Die Aussage aufzunehmen dauerte nicht lange.
Die Liebwächterin hatte uns sogar in einem Polizeiauto zum Revier gefahren.
Davon würden eh zu viele herumstehen, hatte sie nur gemeint. Besonders witzig fand ich, dass nicht genug Leute auf die vorderen Plätze passten und Blue, Poenix und Freundschaf hinten sitzen mussten. Freundschaf und Phoenix schien das wenig zu stören, aber Blue sah aus als würde er sich nicht sonderlich wohl fühlen.
Da es ziemlich
viele Zeugen gab, war die Liebwächterin zuversichtlich, dass der Magier für eine lange
Zeit hinter Gittern landen würde. Dass wir Beauftragte von Mr. Ian Woon und die
Helden des NaNo-Landes waren, freute sie noch mehr, da unsere Aussagen dadurch
noch glaubwürdiger wurden.
Ich persönlich war nur froh, als wir am
frühen Nachmittag endlich auf dem Rückweg zum Hotel waren (dieses Mal leider nicht in einem Polizeiauto). Der Tag war fast vorbei und wir hatten nichts erreicht.
Hannes schien besonders niedergeschlagen zu
sein, denn er hatte seit seiner Befragung nichts mehr gesagt und war nicht
einmal aus meiner Robbentasche auf meine Schulter geklettert, was er sonst
immer tat. Irgendetwas stimmte nicht.
„Okay, noch mehr Schmollen kann ich
nicht ertragen. Hannes, was ist los?“
Er steckte den Kopf aus der Tasche, ließ sich
dann aber wieder zurückfallen. „Vergiss es, Mia.“ Seine Stimme wurde vom Fell
der Robbe gedämpft.
„Nein, vergiss du, dass ich es vergessen
soll. Komm sofort wieder raus und sag mit was mit dir los ist.“
In der Tasche war es einen Moment lang still.
Dann: „Ich bin zu nichts nütze!“
Aha. Das war es also. „Das stimmt
nicht“, versuchte ich ihn zu überzeugen. „Weißt du noch wie du uns gegen die
Schwertreiter geholfen hast? Es kann manchmal ganz praktisch sein einen Freund
in Hosentaschenformat dabei zu haben.“
„Ach ja, und was war dann die letzten Tage?
Von den Wergen wurde ich ins Koma geprügelt, gegen das Arsch von gestern konnte
ich dir auch nicht helfen und du musstest noch mehr Lebenskraft aufgeben und
das einzige, was ich heute tun konnte, war mich unter einem Sofa verkriechen.
Ich habe es sowas von satt ein Frosch zu sein!“, schrie er.
Meine Oma sah ein wenig besorgt aus als sie
das mit meiner Lebenskraft hörte, aber ich beschloss nicht weiter darauf
einzugehen. Hannes mit seiner Lebenskrise war wichtiger.
„Tja, daran können wir nun mal nichts
ändern“, meinte Blue.
Hannes grummelte etwas und tauchte tiefer in
die Robbentasche ab.
„Oder doch?“ Ich griff in meine Robbe und zog
den zappelnden Frosch hervor. „Du siehst so aus als hättest du einen Plan.“
„Naja, weniger einen Plan als eine blöde
Idee…“, murmelte er.
„Spuck’s aus.“ Mittlerweile hatten sich alle
um Hannes und mich versammelt und Blue war mal wieder der Unsensible.
„Naja, wir sind in Romantika… und die
verkaufen hier Liebestränke…“ Oh je. Ich hatte eine Ahnung wo das hinführen
würde. „Und wenn den jemand nehmen würde, den ich, nun ja, mag… Ich weiß nicht
mal, ob es funktionieren könnte!“, meinte er sofort. „Vielleicht sind
Liebestränke nur Schummelei, aber vielleicht, ganze eventuell…“
Er hatte aufgehört zu zappeln und hockte still in
meiner Hand. Konnten Frösche rot werden vor Scham? Falls ja, sahen sie
vermutlich aus wie Hannes gerade. Wobei, ich sah vermutlich nicht viel besser
aus, da ich wusste, wer den Liebestrank würde trinken müssen.
Ich war kurz davor „ohne mich!“ zu sagen,
doch der mitleiderregende Frosch in meiner Hand hielt mich davon ab. Fast sein
Leben lang ein Frosch zu sein musste wirklich ätzend sein. Wenn es auch nur den
Hauch einer Chance gab, dass sein verrückter Plan funktionieren könnte…
„Okay, ich mach’s.“
Die Augen aller Anwesenden wurden so groß wie
Teetassen und ich sprach weiter bevor ich meine Meinung ändern konnte.
