Wir wurden gekidnapped, auf der Welle von
Wergen getragen. Was genau waren die eigentlich? Wer-Zwerge mit einem Klempnerbedarfs-Fetisch?
Uns hatten sie jedenfalls vollkommen überrumpelt.
Die Strecke, die die Werge uns trugen, war
fast ein eigener Weg. In regelmäßigen Abständen waren Werge aufgestellt, die
den Pfad markierten, den ihre Artgenossen nehmen mussten. Blues Kopf war direkt
neben mir. Er versuchte, genau wie ich, sich dem Griff der Werge zu entwinden,
doch den Kampf hatten wir bereits verloren.
„Was machen wir denn jetzt?“, flüsterte ich
ihm zu.
„Die haben mein Schwert“, zischte er zurück.
„Deinen Bogen auch, oder?“
„Ja.“
Den hatten sie mir abgenommen sobald sie mich
zu Boden gerissen hatten. Allerdings hatten sie meine Phoenixfeder übersehen,
die unsere einzige Chance darzustellen schien. Anscheinend hatte keiner der
Werge die magisch erzeugte Käsereibe in Frage gestellt, die ich ihnen
entgegengeschleudert hatte.
So in ihr Gespräch vertieft bemerkte keiner
von uns beiden, dass die Werge nicht mehr auf dem vorgestehenen Werg waren, sondern
in eine kleine Seitengasse eingebogen waren. Diese war nicht mehr von Wergen
gesäumt, doch weiter vorne konnte ich einen Lichtschimmer ausmachen, wenn ich
meinen Kopf ein wenig drehte. Bevor wir uns versahen, waren wir ins Zentrum
einer Lichtung geworfen worden. Blues Schwert, mein Bogen und Omas Regenschirm
wurden ganz an den Rand der Lichtung geschafft und dort von einem weiteren Werg
bewacht. Hannes hatte sich in meine Robbentasche retten können und war noch
versteckt. Vielleicht würde sich das auch als Vorteil herausstellen.
Freundschaf stand zitternd neben Oma, die sich mit ihrer verbliebenen Hand in sein weiches Fell krallte.
Die Werge traten raunend näher. Vielleicht
hatten sie schon länger keine Menschen mehr gesehen, weil Roberot alle von
ihnen ferngehalten hatte? Vielleicht waren wir auch nur die ersten, die dumm genug
waren, sich fangen zu lassen. Typisch für uns wäre es jedenfalls, wenn ich mir
die Situationen anschaute, in die wir uns vor einem Monat bereits manövriert
hatten. Das hier erinnerte mich stark an die Schwertreiter. Vielleicht sollte
ich es mit „Wir kommen in Frieden“ versuchen?
Das Flüstern der Werge wurde lauter und die
Menge teilte sich, um größere Gestalten durchzulassen. Während die Werge nur
etwa die Hälfte meines Unterschenkels einnahmen, waren diese Kreaturen genauso
groß, oder sogar größer als ich.
„Das sind Werrölfe!“, flüsterte Blue
plötzlich.
„Was zum Teufel sind Werrölfe?“
„Werrölfe, Plural von Werrolf. Das ist
jemand, der sich zum Vollmond in einen Rolf verwandelt“, erklärte Blue.
In der Mitte der Lichtung brannte ein Feuer,
das die Gestalten nun in helles Licht tauchte So konnte ich sie kaum von
normalen Menschen unterscheiden. Sie waren vielleicht ein wenig behaarter als
normal. War ein Werrolf eine bestimmte Form eines Werwolfs namens Rolf? Blues
Erklärung hatte mich nur noch mehr verwirrt.
Der Werrolf, der vorgetreten war, sah ein
wenig anders aus als die anderen. Auf seiner Schulter saß ein kleiner Werg.
„Was machen wir mit ihnen, Bert?“, fragte der
Werrolf und drehte seinen Kopf, um den Werg anzusehen.
Die ganze Szene war irgendwie surreal. Noch
hatte ich die leise Hoffnung, dass sie uns vielleicht einfach gehen lassen
würden. Dumm genug das vorzuschlagen war ich allerdings nicht. Sowas ging
sowieso nie gut.
Der Werrolf kratzte sich den Bert auf seiner
Schulter, der sich dafür bedankte. Ich sah Blue mit hochgezogenen Augenbrauen
an, doch der sah genauso verwirrt aus wie ich.
Dann fiel mir die Lösung des Problems ein.
