Als
wir den Raum verließen, war die Diskussion immer noch im Gang. Die
Repräsentantin von Österreich hatte die ausgemerkelte Frau im Schwitzkasten und
beide lieferten sich einen erbitterten Kampf. Ich war froh diese peinliche
Ratsversammlung verlassen zu können. Der einzige, der wirklich etwas zu
unternehmen schien, war Mr. Ian Woon, der jetzt wieder auf seinem Thron Platz genommen
hatte. Er zwinkerte uns noch einmal zu als wir uns auf den Weg aus dem Gebäude
machten, dann war er außer Sichtweite.
Die
Leute im Amphitheater lauschten gebannt der Diskussion, oder eher dem Kampf,
der auf der höheren Empore ausgetragen wurde, sodass niemand die Gruppe
bemerkte, die sich frühzeitig davonstahl.
Als
wir draußen ankamen, wurden wir sofort von einer Horde Reporter bestürmt, die
wir mit der Beteuerung abwimmelten die Diskussion würde noch andauern und
bisher habe es keine Ergebnisse gegeben.
„Okay“,
begann BlueSkies als wir endlich außer Reichweite neugieriger Ohren waren. „Ich
würde sagen wir gehen alle unsere Sachen packen und treffen uns beim gesunden
Menschenversand. Ach ja, wie heißt du nochmal?“, fragte er an mich gewandt.
Oh. Bei
dem ganzen Rettet-den-NaNo-Gefasel hatten wir meine Vorstellung ganz vergessen.
Das ging ja gut los.
„Ich
bin Mia98. Nur Mia reicht. Das ist meine Großmutter, Margarete S.“
„Nur
Marga reicht“, echote sie mich mit einem Lächeln.
„Schön
euch kennenzulernen“, meinte BlueSkies. „Meinen Namen kennt ihr ja, aber nennt
mich bitte nur Blue.“
„Blue?“
Auch ein komischer Name, aber den konnte man sich wenigstens merken.
„Mein
Name ist Phoenixfeder. Phoenix für euch.“ Die Frau lächelte mich an. Das war
doch mal jemand mit dem man auskommen konnte.
„Dann
also beim gesunden Menschenversand in spätestens einer Stunde“, beschloss meine
Oma.
Der
Wagen, mit dem wir hergebracht worden waren, stand noch immer vor dem Tor und
der Fahrer sowie die Bodyguards versicherten uns Mr. Ian Woon hätte ihnen den
Auftrag gegeben uns alle wohlbehalten nach Hause zu bringen. Mr. Ian Woon
selbst würde noch einige Zeit mit der Ratsversammlung beschäftigt sein.
Wir
würden alle nacheinander rausgelassen werden. Zumindest Oma und ich konnten
unbehelligt zu unserem Haus kommen, während die Bodyguards uns den Weg
freikämpften. Ich konnte mir nur vorstellen wie es für die Leute sein musste,
die keine Personen hatten, die für sie die Bunnys vertrieben. Sie würden ihre
Wohnungen für einige Zeit nicht verlassen können. Hoffentlich hatten sie sich
einen ordentlichen Vorrat an Essen zugelegt.
Das
Packen ging relativ schnell. Da ich erst zwei Tage zuvor angekommen war, hatte
ich noch nicht die Möglichkeit gehabt überhaupt auszupacken. Meine Oma hatte
einen großen Rucksack parat, in dem sich all unsere Sachen verstauen ließen.
Ich bestand darauf ihn zu tragen. Nur die Gedankenspinne (die andere hatte
Phoenixfeder erhalten) überließ ich ihr. Ich wusste ja sowieso nicht wie das
Ding funktionierte. Und Spinnen! Ugh.
Kurz
bevor wir reisefertig waren, fiel mir allerdings auf, dass bei der Planung
etwas furchtbar schief gegangen war.
