Die
Stuhlmenschen knarrten mit ihren Gliemaßen, während über allem immer noch das
Schluchzen des Bäckers zu hören war. Blue und ich standen Rücken an Rücken. Er
hatte sein Schwert gezogen, während ich meinen Bogen in der Hand hatte. Zwar
würde es nichts bringen Pfeile abzuschießen, aber es gab mir immerhin ein
beruhigendes Gefühl eine Waffe in der Hand zu halten.
„Wie
wird man die nur los?“, fragte ich verzweifelt. „Hey! Wir haben gar nichts
gemacht! Das Gebäck hat uns
angegriffen, nicht umgekehrt!“
Die
Leute schienen uns nicht zu hören, denn sie kamen trotzdem näher und knarzten
unheilvoll.
Plötzlich
ging die ganze Gegend in Flammeln auf. Die Stuhlmenschen schrien erbost auf,
als das flammige Feuer an ihren Gliedmaßen zehrte. Mit einem letzten Blick auf
uns ergriffen sie die Flucht. Nur vier Personen blieben auf dem Platz zurück.
Blue und ich, sowie der Bäcker, der immer noch um seine Brote weinte und eine
Gestalt, die durch das Feuer auf uns zukam.
„Die
Flammeln tun dir nichts. Die wirken nur gegen Stuhlmenschen“, grinste Blue und
ging direkt durch das Feuer. „Siehst du?“
„Das
waren Sie, die uns gerettet haben, oder?“, fragte ich die Gestalt. „Danke!“
Ich
stutzte als die Gestalt vor uns zum Stehen kam. Es war ein sehr deformierter
Mann, der sich kurz verbeugte und dann mit einer Stimme, die wie ein Reibeisen
war, sagte: „Die Flammeln werden bald verlöschen. Folgt mir.“
Zögernd
nickte ich. So ganz trauen tat ich dem Wesen nicht, aber immerhin hatte es uns
gerade gerettet.
„Blue,
was ist das?“
„Das
ist ein Namm“, erklärte er.
„Ein
was?“
„Ein
Namm. So etwas passiert wenn durch einen Zauber versucht wird einen Menschen zu
erschaffen. Du kennst doch sicher die Geschichte von Frankensteins Monster,
oder? Das hier ist so ähnlich, nur dass es mit Zauberei und nicht Wissenschaft
angegangen wurde – wobei einige sagen, dass es da keinen großen Unterschied
gibt. Beim Spruch ist etwas schief gegangen und er ist ein Namm geworden. So
einfach ist das.“ Blue zuckte mit den Schultern.
Dann
nahm er sein Pferd und folgte dem Namm durch die Straßen. Das hier schien das
Dorf der unvollständigen Kreaturen zu sein. Erst Stuhlmenschen, dann ein Namm.
Aber immerhin schien der uns gut gesinnt zu sein. Ich folgte den beiden und
neben mir lief Freundschaf.
Der
Namm führte uns zu einem Haus, das etwas abseits von der Stadt lag. Ein hoher
Zaun umgab es, als müsste er sich vor etwas schützen. Dank uns hatte er sich
gerade vermutlich die Stuhlmenschen zum Feind gemacht, also war der Zaun eine
weise Maßnahme. Die Pferde banden wir draußen an einem Apfelbaum an. Dann
folgten wir dem Namm ins Haus.
„Es
hat sich schon herumgesprochen, dass eine Gruppe Helden in Robben losgezogen
ist, um die Plotbunnys aufzuhalten“, sagte er sobald sich die Tür geschlossen
hatte und wir in dem kleinen Raum standen, der sowohl das Schlafzimmer und die Küche
als auch das Wohnzimmer beinhaltete. Eine winzige Tür ging zu einer Seite weg,
hinter der ich das noch fehlende Badezimmer vermutete. „Ich nehme an das seid
ihr. Auch wenn ich unter einer Gruppe mehr als zwei Personen verstehe.“
„Wir
mussten uns trennen“, sagte Blue. „Wir sind auf dem Weg zum Könling, weil wir
seine Hilfe brauchen. Die anderen beiden Mitglieder unserer Gruppe mussten in
die Horrorgegend.“
„Das
ist eine sehr gefährliche Ecke“, bestätigte der Namm.
Konnten
die Leute nicht mal aufhören das zu sagen? Ich machte mir sowieso schon Sorgen
um meine Oma. Da musste mir das nicht noch jeder unter die Nase reiben. Obwohl
das, was sie dort erlebten nicht viel schlimmer sein konnten als das, was uns
hier passierte. Diese ganze Gegen war einfach nur gaga.
„Wenn
ihr mit dem Könling sprechen wollt, müsst ihr zuerst um eine Audienz bitten.
Ich habe einen Spiegel hier, damit könnt ihr seine Sekretärin benachrichtigen.“
Er deutete auf einen Spiegel, der an der Wand über einer Kommode hing.
