Sonntag, 23. November 2014

23. Kapitel



Es war noch recht früh als wir unsere Reise antraten. Das erste Licht des Tages war gerade über den Wipfeln des Waldes hinter der Drachenschenke zu sehen. Die Sonne war gerade erst am aufgesehen und die Nasen liefen noch über die Felder.
„Was zum Teufel sind das für Dinger?“, fragte ich Blue angeekelt.
„Nasen.“
„Nasen?!“
„Hab ich doch gesagt. Ein fehlgeschlagenes Zauberexperiment, wenn ich mich recht erinnere. Niemand weiß genau wie die sich fortpflanzen, aber mittlerweile sind sie in dieser Ecke der Fantasygegend eine echte Plage.“
Ich beobachtete eine Nase dabei wie sie mit ihrer Nasenspitze ein Nasenbaby anstupste, um es zum Weiterlaufen zu bewegen. Das hier gehörte definitiv zu den seltsamsten Sachen, die ich je gesehen hatte. Und in den letzten Tagen hatte ich so einige seltsame Sachen erlebt.
„Wir müssen zuerst in einer Taverne einkehren“, erklärte Blue. „Der Weg zum Schloss des Könlings ist zu lang. Das wären eineinhalb Tagesritte. Also werden wir vorher im Saubertrank einkehren.“
Saubertrank. Aha. Entweder war da ein Z abhandengekommen, oder das Ding war verzaubert worden – oder jemand hatte eine seltsame Art von Humor oder einen Putzfimmel.
Zu unserer Rechten erhob sich nun eine Felswand, auf der anderen Seite war die Wiese mit den Nasen. Weiter vorne hörte die Felswand auf und ging wieder in einen Wald über, der, wie ich vermutete, zum selben Waldstück gehörte, das direkt hinter der Drachenschenke begann.
Auf einmal ertönten seltsame Geräusche. Es hörte sich an als würde jemand seine Nase schnäuzen. Das Geräusch vervielfältigte sich und die Nasen auf der Wiese stoben auseinander. Ein dunkler Schatten war zwischen ihnen aufgetaucht. Der Schatten wurde größer bis ein riesiger Drache vom Himmel stieß. Unsere Pferde scheuten und drängten sich näher an die Felswand.
Der Drache schnappte nach einer der Nasen und erwischte sie an einem Nasenflügel. Sie Nase wurde in die Luft geschleudert und verschwand mit einem letzten Schnäuzer im Maul des Drachen. Seinen Kopf zum Himmel gerichtet spieh er eine Wolke stinkenden Rauchs aus, die die Pferde, die sich immer noch verängstigt an die Felswand drückten, in endgültige Panik versetzte. Sie machten sich daran zu flehen.
„Nein! Töte mich nicht! Ich bin immer ein braves Pferd gewesen, versprochen! Bitte! Bihhittteee!!!“
„Warum zum Teufel können unsere Pferde sprechen?!“, schrie ich Blue über das Flehen und Betteln unserer Reittiere zu.
„Fantasygegend“, erwiderte er nur während er versuchte sein Pferd zu zügeln. „Es sind schon seltsamere Sachen passiert.“
Ah, ich vergaß. Sowas wie Nasen zum Beispiel.
Das Flehen der Pferde hatte den Drachen auf uns aufmerksam gemacht. Rauch strömte aus seinen Nasenlöchern. Seine Krallen gruben sich tief in die weiche Wiese und er hinterließ auf dem Boden klaffende Wunden aus Erde. Die Nasen hatten sich zerstreut. Nur einige wenige Exemplare, die vermutlich verletzt waren, lagen auf dem Boden. Ihre Nasenflügel bebten vor Angst. Der Drache hatte jedoch nur Augen für uns.
„Ihr beknackten Pferde! Wärt ihr einfach leise gewesen wäre nichts passiert!“, schrie ich sie an. „Los, bewegt euch, bewegt euch!“
Ich presste meine Füße enger an die Seite meines Tieres. Überhaupt auf die Idee mit den Pferden gebracht hatte ich Phoenix als sie alle möglich Transportmittel des NaNo-Landes aufgezählt hatte und ich ihr erzählt hatte das einzige womit ich umgehen konnte seien Pferde. Ich war zwar seit zwei Jahren nicht mehr geritten, aber davor hatte ich jede Woche Reitstunden gehabt.
„Los, beweg deinen fetten Hintern!“
Der Drache ließ erneut eine Rauchwolke zum Himmel steigen und zeigte seine Zähne. Das brachte mein Pferd dann doch in Bewegung. Mit einem lauten Wiehern und einem „Nein! Friss mich nicht! Friss mich nicht!“ begann es davonzugaloppieren. Wenn wir es bis zum Wald schafften würde der Drache uns nicht folgen können.
Es sei denn er riss den ganzen Wald nieder, was er vermutlich konnte. Aber hoffentlich nicht wollte.
Das Geräusch von Hufen hinter mir beruhigte mich, denn das bedeutete Blues Pferd war uns auf den Fersen. Die Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn mein dummes Vieh drehte gerade in Richtung Wiese ab.
„Bist du bescheuert?“, brüllte ich ihm ins Ohr. „Wald! In den Wald! Keine offene Fläche!“
