Wir
standen nun vor einem abgeriegelten Raum, in dem mehrere Wissenschaftler mit
Schutzanzügen zu Gange waren. Sie hantierten mit Reagenzgläsern, deren Inhalt
sie ab und zu unter Mikroskopen betrachteten, dann irgendwelche Flüssigkeiten
mit Pipetten hineintropften und das Ganze wiederholten.
„Dort
werden die NaNo-Bots untersucht. Sie sind die Erreger des gruppalen Infekts“,
erklärte er. „Wir haben uns bereiterklärt euch eine winzige Menge zu Verfügung
zu stellen.“
Dabei
klang der Direktor nervöser als während der ganzen Führung zuvor. Es schien ihm
nicht besonders zu gefallen den gruppalen Infekt aus seiner Einrichtung
herauszulassen.
„Warum
ist das so gefährlich? Wenn sowieso alle im NaNo-Land bereits mit dem gruppalen
Infekt infiziert sind, dürfte doch nichts passieren falls er aus Versehen
freigelassen wird“, wunderte ich mich.
Das
zumindest hatte der Weise in der Küche gesagt. Dass wir alle eh schon infiziert
waren und den Infekt in die reale Welt bringen sollten, damit mehr Leute ins
NaNo-Land kommen würden.
„Hier
wird aber vor allem an Mutationen des gruppalen Infekts geforscht. Sollte eine
davon es nach draußen schaffen, dann Gnade uns Gott.“
Okay,
das hörte sich dann wieder verständlich und viel, viel schlimmer an. Allerdings
würden sie ja wohl wissen was für eine Infektion sie uns mitgaben und sollten
sich deshalb keine Sorgen machen müssen. Der Direktor führte uns zurück in sein
Arbeitszimmer, wo er aus einem kleinen Tresor eine Phiole mit einer klaren
Flüssigkeit hervorzog. Es war gerade ein Schluck darin.
„Das
ist alles?“, fragte Blue.
Er
hörte sich ein wenig enttäuscht an und ich konnte es ihm nicht verübeln. Die
Mangos waren irgendwie spannender gewesen.
Nach
der Führung verließen wir das Gebäude. Die Freusprechanlage wünschte und noch
einen „wundervollen und fröhlichen“ Tag und dann wurden wir von Pilzizisten in
ihren Autos zu unserem Hotel zurückgebracht. Scheinbar wollten sie bei uns kein
Risiko mehr eingehen.
Auf
dem Weg zurück begegneten wir den Fluchtkörpern erneut. Die Pilzizisten
staunten nicht schlecht als sie ein mit rosa Plüschbunny behängtes Motrorad,
gesteuert von mehreren orientierungslosen und hektisch-verpeilten Mangos, bei
denen die eine nicht wusste, was die andere tat, am Politzeitauti vorbeiflitzen
sahen.
„Geronimoooooo!!!“,
schrie eine der Mangos und gab Gas.
Eine
Verfolgungsjagd stand außer Frage, obwohl die sichtlich verwirrten Beamten den
Vorfall an die Zentralstelle durchgaben.
Ob
sie sich Sorgen machten, dass uns etwas getan wurde, oder dass wir jemand
anderem etwas taten, wurde übrigens nicht besprochen. Ehrlich gesagt war es mir
auch egal warum wir eine Eskorte verdienten, denn wir hatten jetzt etwas ganz
anderes im Auge.
„Wo
befindet sich nochmal der Übergang zur Realität?“, fragte Blue als wir zurück
in unserem Hotelzimmer waren.
„Ganz
in der Nähe von Technopolis“, antwortete ich mit einem Seufzen.
Das
hatten wir schon tausendmal besprochen seit wir die Wandernde Bibliothek
verlassen hatten. Ich hatte den ganzen Flug nach Technopolis über dem Buch
gebrütet, das Himmelrich uns mitgegeben hatte. Außer der Information, die wir
brauchten, enthielt es noch jede Menge andere interessante Fakten. Allerdings
hatte ich die Seite über die Grenze zur Realität bestimmt so oft gelesen wie
Blue mich danach fragte.
