Blues Zweifel waren unberechtigt. Es
funktionierte mehr als gut. Die MLs aus dieser Region waren genauso nett wie
die aus unserer und versprachen sofort alles ihnen Mögliche zu tun, um uns
dabei zu helfen die Verwandtschaf von Freundschaf zu finden. Leider hatten sie
noch nie von einem Gefängnis für Freundschafe gehört. Dafür besorgten sie uns
eine Unterkunft – wieder mal ein Hostel. Die waren wir ja mittlerweile gewöhnt.
Zuerst hatten die MLs angeboten uns in einem
großen, teuren Hotel unterzubringen, aber alle (außer Blue) hatten sofort
protestiert und gemeint eine günstigere Unterkunft wäre mehr als in Ordnung. Wenn
unser Aufenthalt hier auch nur annähernd so lief wie sonst auch, würden wir
sowieso nicht lange bleiben.
Außerdem hatten sie angeboten uns Karten für das
Ballett der Wiener Staatsopfer zu besorgen, doch wir wollten unsere Zeit lieber
damit verbringen die Freundschafe zu suchen. Auch wenn sich das sehr…
interessant anhörte. Wenn auch besorgniserregend.
Immerhin bekam Blue endlich etwas zu essen,
was seine Laune ein wenig verbesserte. Wir hatten uns einen kleinen Pub
gesucht, um dort etwas zu essen und saßen zusammen im Schankraum. Der Name des
Pubs war „Skorion“ – was auch immer das zu bedeuten hatte. Vielleicht war es
eine seltsame Art von Skorpion? Oder ein Sternzeichen? Was auch immer es war,
das Essen war nicht schlecht.
Wir waren mit „bitte nehmen Sie hier Prost!“
begrüßt worden, was Blue besonders gefreut hat. Er hatte sofort ein Bier
bestellt. Ich hatte mich mit einer kalten Kirschlimonate zufrieden gegeben. Das
war ein Getränk, das aus Kirschen, Limetten und Tomaten gemacht war. Es
schmeckte besser als es sich anhörte. Dann bestellten wir das Essen.
Zuerst hendelte es – was bedeutete, dass sowohl
meine Oma als auch ich Hähnchen bekamen. Phoenix aß mitgebrachtes
Gehirn-Substitut. Es sah recht unappetitlich aus, war aber besser als die
Alternative. Blue bestellte sich zu seinem Bier Wurstsemmel. Es sah aus wie
Semmeln belegt mit Wurst. Das war definitiv normaleres Essen als wir bisher
gehabt hatten.
Hannes sah so aus als wollte er eine lästige
Fliege versuchen, die schon seit geraumer Zeit um unseren Tisch flog und uns
allen auf die Nerven ging. Als er schließlich seine Zunge vorschnellen ließ und
die Fliege verschluckte, waren wir ehrlich gesagt alle recht erleichtert.
Zum Nachtisch bot uns der Kellner ein Stück
Schokoloda an. Blue sah ihn nur etwas schokiert an, denn aus Versehen war der
Kellner gestolpert und die Schokolade war in seinem Gesicht gelandet. Der
Kellner schaute erschrocken in Richtung Kükentür. Das war die Tür zur Küche,
die aus unerfindlichen Gründen die Form eines Kükens hatte.
„Oh mein Gott, das tut mir so leid!“,
entschuldigte er sich sofort. „Bitte beschweren Sie sich nicht beim Küchenchef.“
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihm
das öfter passierte und er schon mehrmals Ärger deswegen gehabt hatte.
„Ihr könnte die Schokoloda auch umsonst haben“,
bot er an.
„Da das Zeug sowieso über mein halbes Gesicht
verteilt ist… warum nicht?“
Bedeutete das, dass Blues Laune sich hob? Oder,
dass der Liebestrank noch wirkte? Vielleicht war er auch durch das gute Essen
besänftigt. Der Kellner sah jedenfalls sehr erleichtert aus und ließ uns die
Schokoloda da.
„Pub Brawl!!!“, schrie plötzlich jemand.
Ich duckte mich, als es wieder begann zu
hendeln, dieses Mal weil jemand anfing mit seinem Essen zu werfen.
„Ahhh!“
Ich fand mich unter dem Tisch kauernd wieder,
direkt neben Hannes. Über mir gab es ein seltsam dumpfes Geräusch und ich
traute mich den Kopf über die Tischkante zu strecken. Meine Oma hatte ihren
Regenschirm aufgespannt und das fliegende Hähnchen abgewehrt.
„Was zum Teufel ist hier los?“, fragte ich.
