Mittwoch, 5. November 2014

5. Kapitel


Die Lautstärke war ohrenbetäubend, obwohl man im Gebäude der Pilzizei die Sirene kaum noch hören konnte. Dafür war das Stimmengewirr umso schlimmer. Mehrere Pilze befanden sich hinter Pulten, vor denen sich Menschen reihten. Andere Pilze bewegten sich – auch wenn ich nicht genau erkannte wie, denn sie hatten keine Beine – durch die Menge und brachten tapelweise Papier von einem Ort zum anderen.
„Jetzt macht der Name Sinn“, murmelte ich.
Auch Menschen in Uniform eilten durch die Gänge, doch die kümmerten sich herzlichen wenig um die Personen, die versuchten sie anzusprechen. Wir reihten uns in eine der Schlangen vor dem Pult einer Stinkmorchel ein. Gerade war diese allerdings damit beschäftigt einen Anrufer abzuwimmeln. Selbst über den Lärm der Leute hinweg konnte man die Stimme der Frau deutlich vernehmen.
„Aber in meinem Bett sitzt eine ganze Horde Plotbunnys und macht sich über meinen Wortsalat her! Schicken Sie gefälligst wen vorbei!“, keifte die Stimme. „Die Plotbunnyauffangstation sagt sie nehmen keine auf, weil sie total überlaufen sind!“
„Tut mir leid“, antwortete die Stinkmorchel in einem monotonen Singsang, der deutlich machte wie wenig leid es ihr tat. „Aber wir sind vollkommen unterbesetzt. Rufen Sie morgen früh nochmal an.“
„Aber die Plotbunnys sind…!“, begann die wütende Frau.
„Der nächste bitte.“ Die Stinkmorchel legte auf und schaute auf den Mann aus der Schlange, der direkt vor ihm stand. „Was wollen Sie melden?“
„Ich denke nicht, dass wir hier weiterkommen“, meinte meine Oma plötzlich.
Statt weiter in der Schlange zu stehen, ließ sie sich auf einen Stuhl sinken, der an der Wand stand. Anscheinend waren die für wartende Personen vorgesehen, obwohl sie außer uns momentan niemand nutzte. Alle anderen waren auf den Beinen. Ein Mann mit einer etwas anderen Uniform eilte vorbei. Er hatte auf beiden Seiten der Brust das goldene Abzeichen, sowie seltsame Schulterdinger…
„Oma, wie nennt man nochmal diese Schulterdinger da? Wie auf der Uniform von dem Kerl da?“
„Oh der? Das ist der Polizeiautor, der Leiter der Polizei. Aber wie man die Schulterdinger nennt weiß ich leider auch nicht.“
Na immerhin wusste ich jetzt wer das gewesen war. Ein anderer Pilzizist lief vorbei, einen Käfig mit einem flauschigen Etwas in der Hand. Als er an uns vorbeikam sah ich jedoch, dass das Etwas bei jedem Schritt nach seinen Fingern schnappte, die sich um den Griff geschlossen hatten. Die Zähne waren so spitz wie Nadeln und einigen blutigen Wunden nach zu urteilen hatten sie schon öfter ihr Ziel gefunden.
„Auch ein Plotbunny“, sagte meine Oma. „Findest du sie immer noch so niedlich? Das muss ein besonders Schlimmes gewesen sein. Vielleicht ein Vampir-Roman. Aber Twilight war das bestimmt nicht.“
„Oma… meinst du wir sind hier sicher? Irgendwie scheint es mir nicht so als hätten sie die Sache so gut unter Kontrolle…“
Ein anderer Pilzizist kam vorbei, dieses Mal sogar mit zwei Käfigen unter dem Arm. Jeder war vollgestopft mit mindestens drei verschiedenen Bunnys. Immerhin schienen die nicht zu beißen.
„Vielleicht hast du Recht. Wenn wir jetzt gehen, schaffen wir es vielleicht auf der anderen Seite noch durchzukommen.“
„Aber wohin sollen wir? Die ganze Stadt scheint überrannt zu werden von den Viechern!“ Ich warf den Plotbunnys im nächsten Käfig, der vorbeigetragen wurde, einen finsteren Blick zu. Erwidert wurde der mit einem süßen Naserümpfen, das mein Herz schneller schlagen ließ. Sofort schaute ich zur Seite und widerstand dem Drang dem Pilzizisten den Käfig aus der Hand zu schlagen, um das Bunny zu befreien.
„Zu mir nach Hause. Ich wohne im obersten Stock. Wenn wir die Tür verbarrikadieren können die Bunnys nicht rein.“
„Bist du sicher?“
Gerade war wieder ein Käfig mit Bunnys vorbeigekommen und da eins von ihnen offensichtlich mit einer Art Laserblick die Gitterstäbe geschmolzen hatte waren nun mehrere Menschen und Pilze damit beschäftigt die Ausreißer wieder einzufangen. Ein Cyborg-Bunny vielleicht?
„Relativ sicher. Ich habe auch ein paar Tricks im Ärmel, weißt du?“ Meine Oma zwinkerte mir zu und erhob sich von ihrem Stuhl.
Allerdings wurde sie sofort wieder zurückgeworfen als ein Mann an uns vorbeistürmte, auf einen der Pilzizisten zu, der gerade das letzte ausgerissene Bunny in einen neuen Käfig gestopft hatte. Alles was ich vom Mann sah war eine graue Hose, eine braune Tweedjacke und ein Gehstock, mit dem er bedrohlich herumfuchtelte.
„Bunnyinvasion hin oder her, Robert braucht seine Hilde!“, schrie der Mann den Pilzizisten an.
„Bitte was?“
Der Pilzizist achtete einen Moment nicht auf den Bunnykäfig in seiner Hand und schon hüpften die Viecher wieder in der Empfangshalle herum. Einer seiner Kollegen nahm stöhnend den Käfig an sich in begann damit erneut den Hasenfänger zu spielen.
„Robert braucht seine Hilde! Und was müssen das für schreckliche Menschen sein, wenn sie ihm diese Inge antun!“
„Inge? Hilde? Hören Sie, wir haben hier ein echtes…“, begann der Pilzizist.
„Wenn Sie nicht sofort Hilde freilassen werde ich Sie wegen Verweigern der Mithilde anzeigen und für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter bringen!“, kreischte der Mann.
