Dienstag, 4. November 2014

4. Kapitel


Am anderen Ende der Straße bewegte sich etwas. Zuerst befand es sich im Schatten einiger Häuser, dann hüften die Plotbunnys in den Schein einer Straßenlaterne. Im seltsamen roten Licht glänzte das Fell der Hasen bedrohlich und ihre langen Ohren warfen dunkle Schatten auf die Straße. Sie waren wie eine Welle, die die Stadt überrollte. Hinter der ersten Reihe konnte ich weitere Hasen sehen, dahinter noch mehr. Alle schienen sie unterschiedliche Farben und Größen zu haben, doch das war bei dem Licht schlecht zu erkennen.
Einige der Bunnys hatten seltsame Proportionen. Eins war fast so groß wie ein Schäferhund. Ein anderes hatte offensichtlich sechs Beine. Wieder einem anderen wuchs ein Horn aus der Stirn, während sein Nachbar so langes Fell hatte, dass es mehr Ähnlichkeit mit einem Putzmop als mit einem Hasen hatte. Irgendwo über mir hörte ich wie ein Fenster zugeschlagen und dann eine Jalousie heruntergelassen wurde. Immerhin schienen sich meine Ohren an den Lärm zu gewöhnen.
Die Nasen der Bunnys schnupperten an der Straße, wo wir bis vor Kurzem noch vorbeigerannt waren. Alle hatten ihre Augen auf die einzigen Menschen weit und breit gerichtet. Und solche riesigen Augen hatte ich noch nie gesehen. Wenn ich lange genug in ein Augenpaar schaute, würde ich darin versinken. Sie waren so tief wie ein See… so tief wie das Universum…
Meine Oma wirbelte herum und wollte mich mitziehen. Ich versuchte ihre Hand abzuschütteln.
„Lass mich! Die sind doch soooo niedlich! Und ich brauche eh noch einen Plot! Warum haben alle Angst vor denen?“
„Glaub mir, die sind nicht mehr so niedlich wenn du mehrere davon um dich rumtanzen hast. Kennst du das Gefühl wenn du zu viele Geschichten auf einmal im Kopf hast, die alle gleichzeitig geschrieben werden wollen?“
Bevor ich auch nur nicken konnte, hatte sie meine Verwirrung genutzt und mich weitergezogen. Ein Blick nach hinten zeigte mir, dass einige der Bunnys begonnen hatten uns mit schnellen Sprüngen zu folgen.
„Stell dir vor die ganze Meute da hinten belagert dich auf einmal.“ Mit einer Hand hielt sie ihren Samthut fest, die andere war immer noch fest um meinen Arm geschlossen. Der geblümte Regenschirm baumelte am Arm meiner Oma und ich überlegte plötzlich wie gut der wohl als Waffe zu gebrauchen war.
Statt ihr zu antworten, was sowieso nur mit Schreien funktioniert hätte, beschleunigte ich meinen Schritt. Jetzt war ich es, die meine Oma zog. Die Schatten der Bunnys eilten ihnen voraus und begleiteten uns zu beiden Seiten. Wenn wir auch nur eine kleine Chance haben wollten zu entkommen, mussten wir schneller sein.
Ein Blick auf die Häuser am Straßenrand zeigte mir, dass auch das keine Fluchtmöglichkeit war. Bis wir die Tür erreicht hatten, jemand über die Sirene unser Klopfen gehört hatte und uns dann öffnete, würden uns die Bunnys längst erreicht haben. Ob uns überhaupt jemand aufmachen würde, war die nächste Frage.
Warum nur waren wir nicht einfach in der Nachtschicht geblieben? Der Vampir-Kellner hatte doch bereits begonnen den Laden Bunny-sicher zu machen!
Ich spürte etwas Weiches an meinem Fuß. Selbst durch meine Stiefel hindurch war ich ziemlich sicher, dass das Etwas flauschig war. Als ich hinunterblickte, sah ich ein kleines grünes Bunny mit leuchtendem Fell, das mich mit großen Augen ansah. Meine Füße wurden wie von selbst langsamer – bis meine Oma mit einem ihrer Wanderstiefel nach dem Bunny trat und es hinter uns in der Masse der nachfolgenden Hasen verschwand.
Wir würden es nicht schaffen. Schon spürte ich den nächsten Hasen, der sich zwischen meine Füße geschlichen hatte, vermutlich um mich zu Fall zu bringen. Dieses Mal sah ich nicht nach unten, um den Augen nicht zu erliegen. Danach treten konnte ich allerdings auch nicht. Das waren immerhin süße kleine Häschen.
Auch meine Oma stolperte, was bedeutete, dass die Bunnys auch sie erreicht hatten. Wir schafften es nicht.
„Yeeeehaaaa!“, übertönte plötzlich ein Schrei die Sirene.
Ein Mann sprang von einem Balkon und landete einige Meter vor uns auf der Straße. Er trug einen der orangenen Anzüge der Müllabfuhr und die reflektierenden Streifen schimmerten im Licht der Straßenlampen.
„Ich bin Müllman, gekommen um euch zu retten!“
Spiderman hätte ich ja noch verstanden. Batman auch. Aber Müllman? Was so ein n alles ausmachen konnte…
Während ich ihn nur anstarrte als sei er das nächste Weltwunder, hatte meine Oma ihn zur Seite geschoben und war an ihm vorbeigelaufen.
„Haltet ein, finstere Plotbunnys, oder ihr werdet den Zorn des Müllman zu spüren… oh wie süß!“
Ohne mich umzudrehen wusste ich, dass unser gewöhnungsbedürftiger Retter gerade von Bunnys überrannt worden war. Seltsamerweise hatten deshalb die Plotbunnys an vorderster Front unsere Verfolgung aufgegeben, denn ich spürte nichts mehr zwischen meinen Füßen. In meinem Kopf entstand ungebeten das Bild von Müllman, der unter einem Haufen flauschiger Häschen begraben wurde.
