Mittwoch, 7. Januar 2015

68. Kapitel



Wir standen frierend mitten auf dem Flugplatz. Um uns herum versuchten die Pilzizisten die nun immer mutiger werdenden Leute von uns fernzuhalten.
Jeder von uns hatte seine gesamte Ausrüstung dabei, Waffen, Kraftpillen und Ähnliches. Alle waren wir unheimlich angespannt – außer vielleicht Freundschaf, das seelenruhig auf einem Büschel Gras kaute. Wo es das schon wieder herhatte war mir ein Rätsel, denn wir standen mitten auf der Rollbahn. Starlight stand ein wenig abseits. Sie würde uns nicht in den Hubschrauber begleiten, hatte aber darauf bestanden als moralische Unterstützung anwesend zu sein. Der Wind, der uns um die Ohren wehte, war kalt und ging bis unter die Haut. Hoffentlich würde sich Lurz‘ Freund beeilen.
„Hört ihr auch was?“, fragte plötzlich Blue. Er hatte den Kopf zur Seite geneigt und lauschte. „Das kann nicht… oder doch?“
Ich spitzte ebenfalls die Ohren, doch noch war nichts zu hören. Dann, wie aus weiter Ferne, hörte ich was er meinte. Von dem großen Gebäude hinter uns näherte sich ein seltsames Geräusch.
lol ---- lol ---- lol
Erst langsam, dann immer schneller werdend drang der Lärm der Rotorblätter zu uns herunter.
lol lol lol lolololololol... bis sich der Klang schließlich zu einem ausgewachsenen rofl rofl rofl rofl erhob und der Rofl-Copter schließlich majestätisch über unseren Köpfen davon flog. Er drehte eine Ehrenrunde, während der wir ihn ausgiebig betrachten konnten.
„Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte ich nur.
„Töte mich jetzt, bevor ich in das Teil einsteigen muss“, bestätigte Blue meine Gedanken.
Erstens war das Teil knallrosa. Von den Kufen bis zu den Rotorblättern war jedes kleinste Bisschen des Rofl-Copters leuchtend rosa. Der Name Rofl-Copter war in dunklem Rot auf beide Seiten gemalt. Ansonsten hatte es eher eine militärische Aufmachung. Es war recht groß und an beiden Seiten befanden sich Schiebetüren. Das rofl rofl rofl rofl klang mir in den Ohren.
„In dem Ding sollen wir fliegen?!“, fragte Blue entsetzt. „Ich werde mich nie mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen können!“
 „Was würde ich jetzt für das Meteorauto mit Schweinwerfer geben“, grummelte ich.
Das rofl rofl rofl wurde immer leiser, ging wieder in ein lol lol lol lol lol über, bis die Rotorblätter schließlich zum Stillstand kamen. Ein schmächtiger Mann stieg aus und kam auf uns zu.
„Hallo, ich bin Alex!“, meinte er gut gelaunt und hielt uns die Hand hin.
Meine Oma schüttelte sie mit einem Lächeln und stellte sich vor. Keiner von uns anderen war dazu in der Lage. Wir starrten immer noch mit offenen Mündern auf den Rofl-Copter.
„Hallo, ich bin Marga. Das da sind Blue, Mia, Starlight, Freundschaf und der Frosch auf Mias Schulter ist Hannes. Außer Starlight kommen wir alle mit. Es ist unheimlich nett von Ihnen, dass sie uns mitnehmen wollen.“
„Lurz hat mir schon viel von Ihnen erzählt“, meinte er zu meiner Oma, während ich versuchte meine Sprache wiederzufinden.
„Oh, hat er?“ Sie wurde tatsächlich rot. Dann räusperte sie sich und versuchte das Thema zu wechseln. „Womit fliegt der?“, wollte sie wissen und deutete auf den Rofl-Copter.
„Der Copter fliegt mit Alkohlol“, erklärte Alex. „Das entsteht wenn Leute angeheitert sind wenn sie was getrunken haben, also gibt es davon immer genug.“
Alkohlol? Das erklärte schon mal das seltsame Geräusch der Rotorblätter.
„Also, sollen wir? Diese Plotbunnyinvasion hat lange genug gedauert!“ Alex stieg zurück in den Rofl-Copter und wartete darauf, dass wir ihm folgten.
