Als wir nach draußen kamen, hatte sich die Atmosphäre ein wenig gewandelt. Die meisten Leute waren nun im Vollrauch.
So würde ich es jedenfalls nennen. Wenn
man zu viel getrunken hatte, hatte man einen Vollrausch. Da die Leute hier alle
zu viel geraucht hatten, hatten sie definitiv einen Vollrauch.
Wir quetschten uns langsam in Richtung
Dampffläche durch, um zu schauen, was dort eigentlich so getanzt wurde. Hannes
hatte es sich auf meiner Schulter bequem gemacht.
„Darf ich um diesen Tanz bitten?“
Blue verbeugte sich so ungelenk, dass Hannes
vor Lachen beinahe das Gleichgewicht verlor.
„Mach das nicht nochmal, oder der bekommt
einen so starken Lachanfall, dass er auf dem Boden landet und von den tanzenden
Leuten zertrampelt wird“, kicherte ich.
Tja, Passivrauchen war keine schöne Sache.
Lange würde ich hier bestimmt nicht bleiben, obwohl es Spaß machte mit Blue zu
tanzen. Vor allem, weil ein paar Mädchen, die an der Seite saßen, mir eifersüchtige
Blicke zuwarfen. Wahrscheinlich waren das ein paar von
denen, die Blue ihre Nummer gegeben hatten. Wenn die nur wüssten, dass hier drei Leute tanzten, drei Freunde.
Nur konnten sie den Frosch nicht sehen.
Das Gebiet um den Hanf schien durchaus
einträglich zu sein, denn hier schien recht viel davon im Umlauf zu sein. Das,
was ich „die Rauschsäule“ taufte, wurde zu meinem neuen Orientierungspunkt. Die
Ecke, wo die meisten pafften und kifften und qualmten, war rechts von der
Tanzfläche und das war die Ecke, die ich unter allen Umständen meiden würde.
„Dem Könling zu drogen hat mein Vater stets mit
zehn Jahre Kerker bestraft“, meinte Hannes plötzlich. „Der hat es nicht so mit
Drogen. Wenn der wüsste wo ich gerade bin und dass seine schöne Erzierung den Bach runtergeht…“ Dann kicherte er überraschenderweise.
Ich musste zugeben, dass ich mit seinem Vater überein stimmte. Bei
illegalem Drogenkonsum musste man hart durchgreifen. Hier in Romantika schien
es jedoch normal zu sein. Was immer noch nicht bedeutete, dass ich mich direkt
im Qualm aufhalten musste und Hannes dem ganzen Zeug ebenfalls aussetzte. Als
Frosch schien er eine etwas niedrigere Schwelle zu haben. Das war damals beim
Rum im Hexenhaus genauso gewesen.
Ich gab Blue ein Zeichen, dass ich eine Pause
einlegen würde und er nickte mir zu. Die Mädchen an der Seite standen auf und
ergriffen die Chance, die sich ihnen bot. Mir machte das nichts. Sollten sie
doch. Morgen würde er sich wahrscheinlich an kein einziges von ihnen erinnern.
Vielleicht war meine Einschätzung von Blue
doch nicht ganz korrekt gewesen.
Einige Sachen, wie den NaNo, machte er entweder ganz oder gar nicht. Bei
anderen Sachen hatte er Angst, sich komplett darauf einzulassen. Bei
Beziehungen schien das der Fall zu sein. Also verkroch er sich lieber mit
seinem Schwert in einem Übungsraum und übte bis ihm die Arme schwer wurden und
er das Gefühl hatte einen Drachen ohne Probleme besiegen zu können.
Den Drachen konnte er vielleicht besiege,
aber das gnädige Fräulein abzustauben könnte das eigentliche Problem
darstellte.
Die Vorstellung führte dazu, dass ich schon
wieder kichern wollte. Jap, zu meiner Überrauschung hatte ich definitiv zu viel von
diesem Zeug abbekommen. Ich suchte mir die sauberste Ecke des Gartens, die ich
finden konnte und lehnte mich gegen die Mauer. Hier konnte man die Sterne
sehen, auch wenn wir uns in einer Stadt befanden. Das fand ich in Schreibstadt
so schade. Das ganze künstliche Licht sorgte dafür, dass die Hälfte der
Sterne gar nicht zu sehen waren. Auf dem Land war die Nacht schwarz und die
Sterne waren zu Milliarden zu sehen.
