Dienstag, 1. Dezember 2015

31. Kapitel



Blue stöhnte und meine Oma zupfte an meiner Robbe. „Mia, was tust du da?“
„Siehst du die Ziege da nicht? Merkst du nicht wie seltsam sich Freundschaf aufführt? Damit hat es irgendetwas auf sich, glaub mir.“
„Hört auf sie“, meinte Blue, der sich anscheinend etwas gefangen hatte. „Normalerweise hat sie den richtigen Riecher bei sowas.“
Einen Riecher wollte ich gerade jetzt nicht haben, denn ich ahnte womit wir schießen mussten, um die Ziege zu gewinnen.
„Können wir die nicht einfach kaufen?“, fragte Blue verzweifelt.
Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Aber…“
„Nein. Warum so überarscht? Meine Familie ist seit Jahrzehnten im Jahrmarktgeschäft. Wir haben unsere Standards. Und Stan-darts haben wir zwar auch, aber mit denen zu werfen ist langweilig.“
Das hatte ich befürchtet. „Warum sind Sie nicht auf einem richtigen Jahrmarkt, sondern irgendwo hier im Nirgendwo?“
„Aus irgendeinem Grund verweigern mir alle Märkte den Zutritt.“
Ich konnte mir vorstellen wieso. „Fangen wir an, bevor es zu dunkel für weitere Scheißübungen wird“, seufzte ich. „Geben Sie mir das Ding.“
Ein erneutes Seufzen ging durch unsere Gruppe als er tatsächlich die goldene Kloppbürste hervorzog. Das hatte ich befürchtet. Allerdings hatte ich mich damit fast schon abgefunden.
„Du musst den Kackpunkt da treffen“, erklärte der Mann.
Er deutete auf die Zielscheibe, in deren Mitte ein gelber Punkt angebracht war. Natürlich. Ein Kackpunkt. Hatte ich etwas anderes erwartet?
Ich legte ein paar Münzen auf den Tresen. „Geht besser ein paar Schritte zurück“, riet ich den anderen. „Ich werde gleich schießen.“
„Du meinst wohl scheißen“, flüsterte Hannes.
Meine Oma streckte ihre Hand aus und brachte ihn auf ihrer Schulter in Sicherheit.
„Oder so“, stimmte ich widerwillig zu.
Genauso widerwillig griff ich nach der Koppbürste. Also dann. Es half alles nichts. Schießlich wollten wir die Ziege gewinnen.
„Was für eine schöne Arschsicht“, meinte der Mann zu mir.
„Hey, pass auf was du sagst.“ Blue hatte eine Hand an seinen Schwertgriff gelegt und funkelte den Schißstandbesitzer wütend an.
„Schon gut!“ Er hob entschuldigend die Hände und trat zur Seite, um mir Platz zu machen.
Okay. Ruhig bleiben. Zielen. Nicht daran denken was genau ich gerade in der Hand hielt. Ich hatte einen Schitplan und ich würde ihn umsetzen, egal wie eklig das war. Nervös kackte der Schißstandbesitzer mit den Fingern und ich versuchte nicht darüber nachzudenken wie genau er das gemacht hatte.
Ich zielte, schoss, und…
„Keine Sorge. Es passiert jedem Mal, dass er über das Ziel hinausscheißt“, versuchte mich der Mann zu trösten. „Dieses Spiel ist sehr hart zu kacken.“
Das glaubte ich ihm aufs Wort. Wohin genau mein Schuss, äh Schiss, äh… was auch immer geflogen war, wollte ich lieber nicht wissen.
„Gibt her“, seufzte Blue. „Ich mache das. Ist doch schießegal wer die 50 Punkte zusammenbekommt.“
"Das musst du nicht machen. Echt nicht“, versuchte ich ihn halbherzig zu überzeugen. Wenn ich wirklich ehrlich war, wollte ich doch, dass er das machte.
Blue rollte nur mit den Augen und nahm mir die Kloppbürste aus der Hand. „Ich habe mit dem Ding schon mal geschissen. Du nicht. Gib her.“
Da hatten wir auch schon den zweiten Vorteil des Liebestranks. Er konnte ein echter Gentleman sein, wenn er es darauf anlegte. Das hier beeindruckte mich weit mehr, als er es in irgendeinem Kampf gegen Monster je tun könnte.
So schnell wie möglich zog ich mich zurück und beobachtete alles lieber aus sicherer Entfernung. Blue schien ebenfalls zu zielen, schiss – und Treffer! Freundschaf gab ein fröhliches „Mäh!“ von sich, als das braune Geschoss, das aus dem Ende der goldenen Kloppbürste gekommen war, den gelben Fleck auf der Zielscheibe in einen braunen verwandelte. Igitt. Das hier war immer noch genauso eklig wie das erste Mal, als wir diese spezielle magische Waffe gefunden hatten. Dabei hatten wir gehofft sie gut genug versteckt zu haben, dass sie niemals wieder jemand finden würde.
