Nach
dem ganzen Hin- und Hergerenne der letzten Woche, war ich froh, mich an Deck von
Lurz‘ Schiff breitmachen zu können.
Nachdem
wir drei Tage in der immer noch nicht wieder wandernden Bibliothek verbracht
hatten, hatte die Gedankenspinne endlich funktioniert. Es hatte einen weiteren
Tag gedauert, bis Mr. Ian Woon sich daran erinnert hatte wie genau sie
funktionierte und unsere Gesprächsanfrage entgegen genommen hatte. Danach war
alles etwas einfacher gewesen.
Himmelrich
und Mathilda, die es übernommen hatten die Neuschreibung der Bücher zu
überwachen, hatte eine ganze Einheit Pilzizisten und Beamte zugeteilt bekommen,
deren einzige Aufgabe für die nächsten Monate es sein würde den Schreibfedern
jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Oder so ähnlich jedenfalls.
Das
Ganze wurde bereits als die „Manifestierung“ beschrieben – das
(wieder)Erscheinen von Manifesten. Die Wandernde Bibliothek hatte seit
Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit Jahrtausenden, keinen solchen Ansturm mehr
erlebt. Immer mehr Leute kamen, die sich nur daran erinnerten, dass sie eine
Geschichte vergessen hatten, um den Schreibtsich darum zu bitten, ihre
Geschichten zuerst zu schreiben.
Viele
von ihnen waren im Gebäude gegenüber untergebracht, in dem der Große Rote Knopf
des Verderbens in der Mitte des großen Salls verweilte, von Schafen bewacht.
Auch das hatte Mr. Ian Woon übernommen. Mit was für Mitteln auch immer, hatte
die Regierung der Region Deutschland sich mit den Schafen auf die
Vertragsbedingungen geeinigt. Soweit ich das mitbekommen hatte, betraf es unter
anderem die Bereitstellung eines Gemeinschafsraums, in dem sich die Schafe
während ihrer Pausen ausruhen konnten. Des Weiteren hatten sie Urlaubstage und
Schichten abgesprochen – und dass sie so viel Essen bekamen wie sie wollten,
egal auf was sie gerade Hunger hatten.
Neben
all den Schafen, den Federn und den Leuten, die angefangen hatten hektisch
herumzurennen, war ich ganz froh gewesen, als meine Oma angekündigt hatte, wir
seien lange genug dort gewesen und sie würde jetzt nachsehen wie es Lurz ging.
Der einzige Nachteil an der Sache war, dass sowohl Freundschaf, als auch
Phoenix geblieben waren, um entweder den Großen Roten Knopf des Verderbens,
oder die Manifestierung zu überwachen. Ohne die beiden war es einfach nicht
dasselbe.
Zu der
Zeit, als wir gegangen waren, hatte die Magie bereits begonnen, zurückzukehren.
Die Wandernde Bibliothek war wieder unübersichtlicher geworden, und obwohl sie
noch keine Anstalten machte einen Schritt zu gehen, hatte sie wieder ihre
vorherige Höhe erreicht. Zum Abschied hatte Himmelrich sogar eine Außenwand
gehoben, ähnlich wie zu der Zeit, als er Freundschaf ins Schreibzimmer gebracht
hatte. Zum Abschied eine Wand
zu heben hatte uns zum Lachen gebracht, Mathilda zum die Lippen zusammenkneifen
und die Pilzizeihelfer dazu, vor lauter Staunen alle Stöße Papier fallen zu lassen,
die sie gerade transportierten.
„Hey, Mia.“
Blue ließ sich neben mir auf einem
Liegestuhl nieder. Er lächelte erst mich an, dann schloss er die Augen und
hielt sein Gesicht in die Sonne.
„Das war eine geniale Idee von Lurz, in wärmere Gefilde
zu fahren.“
„M-mh.“ Vermutlich hatte er einfach nur versucht meine
Oma zu beeindrucken. Falls ja, hatte das auf jeden Fall funktioniert.
„Diese Art des Reisens ist definitiv besser als der
Fakir-Ferkehr…“
Von dem hatte Blue absolut genug. Nachdem wir
festgestellt hatten, dass Lurz und seiner Crew nichts fehlte, hatten wir
bemerkt, dass der Fakir ebenfalls noch an Bord war. Seine Situation war
allerdings leicht präkerer als die der Piraten.
Als die Nebelschwaden das Wörtermehr erreicht hatten,
hatte es, wie wir befürchtet hatten, angefangen sich zu leeren. Lurz‘ Schiff
war irgendwann auf Grund gelaufen. Schon weit vorher hatte der Teppich des
Fakirs seine Flugfähigkeit verloren. So war die Crew mitten im Matsch
gestrandet und der Fakir mit der Crew. Für letzteren stellte sich das als
schlimmer heraus.