Erst jetzt bemerkte ich einen etwas jüngeren Mann, ebenfalls in Tweedjacke, der sich hinter dem ungehobelten Klotz versteckte. Das musste dann wohl Robert sein. Wer Hilde war würde ich wohl nur herausfinden, wenn wir noch länger hierblieben.
„Wie sollten gehen“, drängte ich meine Oma, die dem Austausch ebenfalls gebannt gelauscht hatte.
„Ja, du hast Recht. Auch wenn es interessant wäre zu wissen wie das mit Hilde ausgeht.“ Sie schien zu überlegen, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, das geht jetzt wohl nicht. Gut, wir nehmen den Ausgang auf der anderen Seite.“
Sich auf ihren geblümten Regenschirm stützend, machte sie sich auf den Weg durch die Eingangshalle. Tatsächlich führte ein Flur geradeaus weiter und endete in einer großen Tür. Diese war etwas weniger imposanter als die Flügeltür, durch die wir die Pilzizei betreten hatten, doch dafür war dort bei Weitem nicht so viel los.
Auf beiden Seiten des Ganges gingen immer wieder Türen ab. Normalerweise hätte ich die Gunst der Stunde genutzt um zu sehen was sich dahinter befand. Alle waren nur mit den Bunnys beschäftigt; das wäre der perfekte Moment gewesen. Allerdings hatte ich ein wirklich ungutes Gefühl bei der Sache. Ich sollte Recht behalten. Wir hatten gerade die Hälfte des Weges geschafft als die Schreie am Vordereingang begannen.
„Die Bunnys!“
„Sie haben den Schutzwall durchbrochen!“
„Die Pilzizisten sind alle… oh wie süß!“
Nach dem letzten Ausruf beschleunigten wir unsere Schritte. Weitere Rufe waren zu hören, doch sie waren weniger panisch als vorher. Das war gar nicht gut, um es vorsichtig auszudrücken. Ich wagte es nur einen einzigen Blick über meine Schulter zu werfen. Der Pilzizist, der bis eben noch mit dem Kotzbrocken über Hilde diskutiert hatte, hielt ein graues Bunny im Arm, das eine Fußkette mit sich herumschleppte und ein gestreiftes Hemd trug. Weil er so mit dem Hasen beschäftigt war, bemerkte er nicht, dass zehn andere kurz davor waren ihm ebenfalls auf den Arm zu springen.
Die anderen Menschen und Pilze in der Eingangshalle hatten nicht mehr Glück. Einige von ihnen konnte ich vor lauter Fell kaum noch erkennen.
„Das müssen kriminelle Plotbunnys sein. Die haben ein besonderes Interesse an Pilzizisten. Viele von ihnen können zu Krimis oder Thrillern werden, wenn man sie schreibt.“ Oma stützte sich stärker auf ihren Regenschirm.
Ich löste meinen Blick vom Chaos im Empfangsbereich. Solange die Bunnys abgelenkt waren, hatten wir eine Chance unbemerkt aus dem Gebäude zu entkommen. Die Tür, die wir versuchten zu erreichen, war nur noch wenige Meter entfernt.
„Was passiert eigentlich mit den Leuten, die von Bunnys überrannt werden?“ Die Frage hatte mich gequält seit ich Müllman in der Bunnymeute hatte verschwinden sehen. „Die Bunnys… töten sie doch nicht. Oder?“
„Nein, tun sie nicht. Immerhin wollen sie geschrieben werden“, sagte Oma. „Aber du vergisst alles um dich herum außer den Bunnys. Bei einem geht das noch, aber bei zwanzig von den Dingern… Du kommst zu nichts mehr. Deine Arbeit ist dir egal, deine Familie ist dir egal, deine Freunde sind dir egal…“
„Aber bekommt man auf die Art und Weise nicht viele Geschichten fertig?“ So schlimm hörte sich das gar nicht an.
„Bei ein oder zwei Bunnys vielleicht. Aber bei so vielen? Das ist so ähnlich wie mit den P-Ps. Du fängst alles an, aber kommst zu nichts. Und letztendlich wirst du verrückt.“
Das hörte sich jetzt schon etwas schlimmer an. „Gibt es denn kein Mittel gegen Plotbunnys?“
„Kein Bekanntest, nein.“
„Aber wie werden wir sie dann wieder los? Wenn NaNoWriMo in einem Monat beginnt…“ Die ganze Tragweite der Situation wurde mir langsam bewusst und am liebsten wäre ich zu Boden gesunken. Stattdessen stemmte ich die Tür nach draußen auf.
„Ja. Wenn wir sie nicht wieder loswerden ist der NaNo ernsthaft in Gefahr. Und da es keine Möglichkeit gibt sie loszuwerden…“
Sie folgte mir durch die Tür nach draußen. Kurz bevor ich sie ins Schloss zog erhaschte ich einen Blick auf ein Bunny am Ende des Flurs, das uns interessiert nachsah.
„…wird der NaNo dieses Jahr wohl ausfallen müssen. Das einzige was wir versuchen können, ist die Bunnys in dieser Region festzuhalten, damit sie sich nicht über das ganze NaNo-Land ausbreiten.“
„Wie soll das denn gehen? So viele sind das nun auch wieder nicht. Zwar genug für eine Stadt, aber für ein ganzes Land?“
Ich half meiner Oma die Stufen hinunter. Auf dieser Seite des Gebäudes gab es keine Suchschweinwerfer und keine Pilzizisten. Allerdings konnte ich auch keine Plotbunnys sehen. Was mir außerdem auffiel war, dass die Sirene aufgehört hatte. Das rote Licht flammte immer noch alle paar Sekunden auf, doch die ohrenbetäubende Sirene war abgeschaltet. Vermutlich war einer der bunnybesessenen Pilzizisten im Gebäude an einen Schalter gekommen.
„Erinnerst du dich nicht was ich dir heute Morgen über Plotbunnys erzählt habe? Sie vermehren sich wie die Karnickel.“
Auf dieser Seite des Gebäudes war der Platz nicht ganz so groß. Wir hatten fast die Häuser erreicht, als ein Schweinwerfer um das Gebäude geflogen kam und ein einsames Bunny beleuchtete, das um das Pilzizei-Gebäude gehoppelt kam. Ihm folgten einige andere. Dann weitere. Erst zögerlich, dann immer schneller, begann sich die Horde in unsere Richtung zu bewegen.