„Egal
wie oft du fragst, die wird sich nicht verschieben.“ Hoffte ich jedenfalls.
Das
Gute an der Sache war, dass sich der Übergang zwischen dieser und der anderen
Welt ganz in der Nähe von Technopolis befand. Der Nachteil der Sache war, dass
er sich etwa drei Kilometer über dem Erdboden befand, was Blue natürlich alles
andere als glücklich machte.
„Wir
müssen immer noch einen Weg finden da hochzufliegen. Mit dem Flugzeug können
wir nichts anfangen. Wir bräuchten einen Militärhubschrauber oder sowas.
Irgendwas, wo man die Tür während des Flugs öffnen kann“, murmelte ich wieder.
„Ah!“,
rief meine Oma.
Ihr
schien eine Idee gekommen zu sein, denn sie griff nach ihrem Handy. Dort
drückte sie die Lurzwahltaste eins und wartete darauf, dass abgenommen wurde.
Das mit ihr und dem Piratenkapitätän schien etwas Ernstes zu sein wenn sie ihn
sogar schon auf der ersten Kurzwahltaste hatte.
Die
beiden flirteten eine Weile bis meine Oma zum interessanten Punkt kam. Sie
beschrieb unsere Situation und fragte ob Lurz nicht jemanden kenne, der uns zur
Grenze bringen konnte. Ihrem Dank an Lurz nach zu urteilen hatte er tatsächlich
eine Möglichkeit gefunden. Oder sie wollte ihm kein schlechtes Gewissen machen,
weil er uns nicht helfen konnte. Nach erneutem Geturtel legte sie auf.
„Er
hat einen guten Freund, der einen Hubschrauber fliegt und der ganz in der Nähe wohnt.
Der würde uns mitnehmen. So können wir an die Grenze zur Realität herankommen.“
Als ich sie amüsiert ansah, fügte sie hinzu „Das hat er irgendwann mal
erwähnt.“
„Aha.“
Ich
ließ die Sache auf sich beruhen, obwohl ich mir ein Grinsen nicht verkneifen
konnte. Ich fragte außerdem nicht wann genau Lurz ihr das erzählt hatte.
„Ähm“,
räusperte sich plötzlich unsere Autorin. „Ich habe mir das Ganze nochmal
überlegt und… ich glaube nicht, dass ich bei NaNoWriMo mitmachen werde.
Zumindest nicht dieses Jahr.“
„Was?!“
Das
dürfte doch nicht wahr sein! Jetzt ließ die uns einfach sitzen? Das konnte sie
aber wirklich vergessen.
„Du
hast gesagt du würdest es machen!“, meinte auch Blue genervt.
„Naja…
inoffiziell vielleicht. Aber ich habe mir das nochmal überlegt und… ich glaube
nicht, dass ich das schaffe! Das sind immerhin 50.000 Wörter in einem Monat!
Das sind fast 2000 Wörter pro Tag!“
„1667“,
korrigierte meine Oma mit einem Lächeln.
Stephs
Stimme zitterte trotzdem. „Das schaffe ich einfach nicht! Ich muss meinen
Eltern im Haushalt helfen und ich muss für Arbeiten lernen und mich mit
Freunden treffen und ich habe auch noch andere Hobbys!“
„Meinst
du ich nicht?“, fragte ich sie. „Und trotzdem habe ich mich von meiner Oma
überreden lassen. Du kriegst jetzt keine kalten Füße!“
„Doch,
kriege ich!“, schrie sie. „Ihr seid doch alle vollkommen wahnsinnig das
überhaupt zu versuchen!“
Da
konnte ich ihr nicht widersprechen. Allerdings war auch sie nicht ganz normal,
wenn man es genau nahm. Immerhin schrieb sie eine so verrückte Geschichte wie
unsere.
„Hör
mal“, versuchte ich ihr zu erklären. „Mir geht es doch genauso. Ich habe auch
unheimlich viele Sachen während des Novembers zu tun. Aber ich versuche es
wenigstens.“
„Man
muss die 50.000 Wörter nicht schaffen“, stimmte auch Blue zu.