Nach der Löschung aller Geschichten hatten die Piraten
nämlich vergessen was genau der Fakir bei ihnen eigentlich verloren hatte. Da
er nur etwas davon gestammelt hatte er erinnere sich nur dunkel daran, auf
einem Teppich angereist zu sein, schlossen sie ihn vorsichtshalber in einer
Kajüte ein, um sicherzugehen, dass die seltsamen Wahnvorstellungen nicht auf
andere übergreifen konnten.
Zum Glück hatten sie den Teppich nicht über Bord
geworfen, sodass wir, nachdem wir die Situation aufgeklärt hatten, den
Fakir-Ferkehr in Anspruch nehmen konnten, um nach unseren Freunden zu sehen - zum Wörtermehr hatten wir nämlich reiten müssen und das war nur leicht besser als der gesunde Menschenversand. Das
Schiff war leider erst wesentlich später fahrtüchtig gewesen, da das Wörtermehr
sich extrem langsam wieder füllte. Estelle, den Nonnen im Kloster, den
Priestern beim Sonnentempeln und unseren anderen über das NaNo-Land verstreuten
Freunden ging es gut, was wir nach mehrtägigen Rundflügen herausfanden.
„Ich hab sowas von die Nase voll vom Fliegen“, führte
Blue seinen Gedankengang weiter.
„Deshalb sind wir auf einem Schiff“, munterte ich ihn
auf.
Auch wenn die Welt um uns herum trotzdem weiterging.
Täglich erhielten wir Berichte von Mr. Ian Woon, dass eine andere Eigenheit des
NaNo-Landes zurückgekehrt war. Erst gestern hatte er uns berichtet, jemand
hätte tatsächlich ein Heiligenschwein über Schreibstadt gesehen. Ein paar
Plotbunnys waren auch wieder aufgetaucht und die Autoren hatten begonnen, sie
aufzuschreiben. Es blieb nur zu hoffen, dass es auch wirklich neue Geschichten
waren und nicht nur welche, die sie durch den Großen Roten Knopf des Verderbens
vergessen hatten.
Mit meinen Fingerspitzen strich ich über das
ausgedruckte Manuskript, das auf meinem Bauch lag. Sobald mir Fluffles‘
Geschichte wieder eingefallen war und sie auf meinem Laptop aufgetaucht war,
hatte ich damit begonnen sie zu überarbeiten. Sie einmal vergessen zu haben,
schien wahre Wunder zu bewirken was das Überarbeiten anging, also hatte die
ganze Sache vielleicht sogar einen kleinen Vorteil gehabt. Trotzdem konnte ich
mich nicht davon abhalten immer wieder zu überprüfen, dass meine Geschichte
auch wirklich noch da war.
„Deine Oma hat übrigens gerade wieder Nachricht von
Mr. Ian Woon bekommen.“
„Echt?“ Neugierig schaut ich Blue an. „Was ist jetzt
wiedergekommen?“
„Die Erinnerung der Wachen in Österreich.“
Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. „An
was genau haben sie sich erinnert? Daran wie man andere MLs kontaktiert?“
Er schüttelte den Kopf. „Das haben sie anscheinend vor
ein paar Tagen bereits geschafft. Sie haben sich daran erinnert warum genau sie
unsere liebe Gefängniswärterin festgenommen haben und haben gleichzeitig herausgefunden,
dass sie für die Sache mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens verantwortlich
war.“
„Was?
„Jap. Anscheinend dachte sie, alle seltsamen Sachen im
NaNo-Land auf Geschichten zurückgeführt zu haben. Ihre logische
Schlussfolgerung war, dass die Geschichten verschwinden mussten. Also hat sie
Uneinigkeit zwischen den Wachen gesäht, sodass sie anfangen zu streiken.“
„Huh.“ Da hatten wir doch, ohne es zu wissen, den
Bösewicht der Geschichte lahmgelegt. So ganz Unrecht hatte sie mit
ihrer Theorie allerdings nicht gehabt. Alles, was mit Geschichten zu tun hatte,
hatten wir vergessen. Die Welt war definitiv ein wenig trostloser gewesen.
„Das Gefängnis wurde auch durchsucht und alle befreit,
die noch darin gefangen waren. Sie haben es „das Motivationsloch“ genannt und
versuchen es unschädlich zu machen bevor es all seine Macht zurückerhält.“
Wie ein Motivationsloch hatte es sich auch angefühlt.
