Donnerstag, 27. November 2014

27. Kapitel



„Meinst du Mia und Blue sind in Ordnung?“, fragte Marga.
„Das hast du zwanzig Mal in der letzten halben Stunde gefragt. Und vor einer halben Stunde sind wir losgeritten. Natürlich sind sie in Ordnung“, antwortete Phoenix.
Marga war nicht überzeugt. Sie war immer noch der Meinung, dass es keine gute Idee gewesen war sich zu trennen. Von ihrer normalerweise immer guten Laune war nichts übrig. Dass sie Mia alleine in die Fantasygegend ziehen ließ und die Tatsache, dass sie und Phoenix gerade in die schrecklichste Ecke der Region Deutschland unterwegs waren, half nicht um die Laune zu heben.
„Was wenn ihnen etwas passiert? Wie sollen wir davon erfahren?“
„Sie haben doch die Gedankenspinne. Selbst wenn sie gefangen genommen werden wird Mia wohl kaum jemand die Spinne abnehmen, also könnten sie uns oder Mr. Ian Woon um Hilfe bitten. Außerdem ist Freundschaf dabei“, versuchte Phoenix sie zu beruhigen.
„Freundschaf? Es ist ein Schaf. Was kann das schon ausrichten?“
„Mehr als du denkst. Sonst hätte die Oberin es uns nicht mitgegeben.“
„Was denkst du denn was es kann?“ Wenn sie die sonst so schweigsame Phoenix weiter am Reden hielt würde sie das eventuell von ihrer Enkeltochter ablenken.
„Das weiß ich nicht so genau, aber nichts im NaNo-Land ist wie es scheint.“
„Ja, das habe ich auch schon verstanden. Aber bisher hat das Schaf nicht viel gemacht, oder?“ Marga kratzte sich an der Nase.
„Wissen wir das?“ Sie hielt kurz inne. „Es könnte so Einiges gemacht haben, ohne dass wir es mitbekommen haben.“
Phoenix sagte nichts mehr und so wurde sie mit den besagten Sorgen für eine ein paar weitere Stunden allein gelassen. Wie um ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen verdunkelte sich der Himmel. Die Landschaft wurde mit jedem Schritt, den ihre Pferde machten, kärger. Seit sie von der Drachenschenke losgeritten waren hatten sie den Wald zu ihrer Rechten gehabt. Bisher hatte er freundlich und einladend ausgesehen, mit den Blättern, die sie langsam bunt färbten. Nun jedoch bestand er hauptsächlich aus dunklen Tannen, die sie anklagend anzusehen schienen.
„Wir nähern uns der Horrorgegend“, bestätigte Phoenix ihre Vermutung.
„Warst du schon hier?“ Marga hatte zwar in ihrer Zeit einige Reisen durch das NaNo-Land unternommen, doch selbst sie hatte sich nie in die Horrorgegend getraut. Wer wollte da auch Urlaub machen?
„Einmal, ja. Es ist kein Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke.“
Marga wollte weiter nachhaken, doch Phoenix legte den Finger an die Lippen. „Hier beginnt die Gruftschaft. Es wird gemunkelt, dass der Graf ein Vampir ist. Ab hier müssen wir vorsichtig sein. Wir können niemandem vertrauen und dürfen uns so wenig Leuten zeigen wie möglich.“
Leicht missbilligend musterte sie Margas Robbe, deren schneeweißes Fell unter dem grauen Himmel noch stärker zu leuchten schien. Auch die lila Kleidung und der zerknautschte Samthut schienen der Begutachtung nicht standzuhalten.
„Vielleicht sollten wir uns umziehen“, schlug Phoenix schließlich vor.
Marga, der die Musterung wohl aufgefallen war, schob die Unterlippe vor. „Meine Kleidung ändere ich nicht. Wenn du das machen willst, gerne.“
Phoenix seufzte, sagte aber nichts weiter dazu. Wenn sie schon in so einer tristen Gegend unterwegs waren, dann würde wenigstens ihre Kleidung farbenfroh sein. Das würde sie sich nicht nehmen lassen. Außerdem würde ihr Aufzug sonst nicht mehr zu ihrem lila Schirm passen und den würde sie bestimmt nicht aus der Hand geben.
Der Himmel wurde immer dunkler. Die Wolken türmten sich zu hohen Gebilden auf, die beim nächsten Windstoß in sich zusammenzustürzen schienen. Der Wind hatte auch aufgefrischt und Marga zog ihre Robbe enger.
Auf einmal gab es einen gleißenden Blitz, gefolgt von einem Donnerschlag, der sich anhörte als hätte jemand neben ihrem Ohr auf eine Pauke geschlagen. Ein klatschendes Geräusch neben der Straße kündigte an, dass es begonnen hatte zu regnen. Nur hatte sich das Klatschen merkwürdig angehört, als würde ein ganzer Wassereimer ausgekippt werden anstatt nur ein paar Tropfen. Außerdem hatte es fest als Wasser geklungen.
Marga wollte gerade fragen was es damit auf sich hatte, als erneut ein Klatschen erklang, dieses Mal auf der Straße direkt vor ihnen. Ein Blitz erhellte den Himmel und beleuchtete für einen Moment die Szene direkt vor ihnen.
