„Blue?“ Die Frage kam eher als Husten heraus.
Das lag wohl hauptsächlich an dem Schaf auf meiner
Brust, denn als ich es wegschob, konnte ich wieder besser atmen.
„Blue? Hannes?“
„Gah…“, grummelte es von irgendwo weiter vorne.
Es gab immer noch Licht im Raum, wenn auch weniger
blau, da das Blau mittlerweile auf dem Boden verteilt war. Ich konnte also
super die Hand erkennen, die zuckend unter einem Haufen Schafe hervorragte.
„Mia, hilft mir!“ Dachte ich zumindest gehört zu
haben, denn es klang eher wie ein „Mmh, mmmh m“. Da hatte wohl jemand den Mund
voller Wolle.
„Geschieht dir recht!“, schimpfte ich und zog das
erste Schaf vom Haufen.
Es taumelte etwas als es wieder festen Boden unter den
Hufen hatte, fing sich aber sofort und begann von selbst einem weiteren Schaf
zu helfen, das auf Blue gelandet war.
„Was für eine beknackte Idee war das denn? Das war
sowas wie ein Aquarium! Ist doch klar, dass das Wasser irgendwo hin muss! Und
jetzt haben wir einen Haufen tropfnasser Schafe und vermutlich genug Lärm
gemacht damit das gesamte Wachteam gleich hier auftaucht!“
„Mia!“ Ein patschendes Geräusch sagte mir, dass Hannes
gerade durch diverse Pfützen auf mich zugehüpft kam. „Das war eine sehende
Welle!“
Ich hörte nicht auf die Schafe zu bewegen, drehte mich
aber lange genug zu Hannes um damit er mein Stirnrunzeln sehen konnte. „Was?“
„Das ist eine hochmoderne Alarmanlage, sowas wie ein
Alarmsignal, sowas wie… ach egal, die Kurzfassung ist, dass das hier garantiert
nicht unbemerkt geblieben ist!“, erklärte er und wich einem torkelnden Schaf
aus.
„Alarmbereitschaf?“
„Mäh-mäh?“, machte es vom anderen Ende des Raumes.
„Sei in, äh, Bereitschaft. Wir bekommen vermutlich
gleich Gesellschaft. Schafschützen, positioniert euch und verteidigt uns.
Gastfreundschaf, nimm Wasserschaf auf den Rücken, alle anderen helfen den
anderen Schafen wieder auf die Beine zu kommen. Wir müssen weiter. Hannes, du
übernimmst die Koordination.“
„Aber… warum…?“
Ich hörte nicht weiter auf ihn, oder das dumpfe „mh mh
mh?“, das unter dem Haufen Schafe erklang, sondern rannte zurück in die Waffenkammer.
Ich war mir recht sicher, dass ich dort genau das
gesehen hatte, was wir noch brauchten bevor wir uns in Bewegung setzen konnten.
Meine Vermutung wurde bestätigt als ich zurück in den überschwemmten Raum kam
und Hannes verzweifelt um Wasserschaf herumsprang.
„Irgendwas stimmt nicht! Es ist ganz grün angelaufen
und schnappt nach Luft!“
„Es schnappt nicht nach Luft, sondern nach Wasser“,
korrigierte ich ihn.
Ein wenig Wasser schwappte noch hinter dem bisschen
Glasrand, der stehen geblieben war, sodass ich das riesige Goldfischglas füllen
konnte, das ich mitgebracht hatte. Das stülpte ich Wasserschaf über und
befestigte es mit Klebeband an seinem Hals, sodass es nicht einmal mehr tröpfelte.
Vermutlich würde es ein Albtraum werden das wieder ab zu bekommen, aber seinen
Tod wollte ich nicht auf meiner Kappe haben. Es hatte wohl, wie vermutet, seine
Kiemen irgendwo am Kopf.
„Und das passiert, wenn man unüberlegt handelt“,
schnauzte ich Blue an, der sich unter den letzten Schafen wegzog. „Und jetzt schnapp
dir dein Schwert und tu was du am besten kannst. Und das ist nicht Aquarien sprengen!“
Zu meiner Genugtuung sah er sehr angeschafen an.