„Anscheinend wollen sich die MLs persönlich bei uns
bedanken. Wir können uns also wieder auf ein Fest zu unseren Ehren freuen.
Dieses Mal in Österreich.“
„Solange wir hinfinden…“, grummelte ich nur „und nicht
wieder durch Raum und Zeit zurückreisen müssen…“
Blue lachte hell und drehte seine Nase wieder der
Sonne zu. „Das kann noch ein paar Wochen warten. Erstmal haben alle andere
Probleme. Die Manifestierung wird noch lange dauern und bis alles wieder beim
Alten ist…“ Er zuckte mit den Schultern, die Augen immer noch geschlossen.
„…können wir unseren Urlaub genauso gut genießen.“
Ein Schatten huschte über uns durch den Himmel und
Blues Augen flogen auf. „Oh nein. Da kommt er wieder…“
Der Fakir landete auf einem freien Stück Deck und half
meiner Oma von dem alten, mottenzerfledderten Teppich. „Bitte sehr, meine
Dame.“
„Danke für den Flug“, meinte Oma, richtete ihren Hut
und griff ihren Regenschirm fester, um sich damit abzustützen.
„Oh-oh.“
Ich
sah sofort was Blue meinte als Lurz auf Deck erschien. Er hatte natürlich bemerkt,
dass der Teppichflieger meiner Oma schöne Augen machte und hatte sich darüber
beschwert sooft er es mitbekam. Meine Oma hatte ihn immer abgewimmelt und
gesagt sie hätte schon einen Freund, aber der Kerl war echt hartnäckig. Ich hatte das Gefühl, sie ertrug ihn nur, weil ich das Fliegen so viel Spaß machte.
Lurz
räusperte sich vernehmlich.
„Das
wird super“, flüsterte Blue. „Ich wünschte ich hätte Chips. Oder Popcorn.“
„Es
ist natürlich, dass man diese bezaubernde Lady zuvorkommend behandeln will,
aber ihr dabei auf den Hintern zu starren ist unangemessen.“
Blue
verschluckte sich fast vor Lachen.
„Wenn
dein Blick noch einmal nach unten gleitet, schieße ich dich das nächste
Mal, wenn du alleine mit dem Teppich startest, mit unseren Trebuchets ab. Das
ist etwa eine eins zu drei Chance dem Geschoss zu entgehen. Ich an deiner
Stelle würde mir das gut überlegen.“
Der
Fakir schluckte betreten, machte zu aller Erstaunen eine Verbeugung und rollte
seinen Teppich zusammen.
„Meine
Oma hat einen seltsamen Geschmack“, stellte ich nur fest. „Ich hoffe Lurz
schießt den Fakir nicht mit dem Trebuchet ab, nur weil er mit meiner Oma geflirtet
hat. Das wäre irgendwie übertrieben.“
„Freu
dich, das NaNo-Land ist wieder normal.“ Blue lächelte und schaute Oma und Lurz
nach, die Händchenhaltend in Richtung Kajüte verschwanden. „Sollen wir mal
schauen, was der Smutje heute vorhat zu kochen?“
Sicherer
wäre es auf jeden Fall. Nach dem Chaos mit den Geschichten wollte ich mir keine
Lebensmittelvergiftung zuziehen.
„Und
danach können wir Damon suchen und herausfinden was er mit den Leuten gemeint
hat, die etwas im Schilf führen. Der Urlaub wird langsam langweilig“, schlug
ich unschuldig vor.
Blues
Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen und er kopierte im Scherz die
Verbeugung des Fakirs. „Nach dir.“
Ende
Ende
Die Manifestierung... das klingt wirklich wie ein Meilenstein der Geschichte. Nach dem Motto: Vergesst den Buchdruck von Gutenberg ^^
AntwortenLöschenIch war am Ende aber fast ein wenig enttäuscht gewesen... ich hatte mich schon so darauf gefreut das der Fakir Oma schöne Augen macht, davonfliegt und dann im Flug auf die untergehende Sonne von Lurz abgeschossen wird XD So war ja die ursprüngliche Planung... trotzdem muss ich sagen, eine tolle Geschichte, die du ganz wunderbar rübergebracht hast. Kompliment und Respekt!
Mir ist dann leider klar geworden, dass Oma von dem eifersüchtigen Gehabe nicht beeindruckt wäre und vermutlich Schluss machen würde, wenn Lurz eine Person verletzt, nur weil ihm nicht gefällt wie diese Martha anschaut.
LöschenDa ich die beiden als Pärchen mag, hat Lurz das dann gelassen.
Mmh, stimmt wohl leider... ich hätte es trotzdem lustig gefunden XD
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