„Wie
kommen wir zum gesunden Menschenversand? Mit den ganzen Plotbunnys draußen?“
„Oh.“
Das
war wohl mehr als unpraktisch.
„Dann
müssen wir wohl so da durch. Wir bekommen das schon hin“, sage meine Oma.
Manchmal konnte sie ganz schrecklich optimistisch sein.
Sie
hielt ihren Regenschirm fester und ich holte mir einen Besen aus der Küche.
Wenn sie eine Waffe hatte, wollte ich auch eine. Sofort nachdem wir die Tür
geöffnet hatten, wurde mir klar, dass wir es nie schaffen würden. Alle Bunnys,
die das Auto hatten vorfahren sehen, waren immer noch da und schauten uns mit
großen, runden Augen an.
„Argh!
Wie machen die das immer mit ihren Augen?“, beschwerte ich mich und versetzte
einem Bunny einen Schlag mit dem Besen.
Es
biss sich sofort in den Borsten fest und wirbelte mit jedem weiteren Schlag, den
ich verteilte, durch die Luft. Fast tat mir das kleine Ding ja leid… nein!
Nicht in die Augen sehen!
Plötzlich
landete ein Pfeil neben meinem Fuß. Erschrocken sprang ich einen Schritt
zurück, gerade als ein weiterer Pfeil eins der Bunnys traf, die sich an meine
Füße gekrallt hatten.
Dienstboden
huschten durch die Straßen. Einer davon schnappte sich gerade mit verschmitztem
Grinsen seinen Bogen und die Pfeile und zielte auf ein anderes Plotbunny in
meiner Nähe.
„Wohin
des Wegs, schönes Fräulein?“
Der
Pfeil sirrte durch die Luft und traf das Bunny. Es ließ los und begann sich
zurückzuziehen. Pfeile konnten den Bunnys nichts anhaben, aber zu mögen
schienen die Hasen sie auch nicht.
„Das
sind die Boden des Könlings!“, erkannte Oma.
„Die
was? Des was?“
„Des
Könlings. Er regiert mit seiner Könlingin über ein kleines aber tapferes
Könlingreich in der Fantasy-Gegend. König war ihm zu normal, also nennt er sich
Könling. Anscheinend ist er besorgt, dass die Plotbunnys den Weg in sein Reich
finden könnten und hat deshalb Unterstützung geschickt.“
Wie
auf Kommando landeten mehrere Pfeile der könlingichen Langboden bei ihren
Zielen und verscheuchten die letzten Plotbunnys. Nur das eine, das sich immer
noch an den Besen klammerte, wollte einfach nicht loslassen. Also warf ich den
kompletten Besen in die Ecke. Das Teil brachte eh nichts.
„Also,
holde Maid? Wohin des Wegs?“, wiederholte der Bode seine Frage.
„Ähm…
zum gesunden Menschenversand“, antwortete ich, etwas verwirrt von der Anrede.
„Danke für die Hilfe.“
„Es
ist uns eine Ehre so schönen Maiden wie Ihnen zu dienen.“
Und
der Kerl verbeugte sich tatsächlich! Seine Kumpane taten es ihm nach. Das war
eindeutig zu viel. Meine Wangen mussten aussehen wie Tomaten als die Boden sich
wider aufrichteten.
„Hätten
Sie etwas dagegen, wenn wir Sie zu ihrem Ziel geleiten würden?“
„Äh,
nee. Hab ich nicht.“ Ich räusperte mich. „Ich meine: Danke, das Angebot nehmen
wir gerne an.“ Dann zischte ich meiner Oma zu: „Warum spricht der so komisch?“
Sie
kicherte. „Angeblich haben es einige der Bewohner der Fantasy-Gegend nicht so
mit der modernen Sprache. Genau wie mit Technik. Das ist nicht jedermanns
Sache. Aber sieh es positiv; der hier mag dich offensichtlich.“
Danach
wurde ich noch roter und eilte hinter den Boden her, die gerade die nächste
Straße auskundschafteten, durch die wir gehen würden. Ich fühlte mich ein wenig
geschmeichelt, denn der Bode sah nicht einmal schlecht aus. Mit dem
schulterlangen, blond-gelockten Haar hatte er sicher schon einige Mädchenherzen
erobert. Sein Gesicht war übrigens auch nicht übel. Damen in Nöten zu retten
machte sich als Eigenschaft ebenfalls nicht schlecht im Resümee. Nur die grauen
Roben machten das Bild ein wenig zunichte.