„Aber es muss ein zeitlich begrenzter
Liebestrank sein. Ich werde auf keinen Fall auf ewig künstlich verliebt
rumlaufen. Deal?“
„Mia… bist du dir sicher…?“ Scheinbar traute
sich Hannes nicht ganz mich anzusehen, denn er fixierte lieber die Linien
meiner Hand.
„Ja. Wie wär’s mit jetzt gleich? Dann haben
wir es hinter uns und können die Einziege weiter suchen.“
„J-j-jetzt g-gleich?“, stotterte der Frosch.
„Aber…“
„Ich kenne einen Laden, wo es Liebestränke
aller Art gibt“, meinte Phoenix. „Ich war vor einiger Zeit mal hier und kenne
mich noch ein wenig aus.“
„Alles klar, dann führ uns hin.“
„A-aber…“ Hannes stotterte immer noch vor
sich hin.
Ich setzte ihn zurück in meine Tasche.
„Willst du wieder ein Mensch werden, oder nicht?“
„Ja, schon...“
„Dann hört auf mit dem Rumgestotter.“
Das machte mich nur noch nervöser als ich
sowieso schon war. Ich konnte es kaum fassen, dass ich gerade zugestimmt hatte
freiwillig einen Liebetrank zu mir zu nehmen – selbst wenn es dazu diente einem
Freund zu helfen. Also beeilten wir uns besser, bevor mein Gehirn Zeit hatte
mein Herz einzuholen. Oder anders herum.
„Bist du dir sicher, dass du das machen
willst?“, flüsterte Blue mir zu.
Er war langsamer geworden und lief neben mir.
Hannes war vermutlich noch so entgeistert über meine Entscheidung, dass er eh
nichts von der Unterhaltung mitbekam.
„Ja. Allerdings… könntest du sicherstellen,
dass ich Hannes nur einmal küsse? Ich mag ihn ja, aber mit einem Liebestrank
ist das irgendwie gruselig. Künstliche Liebe ist gruselig. Das ist der absolute
Kontrollverlust.“
Mir wurde erst langsam bewusst auf was ich
mich eingelassen hatte. Nicht darüber nachdenken!
„Klar.“ Blue grinste mich an. „Wir können
doch nicht zulassen, dass du dich in den falschen Kerl verliebst und vor allen
zum Affen machst.“
„Haha“, grummelte ich.
Typisch, dass er aus allem einen Scherz
machen musste. Deshalb war er in der Comedy-Gegend eine noch größere Nervensäge
als sonst gewesen. Wobei ich mir eingestehen musste, dass er auch seine guten
Seiten hatte. Wenn er meine Oma vor Vampirschafen rettete, zum Beispiel, oder
die Freunde von dem Kerl in Schach hielt, den ich in eine Mülltonne
katapultiert hatte.
Den Rest des Weges lenkte er mich mit
schlechten Witzen ab. Ob er mich einfach nur nerven wollte, oder mir ein wenig
Ablenkung verschaffen wollte, wusste ich nicht. Aber es half, also stellte ich
ihn nicht in Frage.
Er war jedoch der erste, der „oh nein“
seufzte, als er das Ziel unseres kleinen Abstechers sah. Ich stöhnte gleich
mit. Das fing ja gut an.
Der Laden, zu dem Phoenix uns gebracht hatte,
war schon am Anfang der Straße gut zu erkennen. Er befand sich in der untersten
Etage eines Fachwerkhauses, dessen Balken zwischen den weißen Flächen leuchtend
rosa gestrichen waren. Das große Schild über den Schaufenstern mit allerlei
rosa Sachen wies ihn als Das Mädchenreich
aus und war mit kleinen Herzen dekoriert. So etwas hatte ich meine ganzes Leben
lang versucht zu meiden. Diese blöde Farbcodierung für Mädchen und Jungen war nervig und jetzt würde ich mich in die Höhle des Löwen begeben müssen.
Beinahe hätte ich von unserem Plan abgelassen, doch Phoenix hatte den Laden
bereits betreten.
„Oh Gott, das ist ja noch schlimmer als ich
dachte“, murmelte Blue sobald sich die Tür hinter uns schloss. „Irgendwer muss
diese Monstrosität abfackeln.Vielleicht würden die Leute dann endlich damit
aufhören, diese lästigen Gerüche zu verbreiten."