Zusammen mit Blue hievte ich Freundschaf in den Copter und half meiner Oma beim Einsteigen. Ich konnte nicht fassen, dass wir versuchen würden in so einem Teil die Welt zu retten.
lol ---- lol ---- lol, machten die Rotorblätter als sie angelassen wurden. lol lol lol lolololololol, ging es weiter, bis das Geräusch wieder in seinem charakteristischen rofl rofl rofl rofl rofl rofl endete und wir langsam an Höhe gewannen. Unter uns begannen die Menschen immer kleiner zu werden. Auch die Plotbunnys, die vor den Toren des Flugplatzes warteten, waren eine einzige Masse. Von weit oben beobachteten wir wie der Zaun, der das Gelände umgab, nachgab und sich die Bunnymassen auf die Rollbahn ergossen. Die Schaulustigen stoben auseinander, verfolgt von kleinen, hüpfenden Punkten in verschiedenen Farben. Selbst aus diesem Blickwinkel sahen die Hasen unglaublich flauschig aus.
„Ich glaube nicht, dass wir unbeschadet wieder in Technopolis landen können falls unsere Mission schiefgeht“, bemerkte ich.
Ich dachte an Starlight, die auf dem Boden zurückgeblieben war. Die Chance war groß, dass sie gerade ebenfalls von Plotbunnys überrannt wurde.
„Steph, bist du soweit?“, rief Marga über den Lärm der Rotorblätter.
„Äh…“
Die Stimme unserer Autorin war kaum zu hören. Entweder lag das an dem Lärm der Rotorblätter, oder daran, dass sie sich immer noch nicht sicher war, ob sie uns helfen sollte oder nicht.
Blue wurde immer weißer im Gesicht je höher wir kamen. Mittlerweile klammerte er sich an seinem Sitz fest. Solange uns nichts dazwischenkam, würde er sich vielleicht nicht einmal einmischen müssen und könnte den ganzen Flug über seine Augen geschlossen halten. Natürlich blieb dieser Wunsch unerfüllt. Plötzlich war der Himmel stark bevölkt. Überall fielen Fallschirme, an denen Rauchninjas hingen. Zwei andere Helikopter – schwarz natürlich, genau wie die Fallschirme – flogen auf jeder Seite von uns. Es gab ein metallisches Klingen als mehrere Shuriken in der Seite unseres Rofl-Copters stecken blieben.
„Geben die denn nie auf?!“, schrie Blue.
Ich hatte meine eigenen Vermutungen was die Ninjas anging. Ihr Anführer müsste mittlerweile hinter Gittern sitzen, oder sich zumindest auf der Flucht befinden, sodass er sie wohl kaum hinter uns herschicken konnte. Außerdem war seine Mission sowieso gescheitert, da Mr. Ian Woon von seinem Plan wusste. Dass wir die Plotbunnyinvasion aufhalten wollten, sollte ihm mittlerweile egal sein.
Meine Vermutung ging eher in die Richtung, dass Steph sich wünschte wir würden die Grenze zur Realität nicht erreichen. Sie hatte zwar zugesagt, dass sie uns helfen würden, aber sie hatte eindeutig Skrupel. Ich glaubte eher, dass sie es war, die uns gerade versuchte aufzuhalten.
„Steph, lass den Mist!“, rief ich ihr zu.
„Was meinst du?“
„Du müsstest gerade meine Gedankengänge geschrieben haben, also weißt du genau was Sache ist. Lass die Ninjas verschwinden!“, versuchte ich sie umzustimmen.
„…wenn ihr es schafft trotz denen zur Realitätsgrenze zu kommen, dann helfe ich euch auf jeden Fall“, meinte sie nach einer langen Denkpause.
Na super. Das bedeutete, dass es von hier an nur noch schlimmer werden würde. Ich hatte leider Recht. Je höher wir kamen, desto mehr Ninjas landeten auf unserem Rofl-Copter. Einer der Ninjas verfing sich mit seinem Schirm in den Rotorblättern und stürzte als schwarzer, schreiender Punkt zur Erde. Sein Fallschirm blieb leider in den Rotorblättern stecken. Deshalb machte der Rofl-Copter einen Satz und begann an Höhe zu verlieren.
„Nein! Wir müssen es nach ganz oben schaffen!“, schrie ich Alex zu.