Wahrscheinlich war das ein Teil dieser Region.
Sterne waren immer schon etwas Romantisches gewesen. Vermutlich gehörte es in
Romantika einfach dazu immer die Sterne sehen zu können. Vermutlich regnete es hier
auch nur, wenn jemand eine Beziehung abbrach und weinend nach Hause lief.
„Hallo, Schönheit. Warum stehst du so weit
abseits?“, fragte eine Stimme neben mir.
Ich drehte mich um und sah genau den Typ von
Kerl, der mir gestohlen bleiben konnte. Der Typ von Kerl, der genau wusste wie
attraktiv er war und die Arroganz aus jeder Pore verströmte. Nein, einfach nur
nein.
„Sorry, keine Interesse.“
Ich sah zurück in den Sternenhimmel und
hoffte, dass der Typ das als eindeutiges Signal nahm abzudampfen – im wahrsten
Sinne des Wortes. Sollte er doch zurück in den Qualm gehen und sich zukiffen.
Ich sah mir lieber mit dem leicht angekifften Hannes die Sterne an, die
eigentlich nicht so schön aussehen dürften.
„Oh, du spielst die Unnahbare. Das ist echt
heiß“, versuchte der Kerl es erneut.
Ugh. Er war nicht nur einer von den
arroganten Typen, sondern auch noch einer von den strohdoofen. Warum mussten
die immer ausgerechnet auf mich stehen? Vielleicht versuchten sie es aber auch
bei allen weiblichen Personen, die nicht bei drei auf den Bäumen waren. Um das
herauszufinden, müsste ich solche Exemplare allerdings über einen längeren
Zeitraum beobachten und das lohnte die Mühe nicht. Dieses Exemplar hatte einen strengen
Geruch und betrunke Augen – da hatte wohl jemand zu tief ins Gras geschaut.
„Ich spiele nicht nur die Unnahbare, ich bin die Unnahbare. Und jetzt verpiss
dich. Zieh Leine. Geh wieder zu den anderen. Ich will alleine sein.“
Ich sah keinen Grund ihn davon in Kenntnis zu
setzen, dass es einen Frosch in meiner Jackentasche gab, der so einiges dagegen
hätte, wenn der Typ auch nur versuchte eine Hand an mich zu legen. Nur konnte
Hannes vermutlich nicht viel ausrichten.
„Ach komm, sei nicht so. Trink noch ein Bier
und dann sieht die Welt ganz anders aus. Oder nimmt dir nen Joint. Das
funktioniert auch.“
Das waren also die Lösungen für all seine
Probleme. Wo der Kerl in 30 Jahren sein würde, wusste ich jetzt schon. Wo ich
sein würde, wusste ich dank Feder auch schon. Ups.
„Geht das nicht in deinen dicken Schädel?“
Langsam ging mir der Kerl wirklich auf die Nerven. „Ich würde mich nicht einmal
für dich interessieren wenn ich so dicht wäre wie du!“
Gut, das war zu viel für ihn. Vielleicht
brauchte er ja so lange, um darüber nachzudenken was ich meinte, dass ich mich in der
Zwischenzeit verkrümeln konnte.
„Das… das war nicht nett!“, bemerkte er
endlich.
Ach so, auch schon verstanden. Na endlich.
„Dann kannst du mich ja jetzt in Ruhe lassen.“
„Jetzt erst recht nicht!“, entschied der
Kerl.
Und plötzlich hatte er seine Hände an meiner
Hüfte und seinen Mund auf meinem. Mein erster Reflex war, ihm in die Eier zu
treten, aber irgendwie hatte er es geschafft mich so gegen die Mauer zu
drücken, dass ich mich kaum rühren konnte. Und dieses Arsch versuchte mir die
Lippen mit seinem Bieratem abzuschlabbern.
„Lass sie los!“
Hannes quetschte sich aus meiner
Robbentasche, die von dem Typ ganz schön zerdrückt wurde, und sprang dem
Grabscher ins Gesicht. Der war kurz irritiert und hörte auf zu versuchen mich zu
küssen. Leider schlug er Hannes zur Seite und hatte mich schon wieder
eingeengt, bevor ich mich befreien konnte.