Tatsächlich schien der Laden parfümiert zu sein.
Das war das Traumland eines jeden Mädchen-Mädchens und mein absoluter Albtraum.
Eigentlich hatte ich nichts gegen Leute, die rosa mochten. Mädchen konnten
gerne in pinken Rüschenkleidern rumlaufen so viel sie wollten und Männer, die rosa Shirts trugen,
sah man auch immer häufiger. Aber mich sollte man mit dieser Farbe in
Ruhe lassen.
"Rosa." Blue schauderte. "Was
ist das denn für eine Schreckensvision der Schreckensversion?"
So seltsam das auch klang, besser konnte auch ich
es nicht ausdrücken.
Meine Neugier gewann jedoch bald die Oberhand
– oder ich wollte meine Augen und Nase von dem Anschlag auf sie ablenken – und
ich sah mir die in den Schaufenstern ausgestellten Sachen genauer an. Viele
schienen tatsächlich Liebestränke zu sein. Dann gab es rosa-pelzige Tagebücher
mit herzförmigen Schlössern, kleine Spieluhren, die irgendwelche schnulzigen
Lieder trällern würden, wenn man sie aufzog und be-my-valentine-Karten.
„Willkommen im Mädchenland. Wie kann ich
Ihnen weiterhelfen?“ Eine hilfsbereite Verkäuferin mit Stupsnase und blondem
Lockenschopf trat auf uns zu. „Wir haben gerade eine Neuheit bekommen. Diese Spieluhr,
die My heart will go on spielt, zum
Beispiel. Oder die hier. Die spielt Let
it go.“
„Bloß nicht!“, rutschte es mir heraus.
Die Verkäuferin sah leicht beleidigt aus,
aber von Frozen hatten wir alle erstmal genug. Dafür hatte die Begegnung mit
Elsa im Legendenwald gesorgt.
„Wir haben auch andere Sachen“, kicherte
Blondie, die sich wieder gefangen hatte und nahm eine andere Spieluhr hoch.
Zur allgemeinen Überraschung begann sie Born in the USA zu spielen. Vielleicht
waren sie hier doch ein wenig fortgeschrittener als ich gedacht hatte.
„Oooh!“, quiekte da jemand hinter uns und
meine Meinung schwang wieder in die vorherige Richtung um. „Er hat die Figur
einer griechischen Götterstaude!“
Was bitte, wer bitte, wie bitte? Wuchsen die
Götter bei den Griechen neuerdings auf Stauden? Und was für eine Figur hatten
so eine Götterstaude?
Ein Kicherduo stellte sich zu unserer
Gruppe und begann Blue anzuhimmeln. Ausgerechnet den? Nett konnte er zwar sein,
aber zum Objekt der Begierde hätte ich ihn mir nicht unbedingt erkoren.
„Kannst du mit dem Schwert auch umgehen?“,
fragten die beiden und brachen sofort in einen weiteren Kicheranfall aus.
Das schlimmste war, dass Blue offensichtlich
geschmeichelt war. Waren alle Männer solche Vollidioten, oder schoss nur er den
Vogel ab?
„Mia, noch kannst du es dir anders
überlegen“, murmelte Hannes aus meiner Robbentasche.
„Ach papperlapapp. Erinnere dich an die
Erzierung. Und daran, dass deine Eltern versuchen wollen dich zu verheiraten.“
„Seit mein Vater das Internet für sich entdeckt
hat, findet er sich ständig auf Weibsites zum Thema Kriechenglocken wieder. Da
sucht er eine Frau für mich und gibt irgendwelche Anzeigen auf. Frosch sucht Prinzessin zum Zurückküssen
zum Beispiel…“
„Die Anzeigen muss ich mir anschauen!“
Anscheinend war Blue doch nicht abgelenkt genug.
Ich ließ ihn beim
Kichergeschwader zurück und folgte meiner Oma und Phoenix weiter in den Laden
hinein. Auch Freundschaf war ihnen bereits gefolgt, allerdings etwas langsamer,
weil es mit seiner dicken Wolle immer wieder an den Ausstelltischen hängen
blieb. Eine Spieluhr hing schon in seinem Fell und plärrte traurig I will always love you. Ich zupfte sie
aus seinem Fell und stellte sie auf einen Tisch mit herzförmigen Puderdosen.
„Sogar einer der Kornprinzen hat schon eine
Verlobte gefunden, eine mit gerstenschlanker Figur…“
Phoenix erklärte der Verkäuferin gerade nach
was genau wir suchten. Meine Entscheidung wankte zwar immer noch ein wenig,
aber jetzt gab es wohl kein Zurück mehr.
