Am nächsten Morgen wachte ich auf und
erschrak mich als allererstes über die Größe von Mr. Ian Woons Nase, die sich direkt auf meiner Brust befand. Es half
nicht gerade, dass ich, als ich mich zur Seite drehte, in das überdimensionale
Auge des Starlets schaute, unter dessen Gesicht meine Oma die Nacht verbracht
hatte.
Nach dem Essen gestern erwartete ich zum
Frühstück natürlich genauso seltsames Zeug. Ich wurde nicht enttäuscht.
Blue saß bereits am Tisch, wobei „saß“ eine
eher grobe Beschreibung war. Es sah eher aus, als würde er hängen, mit den Beinen
seltsam unter dem Stuhl verhakt, dem Rücken so gebeugt, dass er als Buckewal
durchging, und der Wange platt gegen die Tischplatte gepresst.
„Ich bin müüüüde“, beschwerte er sich. „Es
hat auch nicht geholfen, dass ich mich die ganze Nacht von dem Overachiever und
Mr. Ian Woon beobachtet gefühlt habe.“
„Soll ich dir einen Kaffee mitbringen?“,
fragte ich.
Das war ja nicht mit anzusehen, so ein Trauerspiel. Sogar Hannes,
der vor einer Schale mit frischen Fliegen saß, die der Koch heute
morgen gefangen haben musste, sah ihn mitleidig an. Wenn wir gingen, gab es in
dieser Küche bestimmt keine einzige Fliege mehr.
Er nickte nur und die Brille, die er morgens
öfter statt seiner Kontaktlinsen trug, schabte über den Tisch. Das war immer
ein Zeichen dafür wie müde er war. Wenn er es nicht einmal schaffte seine
Kontaktlinsen einzusetzen, war es ein langsamer Morgen und nur eine gehörige
Portion Kaffee konnte ihn aus seinem Stupor befreien.
Statt einer normalen Kaffeemaschine, fand ich
jedoch eine "Kaffeemachsine" vor. Sie hatte die Form einer seltsamen
Apfelsine, doch wenn man sie drückte, kam statt Apfelsinensaft Kaffe heraus.
„Was ist denn das für ein Ding?“
Ich hatte keine Antwort erwartet, doch meine
Oma war hinter mir die Treppe hinunter gekommen und betrachtete das Ding
ebenfalls mit schiefgelegtem Kopf.
„Vielleicht eine entfernte Verwandte der
Apfelsine? Eine, die Kaffee macht?“, vermutete sie. „Solange der Kaffee gut
ist, ist es mir egal.“
Der Kaffee war gut. Zumindest kam er nicht an
die Seltsamkeit des Abendessens heran, egal wie ungewöhnlich die Aufmachung war, in
der er sich präsentierte. Blue leerte seine erste Tasse in einem Zug, verbrühte
sich die Zunge und versuche es eine Minute später nochmal mit Tasse Nummer zwei.
„So, Blue, du hast zwei Optionen was für ein
Frühstück du nehmen kannst“, las ich aus der Speisekarte vor. „Einmal könnte
ich ein früshes früshstück anbieten,
aber wenn ich mit die Formulierung ansehe, ist das vielleicht ein bisschen
früh für dich.“
Hannes kicherte und leckte mit seiner Zunge
eine weitere Fliege auf.
„Das zweite hört sich besser an. Früshstückszereliane mit Pineapple.
Klingt ein bisschen wie die Liane, die wir benutzt haben, weil du die Idee
hattest wie wir vor den Werrölfen fliehen können. Das hört sich eher nach einem
Frühstück für dich an. Was meinst du?“
„Ich ess gern Lianen zum Frühstück, also
ja...“, murmelte er und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. "Was war
Pineapple noch auf Deutsch? Ach ja, richtig, Granatapfel."
Das brach den Damm und Oma, Hannes und ich
konnten uns vor Lachen nicht mehr einkriegen, während Blue sich wunderte was
genau er bei der Übersetzung des Wortes „Ananas“ falsch gemacht hatte.
Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen
und checkten unten am Tresen aus.
„Sie verlassen uns bereist?", fragte der
Wirt enttäuscht, während ich meinte den Koch in der Küche einen Jubelschrei
ausstoßen zu hören.Keine Fliegenjagd mehr für ihn.
„Ja, und wir reisen sogar noch weiter. Danke
für die Gastfreundschaft und denken Sie vielleicht nochmal über die ganzen
seltsamen Sachen auf Ihrer Speisekarte nach“, meinte meine Oma zwinkernd.
Ganz in Gedanken zog ich meinen Rotzsack zu
mir heran. Er sah meinem Rucksack jedenfalls sehr ähnlich, aber ich bemerkte rotzdem
recht schnell, dass es nicht mein Rucksack war, sondern der Rotzsack meines
Tischnachbarn.
