Ich
war immer noch nicht darüber hinweggekommen, dass meine Oma eine Wörterheldin
war, obwohl sie als solche von der gesamten Piratenmannschaft gefeiert wurde.
Nach dem Sieg über die Historicylla waren überall Met- und Rumfässer aufgemacht
worden, während der Smutje das Beste aus der Küche zusammenwarf.
Der
Piratenkapitätän hatte jedoch Kurs auf den nächsten Hafen nehmen lassen, um
dort vor Anker zu gehen und ein richtiges Fest auf die Beine zu stellen. Es war
ein extra Kombüsenschiff organisiert worden, das mehr Auswahl an Essen
mitbrachte, sowie Fässer vom besten Wein, die das Wirtshaus an Land zu bieten
hatte. Blue war begeistert davon endlich etwas anderes als das Essen an Bord zu
bekommen.
Bevor
das Fest jedoch begann, hob der Kapitätän sein Glas. „Am heutigen Tag
verstarben viele gute Piraten sowie unsere Gruppe Seeläute. Nie wieder werden
ihre Weisen unsere Nacht durchdringen. Wir danken ihnen für jede Minute, die
wir mit ihnen verbringen dürften und opfern nun eine Minute unserer Zeit um
ihrer zu gedenken.“
Man
konnte eine Nadel fallen hören so leise war es. Nur das Rauschen der See
erkland, während sich die Wellen am Rumpf des Schiffes brachen. Ich konnte den
Anblick der von Quallen platzenden Männer immer noch nicht vergessen. Wer
allerdings wieder aufgetaucht war, war Fabio der Erlfisch. Der Smutje hatte
mich nur mit einem wissenden Blick bedacht als der völlig durchnässte aber
vollkommen lebendige Mann kurz nach dem Sieg über das Monster zurück an Bord
gekrabbelt war uns als erstes seinen treuen Dackel in den Arm genommen hatte.
Neben
meiner Oma war er einer der Helden, die heute geehrt wurden. Damon stand
ebenfalls auf der Liste, da er das Trebuchet zum Laufen gebracht und die Idee
mit den Wörtern gehabt hatte.
Meine
Oma nahm das Ganze relativ gleichmütig hin. Sie hatte ihr übliches Lächeln
aufgesetzt, genau wie ihren lila Samthut. Ihr Regenschirm sah mittlerweile
recht abgenutzt aus, doch auch er war noch immer an ihrer Seite.
„Nun,
nachdem wir der Toten gedacht haben, wollen wir die Lebenden feiern, die es uns
ermöglicht haben heute hier zu sein. Zuerst ein Toast auf Marga, die wohl
schnellste Schreiberin, die wir je auf unserem Schiff zu Gast hatten!“
„Auf
Marga!“, echote das ganze Schiff
Nach
Toasts auf diverse andere Personen eröffnete der Kapitätän die Party. Blue
machte sich augenblicklich über das Buffet her, denn er war seinem Schwur allzu
treu geblieben und hatte kaum etwas gegessen seit er den Smutje das erste Mal in
der Küche besucht hatte. Aber dafür Rotzwein trinken, ja klar.
Mir
selbst steckte der Kampf noch in den Knochen. Was ich am liebsten wollte war
schlafen. Was ich wollte war Zeit, um darüber nachzudenken was genau eigentlich
passiert war. Und warum. Das warum ärgerte mich am meisten. Hatte das etwas mit
den Angreiferes und Rauchninjas zu tun gehabt? Oder war das einfach nur
Piratenalltag gewesen?
Blue
hatte im Alleingang fast die Hälfte der Gerichte vernichtet und das Buffet sah
nun reichlich durcheinander aus. Trotzdem entdeckte ich irgendwo einen
Schaschlikspieß und einen Apfel. Das meiste andere sah recht seltsam aus.
„Das
war ein Abenteuer! Wow!“, sagte er, wobei sich der Satz jedoch eher anhörte wie
„Dasch ba eim Abemdeuer! Bow!“, da er den ganzen Mund voller Essen hatte.
„Ja,
kannst du laut sagen.“
Über
uns turnte das Totenklopfäffchen durch die Takelage, das sich auf dem Schiff
von uns allem am meisten zu Hause fühlte. Deshalb hatte Lurz auch schon
beschlossen es hierzubehalten und zum offiziellen Schiffsaffen zu machen. Mir
war das eigentlich recht, denn Kaffee war zwar unheimlich süß, aber Tiere
schleppten wir genug mit uns rum.
Apropos.
Ich sollte Fluffles mal wieder Füttern. Aber momentan liefen an allen Ecken und
Enden des Schiffs Menschen herum. Sogar die Familien der Mannschaft hatten sich
eingefunden. In extra Quartieren gab es sogar Kojen für die Kinder der Piraten
und Piratinnen. Die Kinder rannten laut kreischend zwischen den Partygästen
herum.
„Du,
Blue. Was meinst du wann wir an Land müssen?“, fragte ich ihn.