Panik und Wut vermischten sich. Angst um
mich, Angst um Hannes, Wut auf mich, Wut auf den Bieratem-Kerl… es gab einen Blitz
und der Typ wurde nach hinten geschleudert, als wäre er von unsichtbaren Marionettenfäden
gezogen worden. Er traf die leere Pizza Tonne und landete mit dem Kopf voran in
dem blauen Ding.
Einige Leute begannen zu kreischen und zwei
Typen, die vermutlich die Kumpel von Betrunken-und-eklig waren, begannen ihm aus
der Tonne zu helfen. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, was mich mit einem seltsamen
Gefühl von Stolz erfühlte. Vielleicht würde er sich am nächsten Morgen
wenigstens daran erinnern warum ihm die verpasst worden war. Vielleicht
überlegte er dann bei der nächsten Party zweimal bevor er ein Mädchen küsste,
das ihm mehrmals einen Korb gegeben hatte und das sich vielleicht, anders als
ich, nicht wehren konnte.
„Du Schlampe! Was hast du dir nur dabei
gedacht!“, fuhr mich der eine Typ an und kam drohend auf mich zu.
„Dein Kumpel hat mich angebaggert, ich habe
deutlich nein gesagt und er hat trotzdem versucht mich zu begrabschen. Wenn du
mich fragst, ist in einer Pizza Tonne zu landen das Mindeste, was er verdient.“
„Du…!“
Er holte aus, um mir eine zu klatschen und
ich überlegte, ob ich ihn mit Magie blocken sollte. Es war mir schon zuwider
gewesen Magie einsetzen zu müssen, um den Grabscher loszuwerden. Ich würde
meine Lebenszeit nicht für solche Vollhirnis aufs Spiel setzen. In
Gefahrsituationen, ja. So, nein. Also hob ich meinen Arm, um ihn abzuwehren, mir
voll bewusst, dass ich trotzdem die Wucht des Schlages zu spüren bekommen
würde.
Nur dass der Schlag nicht kam. Stattdessen
flog der Typ ebenfalls Richtung Pizza Tonne, nur ohne Feuereffekte.
Blue war
vor mir aufgetaucht. Wer ihn nicht kannte, würde denken, dass er komplett
entspannt war, doch ich konnte sehen, dass er wirklich stinksauer war. Das war
die Pose, die er einnahm, bevor er irgendjemanden mit seinem Schwert
verprügelte – oder ins Grab schickte. Momentan sah es aus, als würde er sich am
liebsten für Letzteres entscheiden. Ich wusste nicht genau, ob ich mich darüber
freuen sollte, dass er sein Schwert nicht dabei hatte. Vielleicht hatten die
Kerle es verdient. Vielleicht auch nicht. Der Teil von mir, der immer noch den
Bieratem auf der Zunge schmeckte, wollte am liebsten das ganze Gebäude
niederbrennen.
„Dann glaubst du also, es ist lustig, was der
Kerl hier versucht hat? Sich an einem Mädchen zu vergreifen? Nur gut, dass er
die Falsche erwischt hat.“
Blue grinste mich an und bot mir eine Hand
zum High Five. Ich war so überrascht, dass ich darauf einging und
seltsamerweise schlich sich sogar ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Das
verschwand sofort wieder, als ich Hannes auf dem Boden liegen sah. Sofort eilte
ich zu ihm hin, doch er rührte sich bereits und blinzelte mich traurig an.
„Tut mir leid, dass ich keine Hilfe war…“
Er hörte sich so ermbarmungswürdig an, dass
ich mich fühlte, als müsste ich ihn trösten. Allerdings fehlten mir die Worte
und so nahm ich ihn nur auf die Hand, tätschelte seinen Kopf und setzte ihn
behutsam zurück in meine Robbentasche.
„Uuuuuuuh…“, dröhnte es aus der Pizza Tonne.
Da Betrunken-und-eklig immer noch mit dem Kopf in der Plastiktonne steckte,
hörte es sich seltsam dumpf an. „Mein Kooooopf…“
Als er versucht herauszukrabbeln, stieß er
mit seiner Stirn gegen die Außenwand und man hörte ihn laut fluchen.
