Ungefähr
viereinhalb Stunden und zwanzig Minuten nachdem wir das erste Mal am
Wörterlabyrinth vorbeigelaufen waren kamen wir dann endlich beim Kloster an.
Immerhin mussten wir den Weg noch ein drittes Mal laufen, dank Uhrwurm.
Die
Tore des Klosters waren verschlossen, sodass wir anklopfen mussten. Dann wurde
zuerst ein… Dingsda…
„Wie
heißt nochmal die komische Klappe, die da gerade zur Seite geschoben wird?“,
flüsterte ich meiner Oma zu. „Du weißt schon, das Gucklochdingsda.“
„Keine
Ahnung. Pscht, da macht wer auf.“
Eine
der Nonnen warf einen Blick auf unsere bunte Truppe und hob fragend eine
Augenbraue. „Haben Sie irgendwelche Plotbunnys dabei?“
„Nein,
natürlich nicht. Wir haben den größten Teil von gestern damit verbracht vor den
Dingern zu fliehen“, maulte Blue.
„Dann
willkommen.“
Das
Tor glitt gerade so weit auf, dass wir uns samt Rucksäcken hindurchquetschen
konnten. Vor allem die magischen Robben erregten anscheinend Missfallen, denn
sie wurden von den Schwestern, welche die Tür bedient hatten, abfällig
gemustert. Vermutlich wurde es hier nicht gern gesehen, wenn man zu den anderen
Göttern des NaNo-Landes betete. Was ihnen ebenfalls nicht gefiel, war Kaffee,
das Totenklopfäffchen.
„Affen
sind im Kloster verboten“, erklärte die Nonne, die uns geöffnet hatte.
„Was?
Warum denn?“ Ich kraulte Kaffee am Kopf, der aus dem Rucksack lugte.
„Wir
halten gerade ein Totenritual ab und diese Art von Affe klopft nun mal auf
Tote. Das wäre nicht sehr pietistisch, nicht wahr?“
„Vermutlich…“,
grummelte ich. „Aber kann ich ihn nicht wenigstens in irgendeinem Raum hier
lassen? Nur bis wir wieder gehen...“
„Meinetwegen“,
sagte sie nach einer Minute Bedenkzeit. „Aber der Raum wird die ganze Zeit
abgeschlossen bleiben.“
„Dann
braucht er was zu essen und zu trinken.“
Die
Frau sah aus als fehlte nicht mehr viel um sie zur Weißglut zu bringen. Dennoch
nickte sie knapp und sperrte Kaffee mit etwas Wasser und Obst in eine Kapelle.
Dann schickte sie ein Stoßgebiet zum Himmel – es schien viele Bäume und Berge
zu enthalten und kam aus ihrem Kopf geflogen, WTH? – und führte uns in den
Hauptteil des Klosters. Sofort rümpfte ich die Nase. Was war dieser
grauenerregende Geruch?
„Irgendwo
müssen Rächerstäbchen brennen“, flüsterte meine Oma. „Die helfen wenn der Tod
einer Person besonders grausam war. Damit sich der Geist nicht an anderen
Menschen, vor allem Unschuldigen rächt…“
„Rächerstäbchen?“
„Rächerstäbchen“,
bestätigte sie.
Die
rochen jedenfalls echt mies. In einem Raum, den wir passierten, saß eine Nonne.
Neben ihr lag die Leiche eines Mannes. Sie sah aus als bewache sie einen
Gegangenen, um seine Seele ins Jenseits zu bringen. Soviel reimte ich mir
jedenfalls zusammen, nach dem, was ich vorher gehört hatte. Schließlich
erreichten wir eine kleine Kammer.
„Weshalb
seid ihr gekommen. Nur um den Plotbunnys zu entkommen?“
„Dann
haben sie diese Region auch schon erreicht?“, fragte Phoenix.
„So
weit entfernt sind wir ja nicht von Schreibstadt. Also ja. Das ist auch der
Grund dafür, dass die Wunder krank sind. Wir wurden von den Plotbunnys
überrascht und einige Wunder wurden angeknabbert. In dem Chaos, das entstand
als wir die Hasen von unserem Grund und Boden verjagt haben, ist das letzte
gesunde Wunder verletzt worden“, meinte die Nonne und schüttelte missbilligend
den Kopf.