„Das“, sagte Marga nur „ist kein Regen.“
Vor ihnen lag ein abgetrenntes Bein. Von was genau es war konnte sie nicht sagen, doch es war mit Fell bewachsen und recht groß. So groß wie ihr Unterarm vielleicht.
Erneut ertönte das Klatschen, dieses Mal hinter ihnen. Als sie sich umdrehte konnte sie die Umrisse eines Beines erkennen, das sie ohne Probleme hätte erschlagen können, wenn es sie am Kopf getroffen hätte.
„Wir müssen Unterschlupf finden!“, rief Phoenix ihr zu.
Schon preschte sie mit dem Pferd voran. Über den erneuten Donner konnte Marga die Aufprälle der Beine nicht hören, doch auf der Straße tauchten immer mehr von ihnen auf. Das hier war das wohl ekligste Gewitter in dem sie je unterwegs gewesen war.
Die Beine fielen nun immer schneller und der Wind hatte ebenfalls zugenommen. Er wehte ihnen ins Gesicht als wollte er ihr Fortkommen besonders erschweren. Er war sogar so stark, dass die Beine nicht mehr senkrecht vom Himmel fielen, sondern es Beine waagerecht zu regnen schien. Es war wie aus einem Horrorfilm.
Vor sich konnte sie bei jedem Blitzschlag Phoenix erkennen, die anscheinend einen Plan hatte. Sich in den Wald zu begeben war jedenfalls keine gute Idee, so viel war Marga auch klar. Erstens würden es die Beine vermutlich trotzdem bis auf den Waldboden schaffen und zweitens könnte ein Blitz in einen der Bäume einschlagen.
Wie zur Bestätigung gab es einen besonders lauten Schlag. Die Welt wurde einen Moment lang weiß und eine der Tannen zu ihrer Rechten ging in Flammen auf. Im Licht des Feuers konnte sie aber erkennen auf was Phoenix zusteuerte. Ein windschiefes Haus, das mit mehreren Balken gestützt wurde damit es nicht umfiel, lag vor ihnen direkt am Weg. In den Fenstern brannte Licht.
Marga trieb ihr Pferd noch mehr an, weiter auf die Taverne zu. Allerdings schienen sie sich nur sehr langsam zu nähern, weil der Sturm sie ziemlich verlangsamte und sie ganz schnell langsam sein ließ. Ein Bein traf sie am Arm. Es sah verdächtig nach einem Menschlichen aus, doch sie schüttelte es ab statt es sich genauer anzusehen. Die Straße vor ihnen war gefährlich mit den fallenden Beinen zugeregnet. Die Pferde mussten aufpassen wohin sie traten, was das Fortkommen weiter erschwerte.
Marga blieb fast das Herz stehen als Phoenix vor ihr einen spitzen Schrei ausstieß und beinah vom Pferd kippte. Ein Bein hatte sie am Kopf getroffen. Sie sackte auf ihrem Pferd zusammen und drohte herunterzurutschen.
„Schneller!“, schrie Marga ihrem eigenen Pferd zu.
Sie erreichte Phoenix gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass diese vom Pferd rutschte. Marga übernahm die Zügel und führte beide Pferde die letzten paar Meter bis zum Haus. Ein Schild über der Tür bezeichnete das Haus als „Hakenfisch“, eine Taverne. Ein angrenzendes Gebäude schien der Stall zu sein, in dem bereits einige Reittiere standen. Eins davon war eine schwarze Echse mit Sattel, die Marga aus gelben Augen anstierte als sie die Pferde möglichst weit von der Echse entfernt anband.
Danach ließ sie Phoenix vorsichtig vom Sattel gleiten. Die Frau stöhnte und ihre Lider flatterten. Dann schlug sie die Augen auf.
„Wir haben es geschafft“, sagte Marga zu ihr.
Über ihnen auf dem Dach des Stalls schlugen die Beine ein und veranstalteten einen Höllenlärm. Die Pferde hatten sich mit vor Schreck weißen Augen ganz in die eine Ecke des Stalls gedrückt.
„Komm schon.“
Marga legte behutsam einen Arm um Phoenix und half ihr die Schritte bis zum Eingang zu gehen. Dabei hielten sie sich unter dem Dachüberstand, um nicht von Beinen getroffen zu werden, die sich bereits zentimeterhoch auf der Straße und den Wiesen türmten.

5 Kommentare:

  1. Wer Lust hat, kann mir ja in den folgenden Kapiteln sagen welcher Erzählstrang ihm besser gefällt, Mias und Blues, oder Margas und Phoenix'. Das interessiert mich sehr, weil es beim Schreiben für mich einen großen Unterschied gemacht hat aus wessen Perspektive ich erzähle. :)

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  2. Ich bin schon ganz kirre... jetzt hab ich statt Landschaft Landschaf gelesen.

    Also nach dem Kapitel muss ich sagen, das mir beide Erzählstränge gefallen, aber jeder auf eine andere Weiße... Mias und Blues war bisher witziger, aber Margas und Phönix' spannender.

    Und warum regnet es jetzt Beine... das ist ja gruslig.

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