„Wasch?“
Er hatte sich gerade etwas in den Mund gesteckt, das aussah wie ein halbes
Schwein.
„Ach,
vergiss es. Hey, was ist das für Musik?“
Da drei
von vier Mitgliedern der Seeläute gestern gestorben waren und das letzte
Mitglied sich in seiner Kajüte eingeschlossen hatte, um zu trauern, musste die
Musik auf der Feier von anderen fabriziert werden. Blue hatte es auch gehört
und irritiert ging er dem Singaal nach.
„Wasch
is dasch?“
Auch
wenn sich meine Aussprache etwas besser anhören würde, hatte er vollkommen
Recht. Auf einer improvisierten Bühne schlängelten sich mehrere Singaale. Ihre
Mäuler schnappten auf und zu und es kamen tatsächlich Wörter heraus. Ihre
Stimmen hätten sich bestimmt großartig angehört, wenn sie nicht alle gerade dabei
gewesen wären Seemannslieder zu schmettern.
Die
wiederum kamen bei der Crew äußerst gut an. Einige der Piraten gröhlten mit und
schwenkten ihre Metkrüge im Takt. Der einzige, der konzentriert aussah, war
Damon, der in einer Ecke hockte und eine neue Gummiente bemalte.
„Was
wird es dieses Mal?“, fragte ich neugierig.
Ein
Blick auf das gelbe Tier genügte. Es hatte einen lockigen, weißen Schopf
bekommen, eine lila Jacke und an einen der Flügel hatte Damon einen geblümten
lila Regenschirm gezeichnet.
„Sieht
echt gut aus“, lobte ich ihn.
Dann
hielt ich nach dem echten Exemplar Ausschau. Wo war meine Oma abgeblieben? Die
Tür der Kapitätänskajüte stand einen Spalt offen und zögernd näherte ich mich.
Es gab Dinge, die man lieber nicht wissen wollte. Und trotzdem konnte ich die
Neugier nicht bekämpfen und spähte durch den Spalt hinein.
„Ich
kann euch morgen früh nach der Feier hier im Hafen rauslassen. Von dort kommt
ihr innerhalb weniger Stunden zurück zum Konvent und könnt von dort mit dem
gesunden Menschenversand zurück zur Drachenschenke reisen“, meinte Lurz gerade.
Allein
bei der Erwähnung des gesunden Menschenversands wurde mir übel.
„Und
du denkst wirklich, dass es eine Möglichkeit gibt die Plotbunnyinvasion zu
beenden?“, wollte meine Oma wissen und stützte sich auf ihren Regenschirm.
„Das
glaube ich wirklich. Wenn man lange genug sucht, gibt es eigentlich immer einen
Weg.“ Er räusperte sich kurz und trat von einem Fuß auf den anderen. „Außerdem…
wir werden uns wiedersehen.“
„Woher
weißt du das?“
„Uh,
äh, Bauchgeflügl?“
„Bauchgeflügl?“
Meine Oma runzelte verwirrt die Stirn. Mir ging es nicht anders.
„Naja,
du weißt schon.“
Mir
war aufgefallen, dass sich beide duzten. Nun ja, nach so einer Seeschlacht
konnte man doch sagen man kannte sich und hatte zumindest schon zusammen einen
Kampf bestritten.
Lurz
räusperte sich erneut. „Du weißt schon, diese Flatterdinger im Bauch, wo es
sich anfühlt als würdest du dich gleich übergeben.“
„Du
meinst Schmetterlinge im Bauch?“, hakte meine Oma nach.
„Ja
genau. Die.“
Sie
war einen Moment still und drehte den Regenschirm hin und her. „Ich glaube es
hat mir noch niemand eine seltsamere Liebeserklärung gemacht“, meinte sie
schließlich.
Im
Stillen konnte ich ihr nur zustimmen. Trotzdem strahlte sie, genau wie Lurz.
„Natürlich
könntet ihr auch noch einen Tag hier bleiben. Wir würden hier vor Anker gehen
und wir zwei könnten zum Beispiel einen Standspaziergang machen“, meinte er
fast schüchtern.
„Was
ist ein Standspaziergang?“, fragte meine Oma die Frage, die auch mir gerade durch
den Kopf ging.
„Das
sind natürlich die, bei denen man aufrecht geht. Damit grenzen sie sich ab von
den Kriechspaziergängen, Krabbelspaziergängen und Kauerspaziergängen.“
„Ich
würde wirklich gerne einen Spaziergang egal welcher Art mit dir machen, aber
leider müssen wir immer noch die Bunnyinvasion beenden.“ Sie seufzte, dann
lächelte sie ihn jedoch an. „Das verschieben wir auf meinen nächsten Besuch am
Wörtermehr.“
Lurz
lächelte nun ebenfalls und beugte sich ein Stück zu ihr hinunter.
Okay!
Es war Zeit für mich zu verschwinden. So leise wie möglich zog ich mich zurück
und schloss die Tür zur Kajüte. Das freute mich für meine Oma, auch wenn wir
unseren Auftrag erledigen mussten bevor wir das Wörtermehr wieder besuchen
konnten. Sie hatte es verdient jemanden so nettes wie Lurz kennenzulernen.