Unsere ganze Gruppe hatte Schutz hinter dem
Regenschirm gesucht, während die ungewöhnlichen Geschosse von ihm abprallten.
„Das ist ein Pub Brawl“, erklärte Phoenix. „Normalerweise
wird das ab und zu im November veranstaltet. Jeder Teilnehmer schreibt 500
Wörter – aber nicht an seiner eigenen Geschichte, sondern an der eines anderen.“
„Aber… das könnte doch die ganze Geschichte
durcheinander bringen!“, meint Blue entgeistert.
„Natürlich müssen die nicht weiterverwendet
werden und es wird auch niemand zum Teilnehmen gezwungen - aber es kann sehr
lustig sein“, meinte Phoenix.
„Warum kämpfen die Leute dann auf einmal und
werfen Hähnchen, wenn es doch normalerweise ums Schreiben geht?“, wollte ich
wissen.
Phoenix zuckte mit den Schultern. „Vielleicht
ist das die Variante, die außerhalb vom NaNo veranstaltet wird?“
Ich zuckte zusammen als der Koch mit lautem
Geschrei aus der Küche gestürmt kam, einen Kochlefel schwingend. Bevor er
irgendjemandem einen Schlag damit versetzen konnte, wurde er jedoch von einem Einweghandschuah
getroffen.
„Jo voi leiwand Seppl, a Schuach!“, schrie
jemand vom anderen Ende des Raumes.
„Äh…“ Ich versuchte die Person ausfindig zu
machen, aber vergeblich. „Was genau bedeutet das? Hatte das überhaupt etwas mit
dem Kampf zu tun.“
Blue sah mich verwirrt an. Vermutlich hatte
auch er keine Idee. So oder so, bevor wir weiter spekulieren konnten, begann
eine Frau mit einer Handtasche auf Omas Regenschirm einzuschlagen.
Tatäschlich war es eine Tatasche. So eine
hatte ich mir mal fast gekauft. Darin konnte man Taten oder sogar Tatsachen
aufbewahren. Momentan war sie allerdings eher nervig, sodass meine Oma die
Besitzerin mit einem Schlag des im Regenschirm enthaltenen Starbs schlafen
schickte.
Ein Tastatier rannte vor unseren Füßen
entlang. Es sah aus wie eine Tastatur, die man an ein Tablet oder sowas
anschließen konnte und es zog ein langes USB-Kabel hinter sich her. Seine
Tasten klapperten und eine Spur aus Buchstaben folgte ihm. Niemand sonst schien
es zu beachten und es verschwand durch die Eingangstür.
„Äh…“ Dazu würde ich nichts weiter sagen.
Ablenkung kam sogleich in Form eines Mannes,
der ebenfalls den aufgespannten rosa-geblümten Regenschirm erspäht hatte. Um ehrlich
zu sein war der vermutlich schwer zu verfehlen.
Sobald er an unserem Tisch ankam begann er
seine Gliedmaßen seltsam ruckartig zu bewegen. Ein Arm traf Freundschaf, das
ein klägliches „Mäh!“ ausstieß und versuchte sich unter eine Sitzbank zu
quetschen. Leider war es ein wenig zu füllig, sodass es aussah als hätte jemand
versucht ein überdimensionales, sehr flauschiges Kissen zu verstauen.
„Das ist Krampfkunst - der neueste Schrei in
Martial Arts“, erklärte Blue.
Was auch immer es war hatte keine Chance
gegen meine Oma, die auch diesen Angreifer mit ihrem Schirm einen Schlag auf
den Kopf verpasste. Sofort fiel er zu Boden. Dafür, dass er Freundschaf so
erschreckt hatte, hoffte ich, dass er vom Aufprall ein paar blaue Flecken
behalten würde.
„Das ist doch ein Schwert, oder?“, rief jemand
anderes. „Lass uns kämpfen!“
Ein Mädchen hatte den Platz des nun
schlummernden Mannes eingenommen. Es hatte ebenfalls ein Schwert an der Seite
und ihre Hand befand sich am Knauf.
„Lass uns…“
Weiter kam sie nicht, denn auch sie wurde vom
Regenschirm/Starb niedergestreckt. Wir konnten nur mit aufgerissenen Augen zusehen
wie sich meine Oma den Weg durch den Raum bahnte und eine Person nach der
anderen zu Boden ging. Manchmal vergaß ich wie mächtig ihr Regenschirm sein
konnte, wenn sie es wollte.