6 Kommentare:

  1. NOOOOOOIIIIIIIN!!!! Rettet NaNo! :D
    Na ja, und wenn Robert dann noch seine Hilde bekommt, ist ja alles in Butter... =)
    Aber ich hoffe doch mal sehr, dass Oma und Mia schnell genug laufen können...

    AntwortenLöschen
  2. Verweigerung der Mithilde! *kreischend vor Lachen am Boden liegt* Ich liebe es!

    AntwortenLöschen
  3. Entschuldige das ich schon wieder den Kritiker spiele aber müsste es nicht auch wieder Pilzizei heißen?

    (Zitat) „Oh der? Das ist der Polizeiautor, der Leiter der Polizei. Aber wie man die Schulterdinger nennt weiß ich leider auch nicht.“

    Der NaNo in Gefahr? Das geht ja mal gar nicht!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nee, mach ruhig. In dem Fall stimmt das aber schon, denn der Fehler war Polizeiauto zu Polizeiautor. Da ich die so übernehme, ist er eben die Ausnahme hier. ^^

      Löschen
    2. Okay... Ach so, das hab ich nicht überzogen.

      Löschen
  4. Ich frage mich ja, was ein Polizeiautor so macht... Schreibt er Krimis und Thriller aus den sorgfältig separierten Plotbunnys?

    AntwortenLöschen