„Iiiiiih! Wäh, wäh, igitt! Was ist das für
ein ekliges Teil?!“ Angewidert stellte ich das Ding wieder zurück und wischte
mir meine Hände an der Hose ab. Bäh, das war ja widerlich. So eine
Rotzedur musste ich mir wirklich nicht antun.
Das einzig Positive an diesem Vorkommnis war,
dass es Blue besser aufweckte, als es aller Kaffe und alle falschen Granatäpfel
der Welt konnten. Er kippte fast aus den Schuhen vor Lachen. Haha.
Unser Gepäck ließen wir wieder bei unserem
Fakir (der, nebenbei bemerkt, unter dem Bildnis von Tina Turner hatte schlafen
dürfen) und machten uns dann auf den Weg
in die Universitöt.
„Warum heißt das eigentlich so?“, fragte ich.
„Ich hoffe das ist nicht wörtlich gemeint…“
„Nein, aber ich denke schon, dass sich da
irgendjemand einen Scherz erlaubt hat. Immerhin bezeichnen viele Studenten die
Uni oder zumindest deren Kurse als Hölle oder höllisch langweilig. Oder auch
todlangweilig. Such dir was aus.“ Blue zuckte mit den Schultern.
„Hört sich an als wüsstest du wovon du
sprichst.“
„Klar. Ich studiere. Chemie, falls es dich
interessiert. Auch während NaNo.“ Noch fasste er sich sehr kurz und gähnte bei
jedem zweiten Wort, aber immerhin hatte er die Brille gegen Kontaktlinsen
eingetauscht. Das war ein gutes Zeichen.
„Während NaNo? Wie um Hummels Willen schaffst
du dann diese enormen Wordcounts?“ Ich hatte das Gefühl meine Augen mussten die
doppelte Größe angenommen habe.
Ich hatte meine liebe Not gehabt mit
dem normalen Wordcount mitzuhalten. Die Schulaufgaben zwischendurch hatten nicht gerade
geholfen, mir mehr Schreibzeit zu verschaffen. Auch nicht geholfen hatte mein Geburtstag, der leider in den November fiel. Das hatte meine Oma und mich mindestens einen Tag gekostet. Wie musste es da erst sein
währenddessen zu studieren oder Vollzeit zu arbeiten?
„Ich hatte im letzten NaNo sogar eine Klausur
im November. Das war gar nicht so einfach. Aber man muss einfach Prioritäten
setzen. Für mich war das der Kompromiss, dass ich zuerst eine bestimmte Anzahl
an Stunden lerne und, wenn ich das wirklich gemacht habe, es mir erlaubt ist
für NaNo zu schreiben. Das war genug Ansporn, um die Sachen für die Uni so
schnell wie möglich zu erledigen.“
„Mmh.“
Ich musste daran denken wie sehr ich immer
noch hinter allem herhinkte. Meine Prioritäten waren definitiv nicht so
angeordnet gewesen wie Blues. Fluffles‘ Geschichte hatte mich vollkommen
verinnahmt. Meine Mutter hatte sich die die ganze Zeit Sorgen gemacht, dass ich
in der Schule den Anschluss verlieren würde. Vielleicht konnte ich mir doch
noch eine Scheibe von Blue abschneiden was seine Organisation während des
Novembers anging.
„Was, mmh.“
„Mmh, beeindruckend.“
Die letzten Meter zur Universitöt marschierte
er geradezu stolz vor uns her. Wenn ich gewusst hätte was Komplimente für einen
Einfluss auf ihn hatten, hätte ich ihm vielleicht öfeter welche gemacht. Oder
auch nicht. Auf die Dauer konnte das glaube ich ganz schön nervtötend werden.
Die Uniersitöt war leicht zu finden, denn
direkt davor befand sich der Erfolgteich. Zuerst konnte ich mir nichts so
richtig etwas darunter vorstellen, doch sobald ich das Ding sah, wurde mir
alles klar. Offendichtlich befanden sich hier Statuen von den bekanntesten und
berühmtesten Absolventen der Universitöt. Dichter, Denker, Wissenschaftler…
alle verwegigt als Statuen, die in einem spiegelklaren See standen, der sich
über eine so große Fläche erstreckte, dass locker sechs Häuser hineingepasst
hätten. Die wichtigsten Absolventen schienen sogar eine vergoldete Statue
bekommen zu haben.
„Gibt es sowas an deiner Universität auch?“,
fragte ich Blue.
„Nein. Und selbst wenn, wäre ich nicht dabei.