Der Kellner, der als einziger nicht beim Kampf
mitmachte, sondern sich hinter dem Tresen zusammengekauert hatte, wagte es den
Kopf hervorzustrecken, sobald der Kampfeslärm etwas nachgelassen hatte. Beim
Anblick meiner Oma schluckte er. Dann wanderte sein Blick über die schlafenden Leute
unter denen auch der Koch war, immer noch den Löffel in der Hand haltend.
„Und ich muss das wieder aufräumen…“, seufzte
er nur.
Er verschwand durch die Kükentür, nur um kurz
danach mit einem Wischbären unter dem Arm wieder in den Gastraum zu kommen. Den
setzte er in die Mitte des Raumes und schnappte sich dann einen Besen. Er
begann das zerbrochene Geschirr, die geworfenen Hähnchen und alles andere zur
Seite zu fegen, während der Wischbär sich um die Reste kümmerte und einen
sauber gewischten Boden hinterließ.
„Ähm… entschuldigung…“, meinte Phoenix
plötzlich. „Ich glaube die Eingangstür ist versperrt.“
Tatsächlich hatte es irgendjemand fertig
gebracht ein Energiefeld vor die Eingangstür zu zaubern. Phoenix versuchte
gerade hindurchzukommen, doch das Schild warf sie immer wieder zurück.
„Oh. Dann müsst ihr wohl warten. Das war
vermutlich Amanda.“
Er deutete auf eine blonde Frau, die
schnarchend über einem Tisch lag.
„Sie ist eine Magierin. Und eine ziemlich
mächtige noch dazu. Das Ding hält vermutlich mehrere Stunden. Oder einen Tag.
Wenn sie betrunken ist macht sie manchmal seltsame Dinge…“
Der Kellner widmete sich wieder dem Besen und
dem Wischbären.
„So lange haben wir aber nicht! Wir müssen
versuchen die Freundschafe zu finden!“, beschwerte sich Hannes.
Er hatte sich zusammen mit Freundschaf unter
der Bank versteckt, was vermutlich besser für ihn war, wenn man es genau sah.
Der Kellner zuckte nur mit den Schultern und
ignorierte uns. Zumindest bis meine Oma ihm den Regenschirm vor die Brust
hielt.
„Junger Mann, es ist sehr unhöflich seine
Gäste so zu behandeln. Es muss doch eine Hintertür geben!“, meinte sie.
Der Kellner schielte misstrauisch auf den
Regenschirm. Dann blickte er zurück auf die ganzen Leute, die in der Kneipe
verteilt lagen. Er schluckte und legte endlich den Besen zur Seite.
„K-keine H-hintertür. A-aber einen G-gang g-gibt
es.“ Er deutete mit einem zitternden Arm auf die Kükentür. „Hinter d-dem
Tiefkühl-s-schrank…“
„Danke.“ Meine Oma nahm den Schirm herunter
und schritt würdevoll durch die Kükentür.
„Ist die immer so?“, fragte der Kellner.
„Nur wenn sie genervt ist“, meinte ich
zwinkernd und folgte meiner Oma durch die Tür.
Diejenige, die den Kühlschrank verschob war
allerdings Phoenix. Mit dem ganzen Essen drin war der ziemlich schwer, aber als
Zombie stellte das kein Hindernis für unsere Freundin dar. Dahinter kam
wirklich ein Tunnel zum Vorschein. Warum waren es immer Tunnel?
Meine Einschätzung musste ich bald
zurücknehmen, denn der Tunnel weitete sich bis wir in einem Kellerraum standen.
An den Wänden waren Regale aufgereiht, auf denen nebeneinander mehrere Hüte
lagen.
„Huten Morgen“, meinte Blue.
„Was?“ Ich sah ihn verwirrt an.
Er deutete nur auf das Schild, das er gerade
vorgelesen hatte. Es prangte über einem der Regale. Am anderen Ende lief der
Raum wieder spitz zu. Der Keller der Hüte entpuppte sich als langer Gang. Also
doch wieder ein Gang.
„Na dann auf geht’s“, meinte ich nur.
Wenn ich heute eins gelernt hatte, dann dass
die Österreicher genauso verrückt waren wie die Wrimos in meiner Region.
Ich stell ja sonst eher ungern Bitten... aber von dieser Eskalation hätte ich zu gerne ein Bild :)
AntwortenLöschenOh je. Ich weiß nicht, ob ich das malen werde. Bilder mit vielen Leuten und vielen Gegenständen sind teilweise recht schwer zu malen...
LöschenDas war auch mehr dahingesagt ;) Ich kann mir vorstellen wie aufwändig das ist, von daher nimm die Bitte nicht so ernst :)
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