„Aber
wir brauchen ein Wunder! Deshalb sind wir hergekommen!“ Blue krallte seine
Hände in seine zerrissene Jeans. Wenn er das noch weiter machte würde das Teil
komplett auseinanderfallen. Auf den Anblick konnte ich verzichten.
„Tut
mir leid, aber alle Wunder sind krank.“
„Aber
wir brauchen eins um die Plotbunnys loszuwerden!“
Bei
der Erklärung stockte die Nonne. „So haben wir das ja noch gar nicht gesehen.
Falls wir die Wunder rechtzeitig gesund bekommen…“
„Das
ist unsere einzige Chance!“
Die
Nonne sah aus als sei sie scharf am Überlegen. Falls sich die Runzeln auf ihrer
Stirn noch weiter vertiefen würden, würde ich mir Gedanken machen ob das ein
neuer Tiefseegraben werden könnte.
„Ich
kann die Mutter Oberin fragen, ob es noch irgendwo ein Wunder gibt. Warten Sie
einen Moment.“
Die
Frau verließ den Raum und ließ uns einige Minuten schweigend zurück.
„Na
das ist ja fantastisch gelaufen“, stöhnte Blue. „Die Wunder sind krank. Die Wunder sind krank! Allein wie sich
dieser Satz anhört!“
Phoenix
sagte nichts, sondern blieb einen Moment still auf einer Betkante sitzen.
Betete sie da? Würde das irgendwas bringen? Das mit den Göttern im
Sonnenschrein hatte schon mal nicht funktioniert. Und die Robben waren auch zu
nichts nütze. Von wegen Glücksbringer…
Schritte
im Gang kündigten die Rückkehr der Nonne an. „Die Mutter Oberin will nicht
gestört werden, aber Sie könnten gerne mitkommen und sich die Wunder ansehen.
Danach, meint sie, würde sie Sie empfangen.“
Phoenix
erhob sich von der Betkante und folgte der Nonne. Wir anderen gingen ihr nach,
Blue mit knirschenden Zähnen. Der Raum der Wunder lag am anderen Ende des
Klosters. So hatten wir alle genug Zeit die Bogengänge und den Klosterinnenhof
zu bewundern, den alten Stein, aus dem alles gebaut war. Im Sommer musste das
ein Paradies sein, denn selbst die Hochsommersonne würde es nicht schaffen den
Steinen ihre Kälte zu nehmen. Im Winter wollte ich lieber nicht hier wohnen.
Die Heizkosten mussten astronomisch sein.
„Hier.“
Die
Nonne öffnete eine schwere Tür. Dahinter war ein Brett neben dem anderen
ausgestellt, in denen die Wunder ihre Brettruhe verrichteten. Soviel hatte uns
die Nonne nämlich verraten: Dass der Arzt ihnen Brettruhe verordnet hatte. Was
auch immer das sein mochte.
„Wir
brauchen einen Heiler“, sagte sie. „Jemanden, der die Wunder versorgen kann.
Einen Wunderheiler. Aber um so einen zu finden hilft wohl nur ein Wunder.“
Tja,
und die waren alle krank. Was für eine Zwickmühle.
„Also
was mit dem los ist sehe ich“, meinte Blue und deutete auf eins der Betten. „In
der Wunder da steckt ein Messer.“
„Der
Wunder?“
„Ja,
das ist weiblich“, erklärte er mir. „Die Wunder, feminin. Der Wunder, maskulin.
Die Wunder, Plural. Kann man das nicht einfach rausziehen?“, fragte er die
Nonne.
„Leider
nein. Dann würde die Wunder ausbluten. Und dann hätten wir noch eins verloren.
Das einzige was helfen kann ist, dass eins wieder gesund wird und wir mit dem
dann die anderen heilen.“
„Und
wie lange würde das dauern?“, wollte Blue wissen.
„So
ein paar Monate brauchen die schon.“
„Nein!
Das wäre doch viel zu spät für den NaNo!“, rief er.