„Mir
hat wieder jemand einen Trout Smiley verpasst.“ Blue war neben mir aufgetaucht
und auf einer Seite seines Gesichts glänzte etwas Nasses. „Nur weil ich einen
Scherz gemacht habe.“
Ich
musste ein Kichern unterdrücken und entdeckte dann direkt hinter Blue den Mann,
der immer mit Blöcken warf. Da er zu uns hinüber starrte gab ich ihm ein thumbs
up. Er verstand, denn sofort warf er einen kurzen Block über seine Schulter,
der Blue am Arm traf.
„Au!
Woher nimmt der die Dinger nur?“, maulte Blue und rieb sich den Arm.
„Immerhin
war es dieses Mal ein kurzer Block“, meinte ich grinsend.
Allerdings
hatte Blue mir heute wohl das Leben gerettet. Zumindest hatte er mich von den
Themen befreit, da sollte ich besser aufhören ihn zu triezen.
„Danke
nochmal. Wegen heute Nachmittag, meine ich.“
Die
Singaale hatten mittlerweile unter großen Applaus die Bühne verlassen und es
schwebte nun über allem der Klang der Feige. Ob es dasselbe Musikinstrument
war, das ich Blue heute Nachmittag gegen den Kopf geschossen und danach zum
Kämpfen benutzt hatte, wusste ich nicht.
„Kein
Thema. Wenn du die Themen nicht abgelenkt hättest, hätten sie uns vermutlich
von hinten erwischt. Das war echt gut mitgedacht.“
Das
war dann wohl ein Waffenstillstand zwischen uns. Zumindest bis er von meinem
Plotbunny erfuhr. Das konnte heiter werden.
Den
Rest der Feier verbrachten wir damit zu essen, zu tanzen und uns von allen
Piraten zu verabschieden. Meine Oma war irgendwann mit leuchtenden Augen aus
Lurz‘ Kajüte gekommen, um uns dann aber mit trauriger Miene mitzuteilen, dass
wir das Schiff morgen verlassen mussten. Den Menschenversand hatte sie nicht
erwähnt, vermutlich weil sie erwartete, dass ich mich quer stellte.
Hätte
ich vielleicht auch. Ich hasste das Ding.
Die
Party lenkte mich jedoch soweit vom gesunden Menschenversand ab, dass ich den
Gedanken daran aufschob. Stattdessen fabrizierte ich in einer ruhigen und
unbeobachteten Minute noch ein wenig Wortsalat für Fluffles. Dann sah ich den
Piraten dabei zu wie sie Freundschaf fütterten, indem sie mit dem Trebuchet
Salatköpfe in die Luft schossen, die Freundschaf dann auffing. Naja, zumindest
etwa jeden Fünften, denn der Rest verschwand auf Nimmer Wiedersehen irgendwo im
Nirgendwo, oder landete im Meer, weil nicht gut genug gezielt wurde. Langsam
begann ich mich wirklich zu fragen wo das Zeug landete, das verschwand.
Damon
sah dem Treiben ebenfalls zu. Seine Ente hatte er vermutlich fertig bekommen,
denn sie war nirgends zu sehen.
„Weißt
du, dass Chuck deinem Freund Blue das Schwert geschenkt hat?“, meinte er.
Ich
schüttelte nur den Kopf. Das würde aber erklären warum Blue so gute Laune
gehabt hatte als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte – obwohl ihm gerade der
andere Pirat erneut einen Block an den Kopf geworfen hatte.
„Deshalb
dachte ich du solltest vielleicht das hier haben.“
Als
er den Bogen hervorholte wurden meine Augen groß. „Den soll ich wirklich
haben?“
„Ja.
Außerdem ist das hier noch ein besonderer Bogen.“ Damon nahm einen Pfeil aus
dem Köcher und schloss den Pfeil in den Bogen ein. „Das ist ein neues Modell
aus Zaubereiche. Es hat ein Geheimfach im Griff. Da kannst du auch andere
Sachen reintun, aber ein Extrapfeil schadet nie, dachte ich.“
„Danke!“
Ich überraschte ihn damit, dass ich ihm um den Hals fiel.
Irgendwann
tauchte eine Meerfreu, die auf einem bissigen Seeesel ritt, aus dem Wörtermehr
auf, vermutlich weil sie von der Musik angelockt worden war. Da sie sich nur
singend unterhalten konnte, begann sie klangsam mit einem der Seemänner zu
sprechen, der wie gebannt an ihren Lippen hing. Als sie begann leise ein
Augenlied zu summen, bei dem sie aufreizend mit den Augen klimperte, war er
komplett hin und weg.
Der
Feigenspieler unterhielt uns noch eine Weile, auch wenn diese langsam
ungedudlig wurde. Das war dann das Stichwort für alle sich in ihre Kojen
zurückzuziehen.
Das nenn ich doch mal ne Liebeserklärung... die vergisst man nicht so schnell.
AntwortenLöschen