Es war so in Panik verfallen, dass es mich nicht einmal hörte. Ich zog am linken Zügel und versuchte den Druck meiner Beine zu verstärken. Das Vieh wehrte sich eine Weile, bis es nachgab und nun auf die Bäume zuhielt. Der Drache hatte anscheinend bemerkt was wir vorhatten. Sein Brüllen erschütterte die Luft.
„Nicht umdrehen“, murmelte ich. Nicht umdrehen nicht umdrehen nicht umdrehen nicht umdrehen…
Denn wenn ich mich umdrehte und einen riesigen Feuerstrahl sah der auf mich zuschoss würde ich vor Angst vom Pferd fallen. Dann könnte ich nur hoffen, dass das Vieh doch auf die Wiese lief und damit den Drachen von mir ablenkte.
„Der Drache kommt näher!“, schrie Blue mit von hinten zu.
Aha. Er hatte sich also umgedreht. Ich hingegen konzentrierte mich auf den rettenden Waldesrand, der in greifbarer Nähe schien. Die ersten weit auseinanderstehenden Bäume zogen zu beiden Seiten an mir vorbei. Jetzt bloß nicht gegen einen Ast reiten. Weiter. Weiter!
Mein Pferd raste ohne Rücksicht auf Verluste durch das dicke Buschwerk. Brombeeren, schätzte ich. Die Ranken zerkratzten mir das Gesicht und alle Kleidung, die sie erwischen konnten. Ich hoffte die Magie der Robbe beinhaltete auch Schnitte von Brombeerranken aushalten zu können. In meiner Brusttasche zitterte Fluffles.
Das Pferd rannte weiter, die Geräusche der Hufe jetzt gedämpft vom Waldboden. Blues Fluchen hinter mir nach zu urteilen hatte auch er den Ritt durch die Hecke größtenteils unbeschadet überstanden.
Der Drache brüllte wieder. Ich sah nun doch hinter mich, konnte jedoch nur Hecke und Bäume erkennen. Über uns waren Baumkronen, die glücklicherweise noch Blätter trugen. Sie hatten erst in den letzten Tagen begonnen sich zu verfärben und waren noch nicht abgefallen.
Ich zügelte mein Pferd, das zuerst versuchte blind weiterzurennen, sich dann aber meinem Kommando beugte. Wenn wir hier vor dem Drachen nicht sicher waren, würden wir es ein paar Meter weiter im Wald auch nicht sein.
Schwer atmend lehnte ich mich gegen einen Baumstamm. Das wütende Toben des Drachen ertönte von jenseits des Waldes. Es hörte sich so an als hätte er gerade eine der Nasen in der Luft zerrissen.
Blue stieg neben mir von seinem Pferd ab und band es ebenfalls an einen Baum. Falls die Viecher doch auf den Gedanken kamen ohne uns fortzulaufen, konnten sie sich das abschminken.
„Phoenix sollte ihr Geld zurückbekommen“, grummelte er. „Diese Viecher sind ja zu gar nichts zu gebrauchen! Bei einem Wettbewerb im Drachenfliehen würden wir mit denen hier in der Pferdeklasse sofort verlieren! Da wären wir in der Fußklasse besser aufgehoben.“
Er hatte wirklich nicht Unrecht, obwohl ich lieber nicht wissen wollte was er mit dem Wettberwerb im Drachenfliehen meinte. Am liebsten hätte ich mein Pferd gerade zurück durch das Gestrüpp geschubst und dem Drachen zum Essen serviert. Dann hätten wir immerhin noch…
„Freundschaf!“, schrie ich.
„Was?“
„Wo ist Freundschaf! Das wird doch nicht da zurückgeblieben sein…“
Die Geräusche des wütenden Drachen erklangen weiter und ich schluckte. Wenn Freundschaf wegen der Pferde etwas passiert war, dann hatte wirklich ihr letztes Stündlein geschlagen.
„Mäh“, machte es plötzlich neben mir und ich sah auf Freundschaf herunter, das mich, seelenruhig auf einem paar alter Blätter herumkauend, anblickte. Neben ihm stand außerdem die kleine Nase, die wir vorher schon gesehen hatten. Sie drückte sich in Freundschafs Pelz als hätte dieses ihr gerade das Leben gerettet.
Ich fiel Freundschaf sofort um den Hals und vergrub mein Gesicht in seiner Wolle. Irgendwie mochte ich dieses Schaf. Es hatte schon so viel mit uns erlebt. Dass es jetzt von einem Drachen gefressen wurde wäre unschön.
Blue hob die Nase mit einem Stirnrunzeln auf. Sie nieste ein paar Mal, doch konnte sie Blue nicht entkommen. Vergeblich wedelte er sich Luft mit der Nase zu. „Ich schwitze wie Sau“, kommentierte er das als ich ihn fragend ansah.
Nachdem ich ihn dazu gebracht hatte die arme Babynase in Ruhe zu lassen, setzten wir unseren Weg fort. Wir machten einen weiten Bogen um die Nasenwiese und den Drachen. Ein ganzes Stück des Weges blieben wir im Wald und führten unsere Pferde über Wurzeln und Steine. Erst als wir den Drachen nicht mehr hören konnten wagten wir uns an den Waldesrand, blieben jedoch immer im Schutz der Bäume. Laut Blue lag der Saubertrank sowieso am Wald, weshalb wir ihn nicht verfehlen würden.

1 Kommentar:

  1. (Zitat) Der Drach schnappte nach einer der Nasen und erwischte sie an einem Nasenflügel.

    Ah ja <.< Geht gleich weiter XD Drache in Fantasygegend ^^

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