Freitag, 28. November 2014

28. Kapitel



Die Tür zum Hakenfisch ließ sich schwer öffnen und ließ ein unheilvolles Knarren hören als Marga es schließlich doch schaffte. Sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, war das dumpfe Aufschlagen der Beine nur noch im Hintergrund zu vernehmen. Vermutlich hatte die Kneipe eine extra Abschirmung gegen so etwas, vor allem wenn es öfter passierte.
Der Hakenfisch war eine verrauchte, mit Möbeln aus dunklem Rauch eingerichtete Kneipe. Bei den Möbeln musste Marga zweimal hinsehen, doch es handelte sich wirklich um Rauch. Er hatte die Form von Tischen, Stühlen und einer Bar angenommen und da einige vermummte Gestalten auf den Stühlen saßen, mussten sie solide sein. Es sei denn die Gestalten waren körperlos, was natürlich auch sein konnte. Im hinteren Teil des Raumes standen außerdem zwei Sessel, die aus toten Ratten gefertigt zu sein schienen.
Erhellt wurde der Raum vom staubigen Lumpen. Staub war sowieso überall. Selbst die Falschen hinter der Bar waren von einer dicken Staubschicht überzogen. Nur auf den Rauchmöbeln war kein Staub zu sehen, was bei Marga wieder die Frage aufkommen ließ ob sie solide waren oder nicht.
In einer Ecke der Schenke war der Holzboden so weit aufgerissen, dass man das Gras darunter sehen konnte. Sogar hier standen ein Tisch und ein paar Stühle, die einzigen, die im Raum noch frei waren.
Die Stimmung war genauso düster wie die EIntichtung. Einzig ein dunkles Rotz dominierte die Wand hinter der Bar und gab dem Raum wenigstens so etwas wie Atmosphäre.
„Ich müsste mal kurz durch.“ Eine der vermummten Gestalten war vor ihnen aufgetaucht. „Sie blockieren die Tür. Es ist ein Notfall; es geht um Leichen und Tod.“
„Natürlich“, sagte Marga und zog Phoenix einen Schritt zur Seite um die Gestalt durchzulassen. Warum sich der Mann nur beeilte wenn sowieso alle gestorben waren? Wenn jemand am Leben wäre und in Todesgefahr schwebte würde sie die Hektik ja verstehen, aber so…
Marga stütze Phoenix so lange bis sie die Bar erreicht hatten und sich auf den Rauchhockern niedergelassen hatten. Sie waren, wie Marga erleichtert feststellte, aus festem Material und sogar recht bequem.
„Wenn Sie hier sitzen, müssen Sie auch was nehmen“, polterte der Barkeeper.
„Natürlich. Machen Sie uns irgendwas.“
Im nächsten Moment wünschte sie sich die Worte zurücknehmen zu können, denn gerade war ihr aufgefallen, dass der Cocktail, den ein Mann zu ihrer Rechten trank die Farbe und Konsistenz von Schlamm hatte. Der Mann warf ihnen nur einen missbilligenden Blick zu, dann nahm er seinen Cocktail und setzte sich in einen der Rattensessel.
„Hier.“
Der Barkeeper knallte ihnen zwei Cocktails hin. Sie standen auf dem Tresen vor ihnen und schauten ihnen tief in die Augen. Marga schlucke. Da waren Augen in ihrem Getränk. Und davon sogar eine ganze Menge. Als sie keine Anstalten machte das Gebräu zu trinken, blinzelten ihr die Augen zu.
„Danke“, sagte sie dem Barkeeper, die Augen nicht von den Augen nehmend.
Um dem Blick des Barkeepers zu entgehen stellte sie die Getränke auf den kleinen Tisch in der Ecke wo das Gras zu sehen war und half dann Phoenix sich dazuzusetzen. Diese hielt sich den Kopf, auf dem sich eine Platzwunde von der Größe eines Fingers befand.
„Ach Gottchen, Phoenix. Bist du in Ordnung?“, flüsterte Marga.
„Es geht schon. Aber dieses Bein war schwer“, sagte Phoenix. „Hast du einen Erste-Hilfe-Kasten dabei? Ein Pflaster wäre nicht schlecht.“
„Das sieht aus als bräuchtest du mehr als ein Pflaster. Wenn du Pech hast muss das genäht werden.“
„Aber sicher nicht in dieser Gegend. Die halten nicht viel von Ärzten“, erklärte Phoenix.
„Tatsächlich tun sie das nicht.“ Einer der anderen Gäste klinkte sich in ihre Unterhaltung ein. „Ich selbst bin elendig verblutet ohne dass mir irgendjemand geholfen hat“, lamentierte das Wesen.
„Sind Sie in Ordnung?“ Marga sah sich den neuen Gesprächspartner etwas genauer an. „Sie wirken etwas verwesend.“
Der Zombie drehte sich beleidigt zur Seite. „Und da versucht man nett zu sein.“
