Wir
kamen gut voran und waren am frühen Nachmittag schon fast an Romantika vorbei,
der größten Stadt des Liebes-Gebietes. Hier und da am Wegesrand brannten ein
paar Herzen, doch ansonsten gab es keine großen Vorkommnisse. Es war eher als
würde ich eine Tour durch das NaNo-Land bekommen und Sehenswürdigkeiten wie die
Beispielswiese und das Labyrinth der Schachtelsätze zu sehen bekommen, das in
der Nähe der Stadt der Detektive lag. Rein dürfte ich leider nicht, da wir
sonst zu viel Zeit verloren hätten.
Was
seltsam war, war dass wir nach gut einer Stunde erneut am Labyrinth der
Schachtelsätze vorbeikamen.
„Oma…?“
„Was
ist, Mia?“
„Du
weißt doch noch wie ich vor etwa einer Stunde gesagt habe, dass ich gerne ins
Labyrinth gehen würde.“
„Ja,
aber das war vor einer Stunde. Wir drehen bestimmt nicht wieder um; das dauert
zu lange.“ Sie sah mich tadelnd an und schritt weiter.
„Aber
da ist der Eingang. Schon wieder.
Fällt sonst niemandem auf, dass hier was nicht stimmen kann?“ Ich war stehen
geblieben und deutete auf den Eingang des Labyrinths, an dem wir tatsächlich
eine Stunde vorher schon einmal vorbeigekommen waren.
„Wie
kann das sein?“ Phoenix war ebenfalls stehen geblieben und starrte entgeistert
vom Eingang auf die Uhr an ihrem Handgelenk und wieder zurück.
„Sind
wir im Kreis gegangen?“ Ich zog die faltbare Katze aus dem Rucksack, da die
anderen mir die Karte überlassen hatten. Anscheinend nahmen sie an, dass ich
die war, die sich am ehesten verlaufen würde. Soviel dazu.
Ich
kontrollierte den Weg, den wir gegangen waren, doch ich konnte keine Fehler
erkennen. Wenn wir nicht irgendwo unterwegs den gesunden Menschenversand
benutzt hatten – und glaubt mir, daran würde ich mich erinnern – machte es
absolut keinen Sinn, dass wir wieder an derselben Stelle standen, an der wir vorher
losgegangen waren.
„Und
jetzt?“
„Gehen
wir denselben Weg nochmal“, stöhnte Blue. „Was bleibt uns anderes übrig?“
So
ganz richtig kam mir die Entscheidung nicht vor, aber er hatte Recht. Was blieb
und anderes übrig? So zogen wir unsere Robben enger um uns, da es gegen
Nachmittag etwas kühler geworden war, und gingen weiter die Straße entlang.
Bis
wir circa eine Stunde später wieder vorm Eingang des Labyrinths standen.
„Okay,
jetzt ist wirklich was faul.“ Ich stellte Kaffee ein Schälchen Wasser hin und hockte
mich daneben, den Blick auf den Eingang des Labyrinths gerichtet. „Mein ihr wir
müssen vielleicht da durch damit wir weiterkommen?“
„Von
so etwas habe ich noch nie gehört“, meinte Phoenix stirnrunzelnd. „Was wenn es
trotzdem weitergeht und wir dann auch noch in einem Labyrinth feststecken?
Nein, lassen wir das lieber.“
„Ein
Uhrwurm!“, schrie plötzlich meine Oma.
„Was?
Es ist gerade nicht hilfreich, dass du einen Ohrwurm hast. Sing ihn leise wenn
du nicht anders kannst.“ Mittlerweile war ich etwas gereizt. Denselben Weg
zweimal zu gehen ohne von der Stelle zu kommen half nicht gerade um meine Laune
zu verbessern.
„Nein!
Ein Uhrwurm! Ein Uhrwurm! Deshalb kommen wir nicht voran! Uhrwürmer fressen die
Zeit weg. Deshalb verlieren wir Zeit, kommen aber nicht von der Stelle! Der
muss sich in einer unserer Uhren festgesetzt haben.“
Von
so einem Ding hatte ich noch nie gehört. Andererseits hatte ich von Vielem im
NaNo-Land noch nie gehört. Blue sah jedoch nicht aus als wüsste er besser worum
es ging.
„Von
den Viechern habe ich noch nie gehört“, bestätigte er meine Vermutung.
„Alle
Uhren her!“, befahl meine Oma.
Phoenix
nickte. Mmh, sie schien zu wissen was ein Uhrwurm war. Es war erstaunlich was
sich alles an Zeitmessern auf einem Haufen angesammelt hatte.
Jeder
von uns besaß ein Handy, das natürlich eine eingebaute Uhr hatte. Phoenix,
meine Oma und Blue besaßen außerdem noch Armbanduhren und ich hatte vergessen meinen Wecker aus dem
Rucksack zu packen und in der Drachenschenke zu lassen. Ich ließ meine Hand
darüber gleiten, um nach der Uhrzeit zu suchen. Konnte man gestohlene Zeit
wiederfinden?
„Dann
wollen wir doch mal sehen.“ Meine Oma zog ihre Robbe aus und untersuchte die
technischen Geräte.
„Was
genau machst du?“
„Was
Uhrwürmer noch mehr lieben als alles andere ist Lebenszeit. Also werde ich ihm
ein Stück von meiner anbieten“, erklärte sie.
„Oh
nein. Vergiss es.“ Ich zog ihre Hand vom Uhrenstapel. „Was wenn er die frisst?