„Pscht“,
zischte die Nonne. „Weck die Wunder nicht auf. Die müssen heilen.“
Da
hier eindeutig nichts auszurichten war, verließen wir alle so leise wie möglich
den Raum, dessen Tür hinter uns abgeschlossen wurde, damit niemand die Wunder
störte.
„So.
Ihr wart die einzigen unheilmilchen Gestalten, die bisher die Wunder gesehen
haben“, meinte die Nonne.
„Unheilmilch?“
Was war das jetzt schon wieder.
„Ja.
Wir haben Unheilmilch. Und Weinwasser. Aber das haben wir gerade nicht zur
Hand.“
„Zum
Glück, würde ich sagen“, flüsterte Blue mir zu.
Die
Leiterin des Klosters war in einem der angrenzenden Räume. Nachdem die Nonne
geklopft hatte und ein leises „herein“ als Antwort erhalten hatte, wurden wir
eingelassen. Die Oberin schien in tiefste Medikamentation versunken. Als Blue
vorsichtig „hallo?“ fragte, sah sie jedoch auf.
„Willkommen.“
„Bin
das nur ich, oder ist die ein wenig gruselig“ flüsterte Blue wieder.
„Wir
haben schon von der Tragödie mit den Wundern erfahren. Mein tiefstes Beileid“,
sagte Phoenix. „Ich bin Phoenixfeder und das sind meine Begleiter Marga, Blue
und Mia. Wir wurden von Mr. Ian Woon beauftragt ein Mittel gegen die Plotbunnys
zu finden.“
„Da
seid ihr hier an der richtigen und gleichzeitig falschen Adresse. Normalerweise
hätten wir vielleicht helfen können. Aber nun…“
„Ja,
davon wissen wir schon“, unterbrach Blue sie. „Aber gibt es nicht irgendwo ein
Wunder, dass wir benutzen könnten? Die können doch nicht alle hier sein!“
„Es
gibt tatsächlich eins.“
Sollte
es tatsächlich möglich sein? Vielleicht brachten diese Robben ja doch was!
„Vor
einiger Zeit haben wir ein Wunder an einen Piratenkapitän in der schwingenden
Stadt verkauft. Sein Name ist Lurz.“
Lurz?
Und ich dachte meine Oma war mit ihrem Namen gestraft. Und dann auch noch als
Piratenkapitän. Armer Kerl. Nahm den überhaupt jemand ernst wenn er so einen
Namen hatte? Ich bin der schreckliche
Lurz, arrrr, hörte sich nicht besonders schrecklich an.
„Wenn
er sein Wunder noch nicht benutzt hat, könntet ihr ihn eventuell dazu überreden
es euch zu überlassen.“
„Danke.
Das hat uns wirklich sehr geholfen“, sagte Phoenix und stand auf. „Dann wollen
wir Ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen.“
„Wartet!
Es gibt jemanden, der euch begleiten möchte.“
„Bitte
lass es keine Nonne sein“, betete Blue, so leise, dass nur ich es hören konnte.
„Bitte lass es keine Nonne sein.“
Im
Stillen musste ich ihm Recht geben. Eine Nonne würde alles nur noch
komplizierter machen als es sowieso schon war. Vor allem wenn es die Schrulle
war, die uns die Tür geöffnet hatte. Konnte jemand noch unfreundlicher und
miesepetrig sein?
„Es
ist ein Nachfahre der Unnda, heiliger Wesen mit Heiligenschweinen über dem
Kopf“, verkündete die Oberin mit verheißungsvoller Stimme.
„Undda
sind wirklich heilige Wesen? So richtig mit Heiligenschwein über dem Kopf?“,
fragte Blue, seine Stimme triefend vor Sarkasmus.
„Ja,
heilig. Göttergleich. Mit Heiligenschwein. Aber es wurde seit Jahren keins mehr
gesehen, weder Undda, noch ihre Heiligenschweine. Es wird allerdings vermutet,
dass es sich bei den Schweinwerfern um Nachkommen der Heiligenschweine
handelt.“
„Und
wer soll uns dann begleiten?“ Irgendwie hatte ich bei ihrem Vortrag den Faden
verloren. Sie anscheinend auch, denn es dauerte eine Weile bis sie antwortete.
Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen wie uns ein Schweinwerfer helfen
sollte.
„Freundschaf.“
„Bitte
was?“ Meine Frage erübrigte sich Momente später.
Eine
der Nonnen führte ein flauschiges, wolliges Etwas zur Tür herein, das ich
zuerst für ein überdimensionales Plotbunny hielt – bis es ein langgezogenes Määääääh von sich gab.
„Wir
können noch etwas tun, um zu helfen“, ereiferte sich die Oberin zu sagen.
„Bitte
nicht noch ein Schaf“, wisperte Blue. „Bitte nicht noch ein Schaf.“
„Diese
Medikamente werden dir helfen besser einzuschlagen.“
Eine
der Nonnen hielt eine Pappschachtel in der Hand, die sie Blue entgegenhielt.
Der nahm das Geschenk zögernd entgegen. Ich warf einen Blick über seine
Schulter als er die Dose öffnete und betrachtete die darin enthaltenen, scheinbar
selbstgemachten, Pillen mindestens so misstrauisch wie er.
„Das
ist ein kraftsteigerndes Mittel. Falls ihr mal in einen Kampf geraten solltet.“
Na
immerhin etwas Nützliches! Nach den kranken Wundern und dem Schaf hatte sich
dieser Besuch vielleicht doch gelohnt.
„Wir
haben außerdem einen Anschluss an den gesunden Menschenversand. Er befindet
sich knapp außerhalb der Klostermauern. Wenn wir einen VIP-Versand bestellen
kommt ihr direkt von hier in ein Konvent in der Nähe der schwingenden Stadt und
so zum größten Hafen des Wörtermehrs.“
„Oh
nein! Bitte nicht!“
Alle
starrten mich entgeistert an.
„Alles.
Ich laufe auch eine Woche ohne Pause. Aber bitte nicht der gesunde
Menschenversand. Das Ding ist alles andere, nur nicht gesund.“
„Es
ist aber der schnellste Weg“, erklärte Phoenix sanft. „Wenn wir die Bunnys
aufhalten wollen müssen wir uns beeilen. Jede Sekunde zählt.“
„Jede
Sekunde, die ich nicht in dem Ding sitze, ist eine Sekunde in der mir nicht so
übel ist, dass ich alles auskotze was ich den Tag über gegessen habe! Bitte
nicht.“
Trotzdem
fand ich mich keine halbe Stunde später in einer der Transportkapseln wieder. Mein
Rucksack war zwischen meine Beine geklemmt und ich klammerte mich an die Gurte
als würde mein Leben davon abhängen. Die Mutter Oberin war tatsächlich mich
nach draußen gekommen, um uns zu verabschieden. Vielleicht hatte sie immer noch
ein schlechtes Gewissen wegen der Wunder. Oder weil sie mich dazu gebracht
hatte in dieses Höllending zu steigen.
„Und
denkt daran“, gab sie uns als letzten Hinweis mit auf den Weg. „Mit Wundern ist
das so eine Sache. Manchmal werden sie von den Göttern gegeben. Manchmal muss
man sie selbst zustande bringen.“
„Mäh“,
machte Freundschaf.
Und
ab ging die Reise.
Freundschaf *-* Sag mir bitte, dass du das auch noch zeichnest!
AntwortenLöschenArme Mia, ständig wird sie in den Menschenversand gesteckt... Tut mir echt Leid, die Gute. Aber das Äffchen ist süß =)
Ich weiß nicht warum... aber irgendwie kann ich mich gut mit Blue identifizieren.
AntwortenLöschenWieso genau?
LöschenDas ist es ja... ich weiß es nicht genau.
LöschenAch, mir ist Blue auch sympathisch :D.
AntwortenLöschenHoffentlich haben sie ihren Kaffee-Affen nicht im Kloster vergessen. Das arme Tier, nicht mal auf Tote darf es klopfen im Kloster.
Aber ob der Kapitän sein Wunder hergibt? Gleich weiterlesen :)