Steph! Bisher hatten wir alle Situationen ganz gut meistern können, aber was
sie sich bei dieser Szene gedacht hatte, konnte ich mir beim besten Willen
nicht vorstellen. Ihren Namen herausschreien wollte ich nicht, aber wenn sie
wirklich unsere Autorin war, wusste sie doch sowieso was ich dachte. Oder? Oder?
Steph!
Mach was! Irgendwas! Diese Viecher sind gruselig und ich habe keine Ahnung was
die wollen.
Einer der Werge war auf einmal vorgestehen.
Er salutierte und eine Reihe weiterer Werrölfe mit Berts auf den Schultern
betraten die Lichtung.
Verdammt, Steph. Das half überhaupt nicht
weiter.
„Wir präsentieren unseren Eigenwerbund!“, sagte
ein Werrolf an die versammelten Werge und Werrölfe gewandt. „Salutiert! Zeigt
euren Bert!“
Die Duos befolgten die Anweisung prompt.
„Zum Wohl unserer Werwohlpopulation wurden
diese Menschen gefangen, die in unser Gebiet eingedrungen sind und unsere Geschichten
gelesen haben! Dafür steht die Todesstrafe!“
Okay es begann Sinn zu machen, aber nicht auf
eine Weise, die mir gefiel. Wo war diese verdammte Autorin, wenn man sie mal
brauchte?
Die Phoenixfeder um meinen Hals wurde wärmer,
aber ich wusste nicht was für ein Zauber in dieser Situation nützlich sein
könnte. Es waren einfach zu viele; die konnte ich nicht alle auf einmal
ausschalten. Selbst sie zu blenden war keine gute Idee, denn ich konnte zwar
mit Blue reden, aber meine Oma stand einfach zu weit weg, als dass ich sie
erreichen konnte. Sie würde der Zauber auch erwischen und dann hatten wir das
nächste Problem. Vielleicht konnte ich Hannes rüberschicken...
"Um die Eindringlinge zu stoppen, haben
sich unsere tapferen Werbündeten, die Werge, auf den Werg gemacht.
Ein kleiner Werrolfwelpe tollte über die
Lichtung und ich konnte nicht umhin zu bemerken wie flauschig er war. Irgendwie
war der niedlich. Auch wenn sein Vater bestimmt einer von denen war, die uns
gerade gegenüber standen.
„Heute ist die Nacht der Werwandlung, die
Nacht in der wir verschmelzen und stärker sind als je zuvor!“
Ein paar kleinere Wesen huschten durch die
Massen. Sie waren sogar noch winziger als die Werge.
„Gartenzwarge“, flüsterte Blue mir zu. „Das
ist eine Unterart des Wergs, auch Gemeiner Gartenzwarg genannt.“
Super, und die Info half mir jetzt wie?
Steph! Jetzt wäre gut! Ich versuchte Hannes in meiner Tasche anzustupsen, doch er rührte sich nicht.
Ein langgezogenes Heulen erklang irgendwo in
der Nähe. Zuerst dachte ich, dass es ein Werrolf sein musste, doch ihre
Reaktion war die Zähne zu fletschen und die Krieger, die sich zuvor im Zentrum
um uns versammelt hatten, nach außen zu schicken und eine Verteidigungsposition
einnehmen zu lassen. Aus dem Augenwinkel sah ich einen dunklen Schatten, der um
die Lichtung herumschlich. Ein Werrolf folgte meinem Blick und stürzte sich
unter lauten Kampfesschreien seines Berts, auf die Kreatur. Die Kämpfenden
rollten auf die Lichtung und endlich konnten auch wir sehen von was genau die
Versammlung angegriffen wurde. Nicht, dass es mir viel brachte, denn ich
erkannte nicht, um was für ein Wesen es sich handelte.
„Das ist ein Walf, ein Riesenwolf. In der
Regel sind die ganz besonders aggressiv. Die Wälfe leben in der Nähe der Werge
und Werrölfe und sind mit ihnen verfeindet“, erklärte Blue.
Noch mehr Schatten waren aufgetaucht und die
Werrölfe waren auf einmal nur noch damit beschäftigt die Attacke abzuwehren. Wie
waren vollkommen vergessen. Oder beinahe vergessen, denn eine Werrölfin, die
sich bisher am Rande der Lichtung gehalten hatte, war zu unseren Waffen gerannt
und kehrte mit ihnen im Arm zu uns zurück. Niemand beachtete sie.
„Nehmt das hier und geht“, sagte sie.
„Aber…“, begann ich.