Immer wieder zielte Blue, immer wieder traf er ins Gelbe. Nur sehr wenige Schisse gingen daneben. Einer davon war besonders denkwürdig, denn er traf den Schißstandbesitzer, der sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt. Sein T-Shirt war nun getränkt in Scheiß. Ihn schien das nicht groß zu stören (vermutlich musste er sowas regelmäßig ertragen) und so zog er das Shirt einfach aus und warf das zusammengekotete Kleidungsstück in eine Ecke der Hütte.
Ein weiteres Mal wurde er gegen Ende des Gewinnspiels getroffen, dieses Mal recht hart. Leicht schwindlig rutschte er von seinem Schiß und setzte sich zurück auf seinen Platz am Rand des Schißstands, wobei er ein wenig torkelte. Danach blieb er glücklicherweise sitzen, seinen Kopf in den Kacken gelegt, und schaute Blue beim Scheißen zu. Alle atmeten erleichtert auf, als er endlich den fünfzigsten Treffer erzielte.
„Glückwunsch! Welchen Preis hätten Sie gerne?“, fragte der Schißstandbesitzer.
Blue deutete auf die Ziege.
„Nicht lieber den Panda? Der ist bei den Damen sehr beliebt“, meinte der Mann.
„Nein, die da bitte.“
Der Besitzer zuckte nur mit den Schultern und händigte dem glücklichen Gewinner das unscheinbar wirkende Plüschtier aus. Jetzt war ich gespannt. Wenn wir das alles ganz umsonst durchgestanden hatten, würde ich den Zeigefinder in den nächsten Fluss werfen, an dem wir vorbeikamen.
„Hier, meine Herzensdame“, meinte Blue und überreichte mir mit einer leichten Verbeugung die Ziege.
„Ähm… danke. Und danke dafür, dass du das übernommen hast. Wir würden hier immer noch stehen, wenn ich das hätte machen müssen.“
Meine Schießkünste mit dem Bogen waren ja allseits bekannt. Schlecht war ich nicht, nur schien ich besser darin zu sein diverse Gegenstände zu verschießen, die eigentlich nicht dazu geeignet waren. Wobei… da müsste ich eigentlich prädestiniert für die Kloppbürste sein.
Um meinen Gedanken nicht weiter nachhängen zu müssen, nahm ich die Ziege entgegen. Sie sah wirklich sehr lebensecht aus.
„Mäh“, machte Freundschaf und stupste mich wieder mit seiner Nase an.
Ich hielt ihm die Ziege vor die Schnauze. Auch diese bekam einen Stups mit der Nase verpasst, ein gruselig anmutendes Meckern erklang und plötzlich stand eine echte, lebendige Ziege vor uns und stupste Freundschaf zurück.
„Ich nehme mal an du bist die Einziege“, sagte ich zu dem Tier, das in unserer Mitte erschienen war.
Die Ziege meckerte bestätigend, was ich mal als Ja nahm. Freundschaf schien jedenfalls so aufgedreht zu sein wie selten zuvor. Es ließ eine ganze Folge von „Mäh, mäh, mähs“ hören und sprang um seine Freundin herum wie ein junges Lämmchen.
„Na immerhin hat sich der Blödfug gelohnt“, meinte Blue.
„Ich habe auch Andenken“, ließ der Schißstandbesitzer plötzlich vermelden. „Hier, künstliche Kacke zum Beispiel.“
Er hielt uns einen Plastikhaufen hin. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, so fest krallte er sich in die Kacke. Anscheinend war er noch nicht ganz darüber hinweggekommen, dass sich vor seinen Augen einer seiner Preise in eine lebendige Ziege verwandelt hatte.
„Ich habe auch portable Klos, falls ihr mal auf Reisen seid. Das sind so Pappklos für unterwegs. Ein paar davon wurden mir schon mal gestohlen, zehn Stück“, meinte er.
„Wer klaut denn Klokisten?“, flüsterte Hannes entgeistert.
„Da sind sie wohl mit zehn Klos zu viel gestartet“, meinte ich. „Ich kann mir nicht vorstellen wozu man die haben wollen würde.“
„Vielleicht für Notfälle“, mutmaßte meine Oma.
„Genug von dem Gerede über Klos und Schiss! Ich habe genug davon für den Rest meines Lebens. Danke für das Angebot mit den Andenken, aber ich bin froh, wenn ich diesen Vorfall so schnell wie möglich wieder vergessen kann“, entschied Blue schisslich.
Ich konnte ihm nur von Herzen zustimmen. Nachdem wir uns von dem Schißstandbesitzer verabschiedet hatten, machten wir uns auf den Weg zurück nach Romantika – zusammen mit der Einziege, die sich in verschiedensten Mäh- und Meckerlauten mit Freundschaf zu unterhalten schien.

1 Kommentar:

  1. Hahaha XD Herrlich, wieder ein Scheißkapitel ^^ Dieses Mal allerdings ohne direkte Vorwarnung, auch wenn man es nach dem Wink mit der Kloppbürste sich hätte denken können <.<

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