„Meinst
du Mia und Blue sind in Ordnung?“, fragte Marga.
„Das
hast du zwanzig Mal in der letzten halben Stunde gefragt. Und vor einer halben
Stunde sind wir losgeritten. Natürlich sind sie in Ordnung“, antwortete
Phoenix.
Marga
war nicht überzeugt. Sie war immer noch der Meinung, dass es keine gute Idee
gewesen war sich zu trennen. Von ihrer normalerweise immer guten Laune war
nichts übrig. Dass sie Mia alleine in die Fantasygegend ziehen ließ und die
Tatsache, dass sie und Phoenix gerade in die schrecklichste Ecke der Region
Deutschland unterwegs waren, half nicht um die Laune zu heben.
„Was
wenn ihnen etwas passiert? Wie sollen wir davon erfahren?“
„Sie
haben doch die Gedankenspinne. Selbst wenn sie gefangen genommen werden wird
Mia wohl kaum jemand die Spinne abnehmen, also könnten sie uns oder Mr. Ian
Woon um Hilfe bitten. Außerdem ist Freundschaf dabei“, versuchte Phoenix sie zu
beruhigen.
„Freundschaf?
Es ist ein Schaf. Was kann das schon ausrichten?“
„Mehr
als du denkst. Sonst hätte die Oberin es uns nicht mitgegeben.“
„Was
denkst du denn was es kann?“ Wenn sie die sonst so schweigsame Phoenix weiter
am Reden hielt würde sie das eventuell von ihrer Enkeltochter ablenken.
„Das
weiß ich nicht so genau, aber nichts im NaNo-Land ist wie es scheint.“
„Ja,
das habe ich auch schon verstanden. Aber bisher hat das Schaf nicht viel
gemacht, oder?“ Marga kratzte sich an der Nase.
„Wissen
wir das?“ Sie hielt kurz inne. „Es könnte so Einiges gemacht haben, ohne dass
wir es mitbekommen haben.“
Phoenix
sagte nichts mehr und so wurde sie mit den besagten Sorgen für eine ein paar
weitere Stunden allein gelassen. Wie um ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen
verdunkelte sich der Himmel. Die Landschaft wurde mit jedem Schritt, den ihre
Pferde machten, kärger. Seit sie von der Drachenschenke losgeritten waren
hatten sie den Wald zu ihrer Rechten gehabt. Bisher hatte er freundlich und
einladend ausgesehen, mit den Blättern, die sie langsam bunt färbten. Nun
jedoch bestand er hauptsächlich aus dunklen Tannen, die sie anklagend anzusehen
schienen.
„Wir
nähern uns der Horrorgegend“, bestätigte Phoenix ihre Vermutung.
„Warst
du schon hier?“ Marga hatte zwar in ihrer Zeit einige Reisen durch das
NaNo-Land unternommen, doch selbst sie hatte sich nie in die Horrorgegend
getraut. Wer wollte da auch Urlaub machen?
„Einmal,
ja. Es ist kein Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke.“
Marga
wollte weiter nachhaken, doch Phoenix legte den Finger an die Lippen. „Hier
beginnt die Gruftschaft. Es wird gemunkelt, dass der Graf ein Vampir ist. Ab
hier müssen wir vorsichtig sein. Wir können niemandem vertrauen und dürfen uns
so wenig Leuten zeigen wie möglich.“
Leicht
missbilligend musterte sie Margas Robbe, deren schneeweißes Fell unter dem
grauen Himmel noch stärker zu leuchten schien. Auch die lila Kleidung und der
zerknautschte Samthut schienen der Begutachtung nicht standzuhalten.
„Vielleicht
sollten wir uns umziehen“, schlug Phoenix schließlich vor.
Marga,
der die Musterung wohl aufgefallen war, schob die Unterlippe vor. „Meine
Kleidung ändere ich nicht. Wenn du das machen willst, gerne.“
Phoenix
seufzte, sagte aber nichts weiter dazu. Wenn sie schon in so einer tristen
Gegend unterwegs waren, dann würde wenigstens ihre Kleidung farbenfroh sein.
Das würde sie sich nicht nehmen lassen. Außerdem würde ihr Aufzug sonst nicht
mehr zu ihrem lila Schirm passen und den würde sie bestimmt nicht aus der Hand
geben.
Der
Himmel wurde immer dunkler. Die Wolken türmten sich zu hohen Gebilden auf, die
beim nächsten Windstoß in sich zusammenzustürzen schienen. Der Wind hatte auch
aufgefrischt und Marga zog ihre Robbe enger.
Auf
einmal gab es einen gleißenden Blitz, gefolgt von einem Donnerschlag, der sich
anhörte als hätte jemand neben ihrem Ohr auf eine Pauke geschlagen. Ein klatschendes
Geräusch neben der Straße kündigte an, dass es begonnen hatte zu regnen. Nur
hatte sich das Klatschen merkwürdig angehört, als würde ein ganzer Wassereimer
ausgekippt werden anstatt nur ein paar Tropfen. Außerdem hatte es fest als Wasser
geklungen.
Marga
wollte gerade fragen was es damit auf sich hatte, als erneut ein Klatschen
erklang, dieses Mal auf der Straße direkt vor ihnen. Ein Blitz erhellte den
Himmel und beleuchtete für einen Moment die Szene direkt vor ihnen.
