au! Als würde ich nicht schon genug gegen den Kopf bekommen! Wofür war das denn?“
„Dafür, dass du dich für den Größten hältst. Irgendwer muss dich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Wenn ich das sein soll, bitte. Wenn ich dich dazu mit Feigen beschießen muss, bitte.“
Ich legte Bogen und die nächste Feige beiseite und verschränkte die Arme vor der Brust. Blue rappelte sich mühsam auf, während er sich die Stirn hielt. Mit Genugtuung sah ich, dass sich dort ein blauer Fleck bildete. Allerdings war es nicht die einzige Stelle.
„Sag mal wie siehst du denn eigentlich aus?“, fragte ich ihn.
Blue machte seinem Namen alle Ehre, denn ein Auge war im Begriff sich blau zu verfärben.
„Bitte sag mir nicht, dass du dich mit jemanden vergrügelt oder bebissen hast?“
Er sah betreten zu Boden. „Woher wusstest du das?“
Ich schnaubte. „Du hast ein blaues Auge.“ Nach einem genaueren Blick auf sein Gesicht fügte ich hinzu „Wohl eher zwei, wenn man’s genau nimmt.“
„Naja, du bist nicht die Einzige, die von den Piraten etwas lernt. Ein paar bringen mir neue Kampftechniken bei. Vor allem Chuck ist klasse, du weißt schon, der bullige Kerl da hinten.“
„Jap. Der Freund von Damon. Die beiden teilen sich eine Kabine.“
Während er mich ins Bogenschießen eingewiesen hatte, hatte er nicht aufhören können von seinem Freund zu reden, was ich unheimlich süß gefunden hatte. Ich schaute zwischen Chuck und Damon hin und her. Die zwei waren eins der nettesten Pärchen, die ich bisher im NaNo-Land kennen gelernt hatte. Allerdings fragte ich mich wo Damon seine Gummientensammlung aufbewahrte; die brauchte bestimmt einen eigenen Schrank.
 Ich schlenderte zur Reling hinüber und schaute zum Wasser hinunter – nur um zu sehen wie die Gicht am Bug hochspritzte. „Was ist das für’n Zeug? Wo sind wir gerade?“
Damon beugte sich ebenfalls vor, dann trat er ein paar Schritte von der Reling zurück und zog mich mit sich. „Glaub mir, hier willst du nicht über Bord gehen.“
Bevor ich genauer nachfragen konnte, brachen zwei Piraten auf der gegenüberliegenden Seite des Schiffes in einen Lachswall aus. Die Fische flogen plötzlich über die Reling und landeten auf den zwei verdutzten Piraten. Der Wall aus Lachsen ließ sie zuerst sprachlos dort stehen, dann fanden sie die Worte wieder. Sie hatten kaum begonnen zu fluchen als Lurz aus seiner Kajüte stürzte.
„Was zum…?“ schrie ich und kickte einen der Lachse über das Deck.
Lurz sah angespannt aus. „Die Lachse fliehen vor etwas.“
Hinter ihm war meine Großmutter aufgetaucht, ihren Regenschirm griffbereit. Blue hatte aus dem Nichts ein Schwert hervorgezogen.
„Von Chuck“, erklärte er mir. „Nur für den Fall. Ich glaube das ist der Fall.“
Die Gicht schlug immer stärker gegen den Körper des Schiffes. Während wir zusahen formten sich Symbolde und Zeichen, die begannen an der Wand des Schiffes hinaufzuklettern.

5 Kommentare:

  1. Als Zwischenresümee... bisher kann ich noch nichts von einem schwächer werdenden Schreibstil feststellen.

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    1. Das beruhigt mich. Dieses Kapitel ist ziemlich genau die 30k Grenze, also das letzte, was ich am ersten Tag noch geschrieben habe. Da war ich bereits seit knapp 24 Stunden wach...

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    2. Dafür ist das echt Top... ich bin auch mal gespannt wenn ich meine Story lese was ich da geschrieben habe, aber da will ich noch ein bisschen warten.

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  2. Woow! Jetzt muss ich mich auch einmal zu Wort melden! Bis hier her an einem einzigen Tag? Das ist der Wahnsinn!
    Ich lese jetzt schon seit ein paar Tagen und finde es sehr unterhaltsam und witzig. Wirklich große Klasse! Mir gefällt es sehr :)

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    1. Jap. Ich habe die ersten 50k in zwei Tagen geschrieben, 30k am 1. und 20k am 2. Tag. So richtig geschlafen habe ich die ersten 24 Stunden nicht...
      Danke. Es freut mich wenn es dir gefällt. :)

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