„Ich wollte Sie nicht beleidigen, wirklich. Nur sind Sie der erste Zombie dem ich begegne.“
„Ach wirklich?“ Der Zombie wirkte milde interessiert. „Das ist aber merkwürdig. Ich kenne sehr viele von meiner Art.“
„Gut zu wissen.“
Marga war einen Moment von den Füßen ihres Gegenübers abgelenkt, denn das Gras reichte ihm bis knapp zu den Knöchlein, die durch halb verschwundenes Fleisch und Haut zu sehen war.
„Wollen Sie vielleicht einen Cocktail?“, fragte sie den Zombie. „Ich glaube jetzt doch nicht, dass ich Alkohol zu mir nehmen sollte. Also falls Sie Interesse haben…“
Der Zombie war tatsächlich begeistert von der Aussicht und so wurde Marga immerhin einen der Augencocktails los. Der andere stand noch vor Phoenix, die ins Leere starrte. Hoffentlich hatte sie keine Gehirnerschütterung abbekommen.
Marga ging zurück zur Bar und fragte die Barkeeperin nach einem Tee und außerdem nach einem Zimmer. Mit einer gefüllten Tasse und einem kleinen Schlüssel kehrte sie zu Phoenix zurück.
„Nicht sehr gesprächig, ihre Mitreisende“, meinte der Zombie.
„Nehmen Sie es ihr nicht übel. Sie hat gerade ein Bein an den Kopf bekommen“, versuchte Marga zu erklären.
„Ja, in diesem Teil des Landes muss man vorsichtig sein. Nur ein falscher Schritt und – zack! – wird man ermolcht. Traurig ist das, wirklich traurig.“
„Ermolcht hört sich wirklich nicht schön an“, bestätigte Marga und besah sich ihren Tee. Er hatte eine seltsame Farbe und Konsistenz, wie anscheinend alles das hier serviert wurde.
„Ja, vor allem für den Molch ist das immer eine schreckliche Erfahrung.“
Der Zombie nahm einen Schluck von seinem Cocktail. Dann fischte er mit seinen Skelettfingern eins der Augen aus der Flüssigkeit und fing an es zu essen. Es war auf jeden Fall gut, dass Mia nicht dabei war, denn sie schien ja einen etwas sensibleren Magen zu haben. Marga schluckte nur kurz und sah dann auf ihren Tee, der, wie sie nun vermutete, eher ein Teer war.
„Dieses Wetter ist schrecklich“, führte der Zombie ihre Unterhaltung fort. „Und der Graf sitzt bestimmt grufselig in seinem Schloss während ich meinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Plotbunnys jagen ist gerade das, was einem das meiste Geld bringt, wussten Sie das?“
„Plotbunnys? Gibt es hier auch so viele davon?“ Dann hatten sie sich aber schon weit verbreitet.
„Ja, gibt es. Und teilweise sind es wirklich scheußliche Dinger. Erst gestern habe ich eins gefangen, das tatsächlich rosa war und mit lauter kleinen Herzchen bestückt war! Wenn es wenigstens eins von denen mit Fledermausflügeln gewesen wäre. Aber so eins…“ Allein die Erinnerung ließ ihn schaudern. „Da sieht man zu was die Welt verkommt.“
Seine Theorie wurde davon untermauert, dass der Barmann und die Barfrau anfingen sich zu küssen.
„Und ich war der Überzeugung gewesen, dass sie nur eine einfache Angst-Elle war“, meinte es, das rümpfend was von seiner Nase übrig war.
Marga beschloss mutig zu sein und trank einen Schluck von ihrem Teer. Er hatte tatsächlich etwas von Straßenbelag, doch die Wärme half ihr den Schauer zu vertreiben, der ihr den Rücken hinunterlief.
Sobald sie den Teer geleert hatte entschuldigte sie sich beim Zombie für den frühen Aufbruch und schenke ihm als Entschädigung den zweiten Augencocktail. Dann half sie der immer noch stummen Phoenix die Treppe hinauf. Das Zimmer war spärlich eingerichtet. Überall wuselten Schlammasseln herum und die Betten sahen aus als würden sie einbrechen sobald man sich hinlegte.
In Phoenix‘ Rucksack, in dem sich auch ihre Sachen befanden, da die jüngere Frau darauf bestanden hatte alles zu tragen, fand sich Verbandszeug. Fachgerecht verarztete sie die Platzwunde und stellte sich dann den Handywecker so ein, dass sie alle paar Stunden geweckt wurde. Falls ihre Partnerin eine Gehirnerschütterung hatte, dürfte sie die Nacht nicht durchschlafen.
In dieser Bruchbude wäre ihr selbst das sowieso schwer gefallen. Wenn man nicht aufpasste wurde man bestimmt im Schlaf ermolcht.