Sie knurrte und zeigte dabei spitze Zähne und
auch Blue sah mich entgeistert an. „Aber… was? Das hier ist unsere Chance also
setz dich verdammt nochmal in Bewegung und spar dir deinen Blödfug.“
„Du biest die Beste!", rief ich der
Werrölfin noch zu, die sich zu einem spitzzähnigen Lächeln hinreißen ließ und
dann den Werrolfwelpen gegen die Attacke eines Walfes verteidigte.
„Die schien ganz lieb und gar nicht biestig“,
meinte ich. „Wir können sie noch nicht einfach dort alleine lassen.“
Blue, Freundschaf, Oma und ich rannten Seite
an Seite im Wald entlang. Hannes war immer noch in meiner Tasche. Ich konnte
ihn spüren, aber bisher hatte er sich noch nicht gemeldet. Ich konnte nur
hoffen, dass die Werge ihn nicht zerquetscht hatten als sie mich getragen
hatten; das wäre eine absolute Katastrophe.
„Die Walfe werden sie nicht lange aufhalten,
aber lange genug, damit wir verschwingen können.“ Blue drehte sich gehetzt um
und ich tat es ihm gleich, doch noch war hinter uns nichts zu sehen.
„Verschwingen? Wie Tarzan?“
Blue deutete nur auf die Ranken über unseren
Köpfen. „Oder willst du durch das Kampfgetümmel laufen? Schau, da vorne sind
auch welche.“
Wie mussten im Herzen des Werrolf- und
Wargreiches gewesen sein und anscheinend waren die Außenposten ebenfalls in
Kämpfe verstrickt. Im Hochklettern an Seilen war ich im Sportunterricht nie
besonders gut gewesen, aber hier hatte ich auf die Schnelle auch keine andere
Lösung parat.
„Oma, schaffst du das?“
„Ich weiß nicht... und was ist mit
Freundschaf?“, fragte sie.
Ja, Blues Plan hatte definitiv Lücken. Wie
gut, dass ich sie füllen konnte. Meine Phoenixfeder war schon die ganze Zeit
über warm gewesen, als hätte sie nur darauf gewartet benutzt zu werden. Es war
mir ein Leichtes Oma und Freundschaf mit einem Schwung Magie auszustatten.
Freundschaf wurde so leicht, dass Oma es sich unter den Arm klemmen konnte und
sie selbst bekam so einen Schubs in die Höhe, dass sie die Schlingpflanzen ohne
Probleme erreichen konnte. Ich selbst sprang nach oben und bekam ebenfalls eine
der Ranken zu fassen und ein Fluch neben mir bestätigte, dass auch Blue es
geschafft hatte. Ich ließ die Magie so lange wirken, bis wir mit den Ranken
über das Kampfgetümmel unter uns geschwungen waren. Danach nahmen wir
unsere Beine in die Hand und rannten.
Hinter uns ertönte ein langgezogenes Heulen,
das von mehreren Stimmen aufgegriffen wurde. Ich hatte keine Ahnung, ob es sich
dabei um die Werrölfe, oder die Walfe handelte und es war mir auch egal. Was
auch immer uns jagte würde uns nicht in die Klauen bekommen, dafür würde ich
sorgen.
So liefen wir Seite an Seite durch den Wald,
verfolgt von den jaulenden Stimmen und den Schatten, die durch unsere Fantasie
erzeugt wurden. Hofften wir jedenfalls. Meine Oma war mittlerweile außer Atem
und auch Freundschaf sah nicht so aus, als würde es noch viel länger
durchhalten. Als sich von der Seite ein Schatten näherte, hatten wir also keine
andere Wahl als stehen zu bleiben, Schwert, Bogen und Starb zu zücken und der
Dinge zu harren, die da kamen. Dieses Mal achtete ich auch auf das Gebüsch,
damit ich nicht noch einmal von Wergen überrannt wurde.
Der dunkle Umriss kam näher und es erklang
erneut ein Heulen, nicht von der Gestalt, aber näher als es vorher gewesen war.
Blue machte sich fertig zum Angreifen und auch ich hatte einen Pfeil
eingespannt, da begann der Schatten zu sprechen.
„Schlangenpott und Mäusetod, was für ein
Barsch! Wie um Hummels Willen seid ihr denn hier gelandet? Und was ist mit den
Werrölfen los?“, fragte Roberot.
Vor lauter Erleichterung hätte ich fast
angefangen zu weinen. Sofort ließ ich den Bogen sinken und beschwor eine
Energiekugel herauf, die Roberot beleuchtete. Nur, um sicherzugehen, dass er es
auch wirklich war.