Schafe hatten auf ihm gelegen, ihn bei dem Versuch freizukommen in die Seite
getreten und generell so zugerichtet, dass er morgen von blauen Flecken
übersäht sein würde und seinem Namen alle Ehre machen würde. Die Auwirkungen
seiner Dummheit würden jedenfalls eine Weile anhalten. Aua eben. Nun ja, nicht,
dass das gerade von Vorteil war. Wir brauchten ihn in einer Verfassung, in der
er kämpfen konnte.
Bisher hatte sich noch nichts gerührt, auch wenn ich
trotzdem nicht glaubte, dass wir unbemerkt geblieben waren. Hierbleiben konnten
wir allerdings auch nicht. Also setzte ich mich zusammen mit Blue an die Spitze
der Schafherde und wir gingen weiter. Keinen Gang weiter wurden wir wieder
aufgehalten.
„Määääh“, machte es aus einer der Zellen.
„Oh Gott, was jetzt“, fluchte ich nur, schob ein
kleines Fenster zur Seite, das an dieser anderen Art von Zelle angebracht war
und schaute natürlich einem Schaf ins Gesicht.
„Blue, ich hab ein Spacesheep gefunden“, erklärte ich
nach einem längeren Blick auf die riesigen, mandelförmigen Augen, den grünen
Teint des Fells und nachdem ich den Haufen Klamotten in der Ecke als einen
Raumanzug identifiziert hatte.
„Mia, nein. Wir müssen weiter…“ Er brach ab, als er
bemerkte, dass der Rest der Herde ihm nicht gefolgt war, als er die nächsten
Schritte gemacht hatte. „Mist.“
„Allerdings“, stimmte ich ihm zu.
Vor allem, weil wir weder weiteren Sprengstoff hatten
(jetzt war die Sache mit der Lautstärke eh schon egal), noch wollte ich wieder
die Feder benutzen. „Ich versuche es mit dem Bogen.“
Blue warf mir einen zweifelnden Blick zu und trat
vorsichtshalber mehrere Meter zur Seite. Ich ebenfalls, da der Gang immer noch
recht eng war und ich nicht aus Versehen eins der Schafe treffen wollte.
Vielleicht, ganz vielleicht, hatte ich ja Glück und der Bogen war so froh mich
wiederzusehen, dass ich mal etwas Vernünftiges mit ihm verschoss.
Ich spannte die Sehne, zielte und schoss…
„Eine Pfeife?!“, fluchte ich und sah wie die Pfeife
nutzlos an der Holztür abprallte. „Das ist ja echt das Letzte! Ich kann…“
„Mia, runter!“
Im nächsten Moment hatte ich Blues Ellbogen in meinem
Gesicht, einen fast zerquetschten Hannes am Hals und flog rücklings durch den
Raum. Schon wieder. Keine Sekunde später ertönte ein ohrenbetäubender Knall und
aus dem Augenwinkel zwischen Blues Robbe hindurch sah ich wie etwas in Flammen
aufging.
Blue rappelte sich zuerst auf, dann ich, während
Hannes mir ins Ohr stöhnte er sei ein Frosch, kein Kissen.
„Die Pfeife hat die Tür komplett abgefackelt“,
bemerkte Blue.
Ich ließ das mal unkommentiert und befahl stattdessen
Gastfreundschaf das Wasserschaf näher an die Tür zu bringen. Mit dem Wink eines
Hufs produzierte es einen Schwall Wasser, der das Feuer löschte. Mittlerweile
hatte ich einen schafen Blick dafür bekommen welche Fähigkeiten unsere neuen
Freunde hatten je nachdem wie sie hießen.
„Na komm, Spacesheep. Wir müssen weiter.“
„Määääh“, machte Spacesheep und seine Stimme klang
dabei irgendwie hallend.
Hinter ihm kamen unerwarteterweise zwei weitere
Vierbeiner aus der Zelle getrabt und wurden sofort mit einem Mähkonzert
begrüßt.
„Das sind dann wohl Zweiziege und Dreiziege“, merkte
Hannes an. „Einziege ist lieber alleine unterwegs, aber die anderen finden sich
oft in Gruppen zusammen. Oft wird auch eine Einziege, wenn man sie zu einer
anderen Einziege steckt, zu einer Zweiziege.“
„…woher weißt du das schon wieder?“, fragte ich.