Mittlerweile war es auf der Party recht ruhig geworden. Die Musik lief noch,
was die Abwesenheit von Gesprächen und Gelächter wesentlich prägnanter sein ließ.
Alle hatten sich zu uns umgedreht und starrten entweder mich, oder den Kerl in
der Tonne wütend an, weil wir ihre Fete unterbrochen hatte. Tja, selber Schuld.
Wer so einen Idioten einlud, musste mit sowas rechnen.
Der nächste Versuch sich aus seinem Gefängnis
zu befreien, war erfolgreicher und schwankend kam er auf die Beine. Wenn ich
mich nicht irrte, sahen seine Klamotten leicht angeschmort aus und auch bei
seinen Haaren würde er beim nächsten Friseurbesuch vermutlich die versengten
Spitzen abschneiden lassen müssen. Von seinen Augenbrauen würde ich gar nicht
erst anfangen. Die sahen so aus, als hätte man einen Opa mit Sehschwäche und
einer Nagelschere darauf losgelassen.
„Wo ist diese Schlampe…?“ Er taumelte ein
wenig und der Freund, dem Blue keine verpasst hatte, versuchte ihn zu stützen.
„Der Hexe zeige ich‘s! Der…“
Blues Lächeln war aus seinem Gesicht
verschwunden und ehe sich der Kerl versah, knallte er zurück auf die Pizza Tonne
und blieb dieses Mal ohnmächtig liegen.
„Hat da irgendjemand ein Problem mit?“ Blue
sah in die Runde.
Der Kerl, den er nach hinten gestoßen hatte,
starrte ihn wütend an. Alle anderen sahen entweder betreten zu Boden, wichen
seinem Blick auf andere Art und Weise aus, oder schauten von einer Person zur
anderen, weil sie immer noch nicht begriffen hatten, was hier gerade geschehen
war.
„Gut. Kommt, wir gehen.“
Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Mein
Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit Watte ausgestopft, entweder von
dem ganzen Drogenrauch, oder weil ich unter Schock stand. Vielleicht war es
auch eine Mischung aus beidem. Unter den misstrauischen Blicken der anderen
verließen wir das Gebäude und machten uns auf den Weg zurück ins Hotel.
„Tut mir leid, dass die Party so nach hinten
losgegangen ist“, murmelte ich.
„Entschuldige dich bloß nicht, hörst du?“,
fuhr er mich an. Sofort senkte er betreten den Blick. „Sorry. Es ist nur… du
solltest dich nicht dafür entschuldigen, dass so ein ekliger Kerl dich
angemacht hat. Alle anderen sollten sich bei dir entschuldigen. Tut mir leid,
dass ich nicht früher da war, aber diese eine Schnepfe wollte mich einfach
nicht loslassen… Tut mir leid.“
„Schon gut. Dafür hast du dem anderen Kerl
ordentlich auf die Nase gegeben“, sagte ich.
„Und du dem Grabscher. Das war ein Blitz,
kann ich dir sagen. Wenn ich nicht wüsste, dass du gerade schon wieder etwas
von deiner Lebenskraft verloren hast, würde ich das ziemlich beeindruckend
finden.“
„Erinner mich bloß nicht daran…“
Dass ich überhaupt Lebenskraft an so einen
Volltrottel hatte verschwenden müssten, war fast das Schlimmste an der ganzen
Sache. Aber vielleicht sah morgen ja die Welt ein wenig besser aus.
Nur zur Info: Die Hasch-Party war auch nicht ganz geplant...
AntwortenLöschenDas hier war übrigens das Kapitel, mit dem ich die 50k erreicht habe. :)
Dafür das es nicht geplant war und dich über die 50K gebracht hat war das Kapitel grandios... große Klasse muss ich gestehen.
AntwortenLöschenZwei kleine Fehler...Blute verbeugte sich so ungelenk/Das ganzen künstliche Licht sorgte dafür
Eine Hasch-Party für die 50k. Das nenne ich eine nette Kombination :D
AntwortenLöschenDieses Kapitel war witzig zu lesen und hat mir den Abend versüßt.