„Ein
Spiegel? Wie kann man damit jemanden benachrichtigen?“, murmelte ich.
„Das
ist wie ein Videochat“, meinte Blue. „Richtig cool eigentlich. Wenn man die
richtige Kombination von Mustern auf dem Rahmen drückt wird man mit einem
anderen Spiegel verbunden und kann mit den Leuten dort sprechen. Ich wollte
auch immer so einen haben.“
„Mmh.“
Ich sah das Ding zweifelnd an. Also ich wusste jedenfalls nicht wie man das
bediente.
„Ich
kann die Nachricht für euch weiterleiten“, schlug der Namm hilfsbereit vor. „Da
Mr. Ian Woon bestimmt von eurer Ankunft berichtet hat wird euch der Könling
erwarten. Er wird euch bestimmt morgen empfangen.“
„Morgen
erst?“
Dann
hatten wir ein Problem. Im Saubertrank wollte ich bestimmt kein Zimmer nehmen.
Es würde nicht helfen wenn ich als Karte und Blue doppelt vor dem Könling
erschien. Aber hier konnten wir auch nicht bleiben. Man denke an die
Stuhlmenschen.
„Wenn
es euch nichts ausmacht zusammen auf dem Sofa zu übernachten könntet ihr hier
für eine Nacht unterkommen“, bot der Namm an.
Dass
wir ihn getroffen hatten war das Beste, das uns hätte passieren können.
„Danke!“
„Sofern
es euch nichts ausmacht natürlich“, beeilte er sich zu sagen. „Ich hätte zum
Beispiel schon längst wieder Staubsaufen sollen. Nur ist leider mein
Staunsauger kaputt.“
Er
deutete auf eine seltsame Maschine, die an der Wand lehnte. Direkt daneben
befand sich das, was der Aufschrift nach zu urteilen, eine Reissäge war. Als
ich mir die Reissäge näher ansah, entdeckte ich den Aufkleber mit den Worten made in China.
„Natürlich
macht es uns nichts aus! Nicht wahr, Blue?“
Der
war immer noch fasziniert vom Spiegel und nickte nur.
„Die
meisten Menschen machen einen Bogen um mich“, meinte der Namm und ließ den
deformierten Kopf hängen. „Ich glaube sie haben Angst vor mir.“
„Dann
sind die meisten Menschen Idioten.“ Soweit nichts Neues. Das war mir schon
vorher klar gewesen.
Das
schien den Namm aufzumuntern, denn er begann, ein Lied summend, Teller und
Tassen auf den Wohnzimmertisch zu stellen. Danach setzte er Kaffee auf.
„Könnte
einer von euch vielleicht die Kekse aus der Verratskammer holen?“, bat der Namm
„Was
um Hummels Willen ist eine Verratskammer?“
„Da
wurden früher Verräter drin festgehalten. Gerne auch mal Plotbunnys. Aber keine
Sorge, das ist schon ewig her und ich habe gut sauber gemacht.“
In
einer Nische neben der Küchenzeile fand ich hinter einen Vorhang die
Verratskammer. Sie sah eigentlich aus wie eine stinknormale Vorratskammer. Ich
schnappte mir eine Schachtel Schokoladenkekse – von den ganzen fliegenden
Schokoladenmuffins hatte ich irgendwie einen Heißhunger auf Schokolade bekommen
– und zog den Vorhang wieder zu.
Auf
einmal hörte ich ein Kichern. Zuerst dachte ich, dass mein Spott zurückgekehrt
war, doch von dem hatte ich nichts mehr gehört seit wir das Dorf betreten
hatten.
„Das
ist nur der Vorrat“, erklärte der Namm. „Manchmal kichert der. Ich gehe ihn
ausmachen falls es dich nervt, aber normalerweise hört der irgendwann von
selbst wieder auf.“
„Äh,
danke. Geht schon.“
Ich
stellte die Kekse zum mittlerweile fertig gebrühten Kaffee auf den Tisch. Ich
bat allerdings lieber um eine Tasse Tee.
Während Blue und ich schon an unseren Getränken schlürften, benutzte der
Namm den Spiegel. Von hier konnte ich nur eine rundliche Frau mit Dauerwelle
sehen, die ihm antwortete, dann war das Gespräch auch schon beendet und der
Namm setzte sich zu uns.
„Mr.
Ian Woon hat euch tatsächlich schon angekündigt und ihr habt morgen eine
Audienz. Gleich morgen früh, was bedeutet, dass ihr früh aufstehen müsst um
rechtzeitig anzukommen. Es ist wichtig pünktlich zu sein, immerhin werdet ihr
mit dem Könling sprechen.“
„Ist
er ein guter Herrscher?“, fragte ich.
„Ja,
das ist er. Als die Plotbunnyinvasion begonnen hat, hat er zum Beispiel sofort
Boden nach Schreibstadt geschickt“, sagte der Namm.