„Sagte
der Overachiever mit den tausenden von Wörtern“, grummelte unsere Autorin.
„Dann
denk an Phoenix“, versuchte es meine Oma mit warmer Stimme. „Sie hat so oft
schon bei NaNoWriMo mitgemacht, aber sie hat nicht jedes Mal gewonnen. Manchmal
hat sie es geschafft, manchmal hat sie sogar 60.000 Wörter geschafft, manchmal
hat es eben nicht funktioniert. Es gibt solche Jahre und solche. Aber davon
darf man sich doch nicht abschrecken lassen.“
Die
Stille statt der Proteste war schon mal mehr als wir zustande gebracht hatten.
„Oder
schau mich an!“, fuhr meine Oma fort. „Ich schaffe die 50k mit Müh und Not und
dieses Jahr werde ich eine Hand weniger haben! Bis zum November wird die nämlich
nicht wieder ganz werden. Aber versuchen tue ich es trotzdem.“
„Versuch
es einfach mal“, schloss ich noch einmal an. „Was ist das Schlimmste, was
passieren kann?“
Es
blieb wieder ruhig. Dann antwortete eine schüchterne Stimme „Okay“.
Das
musste für den Moment reichen. Trotzdem fühlte ich mich nicht wohl als wir uns
schlafen legten. Was, wenn sie über Nacht ihre Meinung noch einmal änderte?
Dann würden wir morgen in einem Hubschrauber sitzen und stundenlang an der
Grenze zur Realität warten, dass sie sich öffnete und nichts würde geschehen.
Diese
Vorstellung half mir nicht gerade einzuschlafen. Ich wusste genau wie es sich
anfühlte versagt zu haben, denn als wir in der Drachenschenke den Weisen in der
Küche getroffen hatten, hatten wir gedacht versagt zu haben. Das war kein
schönes Gefühl gewesen und ich würde alles geben um es nicht noch einmal
erleben zu müssen.
In
einer Ecke war ein Angestellter des Flugplatzes damit beschäftigt Satellitenkatzen
zu studieren. Die waren, zumindest laut Starlight, wesentlich fortschrittlicher
als beispielweise unsere faltbare Katze. So ganz sicher war ich mir da nicht,
denn immerhin war auch auf denen die Grenze zur Realität nicht zu sehen.
Die
meisten der Beamten wollten es uns nicht sagen, aber keiner von ihnen schien
wirklich daran zu glauben, dass sich die Grenze direkt über ihnen befand. Das
beste Argument dagegen war, dass sie nie gesehen hatten, dass jemand dort
hindurch gekommen wäre, denn es fielen immerhin keine Leute vom Himmel. Ich
hingegen hatte einen seltsamen Optimismus an den Tag gelegt, den ich wohl doch
von meiner Oma geerbt hatte.
Der
Bekannte von Lurz hatte die Sondererlaubnis bekommen auf dem Flugplatz zu
landen. Noch war er nicht da, aber in weniger als zehn Minuten sollte er
auftauchen, sodass die Mission beginnen konnte. Mehrere Pilzizisten waren damit
beschäftigt Schaulustige auf Abstand zu halten, die versuchten auf den
Flugplatz zu kommen. In der Bevölkerung hatte es sich schon herumgesprochen,
dass anscheinend jemand versuchen wollte die Bunnyplage zu beenden. Allerdings
waren die Gerüchte darüber wie genau das passieren sollte teilweise
haarsträubend.
Eins
davon besagte, dass wir eine Laserwaffe mit an Bord nehmen würden, mit der wir
die Bunnys von oben mithilfe eines neuartigen Zielgerätes einfach abschießen
würden. Als ob es so einfach wäre.