„Hat Archiblad erzählt, während du am Bericht über
meinen Vater geschrieben hast.“
„Aha.“
Auch das ließ ich lieber unkommentiert, bedeutete den
Neuankömmlingen nur sich irgendwo einzureihen, und setzte unseren Weg fort.
Wieder waren wir nur ein paar Gänge weiter gekommen, da
erschallte plötzlich ein ohrenbetäubendes „MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH…!“, das ich als
Alarmbereitschafs Sirene identifizierte. Die Sirene auf seinem Rücken drehte
sich ebenfalls wieder und produzierte flackerndes Licht.
„Blue, kannst du sehen was…?“
„MÄH-MÄH-MÄH-MÄH…!“
Ich duckte mich instinktiv, als ein Bolzen der
Schafschützen haarschaf an meinem Kopf vorbeizischte und einen Wächter traf,
der sich erbeamt hatte. In einer leicht pulsierenden Wolke tauchte eine
ähnliche Gestalt auf, die sofort noch einen Bolzen in den Torso geschossen
bekam. Waren wir hier in Star Trek gelandet?
„MÄH-MÄH-MÄH-MÄH…!“
„Runter, Mia!“, rief Blue, als der nächste Bolzen der
Schafschützen über meinen Kopf sauste.
Er selbst hatte sein Schwert gezogen und stürzte sich
auf die nächsten Wachen, die vor uns auftauchten.
„MÄH-MÄH-MÄH…!“
Selbst über Alarmbereitschafs Sirene hinweg hörte ich,
dass vom Ende der Herde ebenfalls Kampfeslärm ertönte.
Mit dem leisen Gebet, dass mein Bogen immer noch
Pfeifen verschoss, spannte ich ihn und zielt auf unsere Gegner. Als die ersten
verzweifelt versuchen mussten ihre Klamotten zu löschen, atmete ich erleichtert
auf. Wenn ich schon mit seltsamen Gegenständen schoss, dann wenigstens mit
welchen, die Schaden machten.
„MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH-MÄH…!“
„Ist ja gut, Alarmbereitschaf!“ Langsam dröhnten mir
wirklich die Ohren.
Die sofort einsetzende Stille war eine wahre Wohltat.
Naja, Stille bis auf den Kampfeslärm eben.
Ein wollig-weiches Etwas schob sich an mir vorbei und
rannte auf die Wachen zu. Ich spürte einen Hauch von Kälte, dann wurde der Gang
vor uns plötzlich zu einem gruseligen Winter-Wunder-Land. Die Bolzen der
Schafschützen stoppten und Blue ließ sein Schwert herunterhängen, um auf die
Statuen zu starren, die sich nun direkt vor uns befanden.
„Das“, bemerkte er „ist wirklich grausig.“
Da standen sie, die Wachen, eingefroren von
Winterschaf. Wie die Frau es jemals geschaft hatte die Verwandtschafe von
Freundschaf zu fangen, war mir immer mehr ein Rätsel. Das waren alles sowas wie
Superschafe.
„Mmmäh“, machte Winterschaf mit einem leicht stolzen
Unterton und marschierte vor uns her.
„Ehrlich gesagt wäre mir eine schwertwiegende
Entscheidung lieber gewesen“, meinte Blue, zuckte dann aber mit den Schultern
und setzte sich in Bewegung.
Ein Blick über die Schafsherde hinweg nach hinten
zeigte mir das inmitten der anderen stolzierende Weltherrschaf, umgeben von
seiner Anhängerschaf. Das, worüber sie stolzierten, waren übel zugerichtete
Wachleute. Wenn wir nicht aufpassten, würde es irgendwann wirklich die Welt
übernehmen.
„Was denn jetzt schon wieder?“, stöhnte ich nur, als
die Herde schon wieder stehen blieb.