„Ja,
ich hab die Bekanntschaft von einem gemacht.“ Wie es denen wohl ergangen war?
Waren sie doch den Bunnys erlegen, oder hatten sie weiter holde Maiden gerettet?
„Nicht
nur das. Er hat auch Männer an unseren Grenzen postiert. Die konnten die Bunnys
natürlich nicht ewig aufhalten, aber zumindest sind nicht ganz so viele zu uns
durchgekommen. Oder habt ihr hier schon Bunnys gesehen?“
Bisher
noch nicht. Das war mir gar nicht aufgefallen! Aber wenn die Bunnyinvasion wirklich
so schlimm war wie alle sagten warum hatten wir hier noch keine gesehen?
„Sie
wurden alle eingefangen und werden nun in bestimmten Häusern der Stadt
aufbewahrt. Es kommen immer neue nach und die Bunnys in den Gebäuden vermehren
sich natürlich auch. Irgendwann wird eins entstehen, das den anderen beim
Ausbruch helfen kann. Dann wird die Invasion schlimmer sein als vorher.“ Der
Namm nahm einen Schluck Kaffee. „Deshalb hat es der Könling auch so eilig euch
zu sehen. Er wird euch bestimmt helfen.“
Das
wagte ich zu bezweifeln. Bisher war keine unserer Ideen in der Umsetzung
besonders leicht gewesen. Besonders wenn es um Könige und Schätze ging wollte
ich nichts beschwören. Bei den meisten von ihnen konnte ich mir vorstellen,
dass sie sich nur äußerst ungern von ihren Reichtümern trennen würden.
Das
Kichern im Verratsraum hatte immer noch nicht aufgehört. Im Gegenteil, mittlerweile
war es so laut geworden, dass es unsere Gespräche beeinträchtigte.
„Was
ist denn heute nur mit meinem Vorrat los?“, ärgerte sich der Namm. „Das macht
der doch sonst nie!“
Ein
weiteres Geräusch mischte sich zum Kichern. Es hörte sich an als hätte es im
Verratsraum begonnen zu regnen. Ein leichtes Rieseln, das allerdings schnell in
ein Rauschen überging. Unter dem Vorhang begann etwas Weißes zu schimmern, das
sich schnell über den Boden ausbreitete. Das Rauschen nahm weiter zu. Der
Vorhang wurde nun zur Seite gedrückt und die Welle aus weißem Zeug ergoss sich
direkt vor unsere Füße – und sie wuchs immer weiter.
„Eine
totale Reisüberflutung!“, schrie Blue und sprang auf das Sofa.
„Ich
hatte befürchtet, dass das irgendwann mal passieren würde“, seufzte der Namm.
„Den verzauberten Reis habe ich geschenkt bekommen. Wenn man ihn nicht schnell
genug isst, vervielfältigt er sich. Genau deshalb habe ich die Reissäge
gekauft.“
„Funktioniert
die?“, fragte Blue, bereits auf dem Weg zur Reissäge. Mit den Worten „na
immerhin werden wir nicht verhungern“ warf er den Motor an. „Alle Namm mir
nach!“
Der
Motor dröhnte und der Reis rauschte während Blue mit der Säge auf das weiße
Zeug einhieb. Tatsächlich schien der Berg aus Reis sofort zu schrumpfen. Diese
Säge musste auch irgendwie magisch sein, denn Blue trieb den Reis zurück in die
Verratskammer, solange bis auch das letzte Korn zurück in seine Packung gesprungen
war und sich der Reisverschluss daran von alleine geschlossen hatte.
„Vielleicht
sollten wir Milchreis machen“, schlug der Namm vor. „Bevor wir in die Stadt
gehen.“
„Aber
da sind doch die Stuhlmenschen…“ Die Erinnerung an den Besuch eben war noch
sehr frisch. Das musste kein zweites Mal sein.
„Solange
ich dabei bin tut euch niemand was. Es hat auch seine Vorteile wenn Menschen
Angst vor mir haben.“
War es Absicht das du bei dem Kapitel keine Einrückungen gemacht hast... und was haben die Zahlen zwischendrinn zu sagen?
AntwortenLöschenUnd Mia und Blue schlafen zusammen! Na ob das was wird.
Nein, war es nicht. Weißt du noch? Das war glaube ich eins der Kapitel, die ich bei dir hochgeladen habe. Da gab es ja ein paar Probleme mit dem Computer, sodass ich es von einem PDF aus machen musste. Dabei scheinen die Einrückungen abhanden gekommen, aber dafür die Seitenzahlen im Post gelandet zu sein.
LöschenAußerdem unterschätzt du meine Sturheit. Ich hatte mir vorgenommen dieses Jahr keine Liebesbeziehung mit reinzubringen (von Lurz und Marga mal abgesehen).
LöschenStimmt, ich erinnere mich da war was... und ich überschätze deine Sturheit lieber als sie zu unterschätzen.
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