„Keine Sorge. Selbst wenn das mit dem
Liebestrank nicht funktioniert, kannst du immer noch bei Oma und mir
Unterschlupf finden falls du vor einer Hochzeit fliehen musst. Freundschaf haben wir ja auch aufgenommen. Ein Frosch mehr
oder weniger macht da auch nichts.“
„Danke“, meinte Hannes.
Mittlerweile hatte er sich wenigstens getraut
seinen Kopf ein wenig aus der Tasche zu stecken.
„Kann ich Ihnen was zu Trinken anbieten?“,
fragte die Verkäuferin und brachte ein Tablett mit einigen Wassergläsern
herbei, die, wie nicht anders zu erwarten, einen leichten Rosaschimmer
aufwiesen.
Blue und das Kichergespann waren auch näher
gekommen und bedienten sich bei den Gläsern. Vielleicht sollten wir das so
schnell wie möglich hinter uns bringen, bevor ich dazu verleitet wurde die zwei
dazu zu bringen ihre Münder zu halten.
„Welchen Trank würden Sie empfehlen?“, wollte
ich wissen.
Hannes setzte ich währenddessen schon mal auf
den Tisch. Immerhin würde ich ihn gleich küssen müssen. Wäh. Er war zwar mein
Freund, aber die Vorstellung einen Frosch zu küssen behagte mir trotzdem nicht. Einmal reichte.
„Das hier ist einer unserer stärksten Liebestränke“,
meinte die blondgelockte Verkäuferin. „Allerdings wirkt er nur drei Tage lang.
Man muss ihn einfach nur trinken und die Person ansehen, in die man sich
verlieben will. Allerdings ist das Ganze ziemlich teuer…“
„Das macht nichts. Das ist es uns wert“,
sagte meine Oma sofort.
Hannes sah aus als würde er vor Dankbarkeit
in Tränen ausbrechen wollen. Vielleicht war das mit dem Liebestrank doch keine
so dumme Idee gewesen. Was für ein Preis waren schon drei Tage Liebeskrankheit
und generelles sich zum Affen machen im Austausch dafür, dass er vielleicht ein
Mensch wurde?
„Ich frage mich nur manchmal ob Sarah und Paul
sich trauen sollten sich zu trauen; ich würde sie aber trauen, wenn sie sich
trauten sich zu trauen, daran besteht kein Zweifel“, schnatterte eins von Blues
Fangirls hinter mir und nahm dann glücklicherweise einen Schluck Wasser, was
sie einige Sekunden lang still sein ließ. Ich wollte nur noch hier raus.
„Okay, gehen wir es an“, beschloss ich. Je
schneller ich es hinter mir hatte, desto besser.
„Na dann.“
Die Verkäuferin schüttete den Liebestrank in
mein mittlerweile leeres rosa Wasserglas. Die Flüssigkeit sah recht unscheinbar
aus, eigentlich wie normales Wasser. Der einzige Unterschied war, das sie sich
ein wenig von alleine zu bewegen schien. Sanfte Wellen schwappten gegen den
Rand des Glases. Es war fast hypnotisch mit anzusehen.
„Mia, du musst wirklich nicht…“, begann
Hannes erneut.
„Mia! Die Geschichte von Penny musst du dir
anhören. Die ist genial!“, rief Blue dazwischen.
Er machte sich von den beiden Mädchen los,
die sich an seine Arme gehängt hatten, und nahm sich ein Wasserglas vom Tisch.
„NEIN!“, kreischten viele Stimmen
gleichzeitig.
Doch es war zu spät. Blues Grinsen wich
einige Sekunden lang einem verklärten Gesichtsausdruck, während er mich ansah.
Dann begann er wieder zu grinsen, dieses Mal noch breiter als vorher.
„Blue!“ Ich brachte nur ein ersticktes
Keuchen heraus. „Du hast gerade den Liebestrank getrunken!“
„Ach Quatsch. Ich fühle mich großartig! Das
ist als würde ich schweben!“ Die beiden Mädchen hinter ihm sahen sich aus den
Augenwinkeln an. „Ich glaube ich schwebe, weil ich bei dir bin, Mia“, meinte er
nachdenklich.
Oh Gott. Bitte nicht.
Großartiges Kapitel XD Ich hab mich schon die ganze Zeit drauf gefreut ^^ Wie das wohl noch ausgehen wird <.<
AntwortenLöschen