Am Morgen war Marga froh, dass die endlich aufstehen konnte. Der Schlafrhythmus der Nacht steckte noch in ihren Knochen und auch Phoenix sah alles andere als fit aus. Dafür bekam Marga ein „guten Morgen“ zu hören, was wohl bedeutete, dass es ihrer Kollegin besser ging.
Sie aßen ein wenig Proviant auf ihrem Zimmer. Da sich die Getränke als größtenteils ungenießbar herausgestellt hatten, nahm Marga an, dass es um das Essen nicht besser bestellt war.
Sie packten ihre Sachen und gingen nur hinunter um zu zahlen. Der Zombie saß an der Bar und aß etwas, das an Kohle erinnerte. Er winkte ihr freundlich zu, während Phoenix die Übernachtung bezahlte.
„Sollen wir noch eine Zeitung mitnehmen?“, überlegte Marga als sie einen Stapel davon auf dem Tresen liegen sah.
„Besser nicht. Das einzig interessante da drin sind die Horrorskope. Aber die machen dir Angst auch nur einen Fuß aus der Tür zu setzen“, meinte Phoenix.
Über Nacht hatte es aufgehört Beine zu regnen und sogar die Beine waren auf mysteriöse Art und Weise verschwunden. Alles sah normal aus. Dunkel und düster, aber durchaus normal.
Die Pferde schienen sehr erleichtert zu sein endlich die Gegenwart der Echse verlassen zu können. Im Stall hatten sie Wasser und Heu gehabt und so waren sie die einzigen der Truppe, die halbwegs versorgt gewesen waren. Außer mit Schlaf, denn die beiden sahen ebenfalls so aus als hätten sie in der Nacht kein Auge zubekommen.
Die Straße war mit seltsamen Büschen gesäumt. Eine Sorte davon trug glänzende, kirschähnliche Fürchte, während die nächste mit toten Beeren bestückt waren. Phoenix meinte, dass man beides zwar essen könnte, aber nicht unbedingt sollte.
Es dauerte den halben Tag bis sie die Burg erreichten, doch der Anblick half nicht gerade ihre Laune zu heben. Die ganze Burg war von einem Wassergraben umgeben, in dem es von sieben-Meter-Krokodielen nur so wimmelte. Die Dielen hatten scharfe Kanten wie die Zähne von Haien und lauerten direkt unter der Wasseroberfläche. Marga und Phoenix hatten nur von ihnen erfahren, weil eine aus dem Wasser gesprungen war um nach einem Vogel zu schnappen, der zu tief über den Burggraben geflogen war.
Auf allen Seiten stand die Burg frei, sodass sie schon von Weitem gesehen werden würden falls sie versuchen sollten sich anzuschleichen. Auf einer anderen Seite befand sich ein großer See. Nach den Krokodielen im Wassergraben schied der als Einstiegsmöglichkeit jedoch nach einstimmigem Beschluss aus.
Phoenix hatte einen Feldstecher, eine Mischung aus einem Fernglas und einem Feldstecher, wobei Marga sowieso nie den Unterschied zwischen den beiden verstanden hatte, aus dem Rucksack gezogen, durch den sie die Burg beobachtete.
„Wir müssen uns irgendwie reinschleichen. Am besten geht das wenn wir zuerst den Wachosten außer Gefecht setzen und uns dann weiter vorarbeiten. Wenn wir mindestens noch den Wachnorden oder den Wachsüden danach erledigen haben sie keine Zeit mehr die Zugbrücke hochzuziehen.“ Phoenix rieb sich die Augen. „Ich glaube nicht, dass dieser schlechte Trick aus Filmen sich als Getrüpp einzukleiden hier funktionieren wird. Hier gehen leider keine Truppen ein und aus unter die wir uns mischen könnten.“
Marga war währenddessen dabei sich die Schläfen zu markieren. „Lass es uns endlich hinter uns bringen. Ich hasse diese Farbe im Gesicht, selbst wenn es nur zur Tarnung ist. Schwarz ist so gar nicht mein Ding.“
Ihre weiße Robbe war im Rucksack verstaut worden und sie hatte sich dazu überreden lassen zumindest ein Oberteil in dunklem lila anzuziehen und sich das Gesicht zu schwärzen. Nur auf ihren Regenschirm hatte sie bestanden. Wenn sie auf Wachen des Masters trafen wollte sie sich verteidigen können.