„Das“,
sagte Marga nur „ist kein Regen.“
Vor
ihnen lag ein abgetrenntes Bein. Von was genau es war konnte sie nicht sagen,
doch es war mit Fell bewachsen und recht groß. So groß wie ihr Unterarm
vielleicht.
Erneut
ertönte das Klatschen, dieses Mal hinter ihnen. Als sie sich umdrehte konnte
sie die Umrisse eines Beines erkennen, das sie ohne Probleme hätte erschlagen
können, wenn es sie am Kopf getroffen hätte.
„Wir
müssen Unterschlupf finden!“, rief Phoenix ihr zu.
Schon
preschte sie mit dem Pferd voran. Über den erneuten Donner konnte Marga die
Aufprälle der Beine nicht hören, doch auf der Straße tauchten immer mehr von
ihnen auf. Das hier war das wohl ekligste Gewitter in dem sie je unterwegs
gewesen war.
Die
Beine fielen nun immer schneller und der Wind hatte ebenfalls zugenommen. Er
wehte ihnen ins Gesicht als wollte er ihr Fortkommen besonders erschweren. Er
war sogar so stark, dass die Beine nicht mehr senkrecht vom Himmel fielen,
sondern es Beine waagerecht zu regnen schien. Es war wie aus einem Horrorfilm.
Vor
sich konnte sie bei jedem Blitzschlag Phoenix erkennen, die anscheinend einen
Plan hatte. Sich in den Wald zu begeben war jedenfalls keine gute Idee, so viel
war Marga auch klar. Erstens würden es die Beine vermutlich trotzdem bis auf
den Waldboden schaffen und zweitens könnte ein Blitz in einen der Bäume
einschlagen.
Wie
zur Bestätigung gab es einen besonders lauten Schlag. Die Welt wurde einen
Moment lang weiß und eine der Tannen zu ihrer Rechten ging in Flammen auf. Im
Licht des Feuers konnte sie aber erkennen auf was Phoenix zusteuerte. Ein windschiefes
Haus, das mit mehreren Balken gestützt wurde damit es nicht umfiel, lag vor
ihnen direkt am Weg. In den Fenstern brannte Licht.
Marga
trieb ihr Pferd noch mehr an, weiter auf die Taverne zu. Allerdings schienen
sie sich nur sehr langsam zu nähern, weil der Sturm sie ziemlich verlangsamte
und sie ganz schnell langsam sein ließ. Ein Bein traf sie am Arm. Es sah
verdächtig nach einem Menschlichen aus, doch sie schüttelte es ab statt es sich
genauer anzusehen. Die Straße vor ihnen war gefährlich mit den fallenden Beinen
zugeregnet. Die Pferde mussten aufpassen wohin sie traten, was das Fortkommen
weiter erschwerte.
Marga
blieb fast das Herz stehen als Phoenix vor ihr einen spitzen Schrei ausstieß
und beinah vom Pferd kippte. Ein Bein hatte sie am Kopf getroffen. Sie sackte
auf ihrem Pferd zusammen und drohte herunterzurutschen.
„Schneller!“,
schrie Marga ihrem eigenen Pferd zu.
Sie
erreichte Phoenix gerade rechtzeitig, um zu verhindern, dass diese vom Pferd
rutschte. Marga übernahm die Zügel und führte beide Pferde die letzten paar
Meter bis zum Haus. Ein Schild über der Tür bezeichnete das Haus als
„Hakenfisch“, eine Taverne. Ein angrenzendes Gebäude schien der Stall zu sein,
in dem bereits einige Reittiere standen. Eins davon war eine schwarze Echse mit
Sattel, die Marga aus gelben Augen anstierte als sie die Pferde möglichst weit
von der Echse entfernt anband.
Danach
ließ sie Phoenix vorsichtig vom Sattel gleiten. Die Frau stöhnte und ihre Lider
flatterten. Dann schlug sie die Augen auf.
„Wir
haben es geschafft“, sagte Marga zu ihr.
Über
ihnen auf dem Dach des Stalls schlugen die Beine ein und veranstalteten einen
Höllenlärm. Die Pferde hatten sich mit vor Schreck weißen Augen ganz in die
eine Ecke des Stalls gedrückt.
„Komm
schon.“
Marga
legte behutsam einen Arm um Phoenix und half ihr die Schritte bis zum Eingang
zu gehen. Dabei hielten sie sich unter dem Dachüberstand, um nicht von Beinen
getroffen zu werden, die sich bereits zentimeterhoch auf der Straße und den
Wiesen türmten.
Wer Lust hat, kann mir ja in den folgenden Kapiteln sagen welcher Erzählstrang ihm besser gefällt, Mias und Blues, oder Margas und Phoenix'. Das interessiert mich sehr, weil es beim Schreiben für mich einen großen Unterschied gemacht hat aus wessen Perspektive ich erzähle. :)
AntwortenLöschenIch bin schon ganz kirre... jetzt hab ich statt Landschaft Landschaf gelesen.
AntwortenLöschenAlso nach dem Kapitel muss ich sagen, das mir beide Erzählstränge gefallen, aber jeder auf eine andere Weiße... Mias und Blues war bisher witziger, aber Margas und Phönix' spannender.
Und warum regnet es jetzt Beine... das ist ja gruslig.
Ich zitiere "es regnete beine waagerecht". Erklärung genug? xD
LöschenErklärung genug... aber es ist immer noch gruslig.
LöschenErgo, Horrorgegend. ;)
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