Wenn
sich ein Bunny auch nur zeigte, wurde es von den Boden in die Flucht geschlagen.
So kamen wir schneller an unser Ziel als gedacht. Es war fast schade als der
Bode mir einen Handkuss gab und meinte er müsste jetzt andere Leute retten
gehen, aber keine Rettung würde ihm so viel Spaß machen wie diese hier. Na das
ließ sich hören.
Auch
die grauen Roben wurden von meiner Großmutter erklärt. Anscheinend arbeiteten
Leute, die graue Roben trugen, für die Krieche und damit für den Könling. Was
eine Krieche war, fand ich dann auch endlich heraus. Anscheinend war das nur
ein verdrehtes Wort für eine Kirche.
Das
Gelände um den gesunden Menschenversand (warum der so hieß würde ich bestimmt
auch noch erfahren) war fast genauso gut gesichert wie der Gemeindehau. Auch
hier waren viele Freiwillige damit beschäftigt Sandsäcke gegen die Bunnys aufzuschichten.
Allerdings fanden die ein großes Vergnügen daran die Säcke anzuknabbern.
Mittlerweile sah die Straße eher aus wie ein Strand.
Blue
und Phoenixfeder standen bereits vor dem Gebäude, jeder einen Rucksack über der
Schulter.
„Kurz
nachdem wir euch rausgelassen hatten ist uns aufgegangen, dass ihr ja auch
irgendwie hierher kommen müsst“, meinte Blue zur Begrüßung. „Aber als wir euch
auf dem Rückweg aufsammeln wollten, wart ihr schon weg.“
„Macht
nichts. Wir haben ein paar nette Leute kennengelernt“, meinte ich nur. „Sollen
wir?“
Wenn
ich gedacht hatte das Gemeindehau sei voll, dann war das hier die nächst
größere Größenordnung. Überall standen, saßen und lagen Menschen, die redeten,
lachten und schrien. Alle hatten sie Koffer, Taschen oder Kisten dabei, in
denen sich die verschiedensten Habseligkeiten befanden.
„Die
versuchen alle aus Schreibstadt zu fliehen.“ Phoenix sah sich missmutig um.
„Nur wird ihnen das langfristig nichts bringen wenn wir die Bunnyplage nicht
aufhalten.“
Mein
Interesse war jedoch von etwas anderem gefesselt worden – auf der niedrigen
Plattform, um das sich das Gebäckband schlängelte, stand ein Haus.
„Was
zum Teufel…?“
Blue
schüttelte den Kopf. „Wieso müssen Frauen immer mit so viel Gebäck reisen?“,
fragte er und deutete auf eine Familie wo die Mutter versuchte mehrere Bleche
Kekse in eine winzige Dose zu quetschen.
„Mich
irritiert eher das Haus da drüben.“
„Wieso?
Ist doch nur ein ganz normales Haus“ Blue zuckte mit den Schultern und machte
sich auf den Weg zum Schalter. "Die Leute wollen eben nicht ohne es
abhauen."
Es
dauerte eine Weile bis wir an der Reihe waren. Dann jedoch wurden wir von einem
vollkommen überarbeiteten Mitarbeiter begrüßt. „Willkommen beim gesunden
Menschenversand", dröhnte er. "Unheimlich praktisch wenn man schnell
von Ort zu Ort kommen will. Schneller als Bahn, Bus, Flugzeug oder fliegende
Teppiche. Womit kann ich Ihnen helfen?“
„Wir
würden gerne zur Drachenschenke reisen“, sagte Phoenix.