„Wir müssen warten bis es dunkel ist. Im Tageslicht würden wir sofort entdeckt werden.“

Marga sah zum Horizont. Die Sonne war noch zu sehen, doch es würde keine Stunde mehr dauern bis sie unterging. Immerhin mussten sie nicht mehr lange warten.

7 Kommentare:

  1. "Phoenix hatte einen Feldstecher, eine Mischung aus einem Fernglas und einem Feldstecher", der Satz gefällt mir, obwohl das vermutlich nicht ganz deine Absicht war =)
    Mir ist aufgefallen, dass du gelegentlich in die erste Person rutschst beim Schreiben. Klar, wenn man halt alles in erster Person schreibt und dann plötzlich in der dritten... Das ist schon schwer. Ansonsten gefällt mir eigentlich bisher der Mia-und-Blue-Strang besser, allerdings mag ich die Horrorgegend lieber, von daher nimmt sich das alles nichts ^^
    Nach wie vor finde ich die Story sowieso genial =)

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  2. Den Fehler habe ich sogar selbst fabriziert. xD
    Danke für den Tipp, dann achte ich beim Überarbeiten mal mehr drauf. Aber wo genau hast du das gefunden? Ich habe kurz drübergeschaut, aber da bisher nichts entdeckt. Ich würde das gerne korrigieren.

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    1. Ich hab grad auch nur ein Beispiel wiedergefunden: "Sie standen auf dem Tresen vor uns und schauten uns tief in die Augen.", das ist aus diesem Kapitel, der Teil mit dem Augen-Cocktail (IRGH.)

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    2. Ah, danke. :)
      Vielleicht findet ja noch jemand was. ^^ (Ja, die Horror-Ecke ist eklig. Es wird noch schlimmer, glaub mir)

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  3. (Zitat) Die Tür zum Hakenfisch ließ sich schwer öffnen und ließ ein unheilvolles Knarren hören als Marge es schließlich doch schaffte.

    (Zitat) „Natürlich“, sagte Marge und zog Phoenix einen Schritt zur Seite um die Gestalt durchzulassen.

    Aller guten Dinge sind drei (Zitat) Phoenix hatte einen Feldstecher, eine Mischung aus einem Fernglas und einem Feldstecher, wobei Marge sowieso nie den Unterschied zwischen den beiden verstanden hatte, aus dem Rucksack gezogen, durch den sie die Burg beobachtete.

    Jetzt schleichen sich also sogar die Simpsons in die Fehlerthreadgeschichte... soso.

    Ach ja... meine liebe Kaja und ihr Versuch jemanden zu ermolchen, mit diesem tödlichen Molch. Ich feier XD

    Kann Betty Blue auch nur zustimmen ^^ Die Story ist genial und immer noch top erzählt angesichts des Marathons <.<

    Ich mag glaub ich auch Mias und Blues Geschichte etwas mehr... aber die Horrorgegend ist echt einfach nur Top.

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    1. Und ich dachte ich hätte alle Marges gefunden. Das ist mir öfter passiert. *seufz*
      Ich habe das ganze Dokument nochmal durchgeschaut und alle Fehler dieser Sorte waren in diesem Kapitel. Soll das was bedeuten?

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    2. Ja... das bedeutet das du in dieser Phase des Marathons ganz schön am Ende warst.

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