„Mach das lieber wieder aus, oder sie kennen
unsere Position“, murmelte Blue.
Was Kämpfen anging hatte er meistens Recht.
Ich hatte gesehen, was ich sehen wollte und ließ das Licht wieder verschwinden.
„Ein Glück, dass ich euch wiedergefunden
habe. Was habt ihr euch nur dabei gedacht so lange wegzubleiben?“, wetterte der
Hüter des Legenden-Waldes. „Euch kann man ja wirklich keine Sekunde aus den
Augen lassen. Nächstes Mal werde ich dafür sorgen, dass euch eine militärische
Esskröte begleitet!“
„Was ist eine militärische Esskröte…?“,
wollte ich von Blue wissen.
„Etwas, das sich nicht von Wergen entführen
lassen würde!“, klarifizierte Roberot nur und ich beschloss, dass es für den
Moment gesünder für mich war einfach den Mund zu halten. „Ich habe mir Sorgen
um euch gemacht!“
Während seiner Tiraden führte er uns weiter
durch den Wald, irgendeinen verschlungenen Weg entlang, den nur er erkennen
konnte. Irgendwann bemerkte ich, dass wir wieder auf einem Weg waren (nicht auf
einem Werg, glücklicherweise) und schon bald tauchte Roberots Hütte aus der
Dunkelheit auf. Die erleuchteten Fenster waren eine wahre Augenweide für mich.
Was mein Herz noch höher schlagen ließ, war das Essen, das im Wohnzimmer
aufgetischt war.
„Immerhin seid ihr jetzt sicher“, seufzte
Roberot, der sich anscheinend beruhigt hatte. „Aber versprecht mir euch nicht
nochmal zu verspäten.“
„Wie hast du uns eigentlich gefunden?“,
fragte Blue.
Ich achtete wenig auf die Unterhaltung, denn
nun fischte ich endlich Hannes aus meiner Brusttasche. Mein Herz schlug mir bis
zum Hals. Er dürfte nicht tot sein. Bloß nicht. Mein Atem beruhigte sich erst
als ich sah, dass sich seine Brust leicht hob und senkte. Vorsichtshalber
schickte ich ihm trotzdem einen Schuss Magie, für den Fall, dass er
irgendwelche schwerwiegenden Verletzungen hatte, die ich nicht sehen konnte.
Danach atmete er ein wenig regelmäßiger. Vermutlich war er in dem Chaos nur
k.o. gegangen.
„Die Bäume haben es mir gesagt. Ein paar hier
können sprechen…“
„Oh ja! Wir haben auch schon mal sprechende
Bäume in diesem Wald getroffen, allerdings weiter südlich, näher an der Grenze
zur Fantasy-Region. Die haben uns die Travelling Shovel of Death ausgehändigt“,
erinnerte ich mich.
„Ja, von denen gibt es hier auch einige. Sie
bilden eine Art Telefonkette durch den ganzen Legenden-Wald, die mich immer auf
dem Laufenden hält was die Bewohner so treiben.“ Einem Kaminchen trennte Roberot
während seiner Erklärungen geschickt das Fell vom Fleisch.
„Was genau ist das?“, fragte ich und deutete
auf das Kaminchen.
„Ein kleines Kaminchen natürlich. Sehr
schmackhaft, das kannst du mir glauben.“
Das musste ich wohl unbesehen tun. Bisher
hatte Roberot uns jedenfalls keinen Anlass gegeben ihm zu misstrauen und als er
uns anbot, dass wir die Nacht bei ihm verbringen könnten, nahmen wir alle
dankend an.
Ich muss gerade grinsen wenn ich mir vorstelle alle Werwölfe in meinem jetzigen Roman durch Werrölfe zu ersetzen, allerdings ist mir der Fehler tatsächlich noch nie untergekommen... und ich muss ja echt sagen, es hat seine Vorteile für die Gruppe die Autorin zu kennen.
AntwortenLöschenHurray, die militärische Esskröte... ich bin froh, das sie dir gute Dienste geleistet hat.
Vergiss nicht: Es müssen Werrölfe mit Berts auf ihren Schultern sein! xD
LöschenNaja, gute Dienste... meine Charas haben nie wirklich rausgefunden was das ist. Ich vermute mal es wäre sowas wie ein bewaffneter Hannes...
Dieses Bild bekomme ich nicht mehr aus meinem Kopf raus... umso witziger wenn man bedenkt das mein Vater so heißt.
LöschenHannes bis an die Zähne bewaffnet... welche Zähne wäre dann die nächste Frage.