Schaudernd rannte ich neben meiner Oma weiter. Wohin sie wollte war mir nicht klar, denn ihre Wohnung lag am anderen Ende der Stadt.
„Wohin rennen wir genau?“, schrie ich ihr zu.
„Zur Pilzizei natürlich! Das ist das am besten gesicherte Gebäude dieser Stadt!“
Ich hatte das ungute Gefühl, dass sie nicht die Polizei meinte. Dieser Name war schon öfter gefallen und jetzt bereute ich es, nicht nachgefragt zu haben.
In einer Straße vor uns rührte sich etwas. Für Menschen war es zu klein und bewegte sich zu anders. Es war als würde sich eine dunkle Masse auf uns zuschieben, eine Masse mit zu vielen, viel zu großen Ohren.
Mein Schrei ging im Heulen der Sirene unter. Ich strauchelte als meine Oma scharf abbog und uns in eine Straße zog, die hoffentlich von den Bunnys wegführte. Vor uns erhellten nun runde, gelbe Lichtflecken die Straße. Sie wanderten über den Asphalt, über uns hinweg, bis sie sich hinter uns auf etwas hefteten.
„Suchschweinwerfer!“, rief meine Oma.
Tatsächlich konnte ich am Himmel die Silhouetten von Schweinen ausmachen, denen seltsame Lichter vom Kopf schienen. Aus ihrem Rücken sprossen Schwingen, die ich besser erkennen konnte als eins von ihnen mit einem durchdringenden Quieken in Kopfhöhe an uns vorbeischoss.
„Da vorne!“
Tatsächlich rannten wir wieder auf eine dunkle Masse zu, doch dieses Mal konnte ich Menschen erkennen, die hinter einer Art provisorischem Schutzwall standen. Die Erleichterung, die mich durchflutete, wurde jedoch eine Sekunde später durch Furcht ersetzt. Es waren außerdem die Silhouetten von Gewehren zu erkennen. Die würden doch nicht auf uns…
Zwei der Personen traten kurz zur Seite, um uns durchzulassen, dann schlossen sie das Loch in der Verteidigung sofort wieder. Ich hörte das Geräusch vom Entsichern der Waffen, dann schrie jemand „Feuer!“.
Das Donnern der Schüsse erklang über der Sirene. Ich hatte noch gar nicht bemerkt, dass meine Oma mich endlich losgelassen hatte und, die Hände auf die Knie gestützt, neben mir stand. Das erste Mal an diesem Abend dachte ich daran, dass sie mittlerweile 71 war. Zwar war sie immer eine sehr rüstige Rentnerin gewesen, doch eine Flucht vor einer Horde Hasen war wohl zu viel verlangt.
„Oma?“, sprach ich in ihr Ohr. „Geht es dir gut?“
Mit einer Hand stütze ich sie, mit der anderen rückte ich den Hut zurecht, der sich nur durch ein kleines Wunder auf ihrem Kopf gehalten haben konnte.
„Feuer!“, dröhnte es hinter uns wieder.
„Die schießen doch nicht auf die Bunnys, oder? Das sind immer noch kleine süße Häschen…“
„Das sind Plotbunnys, Mia.“ Die Stimme meiner Oma klang fest, auch wenn sie gerade nach Atem rang. „In kleinen Gruppen sind die zwar ganz nett und jeder Schreiber braucht sie, aber in diesen Massen sind sie extrem gefährlich.“ Sie holte ein paar Mal Luft. „Außerdem können die eh nicht getötet werden.“
„Häh?“
Die Bunnys, die uns verfolgt hatten, hatten sehr lebendig ausgesehen. Und obwohl ich versuchte es aus meinem Gedächtnis zu verdrängen, hatte das Bunnys, dem meine Oma einen Tritt versetzt hatte, durchaus verletzt ausgesehen.
„Ideen kann man nicht töten, Mia“, erklärte sie geduldig. „Glaub mir, es wurde alles versucht, aber den Viechern ist einfach nicht beizukommen.“
Einer der Männer winkte uns ungeduldig zu. Als ich nicht reagierte sondern weiter meine Großmutter stützte, kam her zu uns herüber. Seine blaue Uniform mit dem pilzförmigen, goldenen Abzeichen auf der Brust, war mit etwas behängt, das aussah wie Fellreste.
„Wir müssen uns weiter zurückziehen. Lange können wir die Bunnys nicht mehr aufhalten. Sie sollten Richtung Pilzizeigebäude gehen“, riet er uns.
„Danke.“ Meine Oma nickte ihm zu und stemmte sich auf die Beine. „Dann müssen wir wohl weiter.“
Immerhin nicht mehr rennend, machten wir uns auf den Weg. Ab und zu ertönte wieder das Geräusch von Schüssen. Über uns flogen noch immer die Suchschweinwerfer herum und manchmal wurden wir von einem der Lichtflecke geblendet. Die meisten von ihnen beleuchteten aber den Platz vor einem großen Gebäude.
In der Mitte des Platzes stand ein Brunnen, der von der Statue eines Mannes dominiert wurde. Ich konnte nur erkenne, dass er eine Glatze und einen kurzrasierten Bart hatte, dann waren wir auch schon vorbei und eilten die Stufen des Gebäudes hinauf.
Das Gebäude selbst hatte Ähnlichkeit mit einem griechischen Tempel. Mehrere Säulen befanden sich auf der Vorderseite und zwischen ihnen befanden sich Banner aus Stoff, auf denen dasselbe Zeichen zu sehen war wie an der Uniform des Polizisten. Auf dem Dach befand sich eine Sirene, die ebenfalls rotes Licht ausströmte. Der Alarm schien ebenfalls von diesem Gebäude auszugehen, wobei das bei dem generell herrschenden Lärm schwer zu sagen war.
Außer uns befanden sich noch einige andere Personen auf dem Weg nach drinnen, jedoch weniger als ich vermutet hatte. Dieser Eindruck änderte sich sobald wir das Gebäude betraten. Es herrschte absoluter Ausnahmezustand.