„Tut
mir leid, aber dieser Transportweg ist geschlossen. Zu viel Nachfrage. Bitte
wählen Sie ein anderes Ziel.“
Während
Phoenix mit dem Mann diskutierte, beobachtete ich wie jemand einige Angestellte
scheuchte, die das Haus schicken mussten. Warum mussten die Leute das unbedingt
mitnehmen, wenn sie fliehen wollten? Das war so unhandlich!
In
einer anderen Ecke konnte ich eine Poststation entdecken, die eher so
funktionierte wie ich es kannte. Briefe und Päckchen wurden massenweise auf
Wägen verteilt und in Autos gepackt, die sie wohl ausliefern würden. Das einzig
Seltsame an der Aufmachung war, dass ein Mailwurf die Briefe sortierte. Das
Tier sah aus wie ein etwas größerer Maulwurf, das die Briefe in Rekordzeit in
verschiedene Kisten warf.
„Aber
wir haben VIP-Status“, erklärte Phoenix dem verdutzten Schalterbeamten. „Hier
ist das Papier, von Mr. Ian Woon persönlich unterzeichnet. Unsere Mission hat
oberste Priorität.“
„Dann
nehmen Sie bitte in dieser Röhre hier Platz.“ Eine Wand neben seinem Pult wurde
zur Seite geschoben und eine Röhre kam dahinter zum Vorschein. „Wir werden Ihre
Anfrage so schnell wie möglich bearbeiten.“
Die
Röhre war durchsichtig und so hoch, dass man aufrecht darin sitzen konnte. Zu
diesem Zweck befanden sich dort einige Stühle. Die Breite wiederum hing von der
Stuhlanzahl ab.
„Das
ist doch nicht wie... Rohrpost. Oder?“ Ich schluckte und nahm neben Blue Platz,
der seinen Rucksack zwischen seinen Beinen verstaute.
„Doch.
Ganz genau so. Aber sie versuchen immer noch ein anderes System auszutüfteln.
Mittlerweile finden sie nur noch schwer Wege wo sie die Röhren legen können. Es
gibt nur noch bestimmte Ziele. Und meistens ist der gesunde Menschenversand
sowieso überbucht, vor allem in Notfällen wie diesem.“ Er zurrte einige Gurte
seines Rucksacks fest und, zufrieden mit dem Ergebnis, lehnte sich zurück.
„Ihr
Versand wurde bestätigt. Bitte schnallen Sie sich an und genießen Sie die
Fahrt. Für eventuelle Rückstände Ihres Frühstücks müssen Sie selbst aufkommen“,
ertönte eine blecherne Stimme aus einem Lautsprecher an der Wand.
„Was
genau meint der mit AAAARGH!“
Die
Röhre machte einen Satz und begann dann mit unglaublicher Geschwindigkeit auf
unser Ziel zuzusausen. Mein angefangener Satz ging augenblicklich in Kreischen
über.
Graue Roben. Roben? Fehlt da nicht ein B? :D
AntwortenLöschenDen gesunden Menschenversand würde ich aber auch gerne mal ausprobieren!
Nein, die Robben kommen noch. Die tragen tatsächlich Roben. :)
LöschenSicher? Mia scheint es damit nicht so gut zu gehen.
(Zitat) Ich konnte mir nur vorstellen wie es für die Leute sein musste, die keine Persnen hatten, die für sie die Bunnys vertrieben.
AntwortenLöschenIch komm mir mittlerweile schon echt nervig vor aber ich bin nun mal einer von diesen Rechtschreibnazis <.<
YEAH XD Die Langboden ^^ Ich feier.
Ach... jetzt weiß ich was mit dem gesunden Menschenversand gemeint war. Klingt ja interessant.
Der gesunde Menschenversand klingt... ungesund :D
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