Beim NaNo ein Overachieber zu sein, bringt dir im richtigen Leben leider nur
was wenn du Autor bist. Und auch dann nur bedingt, denn was du schreibst sollte
ja auch noch verständlich sein. Alles schnelle Schreiben bringt nichts, wenn du
dabei nur Mist produzierst.“
Was dann wohl bedeutete, dass er nicht nur
schnell schrieb, sondern auch noch etwas produzierte, was er nicht als Mist
ansah. Das war mehr als man von den Projekten sagen konnte, die ich vor NaNo
angefangen hatte. Am liebsten würde ich sie alle durch den Schredder drehen und
die Dokumente von meinem Computer löschen, aber irgendwie konnte ich mich nicht dazu durchringen.
„Schau mal, die Plakette: Glückwunsch an alle erfolgteichen und auch
nicht so erfolgteichen Marathonschreiber.“
„Aha! Also kommst du an dieser Uni mit dem
Overachiever sein doch weiter!“
Blue zuckte mit den Schultern. „Bringt dir
trotzdem nichts fürs echte Leben.“
Auch hier herrschte außerhalb von NaNo ein
wenig tote Hose. Gestern im Fußballstudio war definitiv mehr losgewesen. Die
einzigen Leute die ich sehen konnte, waren eine große Blondine, die handyhaltend
mit einem dunkelhaarigen blassen Typen über den Campus schlenderte. In diesen
modernen Zeiten war wohl selbst Händchenhalten aus der Mode gekommen.
In der Eingangshalle saß ein
Pförtner, der uns zur Bibliothek schickte als wir nach Material über
Freundschafe fragten.
„Sie sind die ersten Personen, die sich
tatsächlich für den Mist interessieren“, seufzte er. „Da wird sich Archiblad
aber freuen.“
„Archiblad?“, hakte meine Oma nach.
„Er recherchiert seit Jahren für eine
Doktorarbeit über Freundschafe. Da dürfte es ihn besonders freuen, dass Sie
sogar eins mitbringen…“ Er musterte sowohl Freundschaf als auch Hannes
misstrauisch. „Eigentlich sind Tiere im Universitötsgebäude ja verboten…“
„Ich bin kein Tier!“, beschwerte sich Hannes.
„Ich bin ein verzauberter Mensch.“
„Ja klar. Das höre ich tagein, tagaus“,
seufzte der Wachmann. „Aber Archiblad würde mir nie verzeihen, wenn ich ein
Freundschaf wegschicken würde… also dürft ihr alle durch. Aber nur, wenn ihr
euch entsprechend verhaltet!“
Seine Augen durchbohrten besonders Hannes,
der erst nickte als ich ihm einen kleinen Schubs mit dem Finger versetzte. Auch
Omas Hand bekam einen misstrauischen Blick ab, aber da sie ein Teil meiner Oma
war, schien der Wachmann ein wenig verwirrt zu sein was die genaue Handhabung
in einem solchen Fall anging.
Durch seine Richtungsangaben war es kein
Problem die Hochschnulbiblithek zu finden. Jetzt, wo ich mal darber nachdachte,
schien das NaNo-Land vor allem aus Bibliotheken zu bestehen. Dann wiederum was
das nur natürlich, wenn man bedachte, dass es im NaNo-Land viele
Autoren gab, die normalerweise nicht nur schrieben, sondern genauso gern die
Bücher anderer Autoren lasen oder sich als Hörbuch anhörten.
Diese Bibliothek war nicht so schön wie die
natürliche Schönheit des Legenden-Walds, und bei weitem nicht so beeindruckend
wie die Wandernde Bibliothek. Was Bibliotheken an sich anging, war sie allerdings
auf ihre eigene Art und Weise gut.
Ein paar Studenten tummelten sich zwischen den
hohen Regalen, einige vergraben hinter einem Stapel von Büchern, die sie
vermutlich für eine Hausarbeit lesen mussten. Andere wanderten ziellos durch
die Regalreihen, so als hätte sie jemand in einem Lavyrinth ausgesetzt und es
war ihre Aufgabe nun herauszufinden wie man es wieder verließ. Jemand hatte
versucht etwas Leben in das Gebäude zu bringen und Kakten auf der Fensterbank
aufgestellt – eine Version von Kakteen, die sich gleichzeitig als Akten
benutzen ließ. Immerhin war der unbekannte Dekorateur beim Thema des Gebäudes geblieben.
Ein Student saß vor einem ganzen Set Gläser.
Einige Zerbrochene lagen auf der einen Seite und andere, die eine seltsame
schillernde Farbe angenommen hatten, standen auf der anderen Seite. Der Student hatte sein Glas noch nicht ganz
gelehrt, da ertönte ein Geräusch, das wie das Entstehen eines Steinschlags beim
Auto klang, das Glas bekam einen Sprung und der Student schob es stirnrunzelnd auf
die Seite mit den kaputten Gläsern.