Der
momentane Plan sah vor, dass wir mit dem Hubschrauber so nah wie möglich an die
Stelle flogen, an der sich der Übergang zur realen Welt befinden sollte. Dann
würde sich unsere Autorin bei NaNoWriMo anmelden, was sie hoffentlich in diese
Welt verschlagen würde. Dadurch sollte sich die Grenze so lange öffnen, dass
wir die geöffnete Phiole mit den NaNo-Bots, die den gruppalen Infekt
verursachten, einfach durch das Loch schießen konnten. Soweit zumindest die
Theorie.
Anscheinend
hatte jedoch nicht nur der menschliche Teil der Bevölkerung mitbekommen, dass
etwas im Busch war. Ganze Scharen von Plotbunnys hatten sich um das Gelände
versammelt. Ob sie wussten was wir vorhatten und darauf hofften, dass wir neue
Autoren ins NaNo-Land bringen konnten, denen sie auf den Geist gehen konnten,
ob sie Angst vor dem hatten was wir versuchten und uns aufhalten wollten, oder
ob sie einfach von der großen Menschenmenge angezogen wurden… wir hatten keine
Ahnung.
Blue
hatte ein anderes Argument gegen unseren Plan. Auf einmal schienen ihm davon
unglaublich viele einzufallen.
„Wird
es nicht ewig dauern bis die neuen Wrimos ankommen? Wir haben schon den 24.
Oktober! Bis die sich mit dem gruppalen Infekt angesteckt haben, hat NaNo schon
längst begonnen! Die werden sich doch gar nicht trauen mitzumachen!“
Die
Koordinatoren des Flugplatzes standen in der Nähe und sahen nun interessiert zu
uns hinüber. Das bedeutete wohl alle stellten sich diese Frage.
Glücklicherweise hatte ich mir noch etwas über den gruppalen Effekt
durchgelesen als wir den Tag im Hotel verbracht hatten. Das zahlte sich
wirklich aus.
„Der
gruppale Infekt wirkt unglaublich schnell“, erklärte ich. „Er verbreitet sich
in Windeseile, sodass wir eigentlich schon nach wenigen Minuten mit neuen
Autoren rechnen können.“
„Aber
wo tauchen die dann auf?“ Blue gab einfach keine Ruhe.
Dazu
hatte ich zum Glück etwas in meinem schlauen Buch gelesen. Wir hatten
Himmelrich und Mathilda wirklich mehr zu verdanken als sie wussten.
„Sie
tauchen in der Genregegend auf, in der ihre Geschichte spielt. Wenn sie keine
wirkliche Idee haben, landen sie in Schreibstadt.“
Das
würde besonders praktisch sein, da sich dort immer noch die meisten Plotbunnys
befanden. Der Rest der hoffentlich eintreffenden Autoren würde sich über das
ganze NaNo-Land verteilen, sodass überall gleichzeitig das Plotbunnyproblem
angegangen werden würde. Blue sah nicht überzeugt aus, aber in diesem Moment
kam einer der Fluglotsen zu uns.
„Euer
Helikopter ist im Anflug informierte er uns.“ Dann verzog er das Gesicht als
hätte er in eine Zitrone gebissen. „Aber… seid ihr euch sicher, dass ihr mit
dem Teil fliegen wollte?“
„Natürlich!“,
rief meine Oma. „Das ist ein Freund von Lurz, die sicherste Möglichkeit zu
reisen!“
Nun
war ich diejenige, die nicht ganz überzeugt war. Der Gesichtsausdruck des
Fluglotsen hatte mich beunruhigt. So sehr meine Oma ihn auch in Schutz nehmen
mochte, Lurz war nicht gerade der zuverlässigste Mensch. Es sähe ihm ähnlich
uns jemand komplett Verrücktes zu empfehlen. Wie sich herausstellen sollte, war
es noch viel, viel schlimmer.
Jetzt machst du mir ein schlechtes Gewissen... meine armen Chars aus "Schattenmagier".
AntwortenLöschenWieso?
LöschenNaja <.< Bei der Szene als sie versuchen die Autorin zu überreden beim NaNo mitzumachen ^^ Ich stell mir meine Truppe jetzt vor wie sie in der Wüste sitzen und versuchen mich zu überreden XD
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