Blue war mittlerweile eher grün als blass und übergab sich aus der einen Tür des Hubschraubers Richtung Erde. Ich hoffte da unten stand keiner.
Okay, mir war jetzt offiziell alles egal. Ich griff nach der Feder um meinen Hals bis sie leuchtete und begann mich zu konzentrieren. Was auch immer es mich an Lebenskraft kosten würde, das war es wert. Der ganze Rofl-Copter wurde in ein warmes Licht getaucht, das von der Feder ausging. Es breitete sich weiter und weiter aus, bis es das Rotorblatt erreicht hatte, in dem sich der Fallschirm verfangen hatte.
„Mia!“, rief Hannes mir ins Ohr. „Was tust du da? Das kostet dich zu viel Kraft!“
Er versuchte mit seinen Fingern die Feder zu erreichen, vermutlich um sie mir abzunehmen, doch seine Froscharme waren zu kurz. Außerdem musste er sich gleichzeitig an meinen Haaren festhalten, um nicht vom Fahrtwind davongeweht zu werden. Wie durch Magie – natürlich war es Magie! – begann sich der Stoff des Fallschirms zu entfalten, die Schnüre entwirrten sich und das Teil fiel als Stoffballen Richtung Boden. Sofort begann der Rofl-Copter wieder an Höhe zu gewinnen.
Ich spürte wie ein gewaltiger Teil meiner Lebenskraft sich verflüchtigte. So ein Mist. Das mussten zwischen sechs Monate und ein Jahr gewesen sein. Aber wenn es dazu führte, dass wir das NaNo-Land retten konnten, war es das wert, oder? Oder?
„Verdammt, ich hätte nicht gedacht, dass du das tust“, beschwerte sich Steph.
„Du hast mir keine Wahl gelassen!“, giftete ich. „Und jetzt beweg verdammt nochmal deinen Hintern hier rüber!“
Wir hatten genau den Punkt erreicht, an dem sich die Grenze zur Realität befinden sollte. Der Hubschrauber hielt sich auf der Stelle, während zu beiden Seiten immer noch Ninjas vom Himmel fielen. Konnte unsere Autorin das nicht lassen? Vielleicht hoffte sie, dass sich noch ein Ninjas in den Rotorblättern verhedderte. Die hatte aber auch einen Charakter-Verschleiß.
„Also, wir haben es geschafft. Halt dein Versprechen. Bitte“, keuchte Blue.
Anscheinend hatte sein Magen alles hergegeben, was er hatte, denn Blue klammerte sich nur noch an eine Stange und versuchte nicht umzufallen. Meine Oma war damit beschäftigt alle Ninjas mit ihrem Regenschirm so weit vom Rofl-Copter wegzustoßen wie möglich. Ihre abgetrennte Hand saß auf ihrem Kopf, um den lila Samthut festzuhalten, der ständig in Gefahr war weggeweht zu werden. Hannes krallte sich in meine Haare und Fluffles schien  von dem ganzen Theater wenig mitzubekommen, denn es schlief in meiner Brusttasche. Freundschaf hatte sich den ganzen Flug über nur unter einer Sitzbank versteckt. Warum es unbedingt hatte an Bord kommen wollen, wusste ich nicht genau. Es tat eh nichts. Dann wiederum hatte es die ganze Reise über nicht viel gemacht, außer das eine Mal als es den König vom Geiersein erlöst hatte.
„Steph!“, wütete ich. „Komm her, jetzt sofort!“
„Na gut, na gut. Ich trage mich ein.“
Eine Minute war es still. Ich stellte mir vor wie Steph sich bei NaNoWriMo anmeldete. Wenn sie es sich nicht doch anders überlegt hatte und versuchte uns durch Schweigen dazu zu bringen umzukehren. Es gab tausend Wege wie sie uns jetzt noch sabotieren konnte. Sie könnte den Rofl-Copter abstürzen lassen, damit wir starben. Sie könnte einfach so lange warten bis uns der Alkohlol ausging und wir landen mussten, nur um dann von Bunnys überrannt zu werden.
Als ich gerade dachte, dass sie sich wirklich für eine dieser Möglichkeiten entschieden hatte, geschah es. Ein Lichtblitz erhellte den Himmel, vor dem nun weniger Ninjas fielen. Einige wenige der schwarzen Gestalten taumelten noch zur Erde, dann folgten keine mehr. Etwas wie ein Spalt hatte sich aufgetan, der sich über mehrere Dutzende Meter erstreckte.