Dann schnappte er sich das nächste Glas und
versuchte wieder das Glas auf den richtigen Weg zurückzulehren. Irgendwie waren
sie ja niedlich, die intelligenten Gläser. Nur was er dem Glas beigebracht hatte,
wusste ich leider nicht.
„Wir müssen in die sechste Etage“, erinnerte
Oma uns. „Das zumindest hat der Pförtner gesagt…“
Weil sie keine Lust hatte die Treppen zu
laufen – "Vorgestern erst bin ich vor einem Rudel Werrölfe und Walfe
weggelaufen. Das reicht für die ganze Woche als Sport" – quetschten wir uns alle
in den Fahrstuhl. Interessanterweise machte das ängstlichste Gesicht
Freundschaf, das zwischen Blue und mir eingequetscht wurde und sich ganz nah an
die Wand des Fahrstuhls drücken musste, um sich nicht die Wolle in der Tür zu
klemmen. Ich konnte es ein wenig verstehen. Hätte ich gewusst wie eng es werden
würde, hätte ich mich vielleicht freiwillig für die Treppen gemeldet.
Plötzlich ging ein Rucken durch den Lift und
dann blieb er
Wir warteten auf das Ende des Satzes. Und warteten. Und warteten. Aber Steph schien nicht gewillt uns mitzuteilen was genau mit dem Lift los war.
„Was? Was blieb er? Also wirklich, Steph.
Wenn du schon diese Geschichte schreibst, dann schreib sie wenigstens halbwegs
grammatikalisch korrekt“, beschwerte sich Blue.
„Es könnte auch eine stylistische Sache sein.
Wenn der Lift stehen bleibt, dann bricht die Fahrt ab, also bricht auch der
Satz ab“, versuchte ich Steph in Schutz zu nehmen.
„Aber das wäre nicht konsistent mit dem
vorherigen Stil, wo sie so etwas nie gemacht hat. Die Sprache hier ist sehr
einfach. Da passt so etwas nicht rein“, argumentierte Blue.
Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die
Wand des Aufzugs. „Streiten wir uns gerade wirklich darum wie man beschreiben
sollte, dass der Lift stehen bleibt, anstatt zu diskutieren wie man hier
vielleicht wieder rauskommen könnte?“
„Ich find es sehr schön, dass er sich wenigstens
nicht plötzlich dematerialisiert hat...“, murmelte Oma. „Das hatten wir ja mit
dem Schwart schon. Und mit dem Lift wäre es nicht gerade besser.“
„Mäh“, machte Freundschaf und presste sich
zitternd noch näher an die Wand. Oh je. Hatte das arme Ding etwa Platzangst?
Als Schaf war es so enge Räume vermutlich
nicht gewohnt. Obwohl wir immer noch nicht wussten wo genau Freundschaf gewohnt
hatte bevor es von den Nonnen vom Kloster der Wunder aufgenommen worden war.
Eigentlich müsste Mr. Ian Woon mittlerweile Nachricht von seinen Gesandten
haben. So lange dauerte es auch nicht ein paar Nonnen zu befragen. Vermutlich
waren wir diejenigen gewesen, die die letzten Tage über zu beschäftigt gewesen
waren, um einen Anruf per Spinne zu tätigen. Ganz zu schweigen davon, dass ich
lieber mit einem Handy anrufen würde.
Ein weiterer Ruck ging durch den Lift und
Freundschaft stieß ein klägliches „Mäh!“ aus.
„Shh, ist ja gut“, flüsterte ich und strich
ihm durch die dichte Wolle.
Es erklang ein Ping, die Türen öffneten sich und eine Stimme sagte: „Dieser Lift
hat sein Ziel erreicht. Bitte bleiben Sie stehen.“
„Einen Teufel werde ich tun!“, knurrte Blue.
"Nur raus aus diesem Teil. Bevor es sich entscheidet wieder stehen zu
bleiben, ohne Punkt und Komma.“
Freundschaf quetschte sich zwischen meinen
Beinen hindurch und wartete im Gang darauf, dass der Rest unserer Gruppe es aus
dem Lifrt schaffte.
„Okay, runter nehmen wird die Treppen“,
beschloss meine Oma. „Runter kommt man immer.“
Na ob das so beruhigend war...
öfeter als einziger Schreibfehler der mir auch wirklich so vorkam... dieses Kapitel wusste ich nämlich echt oft nicht ob das jetzt beabsichtigt war oder so gehörte, das könnte man echt gut verschleiern. Les es dir vielleicht wenn du Zeit hast nochmal aufmerksam durch... ich war manchmal echt verunsichert.
AntwortenLöschen