6 Kommentare:

  1. Ich musste so lachen :D Unter den Suchschweinwerfern hatte ich mir, ehrlich gesagt, erst vorgestellt, da würde tatsächlich wer Schweine werfen, die dann per Funk oder was weiß ich die Koordinaten des nächsten Bunnys durchgeben, aber deine Variante ist noch viel, viel besser!
    Müllman :D Der arme Kerl. Wollen wir hoffen, dass er zwei, drei andere Superhelden findet, die ihm helfen...
    Und Hauptsache, Oma verliert ihren Hut nicht! Der ist toll =)
    Mensch, Kim, mit jedem neuen Kapitel, das ich zwischen meinen Schreibepisoden lese, finde ich die Geschichte NOCH besser, falls das überhaupt noch geht. Und es ist die totale Entspannung, das zu lesen, wenn in meinem Roman grade irgendwie nichts so will wie ich ^^ Dann lese ich ein Kapitel von dir und danach gehts alles wieder =) Du bist auf jeden Fall meine NaNo-Heldin! *Lorbeerkranz überreich*

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    1. *wird rot und nimmt den Lorbeerkranz an*
      Danke schön. :3 Es freut mich, dass die Geschichte dir so gut gefällt. Ich fange nämlich langsam an wieder nur die miesen Sachen an meinem Geschreibsel zu sehen. NaNo-Krankheit, nehme ich an.

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  2. Wie kann sie es nur wagen ein Plotbunny zu treten XD Und dann wird auf die armen Viecher auch noch geschossen <.< Aber gut wenn es ihnen nichts ausmacht dann ist das wohl zu verschmerzen ^^

    Müllman wird von den Bunnies überrannt und fliegende Schweine suchen diese dann... Top.

    (Zitat) "In meinem Kopf entstand ungebeten das Bild von Müllman, der von einem Haufen flauschiger Häschen wurde."
    Fehlt da nicht ein Wort Kim?

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  3. Da haben die Bunnys mir tatsächlich ein Wort weggefuttert. Sowas aber auch. ^^

    Naja, das war noch ganz am Anfang des NaNo. Du kannst mir ja sagen wie mein Schreibstil um das 30. Kapitel rum ist; das war nämlich gegen Ende der ersten 50k und des Einstiegsmarathons. Ich könnte mir vorstellen, dass der Stil da ein wenig gelitten hat.

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    1. Passiert ^^ Ich werd mich überraschen lassen <.< Ich muss mir beizeiten auch mal ansehen, was ich da so verzapft habe XD

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  4. Das also waren die berühmt-berüchtigten Suchschweinwerfer...
    Mir gefällt ja, wie bei all der Absurdität der Story immer auch etwas Philosophisches mitschwingt. Eine Idee kann man nicht töten. Hach <3

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