„Da!“, schrie ich.
Dann jedoch sah ich, dass wir ein Problem hatten. Wir befanden uns etwa hundert Meter entfernt von der Grenze zur Realität. Vielleicht waren die Angaben im Buch nicht ganz genau gewesen. Vielleicht waren wir abgetrieben. Fakt war, dass wir den Spalt so nie erreichen könnten bevor er sich wieder schloss – was laut Buch in nicht einmal einer Minute sein würde.
„Kannst du näher ranfliegen?“, rief ich Alex zu.
„Nein!“, schrie der zurück. „Dort fallen noch die meisten Ninjas. Einer könnte uns treffen!“
Mist. Jetzt waren wir kurz vorm Ziel, nur um an so etwas zu scheitern. Tränen der Verzweiflung brannten in meinen Augen, die ich nicht von der Grenze zur Realität nehmen konnte.
„Das Automobil wäre jetzt praktischer.“ Blue rappelte sich stöhnend auf. „Dann hätten wir jetzt exzellente Schweinwerfer zur Verfügung.“
„Natürlich!“, kreischte ich. „Blue, du bist ein Genie!“
„Ach echt?“, fragte er ehrlich verwirrt. „Das hat mir bisher noch keiner vorgeworfen.“
Ich kramte in meinem Rucksack, bis sich meine Hände um etwas Weiches schlossen. Das rosa Plüschschwein, das ich gestern vom Unfallort hatte mitgehen lassen, kam zum Vorschein. An diesem befestigte ich so gut wie möglich die Phiole mit den NaNo-Bots und dem gruppalen Infekt. Dann spannte ich das Ganze in meinen Bogen ein.
„Das ist nicht dein Ernst“, meinte Blue, der für einen Augenblick seine Übelkeit vergessen zu haben schien.
Auch meine Oma hatte aufgehört Ninjas mit dem Regenschirm zu pieksen und sah mir mit aufgerissenen Augen zu.
„Warum das Schwein?“, fragte Blue. „Warum kannst du nicht einfach so schießen?“
Da er mich in meiner Konzentration störte, antwortete ich schnell. „Ein Gewicht könnte gegen den Wind helfen. Außerdem treffe ich irgendwie besser wenn ich mit seltsamen Sachen schieße.“
„War mir noch nicht aufgefallen“, grummelte er und hielt sich die Stelle seines Kopfes, wo ihn auf dem Piratenschiff die Feige getroffen hatte.
Ich blendete alles andere aus und konzentrierte mich nur noch auf den Spalt zur Realität. An den Seiten begann das Leuchten bereits zu schwinden und er zog sich immer mehr zusammen. Jetzt oder nie. Ich atmete aus und ließ den Pfeil, auf dem das Schwein aufgespießt war, aus der Sehne schnellen. Nun konnte ich nur noch verfolgen wie er durch die Luft sirrte, hin und her geworfen von den Böen des Windes.
Das Loch zur Realität schloss sich immer schneller, während der Pfeil auf es zuflog. Es war nur noch wenige Meter groß. Dann verschwand es vollständig – und der Pfeil ebenfalls. Das rosa Schwein wurde geschluckt.
„Hat es… hat es funktioniert?“, fragte Blue ungläubig.
„Natürlich hat es funktioniert. Sonst würde man das Schwein fallen sehen.“
Meine Stimme zitterte wie verrückt und ebenso meine Beine. Ich sackte neben Blue auf den Boden. Nie wieder würde ich mich rühren können. Nie wieder. Das war einfach zu viel Aufregung gewesen.

3 Kommentare:

  1. Ich kann mir irgendwie gut vorstellen wie Blue geguckt hat als Mia ihren Bogen gespannt hat... ich hätte nämlich ganz genauso geschaut.

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    1. Ich liebe Dialoge zwischen Mia und Blue, ist mir gerade aufgefallen. Vielleicht fange ich doch noch an die beiden zu shippen. ^^

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  2. Hehehe... ich lass mich überraschen.

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