Von wieviel Lebenszeit reden wir hier überhaupt?“
„Oh,
ein paar Tage müssen es schon sein. Sonst ist das Angebot ja nicht
schmackhaft.“ Sie sah, dass ich den Mund öffnete um zu protestieren. „Für einen
Uhrwurm ist das nichts! Wenn man nicht weiß mit was man es zu tun hat, irrt man
jahrelang, für den Rest seines Lebens, immer auf demselben Weg entlang und weiß
nicht wie man entkommt. Da kann man doch ein paar Jahre entbehren, nicht wahr?
Allerdings muss sich auch der Uhrwurm jede dieser Stunden hart erarbeiten. Da
sind drei Tage auf einmal meistens verlockend genug.“
„Dann
nimm meine!“, schlug ich vor. „Ich habe bestimmt noch mehr davon als du!“
„Oder
meine“, wandte nun auch Phoenix ein. „Ich habe bestimmt auch ein paar übrig.“
„Ganz
genau. Und deshalb sollten sie dir auch bleiben. Ich habe schon so viel meiner
Lebenszeit genutzt; ich kann auch mit drei Tagen weniger auskommen.“
Sie
zwinkerte mir zu und ich biss mir auf die Lippe. Was, wenn sie eigentlich in
drei Tagen sterben würde? Bei dem Gedanken zog sich mein Bauch schmerzhaft
zusammen. Würde sie dann einfach tot umfallen? Und selbst wenn nicht, ich würde
immer daran denken, dass sie eigentlich drei Tage länger zur Verfügung gehabt
hätte, wenn dieser verdammte Wurm nicht gewesen wäre.
Meine
Oma legte sich einen Finger auf die Innenseite des Handgelenks. Dann wartete
sie einen Moment und zog dann einen silbrig glänzenden Faden hervor. Wo hatte
sie das nur gelernt? Und das war Zeit? So greifbar hatte ich sie mir nie
vorgestellt.
Alle
Uhren waren nebeneinander ausgelegt und meine Oma führte vorsichtig den
silbernen Faden über jede davon. Zuerst passierte gar nichts. Dann…
„Komm“,
lockte sie den Wurm, der sich aus Phoenix‘ Armbanduhr schlängelte.
Das
Tier war unscheinbar, silbrig grau mit leichten Streifen. Aber wenn man nicht
genau hinsah, sah es beinah so aus wie die Lebenszeit, die meine Oma ihm gerade
anbot. Er kroch aus der Uhr als wäre das Metall komplett durchlässig; es war
keine Stelle zu sehen an der er seinen Weg hinein oder herausgefunden hatte.
„Komm…“
Der
Wurm reckte das, was vermutlich sein Vorderende war, der Lebenszeit entgegen
und dann, mit einer schnellen Bewegung, die ich dem Tier nicht zugetraut hätte,
verschlang es den Faden.
Im
selben Moment ließ meine Oma ihre Hand zuschnappen, die eben noch ihre
Lebenszeit gehalten hatte. Der Wurm wand
sich und versuchte zu entkommen, doch vergeblich.
„Und
was jetzt?“
Ich
betrachtete das winzige Wesen mit beträchtlichem Abscheu. Dass so etwas Kleines
so viel Unheil anrichten konnte. Wenn ich mir vorstellte, dass Leute wegen so
einem Ding ihr ganzes Leben immer nur im Kreis liefen während ihnen das Ding da
die ganze Lebenszeit abnahm…
„Es
ist nur natürlich, dass er im Labyrinth unterwegs war. Es ist besonders leicht
Leute dort zu verwirren. Wenn alles gleich aussieht, weiß man nicht unbedingt
ob man im Kreis läuft. Und dann noch auf einen Uhrwurm zu kommen… fast
unmöglich.“
Sie
betrachtete den Uhrwurm in ihrer Hand als wäre er ein exotisches Lebewesen, das
ausgestopft in einem Museum stand.
„Was
machst du jetzt mit dem Ding? Wie tötet man einen Uhrwurm?“, fragte ich.
„Ganz
einfach. Man nimmt ihm seine eigene Lebenszeit ab.“
„Kannst
du sie dann nicht einfach aufnehmen? Als Ersatz für deine gestohlenen Jahre?“
„So
funktioniert das leider nicht“, lachte sie. „Nur Uhrwürmer können Lebenszeit
stehlen. Wenn Menschen es könnten, denkst du nicht es hätte schon einer getan?“
Da
hatte sie auch wieder Recht.
„Töten
werde ich ihn aber noch nicht. Man weiß nie wann so ein Ding praktisch sein
kann. Wenn man jemanden aus dem Weg haben will, ist so ein Uhrwurm genau das
Richtige.“
Sie
griff mit einer Hand nach einer ihrer goldenen Ketten und öffnete das
Medaillon. Dann setzte sie den Wurm vorsichtig hinein und ließ den Anhänger
zuschnappen bevor er den Kopf wieder herausstrecken konnte.
„Kann
der nicht einfach da rauskommen wie aus der Uhr?“ Ich besah mir misstrauisch
den Anhänger.
„Nein.
Es hat seine Gründe, dass die Dinger Uhrwürmer
heißen.“ Und damit verschwand der Wurm im Medaillon als wäre nie etwas gewesen.
Außer dass es meine Oma gerade drei Tage ihrer Lebenszeit gekostet hatte und
alle anderen zwei Stunden. Mistvieh.
Diese Uhrwürmer klingen gefährlich... Wollen wir mal hoffen, dass die in deinem Roman bleiben :D
AntwortenLöschenInteressante Viecher diese Uhrwürmer... bin gespannt wozu der noch gut sein wird.
AntwortenLöschenSo ein blödes Viech :O
AntwortenLöschenIch hoffe, es gibt später einen GUTEN Nutzen für das Wesen. Die arme Oma, die drei Tage opfern musste. Aber jetzt erfahren wir wohl nie, was in diesem Labyrinth ist.