„Das ist alles falsch!“, beantwortete die Frauenstimme
von vorne meine Frage. „Falsch, falsch, falsch! Ihr müsst hier bleiben damit
die Welt wieder normal wird!“
„Normal ist langweilig.“ Blue hatte sein Schwert doch
wieder gehoben. „Und jetzt lassen Sie uns durch. Wir haben Schafe und wir haben
keine Angst sie zu benutzen!“
Die Frau sah uns nur verwirrt an, als verstünde sie
nicht was gerade passierte. „Es ist alles gut. Alles gut. Keine Schafe. Keine
Overachiever, keine Magie…“
„…kein Spaß?“, warf Blue ein. „Ehrlich, Lady, so
funktioniert die Welt nicht.“
„Ihr müsst erst an mir vorbei, wenn ihr nach draußen
wollt!“ Sie stellte sich breitbeinig hin, verschränkte die Arme vor der Brust
und funkelte uns an.
„Okay.“ Blue setzte sich wieder in Bewegung. „Schafe –
alleschaf vorwärts!!!“, brüllte er.
Und die Hölle brach los. Innerhalb weniger Sekunden
war ich in einem Meer aus Wolle gefangen und wurde mit vorangetrieben. Rechts
von mir Schafbeine, links von mir Schafbeine, Mähs überall und das entsetzte
Gesicht der Frau, das immer näher kam und dann unter der Meute begraben wurde.
Die Stampede von Freundschafen rollte durch das
Gefängnis wie eine freigelassene Welle der Verwüstung. Ein Gang, noch ein Gang,
rechts herum, noch ein Gang… ich konnte weder stoppen, noch mich bemerkbar
machen. Hannes hatte sich in meinem Haar verkrallt und wimmerte mir etwas ins
Ohr. Manchmal konnte ich Blues blauen Haarschopf ein paar Meter vor mir
ausmachen.
Dann rannten wir auf eine Tür zu, dann war es als
würde die Tür unter der schieren Wucht von Schafen nach außen explodieren und
dann standen wir unter einem sternenklaren Nachthimmel.
Auf irgendeine Art und Wiese hatten wir es auf
irgendeine Wiese geschafft. Ich sog die frische Luft ein und sogar die Schafe
beruhigten sich langsam wieder. Einige tollten im Gras herum, wieder andere
begannen sofort einen wohlverdienten Mitternachtssnack einzunehmen. Als ich
mich umdrehte, sah ich, wo das Gefängnis hätte sein müssen, nur ein Stück
Wiese, das ein wenig dunkler schien als der Rest.
„Wir haben es geschafft!“ Blue fiel mir um den Hals
und riss mich beinahe zu Boden. „Endlich aus dem miesen Loch raus! Ich könnte
den Boden küssen! Oder die Schafe!“
Wider Willen lachte ich und wirbelte mit Blue über die
Wiese, inmitten der Schafherde. „Wir müssen immer noch die anderen holen. Und
das NaNo-Land retten“, erinnerte ich ihn. „Schon vergessen?“
„Das nicht. Aber die Atmosphäre von dem Gefängnis war
absolutes Gift für jede Art von Kreativität.“ Blue atmete tief durch, wieder
und wieder.
„Genieß du die frische Luft.“ Ich hingegen machte mich
auf die Suche nach Lanschaf. Irgendwie mussten wir ja unsere Freunde auf den
Plan rufen.
Lanschaf zu bedienen war etwas schwieriger als
gedacht, vor allem, weil es ständig entweder versuchte zu seinen Freunden zu
rennen, oder weil es einen besonders saftigen Grashalm entdeckt hatte, den es
unbedingt lieber fressen musste, als das Gras, das direkt vor seiner Nase
wuchs. Ganz zu schweigen von den generellen Problemen, die man mit Technik
immer hatte.
Sogar Blue kam wieder mit dazu, doch zusammen
schafften wir es ein Signal zu bekommen und Omas Handy anzurufen. Es war
sowieso alles besser als die Gedankenspinnen.
"Zu meiner Genugtuung (sag) sah er sehr angeschafen an. Schafe(n) hatten..."
AntwortenLöschen„Was denn jetzt schon wieder?“, stöhnte ich nur, als die Herde schon wieder stehen blieb.(“)
Mir sind jetzt nur die drei Fehler untergekommen... ansonsten freu ich mich gerade einfach nur über die Schafstampede ^^